Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Flüchtlinge
- Merkel: Rechtsextreme in Heidenau sind abstoßend
Die Ausschreitungen vor einem Flüchtlingswohnheim im sächsischen Heidenau wurden von Mitgliedern der Bundesregierung mit ungewöhnlicher sprachlicher Schärfe kritisiert. Es waren nicht nur die rechtsextremen Initiatoren und Gewalttäter gemeint, auch tatenlose Mitläufer und Herumstehende wurden eingeschlossen. Merkel nannte es „abstoßend“, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, ihre Hassbotschaft zu verbreiten. „Und es ist genauso beschämend wie Bürger, sogar Familien mit Kindern, durch ihr Mitlaufen diesen Spuk unterstützen.“ Jeder Flüchtling habe in Deutschland das Recht, sein Anliegen „vorzutragen“.
Quelle: FAZ
Anmerkung JK: Auch wenn es den einen oder anderen wieder zynisch erscheinen mag, aber die aktuellen Politikerstatements, die von Merkel, die des sogenannte Vizekanzler und aller anderen, zu den Krawallen in Heidenau sind nicht mehr als Lippenbekenntnisse.
Sind die Worte einer Bundeskanzlerin glaubwürdig, die Millionen griechischer Bürger ohne Skrupel einer humanitären und ökonomischen Katastrophe überantwortet, und von der bisher kein Wort der Kritik an der rassistischen Hetze der Medien – vorneweg die Bild-Zeitung ihrer Freundin Friede Springer – gegen Griechenland zu hören war? Sind die Worte eines Vizekanzlers glaubwürdig, der als Wirtschaftsminister keine Probleme hat, Rüstungsexporte zu genehmigen? Dabei sind die Bürgerkriege in Syrien, dem Irak und Syrien ein Hauptgrund für die anschwellenden Flüchtlingszahlen.
Dazu: Merkel: „Aber es ist genauso beschämend, wie Bürgerinnen und Bürger – sogar Familien mit Kindern – durch Mitlaufen diese Dinge noch einmal unterstützen“
Quelle: tagesschau.de
Anmerkung WL: Der menschenverachtende Hass und die rechte Gewalt gegen Flüchtlinge sind also „Dinge“. Typisch Merkel, für die alles „dinglich“ ist und die keinerlei Empathie für Menschen in Not aufbringen kann.
Nebenbei bemerkt, das Verhalten der europäischen Staaten gegenüber den Flüchtlingen, müsste nach der Verarmungspolitik gegenüber den Griechen eigentlich ein weiteres unübersehbares Alarmsignal sein, dass es mit die vielbeschworenen europäischen Werte auf den Hund gekommen sind. Der nationale Egoismus, der nichts anderes ist als Nationalismus feiert fröhliche Urständ.
- Ein Brief im Zorn
Sehr geehrte Präsidenten und Regierungschefs! Ihr habt mit eurer jahrzehntelangen Kriegs- und Ausbeutungspolitik Millionen Menschen im Mittleren Osten und in Afrika ins Elend gestoßen. Wegen euch flüchten weltweit die Menschen. Jeder 3. Flüchtling in Deutschland stammt aus Syrien, Irak und Afghanistan. Aus Afrika kommt jeder 5. Flüchtling.
Eure Kriege sind auch Ursache des weltweiten Terrorismus. Statt ein paar 100 internationale Terroristen wie vor 15 Jahren haben wir jetzt über 100.000. Wie ein Bumerang schlägt eure zynische Rücksichtslosigkeit jetzt auf uns zurück.
Wie üblich denkt ihr nicht daran, eure Politik wirklich zu ändern. Ihr kuriert nur an den Symptomen herum. Die Sicherheitslage wird dadurch jeden Tag gefährlicher und chaotischer. Immer neue Kriege, Terrorwellen und Flüchtlingskatastrophen werden die Zukunft unseres Planeten bestimmen.
Auch an Europas Türen wird der Krieg eines Tages wieder klopfen. Jeder Geschäftsmann, der so handeln würde, wäre längst gefeuert oder säße im Gefängnis. Ihr seid totale Versager.
Die Völker des Mittleren Ostens und Afrikas, deren Länder ihr zerstört und ausgeplündert habt sowie die Menschen Europas, die jetzt unzählige verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen, zahlen für eure Politik einen hohen Preis. Ihr aber wascht eure Hände in Unschuld. Ihr gehört vor den Internationalen Strafgerichtshof. Und jeder eurer politischen Mitläufer müsste eigentlich den Unterhalt von mindestens 100 Flüchtlingsfamilien finanzieren.
