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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 31. August 2015 um 9:16 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung C.R.: Diese “Volllast” im deutschen Asylsystem ist wohl eher eine Folge jahrzehntelanger mangelnder politischer Konzeptionslosigkeit. Personen wie Erhard Eppler haben frühzeitig vor den Folgen der Untätigkeit gewarnt – z.B. hier:
“Wer glaubt, gegenüber dem Osten und dem Süden hätten wir nur die Aufgabe und die Wahl, entweder Millionen oder aber nur Zehntausende von Asylbewerbern ins Land zu lassen, bewegt sich am Rande der Wirklichkeit. Erstens werden wir für die perfekten Slums in Afrika und die werdenden Slums in Rußland oder Rumänien noch viel mehr tun müssen, als wir heute ahnen, und zwar im eigenen Interesse. Zweitens gibt es auf dieser Welt allemal sehr viel mehr Elend, als im kleinen Deutschland jemals Platz hat – abgesehen davon, daß sich keineswegs immer die Elendsten um Asyl bewerben, sondern oft solche, die zu Hause gebraucht würden. Und drittens hat die Politik die verdammte Pflicht, das deutsche Gemeinwesen handlungsfähig zu erhalten. Weder dem Süden noch dem Osten ist mit einem Deutschland gedient, das Jahr für Jahr seine ganzen Energien auf die halbe oder dann einmal auch ganze Million Einwanderer via Asylrecht konzentrieren muß und auf den Rechtsradikalismus, der dadurch gefördert wird. Konstruktive Entwicklungspolitik wird niemals von den Amerikanern oder von Japan ausgehen, sondern nur von Europa. Und ob sich in Europa die Südpolitik durchsetzt, die Niederländer, Skandinavier und teilweise auch Franzosen längst wollen, entscheidet sich im vereinigten Deutschland. Das ist um ein vielfaches wichtiger als der Asylstreit.”
Weiter schrieb Eppler – und das erinnert an die aktuelle Situation:
„Es ist peinlich, daß dies erst jetzt bereinigt werden soll, wo Neonazis wüten. Schon um die Mitte der achtziger Jahre wäre es nötig gewesen, zusammen mit der Union Lösungen zu suchen. Sicher, die Union wollte nicht, sie wollte die SPD vorführen, und die CSU will es – kaum zu glauben, daß Politik so verblendet und verantwortungslos sein kann – auch heute noch. Aber auch wir Sozialdemokraten haben nicht begriffen, was da kommen mußte, und sind nicht offen genug auf die Klügeren in der Union zugegangen. Jetzt müssen beide sich bewegen: die SPD, indem sie sich zu einer präzisierenden Ergänzung des Grundgesetzes durchringt, die Union, indem sie an dem Satz „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ nicht mehr rüttelt.“
Mit diesem Satz „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ scheinen auch heute noch zu Viele in den Unionsparteien Probleme zu haben.
Dazu: Die ungeheure Schlichtheit von Minister Herrmann
Hier die Guten, da die Schlechten: Man kann Angst bekommen, wenn man hört, wie ein CSU-Politiker über Vertriebene und Flüchtlinge spricht.
Das Problem mit manchen Bayern ist, dass sie versuchen, sich klar und deutlich auszudrücken. Ein Problem ist das deshalb, weil dabei oft ein ungeheurer Schmarrn herauskommt. Ungeheuer ist das, weil sich in den Äußerungen gerne eine Schlichtheit des Denkens offenbart, vor der man direkt Angst bekommen könnte. Insbesondere, wenn es sich um einen Regierungs-Bayern handelt, der diese Äußerung tätigt.
