NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 10. September 2015 um 9:11 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Abwehr statt Aufnahme: Große Koalition beschließt Maßnahmenpaket gegen Flüchtlinge
  2. Debatte Europa: Die Killerin
  3. Von Demokratieverlust und Wissensentzug
  4. Hessen: Ärger für schwarz-grüne Koalition
  5. Zuwanderer haben die höheren Abschlüsse
  6. Vernünftig, menschlich, illegal
  7. Sarrazin fordert drastische Einschränkung des Asylrechts
  8. Topografie des Horrors
  9. Der Ruf nach Führung
  10. Nicht den Euro verlassen, sondern mit seiner neoliberalen Verfasstheit brechen!
  11. “Daimler verlängert Zukunftssicherung für Beschäftigte bis Ende 2020”
  12. Klaus Ernst: Gericht schränkt Grundrecht ein
  13. Immer weniger Anwälte vertreten Hartz IV Bezieher
  14. Prognose bis 2024: Erbschaften zementieren Ungleichheit in Deutschland
  15. Privat gegen Gesetzlich: Niedrige Zinsen setzen private Versicherungen unter Druck
  16. Wasserprivatisierung: Angriff abgewehrt – aber trotzdem eine herbe Niederlage!
  17. Brüsseler Drehtür

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Abwehr statt Aufnahme: Große Koalition beschließt Maßnahmenpaket gegen Flüchtlinge
    Die Bundesregierung hat sich am Sonntag im Koalitionsausschuss auf ein Maßnahmenpaket zur Asylpolitik geeinigt. Unter der Überschrift „Fehlanreize beseitigen“ werden dort mehrere Maßnahmen der Abschreckungspolitik der neunziger Jahre reaktiviert….
    Um angebliche „Fehlanreize“ zu vermeiden, sollen Asylsuchende künftig nicht mehr drei, sondern sechs Monate lang in den Erstaufnahmelagern verbleiben müssen. Die Maßnahme wird flankiert vom Beschluss, die in den Erstaufnahmelagern zusammengepferchten Menschen künftig wieder der Residenzpflicht zu unterwerfen, die ihnen verbietet, sich frei im Bundesgebiet zu bewegen. Dazu sollen die Betroffenen künftig wieder mit Sachleistungen abgespeist werden – nach dem Motto: Gegessen wird, was vom Amt kommt. Damit werden mehrere Instrumente der Abschreckungs- und Ausgrenzungspolitik der Neunziger Jahre reaktiviert, die erst in den letzten Jahren Schritt für Schritt liberalisiert worden waren.
    Die sechsmonatige Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen wird die ohnehin katastrophale Unterbringungssituation weiter verschärfen. Die doppelte oder dreifache Belegung bestehender Einrichtungen wird unerträgliche Lebensumstände für tausende Menschen schaffen, Konflikte innerhalb der Einrichtungen befeuern und die Betroffenen ausgrenzen und stigmatisieren….
    All dies ist ein fatales Signal angesichts der nicht abebbenden Welle rassistischer Gewalt gegen Flüchtlinge…
    Quelle: Pro Asyl
  2. Debatte Europa: Die Killerin
    Ist Europa noch zu retten? Der Umgang mit Flüchtlingen und mit Griechenland hat vielen die Augen geöffnet. Jetzt gibt es eine Pflicht: Die EU neu zu denken.
    Quelle: taz
  3. Von Demokratieverlust und Wissensentzug
    Der Neoliberalismus ist der Feind des Wissens – so die zentrale These im neuen Werk des Soziologen Colin Crouch. Denn jahrelange Erfahrung von Fachkräften sei immer weniger gefragt in einer Welt, die von einfachen Zahlen beherrscht würde. Und zudem manipulierten Privatunternehmen Wissen nach Belieben zum eigenen Vorteil.
    Dass etwas schief läuft im Öffentlichen Dienst Großbritanniens, daran lässt Colin Crouch von der ersten Zeile seines Buches an keinen Zweifel. Ob im Gesundheitswesen, an den Schulen oder in der öffentlichen Verwaltung: Das sogenannte New Public Management, der Einzug marktwirtschaftlicher Methoden und Strukturen in den öffentlichen Dienst, habe an vielen Stellen zu absurden Entwicklungen geführt. Zum Beispiel bei der Polizei:
    “Die Politik gab der englischen Polizei Erfolgsquoten für die Aufklärung von Autodiebstählen und Einbruchsdelikten vor, weil Untersuchungen gezeigt hatten, dass das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger vor allem durch diese Straftaten beeinträchtigt wurde – weshalb ein Rückgang in diesem Bereich dem Versprechen wirksamer Kriminalitätsbekämpfung besondere Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft verliehen hätte. Nicht zuletzt diese Vorgabe führte jedoch dazu, dass die Polizeibehörden in mehreren englischen Städten den organisierten sexuellen Missbrauch von Kindern ignorierten, da diese Verbrechen für ihre Leistungskennziffern nur eine untergeordnete Rolle spielten.”
