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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 15. September 2015 um 9:25 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Dazu: Eine Schmutzkampagne gegen Griechenland
Der Freitag: Frau Skarpelis-Sperk, in einer Woche wird in Griechenland gewählt. Die Krise hat in diesem Sommer lange Zeit die deutschen Medien dominiert. Im Rückblick: Wie empfinden Sie die Berichterstattung?
Sigrid Skarpelis-Sperk: Noch nie habe ich bei uns in Deutschland eine so umfassende Schmutzkampagne gegen ein anderes Land erlebt. Es hat schon vor drei Jahren begonnen und zwar nicht durch die Bild-Zeitung. Damals hat einer der stellvertretenden Chefredakteure der Bild am Sonntag geurteilt, die Berichterstattung komme einer Volksverhetzung nahe. Heute ist es noch schlimmer. Mittlerweile sind auch viele Politiker führend dabei. Und niemand ruft sie zur Ordnung oder warnt vor den Folgen derartiger Verhetzung.
Wie reagieren die Griechen in Deutschland darauf?
Sie sind fassungslos. Immer wieder werden sie angemacht. Das geht vom Scherz bis zur offenen Unflätigkeit, selbst Kinder werden nicht verschont. Es ist nicht leicht, derzeit ein Grieche oder ein Griechenfreund in Deutschland zu sein.
Wie zeigt sich das im Alltag?
Es fängt an bei den Schlagzeilen der Bild-Zeitung, die jeder aufschnappt und verbreitet: „Na wie geht’s, Pleite-Grieche?“, „Was verlangst Du für Deine Insel?“, oder: „Wo hast Du dein Vermögen versteckt?“ Ich weiß von Fällen, in denen Kindern in der Grundschule der Ball weggenommen wurde mit der Bemerkung: „Zahl erst mal, dann darfst du wieder mitspielen!“ Oder dass Klassenkameraden Cents nachwerfen und rufen: „Damit ihr auch was zu fressen habt!“ Im griechischen Restaurant kommentieren Leute die Rechnung: „Das haben wir deutschen Steuerzahler doch schon mehrfach bezahlt.“
Quelle: der Freitag
Anmerkung JK: Noch vor wenigen Wochen erlebten wir über die gesamte Medienlandschaft hinweg, eine, mit kaum versteckten rassistischen Untertönen durchsetzte Hetzkampagne gegen Griechenland und dessen linke Regierung. Nun erlebt Deutschland plötzlich eine neues „Sommermärchen“, aus allen “Qualitätsmedien” tönt es “Refugees welcome” und Merkel ist die Heilige Angela der Flüchtlinge.
Die Frage liegt, wie im obigen Interview, auf der Zunge, was wohl die Menschen in Griechenland vom Heiligenbild Merkels und vom “freundlichen und mitfühlenden” Deutschland halten mögen?
Wer erinnert sich noch an das brutale Diktat über Griechenland anlässlich des dritten “Rettungspaketes”, das allein auf deutsche Veranlassung zustande kam und das nur wenige Wochen zurück liegt? Warum kümmert Merkel das elende Schicksal von Millionen griechischer Bürger nicht? Warum kümmert Merkel die zusammengebrochene Gesundheitsversorgung in Griechenland nicht, die gestiegen Säuglingssterblichkeit, die gestiegene Selbstmordrate, die aberwitzige Jugendarbeitslosigkeit? Weil Griechenland für das innenpolitische Kalkül Merkels eine andere Rolle spielt als die Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan?
Hat man von Merkel oder der Bunderegierung je grundsätzliche Kritik an der Kriegspolitik der USA gehört, die wesentlich ursächlich für die Anheizung der Bürgerkriege im Irak, in Syrien, Afghanistan und in Libyen und somit dafür verantwortlich ist, dass so viele Menschen sich gezwungen sehen ihre Heimat zu verlassen? Hat man je von Merkel und ihrer Apologeten in den “Qualitätsmedien” grundsätzliche Kritik an der Anheizung des Konfliktes mit Russland durch die USA gehört? Sollte dieser eskalieren und die ganze Ukraine in Brand setzen, könnte Deutschland und Europa mit einer Flüchtlingswelle konfrontiert werden, gegen die das aktuelle Geschehen harmlos erscheint.
