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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 16. November 2007 um 9:13 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung: Über solche eklatanten Verletzungen des Sozialstaatspostulats verlieren Poschardt, Hartwich, Adam und Konsorten natürlich kein Wort.
Anmerkung: Solche Drohungen zeigen nur, dass die Bahn an einer Einigung am Verhandlungstisch nicht interessiert ist.
Anmerkung Orlando Pascheit: Franz Walter dreht sich das alles etwas feuilletonistisch zurecht. Der Artikel beginnt mit einer Dämonisierung Münteferings als Superstrategen, um ihn dann in einer langen Liste des Scheiterns umso schöner zu demontieren zu können. Dann wird er zusammen mit Schröder zum eiskalten Machtmenschen hochstilisiet, um den Nachfolger Olaf Scholz dagegen wieder abfallen zu lassen. Nette Dramaturgie, aber inhaltlich ist das alles ziemlich windig.
Nur mal vorweg. Gefürchtet hat die neudeutsche Bourgeoisie Oskar Lafontaine, und der bessere Stratege war und ist er gewiss. Das Duo Schröder im Armanianzug und Müntefering mit rotem Schal dürfte die herrschende Klasse eher amüsiert haben – zwei Archetypen des Aufsteigers, welche jeder auf seine Art den Boden unter ihren Füßen verloren haben. Beide haben nicht durchschaut, dass das, was die herrschende Meinung als Sachzwang propagierte, pure Ideologie war, die Ideologie einer Elite, der sie nun auch angehören wollten.
Walter sieht das völlig falsch, die Fußtruppen der SPD sind nicht wegen der Wirtschaftspolitik der Großen Koalition weggelaufen, sie waren schon weg. Es ist keineswegs so, dass es Müntefering und Schröder zwischen 2003 und 2005 gelang eine “Zwangskulisse wirtschaftlicher Notwendigkeiten durchaus wirkmächtig aufzubauen.” Es war die Zeit, in der Parteimitglieder und Wähler der SPD massenhaft davonliefen. Sie hatten begriffen das die Parteiführung mit der Agenda 2010 eine gesellschaftlichen Umbruch realisiert hatte, von dem die FDP nur träumen konnte.
Die “Krise der Ökonomie” manifestierte sich nicht zwischen 2003 und 2005, sondern hatte mit der immer stärker werdenden Akzeptanz des Dogmas vom Markt zu tun, der per se dazu neigt, sich selbst zu regulieren und zum Gleichgewicht zu finden. Ein Vorgang, der sich viel früher, nämlich im europäischen Binnenmarktprozess niederschlägt, in dem kräftig liberalisiert, dereguliert und privatisiert wurde und wird und als einzige regulierende Institution die Maastricht -Kriterien übrig ließ, womit dann etwas, was den Namen Wirtschaftspolitik verdient, endgültig verunmöglicht wurde. Der Skandal einer noch heute unerträglich hohen Arbeitslosigkeit stammt aus dieser Zeit. Das war die Analyse, zu der sich Schröder und der ewige Adlatus Müntefering auch in hundert Jahren nicht durchgerungen hätten. Dabei war mit Jospin und Strauss-Kahn und Lafontaine der Wendepunkt so nah. Dazwischen steht die bedauerliche Fehleinschätzung Schröders und seiner Position als Bundeskanzler durch Lafontaine.
Anmerkung eines Lesers: Oder brauchte die SPD einfach nur ein Wahlkampfthema? Ein Narr, der schlimmes dabei denkt.
Anmerkung KR: Normalerweise veröffentlichen wir keine Pressemitteilungen von Bundestagsfraktionen. Weil dieser Text einfach nur wahr ist, machen wir eine Ausnahme.
Und hier die Folgen für die SPD:
NRW noch schwärzer als gedacht
Zurzeit könnten CDU und FDP bei einer Landtagswahl zusammen mit einer Zustimmung zwischen 49 (Emnid) und 52 Prozent (Forsa) rechnen. SPD und Grüne schnitten hingegen bei der sogenannten Sonntagsfrage momentan mit einem addierten Ergebnis zwischen 38 (Forsa) und 42 Prozent (Infratest-dimap) noch schlechter ab als bei der verlorenen Wahl 2005.
Quelle: TAZ
Anmerkung: Das sollte man wissen, bevor man künftig fliegt.