    Colin Crouch nennt es die Logik der Finanzmärkte: so viele Lebensbereiche wie möglich unter marktwirtschaftlichen Aspekten zu betrachten und sie damit letztlich auf Kennziffern oder Geldwerte zu reduzieren. Das sei die zentrale Losung neoliberaler Politik, die Crouch zufolge derzeit weltweit immer mehr an Anhängern und Einfluss gewinnt.
    Quelle: Deutschlandfunk
  4. Hessen: Ärger für schwarz-grüne Koalition
    Die Grünen-Landtagsabgeordnete Mürvet Öztürk, zuständig für Flüchtlinge und Migration, erklärte aus Protest gegen die Asylpolitik ihren Austritt aus der Landtagsfraktion. In einer Mail, die ihre überraschten Kollegen zum Beginn der regulären Fraktionssitzung erhielten, tat sie ihren Rückzug kund.
    Öztürk veröffentlichte eine Erklärung, in der es hieß: “Für die Verschärfung des Asylrechts auf Kosten Schutzsuchender stehe ich nicht zur Verfügung.” Auf Nachfragen nahm sie Anstoß am jüngsten Kompromiss zwischen SPD und Union im Bund und sagte, sie akzeptiere nicht, dass im Gegenzug zu mehr Finanzhilfen des Bundes die Liste der sicheren Herkunftsländer erweitert werde. Sie beklagte zudem, sie habe sich mit Vorschlägen zur Flüchtlingspolitik in den eigenen Reihen nicht durchsetzen können.
    Quelle: Susanne Höll in der SZ
  5. Zuwanderer haben die höheren Abschlüsse
    Wie das Statistische Bundesamt bekanntgab, hatten 2014 30 Prozent der migrantischen Bevölkerung ein Abitur oder eine Fachhochschulreife. Gemeint sind alle Menschen, deren Familien seit 1949 in die Bundesrepublik eingewandert sind. Der Anteil der Bürger ohne Migrationshintergrund, die ein Abitur oder eine Fachhochschulreife abgeschlossen haben, betrug dagegen nur 28,5 Prozent.
    Betrachtet wurden Personen ab 15 Jahren. Besonders deutlich wird der Bildungsunterschied zwischen Deutschen und den Zugezogenen aus europäischen Nachbarländern. So besaßen 62,4 Prozent der aus Frankreich stammenden Personen Abitur oder Fachhochschulreife, gefolgt von Menschen aus dem Vereinigten Königreich (53,9 Prozent) und der Ukraine (50,5 Prozent).
    Zuwanderer aus Bulgarien (45,9 Prozent), Spanien (43 Prozent), Ungarn (42,9 Prozent) und Österreich (40,6 Prozent) wiesen ebenfalls zum großen Teil einen höheren Schulabschluss auf.
    Quelle: SZ
  6. Vernünftig, menschlich, illegal
    Dass das Dublin-Abkommen völlig ungeeignet ist, mit der europäischen Flüchtlingskrise zurechtzukommen, gilt nicht erst seit einigen Wochen. Faktisch ist Dublin bereits seit längerer Zeit tot oder doch ausgehöhlt. Die wichtigen Transitländer wie Italien, Griechenland, Bulgarien und Ungarn haben schon längst aufgehört, Dublin umzusetzen. Dort wird allenfalls eine Zufallsauswahl der Zigtausenden ankommenden und nach Norden ziehenden Flüchtlinge registriert. Sie bleiben oftmals ohne jegliche Unterbringung und Versorgung, damit droht ihnen Obdachlosigkeit und Verwahrlosung, oder Inhaftierung und Misshandlung.3
    Sie ziehen also weiter. Die Polizisten und Grenzschützer haben systematische Grenzkontrollen längst aufgegeben, sie drücken an den Übergängen und an den Marschrouten über „grüne Grenzen“ beide Augen zu, führen allenfalls sporadisch Alibikontrollen durch, die Aufgegriffene nur wenige Tage aufhalten, oder sie schicken die Flüchtlinge mit einem Passierschein weiter – offiziell zu irgendwelchen Flüchtlingslagern, tatsächlich aber, wie alle Beteiligten wissen, an die Grenze zum nächstgelegenen nördlichen Nachbarstaat.
