NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Wir wünschen allen unseren Leserinnen und Lesern ein fröhliches Weihnachtsfest und ein gutes, gesundes und glückliches Neues Jahr!

Datum: 21. Dezember 2007 um 16:59 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit
Verantwortlich:

Liebe Leserin, lieber Leser der NachDenkSeiten,

2007 sei „kein Jahr der Information“ gewesen, so begründete der ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut im „Spiegel“ unter anderem den Rückgang der Zuschauerquote bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern. Für die NachDenkSeiten war es offenbar ein Jahr mit vielen Informationen, denn wir haben die Zahl unserer täglichen Besucherinnen und Besucher seit unserem letzten Neujahrsgruß verdoppelt. Vielleicht gab es im zurückliegenden Jahr keine spektakulären Ereignissen wie Neuwahlen oder Skandale, und bei einer Großen Koalition mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit werden viele Streitfragen hinter verschlossenen Türen ausgetragen; auch ist die Opposition personell und von den Arbeitskapazitäten her zu schwach, um Kontroversen in die Öffentlichkeit zu tragen. Zudem interessieren sich die Medien ohnehin mehr für diejenigen, die an der Macht sind. Das ist vermutlich der Grund für das Desinteresse an dieser Art von Medien.

Nun wollen wir uns gewiss nicht mit den großen Fernsehsendern vergleichen, doch wir von den NachDenkSeiten hatten im vergangenen Jahr – fast müsste man sagen: leider – mehr Stoff, als wir bearbeiten konnten. Bei allen Unzulänglichkeiten wünschen wir uns, dass wir Ihnen auch im Laufe dieses Jahres ein hilfreicher kritischer Begleiter der täglichen Ereignisse waren.

Einer unserer ersten Beiträge zu Beginn des Jahres hatte die Überschrift: „Die Reformen greifen! Aber wo greifen sie hin?“. Wir haben dort aufgelistet, wie von der Mehrwertsteuererhöhung angefangen über die Senkung der Pendlerpauschale bis hin zur Kappung der Feiertags- und Nachtzuschläge oder die Besteuerung der Rente ganz überwiegend nur die Taschen der Normal- und Geringverdiener belastetet werden.
Die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich war auch in diesem Jahr wieder eines unserer Hauptthemen. Diese Kluft hat zugenommen. Die Hauptleidtragenden sind die vielen Kinder, die in Armut leben müssen und aus dieser, so wie die Verhältnisse zurzeit sind, ihr Leben lang kaum mehr herauskommen.
Eine unserer Leserinnen hat uns im Mitgefühl für das Weihnachtsfest von Kindern von Hartz IV-Empfängern ein Gedicht von Erich Kästner aus dem Jahre 1928 zukommen lassen, das leider an Aktualität nichts verloren hat. Wir wollen Ihnen dieses Fundstück nicht vorenthalten:

Weihnachtslied
Chemisch gereinigt

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte Euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch Eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht so weit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bißchen durch die Straßen!
Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
Macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen –
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
Denn im Ofen fehlt’s an Holz!
Stille Nacht und heil’ge Nacht –
Weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt für’s Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit . . . .
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Richtig: Gott, die Globalisierung oder die demografische Entwicklung sind nicht dran schuld, wir alle sind aufgefordert, die Verhältnisse zu ändern und zu verbessern.

Ein Blick in die Zeitungen oder auf die Fernsehnachrichten belehrt uns allerdings, dass gerade in der letzten Zeit die Fürsprecher des „Weiter so!“ – nehmen wir dazu nur das Interview des ehemaligen Superministers Clement in der Süddeutschen Zeitung als Beispiel – besonders renitent auftreten. Aber darin kann man auch ein hoffnungsvolles Zeichen sehen, Clement ist weg und kaum einer im Lande bedauert das. Es ist einsam um ihn geworden.

Wenn wir die Vielzahl der täglich eingehenden Mails lesen, wenn wir Vorträge oder Lesungen halten und auf ein hochinteressiertes Publikum treffen, wenn wir die vielen Aufforderungen sehen, örtliche NachDenkSeiten-Gesprächskreise zu bilden, wenn wir die zunehmende Zahl der Bürgerbewegungen gegen den Ausverkauf von Gemeineigentum feststellen, so haben wir den Eindruck, es gibt eine sich verstärkende Grundströmung, die sich gegen den vorherrschenden Meinungsstrom aufstaut. Der Mindestlohn für die Briefzusteller ging durch den Bundesrat, selbst der Bundespräsident und die Kanzlerin kommen nicht mehr umhin, die Obszönität der Managergehälter anzuprangern, das Image eines der wichtigsten Souffleure der Macht, der Bertelsmann Stiftung, ist angekratzt. Das sind nur einige Beispiele dafür, dass die Stimmung in der Bevölkerung von den Politikern nicht mehr völlig übergangen werden kann.