Anmerkung: So sehr sich Fricke mit seinen angebotsdogmatischen Kollegen auseinandersetzt, so sehr wird er immer wieder selbst Opfer des Geredes der von ihm kritisierten Kollegen. So wenn er etwa von einem “enormen Rückgang der Arbeitslosigkeit” schreibt. Manchmal hilft es auch schon, wenn man die Realität zur Kenntnis nimmt und hinter die statistischen Tricks schaut.
Dazu passt:
Immer mehr Ökonomen für den Mindestlohn – nur nicht in Deutschland
So berichtete das Handelsblatt am 13. November über eine Studie der Arbeitsmarktforscher David Neumark und William Wascher vom Oktober dieses Jahres. Diese verglichen 86 Studien zum Thema Mindestlöhne miteinander.
Eine Erkenntnis dieser Studie ist, dass seit Anfang der neunziger Jahre immer mehr Ökonomen eine zunehmend positive Ansicht gegenüber Mindestlöhnen entwickelt haben. So kommen Neumark und Wascher auch zu dem Schluss, dass es in der Wissenschaft kein einheitliches Bild zu den Beschäftigungseffekten mehr gibt. Nach einer Einschätzung des amerikanischen Economic Policy Institut (EPI) vom 25. Oktober entspricht selbst dieses Fazit noch einer „alten Denkungsart“. Nach der EPI-Analyse ist die These negativer Beschäftigungseffekte eines Mindestlohnes nicht mehr haltbar.
Zu dem gleichen Ergebnis kommt Prof. Ronald Schettkat in einer empirischen Studie vom 14. November diesen Jahres. Seiner Einschätzung nach kann sich die Einführung eines Mindestlohnes eher leicht positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Für diese neue Betrachtungsweise des Mindestlohnes stehen auch 650 US-amerikanische Ökonomen. Diese haben jüngst im Vorfeld des diesjährigen Wahlkampfes für die Wahlen zum amerikanischen Repräsentantenhaus in einem Aufsehen erregenden gemeinsamen Aufruf die Erhöhung des nationalen Mindestlohnes in den USA gefordert.
Unter den Unterzeichnern des Aufrufes befinden sich auch die mit dem Nobelpreis geehrten Ökonomen Kenneth Arrow, Clive Granger, Lawrence Klein, Robert Solow und Joseph Stiglitz.
Quelle: Mindestlohn
Anmerkung: Aust und seine Gesinnungsfreunde wie Gabor Steingart haben den Spiegel von einem liberalen und kritischen Magazin zu einem neoliberalen Kampfblatt gemacht, das sich über seine ideologische Ausrichtung hinaus nur noch an der Auflage orientiert. Der Spiegel wurde kalkulierbar, langweilig und überflüssig. Die Frage wird also sein, wohin der „Modernisierungsschub“ gehen soll, noch mehr in Richtung des Zeitgeistes, wie unter Aust, oder in die Richtung, wieder auf die Höhe der Zeit zu kommen, und, statt einer gescheiterten Ideologie zu folgen, wieder die gesellschaftliche Wirklichkeit aufs Korn zu nehmen.
Ein ausgebauter Sozialstaat ist und bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil einer modernen Gesellschaft und Wirtschaft. Länder mit ausgebauten sozialstaatlichen Systemen müssen in diesem verschärften Konkurrenzkampf jedoch keineswegs unterliegen. Es zeigt sich, dass soziale Unsicherheit in einer (welt)wirtschaftlichen Situation, die die Betriebe und die Beschäftigten unter einen radikalen Modernisierungsdruck stellt, als Leistungs- und Motivationsbremse wirkt und den wirtschaftlichen Strukturwandel behindert. Die Finanzierungskrise des Sozialstaates, die die politische Diskussion und die gesetzgeberischen Veränderungen in den letzten Jahren geprägt hat, ist im Kern eine Folge der Beschäftigungskrise. Einkommensumverteilung, Armutsvermeidung und Lebensstandardsicherung bleiben eine Aufgabe des Sozialstaates. Die Ziele Chancengerechtigkeit, Beschäftigungsbefähigung und Verteilungsgerechtigkeit stehen nicht gegeneinander, sondern bedingen sich wechselseitig.
Quelle: VS-Verlag – Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland [PDF – 48 KB]
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
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