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Titel: „Ich wurde als Kebab-Discopumper beschimpft“
Datum: 4. November 2015 um 9:56 Uhr
Rubrik: Anti-Islamismus, Audio-Podcast, Interviews, Kultur und Kulturpolitik
Verantwortlich: Redaktion
Der deutsch-iranische Rapper Kaveh setzt sich für linke Grundsätze ein und ist bekannt für seine kritischen politischen Texte. In seinen Texten geht es um Imperialismus und Unterdrückung. Daher gehört auch der Nahost-Konflikt in Israel und Palästina zu Kavehs Schwerpunkten. Nachdem er in diesem Kontext vor einiger Zeit einen Track herausbrachte, der vor allem den Umgang von deutschen Linken – den sogenannten Antideutschen – mit der Situation im Gaza-Streifen und in den besetzten Gebieten kritisiert, ist der Rapper zu deren Zielscheibe geworden – und zahlreichen rassistischen Beleidigungen und Denunzierungen ausgesetzt. Für die NachDenkSeiten sprach Emran Feroz mit Kaveh.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Mit deiner Rap-Kollegin Thawra hast du vor Kurzem einen Track veröffentlicht, in dem es um Antideutsche geht. Was sind Antideutsche und warum rappt ihr über sie?
„Antideutsche“ sind eine heterogene Gruppe, die sich zur „radikalen Linken“ und der Antifa zählt. Sie wurde seit den 70er Jahren vermehrt aktiv, aber vor allem nach der Wiedervereinigung wurden sie immer einflussreicher, weil sie einen „deutschen Imperialismus“ befürchteten. Theoretisch wurden „Antideutsche“ und andere pro-israelische Kräfte am Nachhaltigsten von der Kritischen Theorie und Adornos „negative Dialektik“, Jean Améry, Eike Geisel, Wolfgang Pohrt, wertkritischen Theoretikern wie Moshe Postone und Robert Kurz, gendertheoretischen Perspektiven und islamfeindlichen Autoren wie z.B. Henryk M. Broder beeinflusst. Es gibt zwar auch „Marxisten“ und „Kommunisten“ unter ihnen, die den Kapitalismus ablehnen. Aber in der Regel halten Antideutsche oftmals kleinbürgerliche Werte hoch und vertreten neokonservative und neoliberale Standpunkte, bekunden eine uneingeschränkte Solidarität mit Israel und haben sich den Kampf gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auf die Fahne geschrieben. Trotzdem hantieren sie mit Doppelstandards, wenn es um Israel/Palästina geht und reproduzieren dadurch oftmals einen anti-muslimischen Rassismus und eurozentrische Stereotypen. Die Kritik an der israelischer Besatzung, der US-Außenpolitik oder einzelnen Kapitalisten und Konzernen (personifizierte Kapitalismuskritik) wird von einer Reihe von Zeitungen und Zeitschriften, Teilen der Linkspartei und des „ums Ganze“ Bündnisses, von Rap-Gruppen wie z.B. „Antilopengang“ oder dem sog. „Zeckenrap“ und Springstoff Umfeld mehr oder weniger als strukturell antisemitisch betrachtet, ohne dabei die Dialektik zwischen konkreter und abstrakter Kapitalismuskritik zusammenzudenken. Antizionismus wird mit Antisemitismus gleichgesetzt. Der Klassenkampf wird zudem von Antideutschen abgelehnt, weil sie die Masse lediglich als einen mit „völkischen“ Ideen durchsetzten Pöbel betrachten, der starke Affinitäten zum Faschismus aufweist. Wahrlich menschenverachtende Auswüchse nehmen in diesem Kontext die Aussagen und Texte der Antilopengang und des Rappers Roni 87 ein. In ihrem Song „Anti-Alles-Aktion“ rappt die Antilopengang, dass sie gemeinsam mit der Polizei gegen die Blockupy-Proteste in Frankfurt kämpfen und die „Wutbürger von Stuttgart 21“ verprügeln würden. Das Gefährliche an der ganzen Sache ist, dass viele Linke, die sich selbst nicht als „Antideutsche“ sehen, dennoch antideutsche Positionen vertreten und dass viele Parteifunktionäre und Aktivisten, die Probleme mit Antideutschen haben, schweigen, weil sie Angst haben, als „Antisemiten“ stigmatisiert zu werden. Der Grund, warum wir über sie rappen, hängt damit zusammen, dass wir und Genoss*innen schon viele schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht haben. Z.B. haben sie schon öfters Veranstalter dazu gebracht, mich wieder auszuladen oder versucht mich von Demos zu schmeißen, weil ich eine Kufiya anhatte. Einige Freunde wurden auch schon tätlich angegriffen. In antideutschen Bars und Clubs wie About Blank (Berlin-Friedrichshain) oder Conne Island (Leipzig) kommt man nicht rein, wenn man eine Kufiya („Palästinensertuch“) trägt. Sie haben allerdings nicht nur einen gewissen Einfluss im Kulturbetrieb, sondern auch in Antira/Antifa Strukturen und an Universitäten (z.B. in AStAs).