Quelle: Jürgen Todenhöfer auf facebook
- Auf die Flucht getrieben
Deutschland trägt maßgebliche Mitverantwortung für die Ursachen der Flucht zehntausender Menschen aus dem Kosovo. Dies belegt eine Analyse der Entwicklung in dem Sezessionsgebiet seit dem NATO-Überfall im Jahr 1999, dessen Vorbereitung unter führender Mitwirkung der Bundesrepublik geschah. Auch die anschließende Besatzung des Kosovo haben deutsche Politiker in leitenden Positionen mitgestaltet. Dabei haben sie geholfen, Kommandeure und Kämpfer der Mafiamiliz UÇK in Priština an die Macht zu bringen, unter deren Herrschaft sich international scharf kritisierte soziale Verhältnisse herausgebildet haben. In einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs hieß es etwa im Jahr 2012, die Organisierte Kriminalität bestehe im Kosovo auf “hohem Niveau” fort; im Europarat wurden sogar höchstrangige Politiker, darunter ein langjähriger Ministerpräsident, der Mafia zugerechnet. Die Armut grassiert; rund ein Sechstel aller Kinder leidet wegen Mangelernährung an Wachstumsstörungen – nach ungefähr 16 Jahren von NATO und EU geführter Besatzung, die maßgeblich von Berlin mitgestaltet wurde. Ohne Rücktransfers von Exil-Kosovaren könnten zahlreiche kosovarische Familien wohl nicht überleben. Allein im ersten Halbjahr 2015 haben mehr als 28.600 Kosovaren keine andere Chance gesehen, als in Deutschland Asyl zu beantragen – faktisch ohne Aussicht aus Erfolg. Berlin bemüht sich nun um Wege zu ihrer schnelleren Abschiebung.
Quelle: German Foreign Policy
- Keine Solidarität in Europa: Die Schande beginnt in Berlin
Jetzt fordert die Bundesregierung eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Das ist heuchlerisch: Bislang hat sie sich für eine möglichst ungerechte Lösung eingesetzt.
Die Bundesregierung hat festgestellt, dass das System der Flüchtlingsverteilung in Europa ungerecht ist: Großbritannien versteckt sich hinter dem Kanal, auch die osteuropäischen Staaten drücken sich nach Kräften, Ungarn zeigt sich so rassistisch wie möglich, um Flüchtlinge abzuschrecken. Fair ist die Verteilung von Flüchtlingen wirklich nicht. Aber die Empörung der Bundesregierung ist verlogen.
Seit Jahren sorgen die sogenannten Dublin-Verordnungen dafür, dass Flüchtlinge nur in dem Staat Asyl beantragen dürfen, den sie bei ihrer Einreise in die EU als erstes betreten. Deutschland war damit fein raus: Flüchtlinge kommen in der Regel nicht mit dem Flugzeug. Sie kommen zumeist also nicht in Deutschland an, sondern in Griechenland, Italien oder Spanien.
Seit einiger Zeit ist “Dublin” jedoch faktisch außer Kraft gesetzt. Länder wie Griechenland, Italien und natürlich Ungarn winken die Flüchtlinge nur noch durch. Was sollen sie auch machen? Dass Griechenland alle Syrer, Afghanen und Pakistaner aufnimmt, die über die Türkei dort einreisen, ist ein geradezu lächerlicher Gedanke – was allerdings nicht jeden Politiker davon abhält, ihn zu äußern.
Quelle: Hubertus Volmer auf n-tv
- Flucht geht nicht von Schleppern oder Schleusern aus
Für den Journalisten Stefan Buchen ist die oft gehörte Formulierung von “menschenverachtenden Schleppern” zu undifferenziert. In dieser Argumentation erschienen Flüchtlinge als willfährige Schafe, die von ihren Schlächtern zu irgendetwas gezwungen würden. “Das geht komplett an der Realität vorbei.” Stefan Buchen im Gespräch mit Stephanie Doetzer
“Aus der Sicht des Staates sind das (Die “Schlepper”) die neuen Staatsfeinde. Sie haben nichts Positives. Man merkt das oder man hört das bei jeder Meldung. Wenn ein Schiff untergeht im Mittelmeer, wenn es Tote auf einem Lastwagen gibt, wo Flüchtlinge erstickt sind, es kommt sofort gebetsmühlenartig, automatisch, mechanisch der Kommentar von Politikern: die menschenverachtenden Schlepper, denen ist das Leben der Flüchtlinge nichts wert. Und hier findet dann was sehr Perfides statt. Es wird der Eindruck erweckt, dass wir Politiker, wir Polizisten, wir beschützen die armen Flüchtlinge vor den bösen Schleppern. Und das ist ein Bild, das mit der Realität, finde ich, nichts zu tun hat, weil natürlich Europa, die europäischen Staaten, der Grenzschutz zunächst mal eine Mitverantwortung hat. Man hat die Grenzen dicht gemacht und Kriegsflüchtlingen, also Menschen, die potenziell einen Anspruch haben, auch irgendwo anders aufgenommen zu werden, denen wird gar keine andere Chance gelassen, als mit Schleppern oder Fluchthelfern nach Europa zu kommen. Man muss aber sagen, dass dieses Argument, wir stellen uns schützend vor die Flüchtlinge, wir beschützen sie vor den bösen Schleppern, dass das sehr verfangen hat. Das ist einer der größten Propagandaerfolge der deutschen und europäischen Innenpolitik in den letzten Jahren.”