    Von italienischen Polizisten wird berichtet, dass sie fragen, wer im Land bleiben will und wer nicht – und dann nur die registrieren, die von sich aus bleiben wollen. Ebenso drückt die österreichische Polizei beide Augen zu. Streng genommen dürfte in den Zügen, die täglich aus Verona in München eintreffen, kein einziger unregistrierter Flüchtling mehr sitzen – tatsächlich sind es täglich Hunderte. Die französische Polizei schickt papierlos Eingereiste oft mit der Aufforderung weiter, innerhalb von drei Tagen in ein Land weiterzureisen, das zu ihrer Aufnahme „bereit“ ist. Von den ungarischen Praktiken ganz zu schweigen…
    Wer aber einem deutschen Polizisten sagt, dass er woandershin will, erhält die freundliche, aber unanfechtbare Auskunft, dass das nicht gehe und dass er ab jetzt unter deutsche Zuständigkeit falle. Aber könnte sich Deutschland nicht in diesem Punkt, in einer Art List der Vernunft, der Praxis seiner südlichen Nachbarn anschließen? Und wäre das in dieser Situation nicht das Beste?…
    Deutschland kann nicht im Alleingang das Dublin-Abkommen exekutieren, wenn es nicht auch die auf den Fluchtrouten „vor uns“ liegenden Länder tun. Die ganze Dublin-Maschinerie ist ohnehin seit Langem äußerst ineffizient und deshalb praktisch irrelevant. Speziell für Syrer wurden die Dublin-Regelungen kürzlich sogar offiziell ausgesetzt…
    Die Wünsche der Betroffenen selbst zu berücksichtigen, ist zunächst aufwendiger und erst mittelfristig lohnend: Für die Integration in Wohnungs- und Arbeitsmarkt ist es das Allerbeste und Effektivste, wenn Flüchtlinge auf eigene Netzwerke zurückgreifen können. Unzählige Arbeitsstunden in Arbeitsämtern und Wohnungsvermittlungsstellen können dadurch gespart werden.
    Quelle: Barbara Kuchler in Le Monde diplomatique
  7. Sarrazin fordert drastische Einschränkung des Asylrechts
    Nur politische Verfolgung und Völkermord sollen als Asylgründe gelten, fordert der Ex-Politiker in der ZEIT. Flüchtlinge vom Balkan sollten sofort abgeschoben werden.
    Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin hat die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung scharf kritisiert. Zuwanderer aus dem Balkan sollten im Wesentlichen ohne Asylverfahren sofort abgeschoben werden, sagte Sarrazin der ZEIT.
    Ähnlich wie die AfD fordert der ehemalige Politiker darüber hinaus eine massive grundsätzliche Einschränkung des im Grundgesetz festgelegten Rechts auf Asyl. Es solle nur für Menschen gelten, die als politische Aktivisten oder im Rahmen eines Völkermordes verfolgt werden, sagte Sarrazin. “Aber nicht für jeden, der in einer Diktatur oder einer unvollkommenen Demokratie irgendwie unterdrückt wird.”
    Ein Asylrecht, wie das gegenwärtige, bedeute, dass 80 Prozent der Weltbevölkerung ein Recht auf Asyl in Deutschland hätten , sagte Sarrazin. “Das ist auf Dauer nicht haltbar.”
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung C.R.: Jetzt rächt sich der Umstand, dass die SPD nicht imstande war, dieses Mitglied auszuschließen. Und natürlich hat Herr Sarrazin seine willigen Helfer in der Medienwelt.

  8. Topografie des Horrors
    Flüchtlinge Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es zwischen Sahelzone und Golfregion nicht mehr so viele Konflikte. Ein Blick auf die Ursachen der derzeitigen Fluchtlingsströme.
