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Titel: #BILDnotwelcome – Wie Deutschlands Hetzblatt aus dem Flüchtlingselend Kapital schlagen will
Datum: 18. September 2015 um 11:56 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
Verantwortlich: Jens Berger
Es gibt Ideen, die sind so grotesk, dass man sich langsam ernsthaft fragt, ob die Welt um einen herum nun völlig durchgedreht ist. Die Idee, dass ausgerechnet Springers Hetzblatt BILD eine Solidaritätskampagne für Flüchtlinge veranstaltet, gehört zweifelsohne dazu. An diesem Wochenende sollten, so der ebenso groteske, wie geniale, Plan der BILD, sämtlich Fußballklubs der ersten und zweiten Bundesliga mit Aufnähern auf dem Trikots auflaufen, auf denen neben dem „WIR HELFEN“ Slogan auch noch das Logo der BILD und des Sponsors Hermes prangen – eine Werbekampagne für BILD, bei der das Flüchtlingselend Mittel zum Zweck ist. Offenbar hat BILD diesmal jedoch den Bogen überspannt. Angefangen mit dem FC St. Pauli haben sich aktuell bereits sechs Zweitligisten öffentlich geweigert, an der BILD-Werbekampagne teilzunehmen und auch die großen Erstligaklubs sehen sich einem massiven Fanprotest ausgesetzt. Gut so! Seltsamerweise verliert jedoch niemand ein kritisches Wort über die Verantwortlichen dieser unsäglichen Aktion: Den Profifußballverband DFL. Von Jens Berger
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Es wäre natürlich löblich, wenn der Profifußball seine gesellschaftliche Rolle stärker dafür nutzen würde, um Fremdenfeindlichkeit und den Ursachen für Flucht und unfreiwilliger Migration die rote Karte zu zeigen. Viele Klubs tun dies auch seit Jahren – allen voran die von BILD so scharf kritisierten Kiezkicker vom FC St. Pauli. Es spräche auch gar nichts dagegen, wenn die Bundesligaklubs an einem Spieltag einmal die Werbung von ihren Trikots nehmen und durch einen Slogan gegen Fremdenfeindlichkeit ersetzen würden. Die DFL dafür hat alle Möglichkeiten in der Hand und die nötigen Mittel besitzt der steinreiche Profifußballverband ohnehin. Eine Vorlage dafür gab es bereits in der Saison 1992/1993, als sämtliche Klubs am letzten Vorrundenspieltag als Reaktion auf die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen in einem Trikot mit dem Slogan „Mein Freund ist Ausländer“ antraten. Diese Aktion war wohlgemerkt eine Aktion des DFB. Doch diese Zeiten sind vorbei. Seit 2001 trägt nicht mehr der DFB, sondern der Profiklubverband DFL die Verantwortung für die beiden obersten Ligen.
In der Saison 2012/2013 startete auch die DFL eine Trikotaktion gegen Fremdenfeindlichkeit und für Integration mit dem Slogan „Geh Deinen Weg“ – bereits diese Aktion war keine reine Fußballinitiative, sondern ein Gemeinschaftsprojekt des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger und der Telekom. Im Vorstand der Deutschlandstiftung Integration, die „Geh Deinen Weg“ initiierte, saß auch eine stellvertretende Chefredakteurin der BILD, die diese Kampagne aktiv begleitete. Die aktuelle Kampagne „WIR HELFEN“ ist sogar eine reine BILD-Kampagne, bei der sogar das Logo der BILD mit auf den Kampagnen-Aufnähern zu sehen ist. BILD engagiert sich gegen Fremdenfeindlichkeit? Selten so gelacht. Da könnte Hecker & Koch auch eine Charityaktion für Kriegswaisen starten. Warum schaffen es eigentlich die DFL nicht, eine eigene Aktion zu starten? Eine Aktion ohne Beteiligung der BILD? Es ist eine Schande, dass der wohl zweitreichste Ligaverband der Welt sich von einer fragwürdigen Boulevardzeitung eine Kampagne aufschwatzen lässt.
„WIR HELFEN“ ist natürlich keine Kampagne gegen Fremdenfeindlichkeit, sondern eine PR-Kampagne der BILD. Ausgerechnet das Blatt, das stetig gegen Fremde, Ausländer und generell gegen arme Menschen hetzt und gegeneinander aufstachelt, nutzt nun das elende Schicksal von Flüchtlingen, um sich selbst in einem besseren Licht darzustellen. Das ist nicht nur heuchlerisch, das ist grotesk, verachtenswert und erbärmlich. Dass der FC St. Pauli sich nicht an dieser lächerlichen Aktion beteiligt, war vorauszusehen. Dass nun auch Union Berlin, der SC Freiburg, der VFL Bochum, der 1. FC Nürnberg und der MSV Duisburg aus der Reihe der BILD-Kampagneros ausscheren, ist wunderbar. Aktuell beraten auch die Gremien anderer Klubs (u.a. Borussia Dortmund, Schalke 04 und Eintracht Frankfurt) über die Teilnahme an der BILD-Aktion. Bei zahlreichen Klubs gibt es mittlerweile teils massiven Fanprotest gegen eine Teilnahme. Sollte die Front der willenlosen BILD-Kamagneros bröckeln, könnte aus dem geplanten PR-Coup und gigantischen PR-Eigentor werden. Wahrscheinlich ist dies jedoch leider nicht.
Die Bundesliga ist heutzutage fest eingebunden in einen Marketing- und PR-Zirkus, der seines Gleichen sucht und von der BILD mit orchestriert wird. BILD macht die Stars, BILD verschafft die Öffentlichkeit, BILD heuert und feuert Trainer, BILD sagt, wer gut spielt und wer nicht. BILD ist auch untrennbar mit einigen Spitzenklubs, wie dem FC Bayern München, und der DFL verwoben. Insofern ist es gar kein Wunder, dass nicht die DFL, sondern BILD eine Kampagne startet, der sich die DFL dann unterwirft.
Der Protest der Fans ist daher auch in einem größeren Zusammenhang zu sehen: Es geht nicht „nur“ um eine groteske PR-Aktion der BILD, sondern um die Macht, die das Hetzblatt aus dem Hause Springer einerseits gesellschaftlich und andererseits ganz speziell im Fußball, mit all den dazugehörigen Schattenseiten, hat. Es ist an der Zeit, BILD die rote Karte zu zeigen. Liebe Fans, verschafft Euch ein Gehör und wirkt auf Euren Klub ein, sich ebenfalls nicht an der BILD-Kampagne zu beteiligen. Und sollten die Klubs Euch (wieder einmal) nicht ernst nehmen, dann zeigt Euren Protest auf Plakaten und Bannern, wie es gestern die Südtribüne des BVB getan hat. #BILDnotwelcome!
Mehr zum Ausverkauf des Fußballs finden Sie in meinem jüngsten Buch „Der Kick des Geldes oder wie unser Fußball verkauft wird“.
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