Quelle: Deutschlandfunk
- Schlagworte und Brandsätze: Die “Asyldebatte” gestern und heute
In den achtziger Jahren warnte die Union vor 50 Millionen “Asylanten”, die nach Deutschland kommen könnten; heute spricht die CSU davon, dass an den Grenzen 60 Millionen Flüchtlinge stünden und die Gesellschaft “implodieren” könne. Werden aus Schlagworten wieder Brandsätze?
73 Prozent der Bundesbürger/innen hielten im Oktober 1992 das Thema “Ausländer und Migration” einer Emnid-Umfrage zufolge für “besonders wichtig”. Weitere 23 Prozent meinten, es sei “wichtig”, das “Problem der Ausländer in den Griff zu bekommen”. Macht zusammen 96 Prozent – beim Thema Ausländer waren sich die Deutschen einmal wirklich einig.
Die Angst der Parteien, vom Volk ausgerechnet bei diesem Thema als unfähig angesehen zu werden, war derweil enorm. CDU-Generalsekretär Rühe bezeichnete die SPD als „Asylantenpartei“, weil sie bei der von der Union angestrebten Grundgesetzänderung am Asylrecht nicht gleich mitzog.
Die „Asyldebatte“ der 1990er Jahre war aber nicht vom Himmel gefallen. Dem „Asylkompromiss“ war eine jahrelange erbitterte Debatte vorausgegangen. Bereits Anfang der 1980er Jahre entdeckten Strategen der Union das Thema für sich. Zwar kamen damals kaum Flüchtlinge nach Deutschland, doch versprachen Ressentiments gegen Zuwandernde, insbesondere Türk/innen, schmissige Wahlkampfparolen.
1985 verstieg sich CSU-Chef Strauß zu der Aussage, dass ohne eine Änderung des Grundrechtes auf Asyl Deutschland „bald die Kanaken im Land“ haben werde. 1986 forcierten CDU und CSU gezielt die Debatten über die Asylpolitik und kürten diese zum wichtigsten Wahlkampfthema bei den anstehenden Abstimmungen in Bayern sowie im Bund. „Um die Stimmung im Volk rechtzeitig zu den Wahlen anzuheizen, helfen Unionspolitiker mit schreckenerregenden Zahlen nach“, schrieb „Der Spiegel“ damals.
Argumentationshilfe habe ein „Horror-Papier“ aus der CDU/CSU-Fraktion geliefert: “Als – nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte – mögliche Asylberechtigte”, heißt es darin, kämen Afrikaner und Asiaten “in der Größenordnung von 50 Mio” in Betracht; jeder zweite Einwohner Westdeutschlands könnte danach eines Tages ein „Asylant“ sein.
“Selten”, kommentierte damals die “Stuttgarter Zeitung”, habe „ein Thema die Bürger offenbar so aufgewühlt wie die Diskussion um das Asyl.” Aus vielen Leserbriefen breche, resümiert das Blatt, nun blanker Hass hervor: Man solle die “Schweine, Herumtreiber, Faulenzer, in ”Arbeitslager sperren oder vergasen”. Der verbale Hass tobte sich vor der digitalen Revolution in den Leserbriefspalten aus, heute potenziert er sich in den (a)sozialen Netzwerken.
Dass sich der in der Bevölkerung vorhandene Hass durch Worten und Taten ausdrückt, ist also alles andere als neu. Und dass sich das gesellschaftliche Potential an Hass und Gewalt nicht nur leicht aktivieren, sondern auch instrumentalisieren lässt, zeigte unter anderem der damalige Bundesinnenminister Rudolf Seiters, der noch während der rassistischen Gewaltorgie in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 sagte: „Wir müssen handeln gegen den Missbrauch des Asylrechts, der dazu geführt hat, dass wir einen unkontrollierten Zustrom in unser Land bekommen haben.“
Quelle: Demokratie Reloaded
- Griechenland
- Der Ausverkauf Griechenlands
Vermögensentwicklungsplan
Quelle: Interne Arbeitsübersetzung des BMF [PDF – 283 KB]
Privatisierungsprogramm
Quelle: Interne Arbeitsübersetzung des BMF [PDF – 66 KB]
Anmerkung WL: So detailliert wird die Verramschung von Griechenlands Tafelsilber geplant, obwohl alle Welt weiß, dass das reine Luftbuchungen sind.
- Eurokrise in der Schule: Kinder, die Griechen sind selbst schuld
In Schulbüchern kommt die Eurokrise kaum vor. Umso umtriebiger versuchen private Initiativen ihr Unterrichtsmaterial in die Klassen zu bekommen. Eine Auswertung zeigt nun: Die darin vermittelte ökonomische Sichtweise ist extrem einseitig…
Der Sozialökonom Till van Treeck von der Uni Duisburg-Essen und sein Mitautor Philipp Kortendiek haben Unterrichtshilfen zur Eurokrise ausgewertet und kommen zu einem ernüchternden Fazit: Die Krise wird in vielen Fällen einseitig dargestellt, schreiben sie in einer Expertise, die SPIEGEL ONLINE vorab vorliegt. Dem IW-Material attestieren die Autoren “eine klare neoklassische Ausrichtung” – also eine Schlagseite zugunsten marktfreundlicher und unternehmensnaher Lösungsansätze. Als ähnlich einseitig empfanden die Duisburger auch eine Broschüre des Schulbuchverlages Schroedel zur Eurokrise und Materialien aus der Reihe “Handelsblatt macht Schule”, die von der Wirtschaftszeitung herausgegeben wird.
