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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: OECD: Hartz IV ist Luxus
Datum: 14. Dezember 2007 um 9:06 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Hartz-Gesetze/Bürgergeld, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
So oder so ähnlich heißt es in der großen Mehrheit der Zeitungen, die über eine so genannte Studie der wirtschaftsnahen OECD berichten. Wir dokumentieren Ihnen dazu einfach einmal einen kleinen Teil der Schlagzeilen, die google.news-Suche reproduziert. Statt eines Kommentars zitieren wir aus einem Interview mit Professor Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation in der Frankfurter Rundschau. Wolfgang Lieb
Usw. usf.
Die Zielrichtung dieser „Studie“ ist klar, und entsprechend sind auch die Schlagzeilen: Arbeitslosen Hartz IV –Empfängern gehe es verhältnismäßig glänzend, und deswegen müssten die Regelsätze weiter gesenkt werden, um entsprechende „Anreize“ (sprich: ökonomischen Druck) zur Arbeitsaufnahme ausüben zu können.
Dagegen eine einsame Stimme in einer kleinen Meldung der Frankfurter Rundschau Gerhard Bosch nennt die Angaben zum OECD-Durchschnitt zu den Hilfen für Arbeitslose „deprimierend“. Deutschland sollte sich nicht daran orientieren, denn zur OECD gehörten Länder mit relativ niedrigem Wohlstandsniveau wie Ungarn und Nationen mit “minimalistischem Sozialstaat” wie die USA, die als Vorbilder ungeeignet seien. Er verweist darauf, dass inzwischen sogar in Großbritannien die Hilfen mit 41 Prozent höher seien als in Deutschland.
Dass 36 Prozent des früheren Nettolohns keinen Arbeitsanreiz schafften, nennt Bosch „Vulgärpsychologie“. Die meisten Menschen wollten arbeiten, unabhängig von staatlichen Hilfen. Zudem sei es “absolut sinnvoll”, wenn gut ausgebildete Leute nicht irgendeine schlecht bezahlte Stelle annehmen, auf der sie ihre Qualifikation nach und nach verlieren. “Wir schaden uns, wenn wir einen Teil der Bevölkerung ins Elend abstürzen lassen”, betont der Volkswirt.
Das in der OECD-Studie zugrunde gelegte Weltbild einer Senkung der „Preise“ für die Arbeit entspricht der eindimensionalen Logik neoklassisch orientierter Ökonomie. Sie geht davon aus, dass der Arbeitsmarkt immer im Gleichgewicht wäre (es also keine Arbeitslosigkeit gäbe), wenn nur der Preis für die Arbeit niedrig genug wäre. Denn wenn die Arbeit zu teuer ist – so die Annahme -, werden die hergestellten Produkte des Unternehmens zu teuer und es kann sie nicht mehr auf dem Markt absetzen. Oder andersherum, solange die Arbeit zu teuer ist, ersetzt sie der Unternehmer durch den Produktionsfaktor Kapital und das schafft Arbeitslosigkeit.
Dass, um die Produkte auf dem Markt absetzen zu können, auch eine entsprechende Kaufkraft der Konsumenten (also auch der Arbeitnehmer) da sein muss, interessiert diese einzelwirtschaftliche Gleichgewichtsbetrachtungsweise nicht. Sie schielt nur auf das einzelne Unternehmen und auf das Einzelinteresse eines Unternehmers.
Dass die These von der Substitution der Arbeit durch Kapital der Weg in die Steinzeit und eben nicht in die Innovation ist, die neue Arbeitsplätze schafft, wird gleichfalls ausgeblendet.
Der Arbeitsmarkt wird in der Neoklassik eben gesehen wie der Kartoffelmarkt. So schlicht ist die Logik der Ökonomen der OECD. Und gerade weil sie so schlicht ist, drucken alle unsere Wirtschaftsredaktionen diesen Unsinn kritiklos nach. So schlicht ist eben auch das ökonomische Weltbild der meisten unserer Wirtschaftsredakteure und leider auch der ganz überwiegenden Zahl unserer Wirtschaftsprofessoren.
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