Titel: Bemerkenswerte Erkenntnisse der Deutschen Bank und des Professor Sinn: „Deutsche Bank warnt vor Rezession“
So ist ein Bericht der Berliner Zeitung über eine von der Deutschen Bank an ihre Kunden verschickte Mitteilung überschrieben. Albrecht Müller.
Weiter heißt es dort: ‚Die Weltwirtschaft steuert nach Einschätzung von Experten der Deutschen Bank auf eine neue Krise zu: Angesichts der Turbulenzen an den Finanz- und Immobilienmärkten befürchten die Fachleute sogar eine weltweite Rezession schon im kommenden Jahr. Das Risiko eines drastischen Abschwungs der Weltwirtschaft wie Anfang der 70er- und 80er- Jahre stehe eins zu drei, so eine gestern veröffentlichte Mitteilung der Bank an ihre Kunden. “Das Platzen der Immobilien- und Kreditblase in diesem Jahr und die darauf folgende Kredit- und Bankenkrise haben die Unsicherheit über den wirtschaftlichen Ausblick auf ein außergewöhnliches Ausmaß vergrößert”, heißt es in dem Bericht.’
An dem Bericht der Berliner Zeitung ist einiges bemerkenswert:
- Dass gerade die Deutsche Bank einen Zusammenhang zwischen den Turbulenzen an den Finanz- und Immobilienmärkten und der Gefahr einer Rezession sieht, ist das Eingeständnis einer Mitverantwortung. Denn Deutsche Bank-Chef Ackermann hat mit seiner Zielmarke einer 25-prozentigen Eigenkapital-Rendite unseriösen Geschäften die Begründung geliefert. Wie sonst sollten 25% erreicht werden und zur Norm gemacht werden können? Siehe dazu auch unseren Eintrag vom 17. August: “Die Blase – das Werk von Kriminellen, kriminellen Vereinigungen und Hehlern“.
Jetzt wird über die Gefahren der Machenschaften auf den Finanzmärkten so unbeteiligt berichtet wie über die letzten Wasserstandsmeldungen. Dabei wäre doch fest zu halten, dass Millionen Menschen real, d.h. realwirtschaftlich, darunter zu leiden haben, dass andere mit unverantwortlichen Spekulationen auf den Finanzmärkten Millionen und Milliarden abgreifen. Da besteht doch Regelungsbedarf. Das kann man doch nicht weiter so laufen lassen. Schon bei der letzten Blase vor sieben Jahren haben Menschen, die nichts damit zu tun hatten, real unter diesem Treiben auf den Finanzmärkten gelitten – unter jenem spekulativen Treiben, das alleine dafür verantwortlich zeichnet, wenn die Betreiber 25% Rendite erzielen. Eindeutig zulasten anderer Menschen, weil bei diesem Treiben keine Wertschöpfung stattfindet. Es ist ein Casinobetrieb.
- Bemerkenswert ist, dass sowohl die Deutsche Bank als auch der Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn Auswirkungen und damit Gefahren des Weltwirtschaftsklimas und der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA auf die Konjunktur bei uns sehen. Jetzt gibt es offenbar andere Faktoren als Reformen oder Reformstaus, die Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung haben. Bisher galt in diesen Kreisen ja das bisschen Aufschwung, das wir haben, als Reformendividende, als positives Ergebnis der Reformen. Warum sollte die befürchtete Rezession nicht auch ein Ergebnis der Reformen sein? – (Dies anzunehmen wäre allerdings ähnlich blödsinnig wie das Gerede von der Reformdividende.)
- Bemerkenswert ist, dass es jetzt offenbar auch in diesen Kreisen wieder so etwas wie eine konjunkturelle Entwicklung gibt. Bisher galt doch alles als strukturbedingt. Diese Erkenntnis müssen wir festhalten.