Zu allen erdenklichen Themen ist eine Fülle an Unterrichtsmaterial im Umlauf. Im Jahr 2012 gab es nach Recherchen von Augsburger Forschern 882.540 kostenlose Arbeitsblätter im Netz; 16 der 20 umsatzstärksten Unternehmen gaben demnach Reihen für die Schule heraus. Wie oft sie verwendet werden, ist unbekannt. Doch gerade bei aktuellen Themen wie der Eurokrise, die es noch nicht in die Schulbücher geschafft haben, haben private Interessengruppen ein leichtes Spiel, befürchtet van Treeck. “Es gibt eine Lobby, die mit richtig viel Geld dieses Material in die Schulen drückt.”
Quelle: Bernd Kramer im Schulspiegel
- Nato-Großmanöver Eine Botschaft an die Russen
Unter dem Titel „Trident Juncture“ organisiert die Nato das größte Manöver seit dem Ende des Kalten Kriegs. Das hat nichts mit dem Ukraine-Konflikt zu tun – zumindest nicht offiziell.
Ein solches Bild hat es – nicht nur in Deutschland – seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben: Am kommenden Mittwoch werden rund 1000 Fallschirmjäger in voller Kampfmontur über dem Truppenübungsplatz Hohenfels in der Oberpfalz aus ihren Flugzeugen abspringen. Die Übung ist der spektakuläre Höhepunkt des größten Manövers, das die Luftstreitkräfte der Nato seit dem Ende des Kalten Krieges organisieren. 5000 Soldaten aus elf der 28 Nato-Staaten nehmen daran noch bis Mitte September in Deutschland und Bulgarien teil.
Ziel der Operation sei es, die Möglichkeit der Allianz zu „schnellen Einsätzen für ein starkes und sicheres Europa“ zu demonstrieren, heißt es in einer Erklärung des US-Kommandos in Grafenwöhr, wo das Bündnis ein gemeinsames Trainingszentrum unterhält. Offiziell wird in der Erklärung kein Bezug zur Abkühlung des Verhältnisses zwischen der Nato und Russland durch den Ukraine-Konflikt hergestellt. Dennoch ist klar, was der frühere US-amerikanische Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski in diesem Sommer gesagt hat: „Wir befinden uns in einem neuen Kalten Krieg“….
Ebenso wie Russland knüpft die Nato mit ihren aktuellen Übungen an die Tradition der „Herbstmanöver“ an. Mit ihnen trainierte und demonstrierte der Westen in Zeiten der Konfrontation mit dem Osten seine militärische Kampfkraft…
Quelle: Thomas Kröter in der FR
Anmerkung JB: Es ist immer das Gleiche: Wenn Russland ein Großmanöver oder auch ein kleineres Manöver abhält, dann ist dies „Säbelrasseln“, eine rein offensive Aktion. Und wenn die NATO ein Großmanöver abhält, dann ist dies „eine Botschaft an die Russen“, eine rein defensive Reaktion. Schon klar, die NATO rasselt nie mit ihren Säbeln und veranstaltet derlei Manöver natürlich nur um ihre Verteidigungsbereitschaft zu demonstrieren. Wer glaubt derlei Unsinn eigentlich? Die mangelnde Fähigkeit, objektiv und mit gebotener Kritik über derlei archaische Kraftmeierei zu berichten, scheint den deutschen Medien vollkommen abhanden gekommen zu sein.
Passend dazu: Ukraine-Gipfel: Putin muss draußen bleiben
Der Kreml-Chef ist nicht zu den Gesprächen zwischen Merkel, Hollande und Poroschenko eingeladen. Die Stimmung zwischen der Ukraine und Russland bleibt aufgeheizt…
Am Morgen nutzte Poroschenko seine Rede zum Nationalfeiertag dazu, erneut eindringlich vor einem russischen Einmarsch zu warnen. Russland verfolge nach wie vor die Idee eines direkten Angriffs, erklärte er vor 2 000 Soldaten von der ostukrainischen Front auf dem Kiewer Maidan.
Russland habe an der Grenze zur Ukraine mehr als 50 000 Soldaten stationiert, sagte Poroschenko. Im Kriegsgebiet Donbass seien 40 000 Kämpfer im Einsatz, darunter 9000 aktive russische Militärangehörige. Als Konsequenz kündigte er sogleich eine weitere Stärkung des eigenen Militärs an.
Man darf bezweifeln, dass diese Töne besonders goutiert wurden, als Poroschenko dann am Abend – nach einem Empfang durch Bundespräsident Joachim Gauck – beim Dreier-Gipfel mit Merkel und Hollande den Vertrag von Minsk retten sollte.