Am Donnerstag entdeckten österreichische Polizisten in einem abgestellten Lastwagen die Leichen von 71 vermutlich syrischen Flüchtlingen, sie waren erstickt. Am selben Tag kenterten vor der libyschen Küste zwei Flüchtlingsboote, etwa 200 Menschen kamen ums Leben. (…)
Am Abend dieses Tages saß der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der ZDF-Talkshow von Maybrit Illner und sagte, der Vergleich von Vertriebenen mit Flüchtlingen sei “eine Beleidigung für die Vertriebenen”. Das ist eine Aussage, wie man sie von Herrmann erwarten darf, aber es lohnt sich dennoch, darüber nachzudenken. Er sagte ja nicht, so ein Vergleich hinke, etwa aus historischen Gründen oder weil die heute Vertriebenen aus einem ganz anderen Kulturkreis kämen. Darüber kann man diskutieren, wenn man spitzfindig sein will.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Dazu: Der Terror ist schon da
Es hagelt Ausschreitungen mit Ansage: Die rechte Szene setzt wieder auf eine Politik der Gewalt. Die ist weder neu noch war sie unvorhersehbar.
Plötzlich sind die Warner da. „Wo Gebäude brennen“, sagt Berlins CDU-Innensenator Frank Henkel, „brennen irgendwann auch Menschen.“ Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt mahnt, es drohe ein „neuer rechter Terrorismus à la NSU“. Und selbst die Deutsche Polizeigewerkschaft – deren Zunft bei den NSU-Ermittlungen alles Mögliche hinter der Mordserie vermutete, aber keine neonazistischen Täter – warnt, dass auf die derzeitige „konzeptlose“ Flüchtlingspolitik „im Ergebnis Gewalt, Extremismus und auch Rechtsterrorismus folgen werden“. Es muss also ernst sein.
Und es ist ernst.
Es sind die Bilder von Heidenau, die mit einem Schlag wieder einen lange gemiedenen Terminus in die deutsche Öffentlichkeit schleudern: Müssen wir von einem „rechten Terrorismus“ reden? Randalierende Rechtsextreme vor einer Asylunterkunft, die aus Baustellenzäunen Barrikaden errichten, Böller zünden, Steine werfen und Beamte verletzen. Es sind auch die Bilder von verkohlten Resten angezündeter Flüchtlingsunterkünfte. Oder es ist das Entsetzen über zwei Rechtsextreme, die auf Flüchtlingskinder urinierten.
Von einer neuen Qualität rechter Gewalt ist die Rede. Nur: Es stimmt in gleich mehrfacher Hinsicht nicht. Die Gewalt ist weder neu noch war sie unvorhersehbar.
Quelle: taz
Anmerkung C.R.: Das erinnert an den Umgang des ehemaligen Bundeskanzlers Kohl mit den aus der Türkei stammenden Gastarbeitern. Später schrieb „Spiegel Online“ dazu u.a.:
„Kohl probiert es mit seinem liebsten politischen Mittel: mit Geld. “Er beabsichtige, die Sozialversicherungsbeiträge der türkischen Arbeiter zu kapitalisieren und ihnen eine Abfindung zu geben”, heißt es im Thatcher-Protokoll. Tatsächlich verabschiedet die schwarz-gelbe Koalition 1983 ein “Gesetz zur befristeten Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern”, versucht die Türken mit einem Abschiedsgeld von 10.500 D-Mark und Auszahlung ihrer Rentenversicherungsbeiträge zu ködern, zurück in die Heimat zu ziehen. Dieses Programm allerdings erweist sich als Schlag ins Wasser. “Nur etwa 100.000 Türken sind gegangen”, sagt Historiker Herbert. Und im Gegenzug kommen Zehntausende als Asylbewerber in die Bundesrepublik.“
Anmerkung Albrecht Müller: Wir müssen immer wieder die gleiche Erfahrung machen: im Interesse einer vernünftigen Zuwanderungspolitik werden die irrsinnigsten Parolen verbreitet. Schröder bleibt bei seinem Irrtum, den er zur Einführung der Riester-Rente schon zu glauben vorgab. Ohne Einwanderung in das Sozialsystem seien die Renten in der Zukunft nicht mehr zu finanzieren. Er hat auch 13 Jahre nach dem Beginn von Förderrenten (1.1.2002) immer noch nicht kapiert, dass Produktivität, Erhöhung der Erwerbsquote und eine Reihe anderer Maßnahmen volle Pulle ausreichen, um die Renten zu finanzieren. – Ich fürchte, den Unsinn der falschen Argumentation zum demographischen Wandel werden wir nicht mehr los.