Aber machen wir uns nichts vor, auch eine noch so dick aufgetragene Kosmetik macht das darunter liegende wahre Gesicht der nach wie vor herrschenden sog. Reformpolitik nicht weniger hässlich. Eine Umfrage des konservativen Allensbach-Instituts zeigt das ziemlich realistische Bild hinter der Tünche. Zwei Drittel der Menschen meinen, dass der sog. Aufschwung an ihnen vorbeigeht, noch viele mehr befürchten weitere Leistungskürzungen, und gerade mal ein Drittel der ostdeutschen Arbeitnehmer halten ihren Arbeitsplatz für sicher. Die Hälfte der befragten Bürgerinnen und Bürger vertreten die Auffassung, dass die soziale Hierarchie in Deutschland zementiert und sozialer Aufstieg auch bei großer Anstrengung nicht möglich ist.

Wer fast 5 Jahre nach Ausrufung der Agenda 2010 immer noch behauptet, diese Art von Reformpolitik habe nur ein Vermittlungsproblem, hat ein Problem mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit – und das ist wohl das Problem der überwiegenden Mehrheit in Politik und Medien.

Es bleibt also noch viel zu tun, um der Wahrnehmung der Mehrheit der Bevölkerung öffentlichen und politischen Ausdruck zu verleihen, um eine Umkehr vom politischen Holzweg zu erreichen. Die NachDenkSeiten wollen dabei nach Kräften mitwirken. Das geht nicht ohne Ihr Engagement und Ihre Unterstützung. Alle unsere Leserinnen und Leser sollen wissen, dass wir täglich von ganz vielen engagierten Menschen Hilfe, Hinweise, Argumente, Informationen und Ratschläge bekommen. Dafür danken wir allen, die mitmachen, auch im Namen unserer Besucherinnen und Besucher ganz herzlich.

Sie und nur Sie, liebe Leserin und lieber Leser, haben mit ihren Empfehlungen dafür gesorgt, dass wir unseren Leserkreis verdoppeln konnten.

Ganz besonders bedanken möchten wir uns bei allen, die uns durch ihre Spende oder ein Förderabo finanziell unterstützt haben. Wir Herausgeber müssten mindestens eine Woche Sendepause machen, wenn wir uns bei Ihnen allen persönlich bedanken wollten. Sehen Sie uns bitte die Verletzung dieser Dankespflicht nach und nehmen Sie unsere tägliche Arbeit als kleinen Dank dafür an.

Am 30. November haben wir Ihnen sechs Projekte vorgestellt, mit denen wir nicht nur die NachDenkSeiten als kritische Informationsquelle stärken und unseren Service für unsere Leserinnen und Leser verbessern wollen, sondern das inzwischen gewachsene Netzwerk alternativer Meinungen gegen eine zunehmende Meinungsmache festigen und ausbauen möchten.
Wir haben Sie dafür herzlich um Ihre Unterstützung gebeten. Vielleicht rufen Sie diesen Beitrag über die Festtage noch einmal auf und lassen sich ihn noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen. Die NachDenkSeiten brauchen Sie!

Und noch einen großen Wunsch haben wir an Sie für das Neue Jahr: Lassen Sie sich nicht klein kriegen und lassen Sie nicht nach, Ihre Meinung offensiv zu vertreten, besuchen Sie weiter die NachDenkSeiten und helfen Sie weiter mit, die Meinungsvielfalt zu stärken, damit sich durch eine aufgeklärte Gegenöffentlichkeit die Qualität der öffentlichen Debatte und damit letztlich auch die Qualität der politischen Entscheidungen erhöht.

In dieser Hoffnung wünschen wir Ihnen persönlich und Ihren Familien ein nachdenkliches und doch fröhliches Weihnachtsfest, ein wenig Erholung zwischen den Jahren und ein glückliches, gesundes und gutes Neues Jahr.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Lieb, Ihr Albrecht Müller,
Ihr Webmaster Lars Bauer – www.medienpalast.de


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