Nicht nur, dass Russland die Kiewer Vorwürfe zurückweist, es plane einen Einmarsch oder rüste die Separatisten fortwährend auf.
Auch Deutschland und Frankreich sehen ungern, dass die ukrainischen Regierungstruppen die Waffenruhe und die Abzugsvereinbarungen von Minsk nicht weniger verletzten als die pro-russischen Rebellen…
Quelle: Steven Geyer in der FR
Anmerkung WL: Großmanöver, einseitige Parteinahme für Poroschenko mehr Konfrontation gegen Russland geht kaum noch.
- TTIP: Freifahrt für Fracking
…gerade die EU plant, künftig im Rahmen der neuen Europäischen Energieunion in großem Maßstab Gas und Erdöl aus Nordamerika zu importieren, das mit dem umweltschädlichen Frackingverfahren gefördert wurde. Auf diese Weise will Brüssel – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – eine radikale Kehrtwende in seiner Energieversorgung vollziehen, die zugleich die Abhängigkeit von Russland verringern soll. Von dort beziehen die EU-Staaten bislang etwa ein Drittel ihres Erdöls, Gases und ihrer Kohle im Wert von rund ungefähr 133 Mrd. Euro pro Jahr.[1]
Die einzigen Anbieter, die solche Mengen mittelfristig ersetzen könnten, sind die in Nordamerika aktiven Energieunternehmen. In den vergangenen Jahren haben sich die USA und Kanada durch den Einsatz neuer Technologien bei der Förderung von Erdöl und Gas zu den weltweit wichtigsten Produzenten entwickelt. Gerade die Vereinigten Staaten, ehemals größter Importeur von Erdöl, sind heute eine Energiesupermacht. Erstmals seit 1975 überholten sie 2014 die größten Erdölförderstaaten Saudi-Arabien und Russland; beim Erdgas belegen sie schon seit dem Vorjahr den weltweit ersten Platz.[2]
Aus klimapolitischer Sicht ist dieser Spitzenplatz jedoch teuer erkauft. Denn die fossile Energie wird in Nordamerika mittels extrem umweltschädlicher Förderverfahren gewonnen: in den USA vor allem durch Fracking, in Kanada durch Teersandförderung….
Dessen ungeachtet verfolgen die EU-Kommission wie auch die Bundesregierung die geplante Neuausrichtung der europäischen Energiepolitik. Als entscheidenden Türöffner sehen sie dabei die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) bzw. Kanada (CETA).
So versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem jüngsten USA-Besuch Anfang Mai vor der amerikanischen Handelskammer, der Energiesektor werde „möglicherweise die größten Gewinne“ aus dem angestrebten Freihandelsvertrag TTIP ziehen. Das Abkommen ermögliche eine „vertiefte Energiekooperation“ und biete einen Weg, Europa von einer „unilateralen“ Versorgungsquelle unabhängig zu machen, erläuterte Merkel.
Quelle: Malte Daniljuk in den Blättern für deutsche und internationale Politik
- VWL-Studenten kritisieren Theorien: Im Zweifel gegen die Lehre
Zu realitätsfern, zu marktgläubig, zu einseitig: Seit der Finanzkrise rebellieren Wirtschaftsstudenten gegen die herrschende Lehre in ihrem Fach. Laut Hochschulmagazin “duz” finden sie damit allmählich auch Gehör bei den Professoren.
Gegen die Vorherrschaft neoklassisch geprägter Volkswirtschaftslehre kämpft auch Professor Dr. Helge Peukert. Nach wie vor werde “viel zu häufig letztendlich eine Marktgläubigkeit vermittelt”, kritisiert der Finanzwissenschaftler von der Uni Erfurt. In einem komprimierten Zeitplan würden Studierende durch Mikro-, Makroökonomie und Statistik gejagt, für Fach- oder Wirtschaftsgeschichte sowie die Lektüre von Werken abseits des Mainstreams fehle die Zeit.
Ein Zeichen des Aufbruchs
Er fürchtet eine zunehmende thematische Verengung bis hin zu einseitiger Indoktrinierung der Studenten: “Was heißt denn wertneutrale wissenschaftliche Lehre und Forschung, wenn Sie im ‘Commerzbank’ oder im ‘Deutsche Bank’ Lecture Room stattfinden und diese Institutionen auch noch Professuren stiften?”…
Manche Beobachter werten es als Zeichen eines Aufbruchs, wenn Wirtschaftsexperten wie Thomas Piketty oder der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in ihren viel diskutierten Arbeiten die Verteilungsproblematik – die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich – als eine der kommenden Forschungsfragen des Fachs formulieren. Doch an den Unis bewegt sich offenkundig bislang wenig: Paech beobachtet hingegen einen Trend, die kritisierten Methoden noch intensiver anzuwenden. Doch Volkswirt Peukert ist sich sicher, dass die Wirtschaftswissenschaften in absehbarer Zeit gezwungen sein werden, sich neu aufzustellen: “Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt.”