Kurz nach der Veröffentlichung des Tracks gab es teils sehr heftige Reaktionen im Internet. Was gab es da so zu lesen und wie kam es deiner Meinung nach dazu?
Es gab sehr viele rassistische und sexistische Kommentare und wüste Beschimpfungen, die man sich auf Youtube und Facebook durchlesen kann. Ich wurde zum Beispiel als „Kebab-Discopumper“, „Nazi“ und Ähnliches beschimpft, während Thawra als „Tinderella“, „Schlampe“ und so weiter beleidigt wurde. Natürlich waren da nicht nur Antideutsche, sondern auch offen Rechte an den Hasstiraden beteiligt. Wir haben also in ein Wespennest gestochen und die heftigen Reaktionen kamen wohl deshalb zustande, weil diese Menschen offensichtlich sehr erbost waren über unseren Track. In letzter Zeit werde ich daher von antideutschen Kreisen nicht nur als „Antisemit“, sondern auch als „Mullah“ oder„Pegida-Anhänger“ denunziert, obwohl ich schon des Öfteren sowohl gegen die iranische Regierung als auch gegen Pegida Stellung bezogen habe. Uns wird unter anderem vorgeworfen, dass unsere Distanzierung vom Antisemitismus „fadenscheinig“ sei und dass „genuin antisemitischer Ideologie nahestehende Phrasen zum Besten gegeben“ werden, ohne jegliche Belege zu bringen und trotz der Tatsache, dass wir an mehreren Stellen des Songs den Hass auf Juden klar und deutlich verurteilen und uns auch von der Hamas distanzieren. Die vermeintlichen Kritiker gehen sogar noch weiter und werfen uns vor, einen „judenfreien Nahen Osten“ zu wünschen. Der Grund: Wir benutzen arabische Städtenamen und nicht hebräische. Auch andere Vorwürfe stehen im Raum, zum Beispiel warum ich RT-Deutsch ein Interview gegeben habe, obwohl dieser Nachrichtensender auch Eva Hermann oder Jürgen Elsässer ein Podium geboten hatte. Dass ich Elsässer schon mehrmals als Rassisten kritisiert habe und seit Jahren in antirassistischen Zusammenhängen gegen Nazis, Pegida, AfD und dem strukturellen Rassismus der gesellschaftlichen Mitte aktiv bin, bleibt unerwähnt. Kein Wunder, denn ansonsten würde ja das ganze Konstrukt über meine Person in sich zusammenfallen.
Deine Musik ist sehr politisch. Was willst du damit bezwecken, vor allem bezüglich der Lage in Israel/Palästina?