    Quelle: der Freitag
  9. Der Ruf nach Führung
    Die deutsche Dominanz über die EU wird von nennenswerten Teilen der Eliten in zahlreichen Ländern weltweit akzeptiert und in nicht wenigen Fällen positiv bewertet. Dies behauptet die deutsche Entwicklungsorganisation GIZ in einer aktuellen Untersuchung über das internationale Image der Bundesrepublik. Demnach werde Berlins “Führungsrolle in Europa” weithin “nüchtern festgestellt und neutral bis anerkennend gesehen”. Darüber hinaus heiße es immer wieder, Deutschland solle sich künftig auch stärker an Kriegen beteiligen als bisher. Oft werde die Bundesrepublik explizit “als Gegengewicht zum Hegemon USA” eingestuft. Die Untersuchung basiert auf einer Umfrage, die die GIZ in 26 Staaten auf vier Kontinenten durchgeführt hat…
    Im Ergebnis zeigt die Studie, dass das deutsche Establishment sich bei seinem globalen Machtstreben auf prinzipiell kooperationswillige Segmente in den Eliten anderer Staaten stützen kann. Ignoriert wurden in der Umfrage die unteren Mittel- und die Unterschichten, die etwa in Griechenland von Berlin in die Verarmung getrieben wurden. Bei ihnen wächst der Unmut über die deutsche Dominanz…”
    Quelle: German Foreign Policy
  10. Nicht den Euro verlassen, sondern mit seiner neoliberalen Verfasstheit brechen!
    Thesen zur Debatte um Griechenland und den Euro
    Ein offensiver Bruch des neoliberalen Vertragswerks rund um den Euro sollte das Ziel fortschrittlicher Gruppen und Menschen sein; anstatt eine Debatte um den Austritt Griechenlands aus dem Euro oder dessen Abschaffung zu führen. Zu diesem Schluss kommt der Koordinierungskreis von Attac Deutschland in einem heute veröffentlichten Thesenpapier zur Debatte um Griechenland und den Euro.
    “Die Diskussion darüber, ob der Euro langfristig funktionieren kann, lenkt vom Kern des Problems ab […].Der Euro funktioniert nicht […]. Aber statt die Veränderungen vorzunehmen, die für ein Funktionieren notwendig wären, hat die EU ein Vertragswerk geschaffen, das ein Korsett von immer mehr und immer umfassenderen falschen Maßnahmen, Vorschriften und Institutionen um den Euro herumlegt. Diese sind das eigentliche Problem […]”, heißt es in dem Papier. Als Beispiele genannt werden etwa der Europlus-Pakt, der sogenannte Euro-Rettungsfonds ESM und der Fiskalpakt. Ziel emanzipatorischer Bestrebungen müsse es sein, diese Verträge anzugreifen.
    Quelle: attac
  11. “Daimler verlängert Zukunftssicherung für Beschäftigte bis Ende 2020”
    Unternehmen und Gesamtbetriebsrat vereinbaren Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 31.12.2020; Zukunftssicherung gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unbefristetem Arbeitsvertrag bei der Daimler AG; Vereinbarung sichert außerdem Personalflexibilität, Vergütung und Übernahme von Auszubildenden… Vorstand und Gesamtbetriebsrat haben gemeinsam beschlossen, die Daimler Zukunftssicherung frühzeitig um vier Jahre zu verlängern. Die derzeit gültige Gesamtbetriebsvereinbarung läuft bis Ende 2016. Die neue, daran anschließende Zukunftssicherung schließt betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2020 aus. Sie gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Daimler AG mit unbefristetem Arbeitsvertrag…”
    Quelle: Pressemitteilung der Daimler AG vom 8.9.2015

    Anmerkung LabourNet: Mitarbeiter der Daimler AG mit unbefristetem Arbeitsvertrag! Für die Leiharbeit gilt: “… In der Zukunftssicherung sind auch Flexibilitätsinstrumente im Personalbereich geregelt, die es Daimler erlauben, auf eventuelle Marktschwankungen zu reagieren. Die geltende Regelung, die eine Flexibilitätsquote von acht Prozent für Zeitarbeitskräfte und befristet Beschäftigte in der Produktion vorsieht, wird in der neuen Zukunftssicherung fortgeführt. In besonderen Situationen, etwa bei Produktanläufen, kann die Quote von acht Prozent in den Werken nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrats für einen begrenzten Zeitraum überschritten werden…