Quelle: Claudia Wessling im Unispiegel
- Paul Krugman: Verschuldung ist gut
Vor ein paar Tagen hat Rand Paul etwas Witziges gesagt. Ja, wirklich – obwohl er das natürlich nicht absichtlich getan hat. Auf Twitter beklagte er die Verantwortungslosigkeit der amerikanischen Finanzpolitik mit den Worten: „Die Vereinigten Staaten waren 1835 zum letzten Mal schuldenfrei.“
Witzbolde merkten schnell an, dass die amerikanische Wirtschaft in diesen 180 Jahren eigentlich ganz gut gefahren sei, und dass es also vielleicht ja gar keine schlechte Sache sei, wenn der Staat der Privatwirtschaft Geld schulde. Die britische Regierung ist übrigens schon seit über drei Jahrhunderten verschuldet, und das ist eine Zeitspanne, die die industrielle Revolution, den Sieg über Napoleon und noch viel mehr umfasst.
Ist es jetzt aber bloß so, dass Staatsverschuldung gar nicht so schlimm ist wie oft gesagt wird?
Oder kann Staatsverschuldung vielleicht sogar eine gute Sache sein?
Ob Sie es glauben oder nicht, es gibt viele Wirtschaftler, die sagen, die Wirtschaft brauche ein gutes Stück Staatsverschuldung, um reibungslos zu laufen. Doch was ist nun ein gutes Stück?
Eventuell mehr, als das, was wir derzeit haben. Das heißt, man kann vernünftigerweise sagen, dass die Weltwirtschaft jetzt zum Teil daran krankt, dass die Staaten nicht hoch genug verschuldet sind.
Ich weiß, das mag verrückt klingen. Schließlich haben wir einen Großteil der letzten fünf oder sechs Jahre in einer Finanzpanik verbracht, und all die So Ernsthaften Leute haben behauptet, wir müssten die Defizite gewaltig abbauen und die Verschuldung jetzt-jetzt-jetzt verringern, damit wir nicht wie Griechenland, ich sage nur Griechenland enden würden.
Doch die Macht der Defizit-Kritiker war immer ein Triumph der Ideologie über Beweise, und es gibt zunehmend mehr wirklich ernst zu nehmende Leute – zuletzt Narayana Kocherlakota, den scheidenden Präsidenten der Minneapolis Fed – die sagen, dass wir mehr und nicht weniger Staatsverschuldung brauchen.
Warum?
Quelle: Paul Krugman, NYT
- Gott schuf das Wort, und dann den Ordoliberalismus
Als Sohn eines protestantischen Pastors habe ich einen Sensor für religiösen Eifer entwickelt, auch wenn es mich in die Finanzwirtschaft verschlagen hat. Dieser Sensor schlägt immer öfter bei einem unreligiösen Thema an, der Ökonomie, besonders oft dann, wenn deutsche Ökonomen beteiligt sind. Dies brachte mich auf die Idee, die 10 Gebote der deutschen Volkswirtschaftslehre niederzuschreiben.
- Du sollst keinen anderen Theorien als dem Ordoliberalismus folgen.
- Du sollst dich von empirischen Wissenschaften fernhalten.
- Du sollst den Euro nicht für falsche Zwecke missbrauchen, noch inflationieren.
- Du sollst den Sonntag heiligen und von jeglicher ökonomischer Tätigkeit freihalten.
- Du sollst die EZB und die Bundesbank ehren, auf dass der Wert des Geldes lange stabil bleiben möge.
- Du sollst nichts leihen.
- Du sollst nicht mehr importieren als du exportierst.
- Du sollst keinen Mindestlohn einführen.
- Du sollst immer alle deine Verpflichtungen erfüllen.
- Du sollst denen nicht helfen, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten, denn sie geben ein schlechtes Beispiel.
Lassen Sie mich nun eine kurze Exegese durchführen.
Ökonomen haben einen Hang zur reinen Lehre, nicht erst seit Milton Friedman. In Deutschland ist der Ordoliberalismus das erste Gebot, dem fast alle huldigen. Der Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft hat ihm einen Heiligenschein verliehen. Ein unschöner Nebeneffekt: Vom Ordoliberalismus abweichende Ansichten werden ungern berücksichtigt, Fehler nicht zugegeben.
Quelle: Börsen-Zeitung
Anmerkung Thomas Trares: Die Inhalte sind zwar für die NachDenkSeiten-Leser Allgemeingut. Ein derart kritischer Artikel über die deutschen Ordnungsökonomen von einem führenden Finanzmarktakteur in einer führenden Finanzmarktzeitung ist aber dann doch was Besonderes. Leider relativiert der Autor am Ende des Artikels seine Aussagen etwas. Leider hat die Börsen-Zeitung nur fünf Arbeitstage ihre Artikel online. Dieser hier dürfte also nur noch einen einzigen Tag online sein.