Rap-Musik ist mittlerweile die populärste Jugendkultur der Welt und gehört vor allem in ärmeren Regionen des Globus zusammen mit den sozialen Netzwerken zu den effektivsten Mitteln Identitäten zu stiften, den Zuhörer zu empowern, Aufklärung zu betreiben, Denkanstöße zu liefern und sogar die Massen für Demos und Proteste zu mobilisieren. Wenn ich mit meiner Musik ein kleines Stück dazu beitragen kann, emanzipatorische Gedanken und Bewegungen zu stärken, dann bin ich schon zufrieden. Egal ob es sich um Palästina, Kurdistan, Iran oder Deutschland handelt, meine Solidarität mit den Unterdrückten ist immer international. Denn wie Marx schon richtig erkannte, sollte es darum gehen, global „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“
Die deutschen Linken scheinen bezüglich des sogenannten Nahost-Konflikts sehr gespalten zu sein. Warum sind deiner Meinung nach jene, welche die israelische sowie die US-amerikanische Politik in Nahost unterstützen, keine Linken?
Wenn ich mich nicht täusche, gibt es weltweit – abgesehen von Deutschland und Österreich – keine Region, in der sich ein so bedeutender Teil der „radikalen Linken“ dermaßen unkritisch mit der Politik Israels und der USA identifiziert. Genossen im Ausland können das nur sehr schwer nachvollziehen. Natürlich hängt dies mit der deutschen Geschichte zusammen. Nichtsdestotrotz gehören Solidarität mit den Unterdrückten sowie klassenkämpferische Positionen, die Kritik am (Siedler)kolonialismus im Allgemeinen und die Kritik am rassistischen und ethnokratischen israelischen Staat im Besonderen, aber auch die Kritik am Imperialismus, egal ob es sich um den US-Imperialismus, russischen oder chinesischen Imperialismus handelt, zu den Grundsätzen einer im positiven Sinne radikalen linken Politik.
Der amerikanisch-jüdische Journalist und Autor Max Blumenthal meinte nach seiner Deutschlandreise im vergangenen Jahr, dass es erschreckend sei, wie schnell sich hierzulande der kritisch-linke Diskurs von neokonservativen Kräften beeinflussen lässt. Denkst du, dass sich das ändern wird?
Nicht alle Israelis sind Zionisten. Es gibt viele weitsichtige Israelis und sehr viele weitsichtige Juden auf der Welt, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen. Da sich die israelische Gesellschaft immer stärker faschisiert und die israelische Bevölkerung einem rechtsradikalen Kabinett zur Macht verholfen hat, sehe ich momentan leider nur wenige Aussichten auf eine Politik, welche die würdevolle Behandlung der Palästinenser gewährleisten könnte. Während die Weltgemeinschaft damals in Südafrika Sanktionen gegen den Apartheidstaat verhängte, kann die rechtsradikale Regierung in Israel problemlos weiter morden und ihr aggressives siedlerkolonialistisches Projekt fortsetzen, ohne dass es irgendwelche weitreichenden Konsequenzen gibt. Stattdessen werden mit deutschen Steuergeldern auch noch U-Boote subventioniert, die von Israel mit Atombomben bestückt werden. Weder friedlicher noch gewaltsamer Protest scheinen die israelische Regierung zum Umdenken zu bewegen. Ganz im Gegenteil. Es sieht danach aus, dass die Palästinenser nur eine Chance haben, wenn die Weltgemeinschaft Israel boykottiert und sanktioniert. Vor allem die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands und die politische und finanzielle Unterstützung aus den USA müssten beendet werden, um Druck gegenüber Israel ausüben zu können. Ohne eine starke antiimperialistische und pro-palästinensische Linke ist zivilgesellschaftlicher und letztendlich auch politischer Druck unmöglich. Daher brauchen wir meiner Meinung nach in Deutschland eine neue radikale Linke, die auch diesen Namen verdient. Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass innerhalb der palästinensischen, aber auch anderer Gemeinschaften des Nahen und Mittleren Ostens religiös-extremistische Kräfte an Einfluss verlieren und im Gegenzug linke Gruppen, die säkulare Positionen vertreten und für die Emanzipation aller Menschen eintreten, an Zuspruch gewinnen – und das unabhängig von Glauben, Herkunft, Hautfarbe, Aussehen und sexueller Orientierung. Denn gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist mit Emanzipation unvereinbar.
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