    Weiter heißt es darin: “… Michael Brecht, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Daimler AG, sagt: „Wir sind sehr zufrieden, dass es uns gelungen ist, die Daimler Zukunftssicherung vorzeitig zu verlängern. Dies ist nach dem Abschluss der Zukunftsbilder an den Standorten ein weiterer wichtiger Schritt zur nachhaltigen Stärkung und Sicherung der Belegschaften in Deutschland. Damit profitieren auch die Beschäftigten von der derzeit hervorragenden Geschäftsentwicklung. (…) Grundlage und Voraussetzung für die Verlängerung der Daimler Zukunftssicherung sind die lokalen Zukunftsbilder, die in den vergangenen Monaten für nahezu alle Werken vereinbart wurden. Sie beinhalten von Unternehmensseite konkrete Investitionszusagen in Höhe von insgesamt rund 8,5 Milliarden Euro für die einzelnen Standorte bis weit in die kommenden Jahre. Von den Beschäftigten werden dafür standortspezifisch Beiträge zu Effizienzsteigerungen und Flexibilität eingebracht…”

  12. Klaus Ernst: Gericht schränkt Grundrecht ein
    “Das Landesarbeitsgericht in Hessen untersagt den Piloten bei der Lufthansa für den Erhalt ihrer Tarifverträge zu streiken. Die Lufthansa will Piloten künftig in konzerneigenen Billiglinien zu deutlich schlechteren Bedingungen beschäftigen – teilweise ohne Tarifvertrag. Mit dieser Entscheidung werden die Beschäftigten den Interessen des Unternehmens ausgeliefert”, sagt Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. Ernst weiter:
    “Die Piloten sollen eine deutliche Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen und ihrer Entlohnung widerspruchslos akzeptieren. Dieses Urteil ist vor dem Hintergrund des neuen Tarifeinheitsgesetzes ein weiterer Versuch, das grundgesetzlich verbriefte Streikrecht einzuschränken.”
    Quelle: Linksfraktion
  13. Immer weniger Anwälte vertreten Hartz IV Bezieher
    Rechteabbau durch die Hintertür: Immer weniger Rechtsanwälte können Hartz IV Bezieher vertreten, weil die Jobcenter sich weigern, die Anwaltskosten zu zahlen
    Immer wenige Anwälte wollen Hartz IV Bezieher vor Gericht vertreten. Das ist eine Folge des andauernden Rechtsabbaus in Deutschland. Denn immer häufiger müssen die Rechtsanwälte auf ihr Honorar verzichten. Häufigster Grund: Gewinnt der Hartz IV Beziehende einen Prozess gegen das Jobcenter, muss dieses ihm zwar die Kosten erstatten. Hat der Erwerbslose jedoch Schulden beim Jobcenter, verrechnen die Jobcenter häufig die beiden Summen. Der Anwalt geht dann leer aus. Das allerdings ist höchst rechtswidrig und hat perspektivisch verheerende Folgen für Hartz IV Betroffene.
    Hat das System? Wollen die Jobcenter so durch die Hintertür Klagen von Hartz IV Beziehern verhindern? Die Vermutung liegt nahe. Denn immer weniger Anwälte wollen Hartz IV Bezieher vertreten, weil das Risiko die Kosten erstattet zu bekommen, sehr hoch ist. “Die Schulden eines Mandanten einerseits und das Honorar seines Anwalts andererseits sind Forderungen von zwei Parteien, die nichts miteinander zu tun haben”, sagt Rechtsanwalt Martin Schafhausen von der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). “Sie dürfen nicht miteinander verrechnet werden.”
    Dennoch wurden die Jobcenter explizit angewiesen zu prüfen, ob ein Hartz-IV-Beziehender Schulden hat, bevor Anwaltshonorare ausgezahlt werden. Gewinnt der Mandant und hat er weder Prozesskostenhilfe (PKH) noch Beratungshilfe erhalten, muss das Jobcenter ihn von den Kosten des Rechtsanwalts freistellen. DerArbeitslose ist dann nicht mehr derjenige, der dem Anwalt das Honorar schuldet, sondern das Jobcenter. “Dass dieses Honorar dann nicht mit Schulden des Hartz-IV-Empfängers verrechnet werden darf, liegt auf der Hand”, kritisiert Rechtsanwalt Schafhausen. Das hat auch ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pflanz (AZ: L 6 AS 188/13) bestätigt.
    Quelle: gegen-hartz.de
  14. Prognose bis 2024: Erbschaften zementieren Ungleichheit in Deutschland
    3,1 Billionen Euro werden die Deutschen bis 2024 erben – ein großer Teil der Immobilien, Aktien und Geldvermögen bleibt bei den oberen zwei Prozent. Laut einer Studie verfestigt sich die Kluft zwischen Arm und Reich.