- Zum Diskurs um das Niveau der Renten und das Rentenniveau
Die Alterssicherungspolitik in Deutschland bedarf weit mehr als nur einer Nachjustierung verschiedener Stellschrauben – nötig ist eine vollkommene Umorientierung. Die Anhebung des Niveaus zahlreicher Renten durch das Rentenpaket des vergangenen Jahres kann die allgemeine Rentenniveausenkung nicht korrigieren – im Gegenteil wird die Entwertung der Renten für alle durch die Begünstigungen für wenige weiter forciert. Zudem ist das ideologisierte »Drei-Säulen-Konstrukt« aus relativ sinkender gesetzlicher Rente, vermehrter privater Vorsorge sowie betrieblicher Altersversorgung längst am eigenen sozialpolitischen Anspruch gescheitert. Die Teilprivatisierung der Vorsorge trägt bei zur Verschärfung der Einkommensungleichheit im Alter und sie erhöht das Risiko von Altersarmut. Nur Lebensstandardsicherung und Solidarprinzip als strukturprägende Leitbilder der sozialen Pflichtversicherung können eine personell umfassende finanzielle Absicherung der sozialen Risiken Alter, Invalidität und Todesfall gewährleisten…
Quelle: Johannes Steffen in Portal Sozialpolitik
- Jeder Fünfte rutscht bei Jobverlust sofort in Hartz IV
Wer Arbeitslosengeld bekommen will, muss zuvor lang genug in die Sozialversicherung eingezahlt haben. Doch wegen prekärer Arbeitsverhältnisse schaffen das viele Beschäftigte nicht. Laut einer DGB-Studie fällt jeder Fünfte sofort auf Hartz-IV-Niveau.
Mehr als ein Fünftel der Beschäftigten, die im ersten Halbjahr 2015 ihren Arbeitsplatz verloren haben, sind gleich zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit auf Hartz-IV-Zuwendungen angewiesen. Dies geht aus einer Auswertung der aktuellen Arbeitsmarktzahlen durch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hervor. Demnach rutschten von den insgesamt 1,238 Millionen Menschen, die zwischen Anfang Januar und Ende Juni ihren sozialversicherten Job verloren, 264.000 oder 21,3 Prozent unmittelbar in Hartz IV.
Viele Betroffene erhielten entweder gar kein Arbeitslosengeld oder nur so niedrige Leistungen, dass sie ergänzend auf Hartz IV angewiesen seien, heißt es in einem Papier des Leiters der DGB-Fachabteilung Arbeitsmarktpolitik, Wilhelm Adamy. “Diese Zahlen zeigten, dass der Weg vom Beschäftigten zum Hartz-IV-Empfänger sehr kurz sein kann und das soziale Auffangnetz der Arbeitslosenversicherung große Sicherungslücken hat.
Quelle: SPON
- Wohnungsriese Annington nimmt den Dax ins Visier
Vor drei Jahren stand Deutsche Annington mit dem Rücken zur Wand – jetzt könnte Deutschlands größter Wohnungskonzern als erste Immobiliengesellschaft überhaupt in den Leitindex Dax einziehen.
Aus dem Sorgenkind ist ein Musterschüler geworden. Vergessen sind die Zeiten, als die Schuldenlast so groß war, dass ein Sanierungsplan her musste. Und auch an den holprigen Börsengang, der im Sommer 2013 erst im zweiten Anlauf gelang, erinnert sich kaum noch jemand. Ein neuer Mann an der Spitze, der frühere Bertelsmann-Manager Rolf Buch, hat für frischen Wind gesorgt: Mit Zukäufen katapultierte er den Börsenwert des Bochumer Konzerns, der demnächst unter “Vonovia” firmiert, von vier auf 13 Milliarden Euro. Bundesweit verwaltet Annington jetzt 350.000 Wohnungen und ist damit von der Konkurrenz kaum mehr einzuholen.
Quelle: reuters
Dazu: Die Akte Annington
Deutschlands größter Vermieter sitzt in Bochum und Düsseldorf: Die Deutsche Annington vermietet nach eigenen Angaben über 220 000 Wohnungen in Deutschland. Eine riesige Ansammlung von kleinen und großen Mietskasernen, Hochhäusern und Werkssiedlungen.
Quelle: wdr
Anmerkung JK: Eigentlich dürfte ein derart essentielles Bedürfnis, wie ein Dach über dem Kopf zu haben, nicht an private Profitinteressen ausgeliefert werden.
- Gelddrucken im Treibhaus
Ginge alles mit rechten Dingen zu, dann wäre die Fabrik am Stadtrand von Perm eine wahre Wunderwaffe im Kampf gegen den Klimawandel. Binnen eines Jahres versiebenfachte der Kunststoffhersteller Halo Polymer zu Füßen des Uralgebirges seine Einsparungen an klimaschädlichen Emissionen. Gäbe es nicht einen Haken. Die Treibhausgase, die Halo Polymer einsparte, hatte die Fabrik zuvor selbst erzeugt, und zwar absichtlich: Mit dieser Art Klimaschutz verdiente die Firma Millionen. Moskauer Behörden, so ergeben Recherchen von WDR und Süddeutscher Zeitung, schauten offenbar wohlwollend zu.