- Bemerkenswert ist die lange Leitung, mit der solche führenden Einrichtungen wie die Deutsche Bank und der Münchner Professor gesegnet sind. Die Gefahren, die aus den Schwächen der amerikanischen wirtschaftlichen Entwicklung mit hoher Überschuldung des Staates, der Bürgerinnen und Bürger und der gesamten Volkswirtschaft gegenüber dem Ausland folgen und uns natürlich auch irgendwann betreffen, kennt man seit Jahren. Der Chefökonom von Goldman Sachs zum Beispiel predigt spätestens seit August 2004, die Deutschen sollten sich endlich darauf einstellen, ihre Binnenkonjunktur zu stärken, um nicht kalt erwischt zu werden, wenn der Export unter dem Eindruck schlechter Konjunktur in USA oder eines Verfalls des Dollars seine stützende Wirkung verliert. So im August 2004 und wieder am 21. September im manager-magazin.de vom 21. September 2007.
Die Immobilienkrise sei geplatzt; nun erst scheine man bereit zu sein, diese Fakten auch wahrzunehmen, wundert sich O’Neill.
Wir wundern uns nicht sonderlich, denn wir kennen unsere Pappenheimer. Die meinungsführenden deutschen Ökonomen sind von Vorurteilen geprägt und geplagt. Und dies führt dazu, dass sie die Fakten mit Verzögerung und nur bei größter Bedrängnis durch die Realität zur Kenntnis nehmen.
- Besonders freut mich, dass der beste Ökonom Deutschlands, so die Bild-Zeitung über Professor Sinn, jetzt über die wirtschaftlichen Probleme der USA klagen muss. Das fällt ihm sicher besonders schwer angesichts der Geschichte eines berühmten Diagramms in seinem Buch „Ist Deutschland noch zu retten?“. Ich muss die Geschichte, die ich schon einmal in „Machtwahn“ erzählt habe, wiederholen, weil Sie möglicherweise auch noch Zeitgenossen kennen, die die Wertschätzung der Bild-Zeitung teilen. Zunächst eine Folie aus meiner PowerPointSammlung:
Beide Abbildungen stammen von der gleichen Seite 71 im Buch von Professor Sinn, die linke von der ersten Auflage, die rechte von der vierten Auflage. In der ersten Auflage hat Professor Sinn die Stärke der USA auf den Weltmärkten gefeiert. Ihr Anteil am Welthandel stieg nach seinen Angaben zwischen 1991 und 2002 rasant an, der Anteil Deutschlands sank.
Das stand zwar und steht bis heute im Widerspruch zu unserer Wahrnehmung der Realität. Aber es wurde gedruckt.
Professor Sinn wurde dann darauf aufmerksam gemacht, dass da etwas nicht stimmen könne, und ersetzte das offensichtlich falsche Diagramm durch ein neues. Diesmal ohne die USA, nur für Deutschland und mit einer neuen Überschrift versehen „Wieder von den Weltmärkten verdrängt“. Das stimmte zwar damals schon für Deutschland nicht und heute auch nicht. Die Überschrift hat darüber hinaus die logische Qualität jener berühmten Aussage: „Nachts ist es kälter als draußen.“
Was war passiert, wie kam es zu der Abbildung in der ersten Auflage? Professor Sinn hatte Export und Import verwechselt. Er hielt die Schwäche der USA, nämlich den Konsum und Import auf Pump, für ihre Stärke. So ist das mit den „besten Ökonomen Deutschlands“.
- Nachtrag:
Noch drei Hinweise auf neue Meldungen zu den Gefahren für die wirtschaftliche Entwicklung, die aus den Machenschaften auf den Finanzmärkten folgen:
Joseph Stiglitz: Die große Heuchelei
Nach der Ostasienkrise 1997 maßregelte der Westen die betroffenen Staaten schulmeisterlich. Viele seiner Ratschläge beherzigte er selbst jedoch nicht – das rächt sich in der aktuellen Krise.
Quelle: FTD
Schlimmer als der Crash von 1987
Darrell Duffie, führender Finanzökonom der renommierten Stanford-Universität in Kalifornien, analysiert die Machenschaften, die zur Finanzkrise führten. Sein Befund: Es dürfte lange dauern, bis sich die Lage wieder entspannt.
Quelle: Weltwoche
Nebel über der Finanzwelt
Die Europäische Zentralbank hat falsch auf die Krise reagiert. Jetzt ist sie gezwungen, die Zinsen zu senken
von Jean-Paul Fitoussi und Éloi Laurent
Quelle: FTD