    Deutschland steuert auf einen Erb-Rekord zu: 3,1 Billionen Euro werden von 2015 bis 2024 vererbt, so viel wie nie zuvor binnen zehn Jahren. Etwa zwei Drittel dieser Summe, 2,1 Billionen Euro, gehen an die nächste Generation – und verfestigen die ohnehin bestehende soziale Ungleichheit in Deutschland. Das geht aus Berechnungen der Studie “Erben in Deutschland 2015 – 2024” des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) hervor.
    Im Zehnjahreszeitraum von 2001 bis 2010 waren es – in heutige Kaufkraft umgerechnet – noch 1,78 Billionen Euro, die an die nächste Generation vererbt wurden, also rund 320 Milliarden Euro weniger. Seit der Jahrtausendwende sind die Erbbeträge real, also um den Preisanstieg bereinigt, um 19 Prozent gestiegen, haben die Forscher des Beratungsinstituts Empirica berechnet, die die Studie für das DIA erstellt haben. Das DIA gehört den Finanzkonzernen Deutsche Bank und Zurich. (Hier finden Sie die komplette Studie auf der DIA-Website.)
    Diese Entwicklung mag auf den ersten Blick überraschen. Schließlich sind die realen Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland insgesamt seit dem Jahr 2000 nicht gewachsen, sondern leicht geschrumpft. Erklären lässt sich der Zuwachs bei den Erbschaften dennoch: Zum ersten Mal seit Langem wird in Deutschland nun eine Generation zu Erblassern, die weder Krieg oder Hyperinflation erlebt hat – sondern ihr Vermögen während der Wirtschaftswunderzeit aufbauen und anschließend mehren konnte.
    Ein Drittel geht an die oberen zwei Prozent
    Allerdings trifft dies nur auf einen Teil der Bevölkerung zu, auf den Rest nicht – was sich in einer sozialen Ungleichheit niederschlägt, die in Deutschland größer ist als in jedem anderen Land der Eurozone. Aus der Erben-Studie geht nun hervor: Erbschaften verursachen diese Ungleichheit zwar nicht, spiegeln sie aber wieder. Und sie zementieren diese Ungleichheit auch auf lange Zeit.
    Ein paar Zahlen belegen das: Von den 2,1 Billionen Euro, die in den kommenden zehn Jahren an die nächste Generation vererbt werden, entfallen 700 Milliarden Euro, also ein Drittel, auf die oberen zwei Prozent der Hinterlassenschaften. Für die restlichen 98 Prozent bleiben 1,4 Billionen Euro – hier sind die vererbten Beträge seit dem Jahr 2000 auch lediglich um sieben Prozent gestiegen. […]
    Die Ergebnisse der DIA-Studie sind geeignet, die Diskussion über die Erbschaftsteuer neu anzuheizen – insbesondere angesichts des enormen Anteils der oberen zwei Prozent der Erbfälle. Das macht auch der internationale Vergleich deutlich: Während in Deutschland im Jahr 2011 nur 0,4 Prozent des gesamten Steueraufkommens auf Erbschaften und Schenkungen entfielen, waren es in Frankreich 1,0 Prozent und in Japan gar 1,8 Prozent.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Und dann werden Schäuble und die CDU/CSU die Diskussion sofort wieder beenden, weil es nicht zumutbar ist, Firmenerben schon bei weniger als 26 Millionen bzw. 52 Millionen Euro nur einen einzigen Cent Steuern zahlen zu lassen.

  15. Privat gegen Gesetzlich: Niedrige Zinsen setzen private Versicherungen unter Druck
    Mit Rückstellungen fürs Alter garantieren die privaten Krankenversicherer, dass die Beiträge später nicht explodieren. Doch bei niedrigen Zinsen wird es für sie enger.