Darüber hinausgehend, welches Kalkül steckt hinter der ganzen Berichterstattung der “Qualitätsmedien”? Der Verdacht, dass unter der Flagge der Flüchtlingswelle ganz andere Themenbereiche, wie etwa neue Kürzungen im öffentlichen und sozialen Bereich vorbereitet werden (die schwarze Null bleibt und so müssen sich alle halt einschränken, wird ja keiner was dagegen haben ohne sich des Vorwurfs der Fremdenfeindlichkeit aussetzen zu wollen), erscheint vielleicht kurioser als sie ist. Indizien liefern die Aussagen von Unternehmerverbände und deren marktradikalen Apologeten (hier), die behaupten, der Mindestlohn behindere die Integration der Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt.
Anmerkung JK: Soll man überhaupt noch ein Wort über die SPD verlieren? Offenbar versuchen sich die Führungskräfte der SPD darin übertreffen zu wollen wer den Untergang der SPD am besten beschleunigen kann.
Anmerkung JK: Der Artikel des marktradikalen Vorbeters Piper zeigt, dass den Neoliberalen offenbar langsam die Knie weich werden, angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen die angebliche Alternativlosigkeit dieser absurden Ideologie in Zweifel ziehen. Dass Labour mit Corbyn „ziemlich sicher in eine krachende Niederlage bei den nächsten Wahlen zum Unterhaus laufen wird“, ist dabei noch lange nicht ausgemacht. Auch wenn dies der innigste Wunsch des Neoliberalen Piper sein mag. Wie zynisch und menschenverachtend der Neoliberalismus ist, zeigt sich schon darin, dass für Piper die Forderung, die Menschen, welche die Vermögen der Superreichen erarbeiten, wenigstens etwas am Wohlstand partizipieren zulassen, bereits „Sozialismus“ ist. Offenbar ist das Massenelend in Griechenland, die einzige angemessene Existenzform für die Mehrheit der Bürger in der erträumten marktradikalen Gesellschaft des Herren Piper.
Dazu, eine interessante Presseschau. Auch die englischsprachigen Medien laufen bereits Amok. Da kann sich Corbyn auf einiges gefasst machen.
The Press Goes Bonkers
To me the single most amazing feature of the Corbyn victory — other than the victory itself — was watching the press, on both sides of the pond, go utterly bonkers. Or rather, rip off the mask. Let’s not forget that they are always this bonkers, at least when united by the fear of a common enemy. Here’s a compendium of totally over-the-top headlines with some commentary on each:
Labour’s disastrous choice – Financial Times.
Translated to American: The Democrats’ disastrous choice Investor’s Daily. Thanks for the disinterested, well-meant, humble advice!
Divisive Far-Leftist Corbyn Elected Leader of Britain’s Labour Party in Landslide – Slate.
Wait, I thought being “divisive” was the whole point of having political parties in a “first past the post” system?
Divisive far-left lawmaker Jeremy Corbyn wins U.K.’s Labor Party election – Los Angeles Times. Continuing the “divisive” theme. (Interestingly, some saner Times editor has now changed the headline to “Left-winger Jeremy Corbyn Swept in as Britain’s Labor Party Leader,” although the URL remains “la-fg-divisive-far-left-lawmaker-wins-uk-s-labour-leadership-race-20150912-story.html.”)
Britain’s newly-elected Labour leader Jeremy Corbyn divides partyroom, nation’s press – ABC Australia.
Murdoch amplifies “divisive.”
Marx admirer Corbyn elected UK opposition Labour leader – Reuters
Translated to American, except not: Hayek admirer elected US opposition Republican leader UPI).
Great Britain’s New Labour Party Leader Loves Karl Marx, Likes Hamas, and Hates Austerity – The Atlantic.
Who doesn’t love them some austerity? For the Hamas theme, see below.
