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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Diese Herrschaften beherrschen künftig die Unis
Datum: 20. Dezember 2007 um 9:50 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Hochschulen und Wissenschaft, Lobbyismus und politische Korruption
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Gestern haben wir auf einen lesenswerten Beitrag von Martin Kaul über die wissenschafts- und demokratieschädlichen Folgen der Unterwerfung der Hochschulen unter den Primat der Ökonomie hingewiesen. Ich selbst habe schon in mehreren Artikeln davon berichtet, dass wenn man die bisher eingesetzten Hochschulräte in ihrer Zusammensetzung einmal durchgeht, man bei den meisten Hochschulen mit Hochschulräten ehrlicherweise statt von „unternehmerischen“ eher von Unternehmensführern gesteuerten oder wesentlich bestimmten Hochschulen sprechen müsste. Der am 15.12.07 ernannte Hochschulrat der Technischen Universität Dortmund liefert dafür einmal mehr eine Bestätigung. Wolfgang Lieb
Der Hochschulrat besteht laut Grundordnung der Uni Dortmund aus 8 ausschließlich hochschulexternen Mitgliedern. Zu den vom nordrhein-westfälischen „Innovationsministerium“ ernannten Hochschulräten gehören:
Dr. Bettina Böhm, Leiterin der Abteilung Human Resources der European Space Agency in Paris. Die ESA wurde am 30. Mai 1975 zur besseren Koordinierung der europäischen Raumfahrtaktivitäten gegründet, um den technologische Rückstand in der Raumfahrt gegenüber der UdSSR und den USA aufzuholen. Hauptauftragnehmer und Geschäftspartner der ESA sind natürlicherweise die europäischen Technologie- und Rüstungskonzerne, und dementsprechend sind auch die Forschungs- und Entwicklungsinteressen der ESA geprägt.
Edwin Eichler, Vorstandsmitglied ThyssenKrupp AG, Vorstandsvorsitzender ThyssenKrupp Services AG, Vorstandsvorsitzender ThyssenKrupp Elevator AG. Eichler war ehemals Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Industrie AG, die im Jahr 2000 zur Bertelsmann Arvato AG umfirmierte. ThyssenKrupp ist schon seit mehreren Jahren enger Kooperationspartner der Dortmunder Uni.
Hans Jaeger, Geschäftsführender Gesellschafter der in Dortmund ansässigen Jaeger Akustik GmbH & Co, Anbieter komplexer Lösungen für einen modernen und hochwertigen Innenausbau.
Prof. Dr. Ernst Rank, 1. Vizepräsident der TU München. Er hat sich dort vor allem um die technologische Vorwärtsstrategie „innovaTUM-2008“ und für eine den technischen Studiengängen angemessene Umsetzung des sog. „Bologna-Prozesses“ mit gestuften Bachelor- und Master-Studiengängen eingesetzt. Die TU München ist mit den höchsten Drittmitteleinnahmen aller deutschen Hochschulen in Deutschland die „unternehmerischste“ Universität. Mit Rank soll wohl ein wenig Glanz der „Elite“-Uni TU München nach Dortmund abstrahlen.
Ulrich Reitz, Chefredakteur der WAZ. Reitz kam von den konservativen Blättern „Welt“, „Focus“ und „Rheinische Post“ und machte aus der bodenständig sozialdemokratischen Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) mit dem „Dampfhammer“ ein neoliberales Missionsblatt. Reitz ist ein erklärter „Marktliberaler“, der Hartz IV-Empfängern schon mal „schmarotzerhafte Mitnahme-Mentalität“ vorwirft. Er ist ein eloquenter und in den Medien gern gesehener Hardliner eines wirtschaftsliberalen, politischen Reformkurses.
Prof. Dr. Karin Sanders, Universität Twente, Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie.
Reinhold Schulte, Vorstandsvorsitzender der SIGNAL IDUNA Holding AG, ein Konzern, der Versicherungen und Finanzdienstleistungen anbietet. Schulte ist zugleich Vorstandsvorsitzender des Verbandes der privaten Krankenversicherung. Zitat: „SIGNAL IDUNA ist traditionell der starke Partner von Handwerk, Handel und Gewerbe, wenn es um Versicherungen und Finanzen geht.“. Signal Iduna ist Sponsor des örtlichen Bundesliga-Clubs BVB und hat sich in Dortmund schon den Namen des Dortmunder Westfalenstadions (ehemals Kampfbahn „Rote Erde“) gekauft, das jetzt bekanntlich Signal Iduna Park heißt.