    Die Zeit der Systemdebatten scheint vorbei. Derzeit liegen die Pläne, die wachsenden Gesundheitskosten durch eine Bürgerversicherung zu finanzieren, in den Giftschränken der Opposition. Während die gesetzlichen Krankenkassen als umlagefinanzierte Einrichtungen weiter mit der Alterung und der fallenden Zahl junger Menschen zu kämpfen haben, fühlt sich die private Krankenversicherung (PKV) als heimlicher Sieger der Debatte – zumindest solange der Giftschrank mit den Skizzen zum Radikalumbau geschlossen bleibt. Denn durch ihre Alterungsrückstellungen kalkulieren die PKV-Unternehmen die Beiträge für jeden Geburtsjahrgang auskömmlich. Nur der medizinische Fortschritt macht ihnen in normalen Zeiten einen Strich durch die Rechnung. […]
    Über die gemeinsame Kapitalanlage der Allianz-Gesellschaften legt sie das Kundengeld außer in Staatsanleihen auch in spezielleren Unternehmensanleihen an, genauso wie in Aktien oder Infrastruktur. „Wir können auch da investieren, wo man ein großes Volumen braucht und sich sehr lang festlegt.“ Mit Hilfe der Kapitalanlage könne sie Vollversicherungstarife noch immer günstiger anbieten als der Höchstsatz der gesetzlichen Kassen. […]
    Noch vor einem Jahrzehnt lag die Gesamtkostenquote der Branche – also der Anteil von Verwaltungs- und Abschlusskosten – bei 12 Prozent. Seit 2009 hat sich diese Quote stark verringert – auf zuletzt 8 Prozent.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Schiefe Vergleiche, dreiste Behauptungen ohne Grundlage und die immer gleiche Lüge, daß “die gesetzlichen Krankenkassen als umlagefinanzierte Einrichtungen weiter mit der Alterung und der fallenden Zahl junger Menschen zu kämpfen haben” (implizit ergänzt um die Zusatzlüge, daß das bei der PKV anders wäre): die FAZ könnte, wenn sie in ein paar Jahren wegen untragbarer Verluste geschlossen werden wird, als Versicherungswerbeblättchen reüssieren. Besonders interessant die Ausführungen, daß die Gesamtkostenquote der PKV – man höre und staune – von völlig indiskutablen 12 Prozent (wieso akzeptieren Versicherte, daß jeder 8. Beitragseuro für die Verwaltung draufgeht?) auf 8 Prozent gesenkt worden wäre; und bei der Berechnung werden noch die Zeiten und Kosten, die die Versicherten für die Bearbeitung von Arztrechnungen verplempern, unterschlagen. Bei der GKV gibt es bekanntlich keine Abschlußkosten, und die Verwaltungskosten sind gesetzlich auf maximal 6 Prozent gedeckelt, ein Wert, der von vielen GKVen deutlich unterschritten wird. Die PKV bleibt eine Geldverschwendungsmaschine und eine tickende Zeitbombe, weil das finanzmarktgedeckte Sparen nicht funktioniert und Millionen Privatversicherte im Alter entweder die Prämien nicht mehr zahlen können oder in Altersarmut landen werden (und dann der Allgemeinheit zur Last fallen).

  16. Wasserprivatisierung: Angriff abgewehrt – aber trotzdem eine herbe Niederlage!
    Gestern hat die Mehrheit des Europäischen Parlaments sich gegen die Bestrebungen von Mitte Rechts und der Rechten gestellt, die erste europäische Bürgerabstimmung „Right to Water“ in der Substanz zu konterkarieren. Dies war sicherlich ein wichtiger Erfolg!
    So wurde festlegt, dass die Europäische Kommission die Wasserprivatisierung nicht begünstigen darf und somit Wasser nicht zu Ware werden kann. Auch der Handel mit Wasser als Teil von TTIP oder TISA wurde ausgeschlossen. Ferner enthält der Text die Bestimmung, dass die EU Kommission die Privatisierung von Wasserdienstleistungen weder durch Rechtsvorschriften noch auf andere Art und Weise fördern darf;” (§45).
    Aber ausgerechnet die Public Private Partnership als eigentlich perfideste Form der Privatisierung der Wasserversorgung wurde mit einer Mehrheit der EU-Abgeordneten von dem Verbot der Privatisierung ausgenommen. Privatisierung des Wassers abgelehnt, doch die verbreiteste und effektivste Form der Privatisierung von Wasser wird von jeder Warnung und jedem Verbot ausgenommen. Wer den Film „Water Makes Money“ gesehen hat, weiß, dass dieser Sieg im EU-Parlament vor allem im Kern eine herbe Niederlage ist.