Anmerkung C.R.: Schön, dass sich diese grüne Initiative wohltuend von der mittlerweile oliv-grünen Partei abgrenzt.
Anmerkung C.R.: Obwohl die zugenommene Liberalisierung der Welt vielfach großen Schaden verursacht hat, kennt dieser Lobbyverband auf dieser „Einbahnstraße“ offenbar keine Grenzen und fordert weitere Schritte in diese Richtung.
Anmerkung WL: Wer hat eigentlich mit dafür gesorgt, dass seit Januar 2015 der Arbeitgeberbeitrag auf 7,3 Prozent gedeckelt wurde? War die SPD etwa daran unbeteiligt?
Anmerkung unseres Lesers U.D.: Der Skandal ist nicht der Aufnahmestopp der Tafeln, sondern dass es überhaupt 900 Tafeln in Deutschland gibt, die privat betrieben werden. Gelder sind zum “Retten” der Finanzindustrie in Milliardenhöhe vorhanden und gleichzeitig sind nur unzureichende staatlichen Mittel für die Ärmsten der Armen vorhanden.
Anmerkung unseres Lesers K.G.: Eigentlich sollte das bei diesem Flüchtlingsstrom kein Problem sein, Auszubildende zu finden.
Das ist aber auch kein Wunder wenn Unternehmer nicht auf „Geringqualifizierte mit nur einem Haupt- oder Realschulabschluss“ zurückgreifen will.
Also, raus mit der Sprache: Auf was wartet ihr Unternehmer denn jetzt? Auf Flüchtlinge mit Abitur oder auf deutsche Abiturienten mit Bachelor und Master Abschluss? Haupt-und Realschüler mit Abschluss könnt ihr ja nicht gebrauchen, oder?
PS : Ich habe „nur“ einen Hauptschulabschluss und bin Industriemeister Elektrotechnik.
Ergänzende Anmerkung C.R.: Die NachDenkSeiten haben mehrfach das Thema aufgegriffen; z.B. hier:
Passend dazu: US-Gericht hebt Verfügung gegen NSA-Telefonüberwachung auf
2013 hatte ein Gericht befunden, dass die Vorratsdatenspeicherung der NSA wahrscheinlich illegal ist. Ein Berufungsgericht hat diese Verfügung nun aufgehoben und schickt den Fall zurück an den Start. Für die Kläger ist das keine gute Nachricht…
Im Dezember 2013 hatte Richter Richard J. Leon vom Bundesbezirksgerichts für den District of Columbia eine Einstweilige Verfügung gegen die NSA-Vorratsdatenspeicherung erlassen; denn dieses Überwachungsprogramm verstoße höchstwahrscheinlich gegen die US-Verfassung. Das Verfahren heißt Klayman v Obama. Aufgrund der großen Bedeutung der Überwachung für die Regierung stellte Leon seine Verfügung aber sofort ruhend; die Überwachung konnte damit weiterlaufen, bis die Berufungsinstanz entschieden hat.
Diese hat nun entschieden und die Einstweilige Verfügung aufgehoben.
Quelle: Daniel AJ Sokolov auf heise online
Die Tränen der Krokodile
Wer jemals wieder ein Gewehr,
dem soll die Hand verdorren.
Erinnert Euch! Ihr wisst es noch?
Doch gab es einen Gott,
der Eisen wachsen ließ,
und Ideologen, Profiteure.
Die Augen rechts! Die Augen geradeaus!
Und Waffenfabrikanten, Ölmagnaten.
Präsentiert das …!
So geht’s im Gleichschritt an die Front
nach Osten wie nach Westen,
mal robben sie, mal stehn sie still,
mal sitzen sie am Monitor
und spielen Scheibenschießen.
Marsch, marsch, ihr Jungs und Mädels!
Die Gräber sind schon vorbereitet,
die Trauerfeiern mit den Trommeln,
den Trompeten und den Trauerreden.
Und soll – verflucht – die Hand verdorren!
Aus: Wolfgang Bittner, „Südlich von mir“, Lyrikedition 2000, München 2014.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=27374