Labour Elects Far-Left Leader in British Politics Shake-Up – NYT
Not “far” with respect to 60% of Labour voters, apparently.
Jez We Can: Far-left lawmaker Corbyn earns landslide victory in UK’s Labour leadership race, calls for ‘better society’ in UK South – China Morning Post
Continuing “far left.” And a “better society.” The nerve!
Corbyn’s victory reveals Labour’s revulsion with real voters – Telegraph
Apparently, Corbyn’s landslide was achieved with unreal voters. Odd.
Quelle: naked capitalism
Anmerkung JK: Frankreichs Sozialisten voll auf Agenda-Kurs. Kein Wunder, dass Tsipras von dieser Seite keinerlei Unterstützung gegen das deutsche Austeritätsdiktat erwarten konnte.
Anmerkung unseres Lesers J.A.: RWE und E.On streben ja angeblich rasant der Insolvenz entgegen. Wer soll dann die fehlenden 30 Milliarden Euro zahlen – der, der es immer tut, also der Steuerzahler bzw. der Sozialleistungsempfänger, an dem gespart werden wird? Und wieso hat man den Energieriesen erlaubt, jahrelang Dividenden in Milliarden-Euro-Höhe auszuzahlen?
Anmerkung JB: RWE hat auf seiner letzten Hauptversammlung die Ausschüttung einer Dividende von einem Euro pro Aktie beschlossen – das entspricht 576 Millionen Euro. E.ON zahlt in diesem Jahr eine Dividende von 0,50 Cent pro Aktie – das entspricht einer Milliarde Euro. Warum verhängt der Staat kein Dividendenverbot bis die beiden Konzerne ihre Rückstellungen in Ordnung gebracht haben?
Anmerkungen WL: Wenn weit weniger als die Hälfte, in Unna sogar nur ein Viertel der Wahlberechtigten sich für die Wahl ihres „Stadtoberhauptes“ interessieren, dann sollten alle Alarmglocken läuten. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Gespür dafür, dass ihre Kommunen finanziell ausgetrocknet sind und bestenfalls noch darüber entscheiden können, wo etwas weniger gespart wird. Eine Entscheidungs-oder Gestaltungsmöglichkeit besteht jedenfalls beim Großteil der Groß- und Mittelstädte schon längst nicht mehr. Das vielbeschworene „Subsidiaritätsprinzip“, wonach die Kommunen das regeln sollen, was am besten vor Ort, also bürgernah zu regeln ist, hat längst seine Bedeutung verloren, weil die Kommunen kaum noch etwas regeln können.
dazu: Kommunalpolitik – Auf den Hund gekommen
Die Bürger haben ein sicheres Gespür für den Zustand ihrer Kommunen. Zur Wahl der Bürger- und Oberbürgermeister ging am Sonntag in NRW kaum mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten zu den Urnen. Die große Mehrheit meinte wohl, der Weg ins Wahllokal lohne sich nicht. Man kann es ihr nachempfinden. In weiten Teilen von NRW ist die Kommunalpolitik auf den Hund gekommen…
Wer nun gewählt wurde, die lokale Verwaltung zu leiten, hat neben den Problemen der Stadt eine weitere Last zu tragen. Die Stadtoberhäupter wurden nur von einer kleinen Minderheit der Wahlberechtigten legitimiert. Die Städte müssen gegen die Mehrheit der Nichtwähler regiert werden. Wer bei diesem Befund seinen Wahlerfolg bejubelt, hat den Schuss nicht gehört.
Quelle: Post von Horn
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung RS: Gerade dieses Bild ist eine Frechheit, zumal die als Marionetten dargestellten alles andere machen, als das, was Krugman verlangt. Das Bild weiter zu kommentieren führt in Richtung Godwin’s Law…
Anmerkung JB: Auch wenn dies Godwin´s Law erfüllt, dieser Vergleich muss hier sein. Wissen die Verantwortlichen beim Handelsblatt wirklich nicht, was sie tun? Oder ist es ihnen schlichtweg egal?
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