    Quelle: Newsletter watermakesmoney.org auf LabourNet
  17. Brüsseler Drehtür
    Die EU-Kommissarin für Justiz geht zu Agfa, der Ölmanager wird Kommissar für Klimaschutz
    Interessenkonflikte gibt es in beiden Richtungen: Einerseits wechseln ehemalige Unternehmenschefs oder Präsidenten von Arbeitgeberorganisationen in öffentliche Institutionen wie die Europäische Kommission, um sich in eigener Sache starkmachen zu können. Andererseits beenden hohe EU-Funktionäre ihre Karriere gern im Privatsektor, wo sie von ihren Kontakten aus der Politik profitieren…
    Ein kurzer Blick in die Vergangenheit genügt, um zu erkennen, wie sehr diese Praxis die Funktionsweise der EU-Institutionen beeinträchtigt. Beispielsweise gründete der ehemalige deutsche Kommissar für Unternehmen und Industrie, Günter Verheugen, gemeinsam mit seiner früheren Kabinettschefin Petra Erler im Jahr 2010 die Consultingfirma European Experience Company (EEC)…
    Der Ire Charlie McCreevy, ehemaliger Kommissar für den Binnenmarkt, arbeitet heute bei einer Bank und sitzt im Aufsichtsrat der Billigfluglinie Ryanair und des Finanzdienstleisters Sentenial. Nach ihrer Amtszeit als Kommissarin für Verbraucherschutz wechselte die Bulgarin Meglena Kunewa in den Aufsichtsrat von BNP Paribas. Einst verantwortlich für die Außenbeziehungen der Kommission, hat die Österreicherin Benita Ferrero-Waldner inzwischen beim Versicherer Munich Re ihre neue berufliche Heimat gefunden. Der Belgier Louis Michel wiederum hat bei der Finanzierungsgesellschaft Credimo angeheuert, nachdem er das Amt als Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe aufgegeben hatte….
    Die Drehtür in Brüssel dreht sich also trotz der rechtlichen Neuerungen weiter, wie am Beispiel von Viviane Reding deutlich wird. Sie war von 1999 bis 2014 ununterbrochen EU-Kommissarin, zunächst für Bildung, dann für Medien und zuletzt für Justiz. Im Mai 2014 wurde sie dann ins Europäische Parlament gewählt. Mit dem Segen aus Brüssel sichert sie sich ein Einkommen als Aufsichtsratsmitglied der Bergbaugesellschaft Nyrstar und der Bertelsmann Stiftung sowie als Vorstandsmitglied der Agfa-Gevaert-Gruppe.
    Ehemalige Kommissare beziehen für bis zu drei Jahre nach Beendigung ihrer Amtszeit monatlich 40 bis 65 Prozent ihres Brüsseler Gehalts, das sind immerhin zwischen 8332 und 13 540 Euro im Monat, auf dass sich die frisch gebackenen Arbeitslosen nicht gleich auf die erstbeste Stelle stürzen müssen. Damit will man mögliche Interessenkonflikte vermeiden. Konsequenterweise müsste dann allerdings auch für die Aufnahme einer neuen Berufstätigkeit und für die Lobbyarbeit eine Frist von drei Jahren (statt der 18 Monate) gelten.
    Beim Drehtürwalzer der Kommissare tanzen auch andere hohe EU-Beamte mit….
    Quelle: Vicky Cann in Le Monde diplomatique

    Hinweis: In der September-Ausgabe von Le Monde diplomatique wieder eine Reihe interessanter Beiträge, u.a.:

    • Russland 
und Ukraine – Mythen und Propaganda
      Beide Seiten bedienen sich militant hysterischer Töne, um den Gegner zu diffamieren. Mit der Lebensrealität auf der Krim oder in Kiew hat das wenig zu tun. Und auch die historischen Tatsachen sind anders, als die Täter-Opfer-Propaganda glauben machen will. von Tim Neshitov
    • Verwüstung
      Wie der Klimawandel Konflikte anheizt von Agès Sinai, Agnes Sinai
    • Wahre und wütende Finnen
      von Mika Rönkkö Rönkkö
    • Die Nacht vor Europa
      Eine Gruppe Syrer auf ihrer letzten Wegstrecke nach Ungarn von Franziska Tschinderle
    • Zuversicht und Skepsis
      Der Iran nach dem Atomabkommen von Camelia Entekhabifard
    • Südafrikas kurzes Gedächtnis
      Die Rolle der Nachbarstaaten im Kampf gegen die Apartheid gerät in Vergessenheit von Jeremy Harding
    • Shinzō Abes Verrat
      Japans Regierungschef will das Militär künftig auch im Ausland einsetzen. Sein Volk ist dagegen von Makoto Katsumata
    • Chinas kleiner Freund im Norden
      Der Wettlauf um die Arktis führt über Reykjavík von Florent Detroy

    Le Monde diplomatique ab Donnerstag im Kiosk am Freitag als Beilage zur taz.


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=27506