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Titel: Arbeitsmarkt: 2007 fast wie 1994, aber doch ganz anders

Datum: 31. Oktober 2007 um 9:25 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik
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Nach der Statistik des BIAJ [PDF – 272 KB] ist die ist die Zahl der registrierten Arbeitslosen mit 3,434 Millionen im Oktober 2007 etwa genau so hoch wie im Oktober 1994, als 3,447 Millionen Arbeitslose registriert wurden. Es gibt jedoch einen wichtigen Unterschied: Im Oktober 1993 hatten 1,709 Millionen Arbeitslose einen Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld. Im Oktober 2007 waren dies noch 933.000.
Insgesamt gibt es immer noch 6,8 Millionen erwerbsfähige Menschen, die im Oktober 2007 entweder als Arbeitslose registriert sind, Arbeitslosengeld nach dem SGB III (Alg) und/oder Arbeitslosengeld II (SGB II: Hartz IV) erhalten.
Nicht eingerechnet sind dabei die 1,943 Millionen Empfänger/innen von Sozialgeld (darunter etwa 96,5% Kinder unter 15 Jahren) – und natürlich nicht gerechnet sind auch diejenigen, die ohne “Arbeitslosengeld während Arbeitslosigkeit” und ohne (ergänzendes) Arbeitslosengeld II an Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung teilnehmen, wie z.B. Weiterbildung im Rechtskreis SGB III und ABM ohne ergänzenden Alg II-Bezug.

Ein “Blick” auf die “vier Säulen” mit 6,8 Millionen erwerbsfähigen Menschen

Man kann es ja nicht oft und deutlich genug sagen: Wir sind froh über jede und jeden, die/der wieder einen Arbeitsplatz gefunden hat. Wir freuen uns also darüber, wenn die Arbeitslosigkeit abnimmt und die Beschäftigung zunimmt.

Es ist also durchaus ein positives Zeichen, wenn gegenüber dem Vormonat im Oktober die Zahl der registrierten Arbeitslosen um 40.000 und gegenüber dem Vorjahr um 650.347 abgenommen hat.
Genauso ist es ein gutes Signal, wenn die Zahl der Erwerbstätigen im September mit 40,18 Millionen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik auf über 40 Millionen gestiegen ist. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag im August nach der Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit bei 27,17 Millionen, gegenüber dem Vorjahr war das ein Zuwachs von 589.000.
Erfreulich ist auch, dass die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen mit rund (leider immer noch) 400.000 um 100.000 unter dem Vorjahresniveau liegt.

Es geht uns und zumindest auch den allermeisten betroffenen Menschen aber nicht um Arbeit zu jedem Preis und zu allen Bedingungen. Schaut man einmal das „Jobwunder“ etwas genauer an, so müsste das die Euphorie dämpfen, die allenthalben herbeigeredet wird:

  • Nur etwa die Hälfte des Zuwachses von knapp 600.000 sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung entfällt auf Vollzeitstellen.
  • Den kräftigsten Anstieg gab es bei den sog. unternehmensnahen Dienstleistungen (+ 244.000), der allerdings „wiederum zum größten Teil von Arbeitnehmerüberlassung getragen wird.” Die Zahl dieser (schlecht bezahlten und ausbeuterischen) Leiharbeitsverhältnisse hat inzwischen 800.000 erreicht.
  • Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten betrug nach einer ersten Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit im August 4,86 Millionen, 81.000 mehr als vor einem Jahr.
  • Darüber hinaus übten 2,08 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob aus, gegenüber dem Vorjahr 154.000 mehr.
  • Da tröstet es auch wenig, dass die Zahl der Beschäftigten in Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobber) von 305.000 um 6.000 rückläufig ist.
  • Im Oktober bekamen immer noch 6.006.000 erwerbsfähige Menschen Lohnersatzleistungen nach dem SGB III oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
  • Die Zahl der Erwerbstätigen, die ihr Erwerbseinkommen durch Arbeitslosengeld II aufstocken müssen, hat deutlich zugenommen. Nach den letzten Daten, die hierzu vorliegen, erzielten im Mai rund 528.000 Arbeitslosengeld II-Bezieher Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze von 400 Euro und waren nicht arbeitslos gemeldet.
  • Die Zahl der 5.161.000 Arbeitslosengeld II-Empfänger hat sich kaum (1%) verringert.
  • Nach wie vor liegt der Anteil der Langzeitarbeitslosen bei knapp 40 Prozent.
  • In Ostdeutschland war die Arbeitslosenquote mit 13,6 Prozent etwa doppelt so groß wie im Westen mit 6,8 Prozent.
  • Ob die deutliche Zunahme an Selbständigen (einschließlich mithelfender Familienangehöriger) unter den Erwerbstätigen ein auskömmliches Einkommen erzielen, ist eine offene Frage.

Weniger erfreulich ist auch die Tatsache, dass sich im Oktober (- 40.000), einem Monat, in dem üblicherweise Betriebe nach Beendigung der Ferien wieder verstärkt einstellen, der Rückgang der Arbeitslosenzahlen gegenüber September (- 49.000) abgeschwächt hat.
Auch die Wachstumsraten der Beschäftigung sind seit Beginn des Jahres in der Tendenz rückläufig

Hinzuzufügen ist darüber hinaus, dass der Arbeitsmarkt auch dadurch entlastet wird, dass das Arbeitskräfteangebot rückläufig ist. Die Bundesagentur geht im Jahresdurchschnitt von 73.000 Menschen aus, die überwiegend durch die demografische Entwicklung aus der Statistik heraus gefallen sind.
Keine Angaben macht die Bundesagentur leider darüber, wie viele Menschen aufgrund sog. statistischer Bereinigungen oder der „systematischen Überprüfung des Arbeitslosenstatus“ nicht mehr erfasst werden. Es dürfte sicher keine vernachlässigbare Größe sein, so wurden z.B 287.000 Arbeitslosengeld-Empfänger nicht als arbeitslos geführt, weil sie die vorruhestandsähnliche Regelung des § 428 SGB III in Anspruch nahmen, arbeitsunfähig erkrankt waren oder sich in einer Trainingsmaßnahme befanden.
(Alle Daten und Zitate aus dem Monatsbericht Oktober 2007 der Bundesagentur für Arbeit [PDF – 728 KB])

Fazit: Ein ganz erheblicher Teil des Beschäftigungszuwachses resultiert aus der Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen, nämlich der Zunahme von Leiharbeit, geringfügig entlohnter Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung. Bei einer rückläufigen Konjunktur dürften diese prekären Arbeitsverhältnisse am stärksten gefährdet sein.
Die Statistik wird auch durch ein rückläufiges Arbeitskräfteangebot auf dem Arbeitsmarkt (vor allem durch altersbedingte Abgänge) und durch statistische Bereinigungen geschönt.

Zu Begeisterung über die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt besteht also nach wie vor kein Anlass, und schon gar nicht gibt es Grund zur Lobhudelei über die „positiven Wirkungen“ der Arbeitsmarkt-„Reformen“. „Hauptgrund für die Abnahme der Arbeitslosenzahl ist das positive konjunkturelle Umfeld, außerdem spielt der Rückgang des Arbeitskräfteangebots eine Rolle“ hält die Bundesagentur all denjenigen vor, die sich mit fremden Federn schmücken wollen.


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