Prof. Dr. h.c. Joachim Treusch, Präsident der Jacobs University Bremen. Die heutige Privatuni aus der „Kaffeekasse“ hieß ehemals International University Bremen und sollte nach dem Konzept der „Rice University“ (Houston, Texas) nach amerikanischem Vorbild von Spenden aus der privaten Wirtschaft leben. Als dieser vom Land Bremen mit 118 Millionen Euro (nebst 40 Mio. € aus der Hochschulbauförderung des Bundes und zusätzlich noch einen Kredit des Landes in Höhe von 50 Mio. €) angeschobenen Hochschule angesichts mangelndem privaten Spendenflusses „das Wasser bis zum Hals stand“, kaufte sie – sozusagen als „Jacobs Krönung“ – Klaus J. Jacobs, Gründer der Jacobs Foundation, in der das Vermögen aus dem Verkauf des Familienkonzerns Jacobs Suchard liegt, mit einer Finanzzusage von bis zu 200 Millionen auf. Jacobs ist nicht nur Kaffeeröster und Schokoladehersteller (Suchard), er ist auch Großaktionär des Zeitarbeitskonzerns Adecco.
Treusch soll dieses Sponsoring für die erste deutsche, nach einem Unternehmer benannte, private Uni eingefädelt haben. Stiftungspräsident Christian Jacobs nannte die Hochschule einen “leistungsstarken Verbündeten”. Für wen oder für was wohl?
Treusch soll nun wohl den Geist seiner Unternehmer-Hochschule in die Technische Universität Dortmund einbringen.
Von den 8 Hochschulratsmitglieder sind somit 3 (Eichler, Jaeger, Schulte) direkt aus der Wirtschaft, 2 weitere (Böhm und Treusch) kommen aus einem wirtschaftsnahen Umfeld, Ulrich Reitz ist ein ausgewiesen wirtschaftfreundlicher Journalist und Ernst Rank ein exponierter Vertreter der „unternehmerischen“ Hochschule.
Das sind also die Herrschaften, die künftig die TU Dortmund beherrschen werden.
Sie beraten nach § 5 der Grundordnung das Rektorat und üben die Aufsicht über dessen Geschäftsführung aus, sie wählen und entlasten künftig die Hochschulleitung, sie stimmen dem Hochschulentwicklungsplan und dem Entwurf der Zielvereinbarung mit der Landesregierung zu, sie stimmen dem Wirtschaftsplan und der „unternehmerischen“ Hochschultätigkeit zu, sie nehmen Stellung zum Rechenschaftsbericht der Hochschulleitung, sie geben Stellungnahmen in Angelegenheiten der Forschung, Kunst, Lehre und des Studiums ab.
Wie die TU Dortmund selbst mitteilt, ist der Hochschulrat „vergleichbar mit einem Aufsichtsrat – das oberste Leitungsgremium der Universität“.
Die vom WAZ-Konzern des Herrn Reitz herausgegebene Netzzeitung „Der Westen“ schreibt dazu unter der Überschrift „Neuer Rat(-schlag)“:
An unseren Hochschulen versammeln sich die klügsten Köpfe. Gehen wir mal davon aus, dass es üblicherweise so ist. Braucht eine Universität bei so viel Klugheit da noch ein Aufsichtsgremium? …
Erstmals in ihrer Geschichte hat die Universität einen Hochschulrat. Der ist wahrlich kein Kaffeekränzchen, denn er entscheidet über Weitreichendes mit: Wer Rektor wird. Ob die Finanzen stimmen. Wie sich die Uni künftig aufstellt. Relevanz-Themen also.
Ganz bewusst besteht dieses Gremium aus Führungskräften großer Firmen: Thyssen-Krupp, Signal Iduna, die WAZ. Ganz bewusst holt man sich Rat von Hochschulen, die vieles anders machen und manches besser. Ganz bewusst verzichtet man auf Politiker und Lokalproporz. Ganz bewusst wählt man einen mittelständischen Unternehmer.
Für den akademischen Alltag auf dem Campus mag das alles zunächst wenig bedeuten. Andererseits: Wenn der Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die Internationalisierung von Lehre und Forschung auf höchster Ebene institutionalisiert werden, heißt das nichts anderes als: Die Zeiten des Elfenbeinturms sind endgültig vorbei.
Um „die Internationalisierung von Lehre und Forschung auf höchster Ebene“ zu institutionalisieren, braucht es nach Ansicht der WAZ eben die Führungskräfte der Wirtschaft – alles andere ist „Elfenbeinturm“.
Der „Rat(-schlag)“ etwa der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, von Vertretern der Kunst, (oh Schreck) von Arbeitnehmervertretern oder anderer, gesellschaftlich relevanter Gruppen ist da nicht mehr gefragt.
Der Hochschulrat in Dortmund ist tatsächlich ein „Schlag“ gegen eine demokratische Hochschule und eine Hochschule in der Demokratie.
Wie schreibt Martin Kaul in der taz so richtig:
„Wenn … die sozial- und naturwissenschaftlichen Kenntniswelten ihren Wert nur noch aufgrund ihrer Verwertbarkeit erhalten, dann werden einer demokratischen Auseinandersetzung mit sich selbst die Grundlagen entzogen. Weil unbequeme Antworten ausbleiben.“
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