Ans Licht gebracht hat die Klimatricksereien ein Report für das Wissenschaftsmagazin Nature Climate Change, der an diesem Dienstag erscheint. Danach haben Firmen in Russland und der Ukraine jahrelang systematisch am Klimaschutz verdient – und das in vielen Fällen, ohne nur ein Gramm Treibhausgas einzusparen. “Es ging darum, Profite zu machen, und das auf Kosten des Klimas”, sagt Lambert Schneider vom Stockholm Environment Institute, einer der Autoren der Studie.
Hinter dem Geschäftsmodell stehen Vorgaben aus dem Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz. Danach lassen sich eingesparte Emissionen international handeln, in Form spezieller Zertifikate. Dem Klima ist es schließlich egal, wo die Treibhausgase eingespart werden; Hauptsache, sie werden eingespart – das war die Philosophie des 1997 verabredeten Kyoto-Protokolls. So schuf das Protokoll etwa die “Joint Implementation” etwa, kurz: JI. Die Idee: Wer viel für das Klima tut, kann sich dafür Zertifikate gutschreiben lassen. Die wiederum lassen sich gewinnbringend an andere Firmen verkaufen – die damit Klimaauflagen etwa der EU erfüllen. Doch wie unverfroren vor allem Industriestaaten Osteuropas diesen Mechanismus ausbeuteten, das wird erst jetzt richtig klar.
Quelle: SZ
Anmerkung JB: Es ist schon erstaunlich. Jetzt, wo es um „osteuropäische“ – also vor allem russische – Unternehmen geht, wird das Thema auch von der Süddeutschen thematisiert. Ich selbst hatte bereits im Jahre 2009 zu diesem Thema einen kritischen Bericht geschrieben, in dem es allerdings vor allem um die milliardenschweren Gewinne von Wall Street und westlichen Unternehmen in diesem neuen „Karbonkapitalismus“ geht. Damals hat das Thema den Mainstream jedoch noch nicht interessiert. Warum?
- Steuerfrei e. V. – Millionengeschäfte mit der Gemeinnützigkeit
Elitäre Vereine wie der Berliner Golfclub am Wannsee, knallharte Industrie-Lobbygruppen wie die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik und Kommerzverbände wie der Deutsche Fußball-Bund – anhand dieser drei brisanten Beispiele schauen die Autoren Sascha Adamek und Martin Hahn hinter die Kulissen angeblicher Gemeinnützigkeit. Wohl selten wurden Journalisten so häufig vor die Tür gesetzt.
Besonders beim DFB stießen die Autoren auf eine Mauer des Schweigens über die Frage, wohin die im internationalen Fußball-Zirkus verdienten Millionen genau fließen. Gleichzeitig klagen Vereine, die oft Hunderten Kindern und Jugendlichen das Fußballspielen im Ort ermöglichen, über Finanznöte. Manchen droht die Pleite.
Ein ehemaliger DFB-Spitzenfunktionär und hochrangiger Insider spricht offen und vor der Kamera über vermeintliche Gemeinnützigkeit und darüber, wie hoch das Steuerprivileg des Deutschen Fußball-Bundes eigentlich ist. Dass eine offiziell gemeinnützige Lobbygruppe wie die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik ihre internationalen Treffen als Bildungsveranstaltungen tarnt, hält sie nicht davon ab, hinter verschlossenen Türen über weltweite Rüstungsgeschäfte zu tagen.
Quelle: ARD
Anmerkung JB: Es ist beileibe nicht nur der DFB, der von der vermeintlichen Gemeinnützigkeit massiv profitiert. Auch fast alle Bundesligaklubs sind auf der Kapitalseite im Besitz von „eingetragenen Vereinen“ und müssen die Renditen und Dividenden ihrer als Kapitalgesellschaft firmierenden Lizenzspielerabteilungen aus dem Profibereich nicht versteuern. Und auch bei diesen „Vereinen“ stößt man als kritischer Journalist auf eine Mauer des Schweigens, wie ich bei den Recherchen zu meinem jüngsten Buch „Der Kick des Geldes“ immer wieder feststellen musste.
- Der Spion aus den Alpen
- Die Schweiz hat wohl den Chef der Steuerfahndung Wuppertal bespitzeln lassen. Das berichtet das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz.
- Auftraggeber sei der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gewesen, das eidgenössische Gegenstück zum deutschen BND und zum Verfassungsschutz.
- Der Vorgang wäre nicht nur ein Politikum, sondern auch eine Straftat.
Die Schweiz hat möglicherweise einen Spion auf den deutschen Steuerfahnder Peter Beckhoff und seine Kollegen angesetzt. Das berichtet das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz.
Beckhoff ist Chef der Steuerfahndung Wuppertal und einer der erfolgreichsten Schwarzgeld-Jäger im Land. Er trifft sich mal hier, mal dort und auch jenseits der deutschen Grenzen mit Informanten, die Datensätze anbieten. Meist geht es um die Kontounterlagen Tausender Bundesbürger, die bei Banken im Ausland ihre Vermögen vor dem Fiskus verstecken.
Nur ein Staat ist für Beckhoff bei seinen Einsätzen seit einiger Zeit tabu: Ausgerechnet die Schweiz, deren Bankgeheimnis der Wuppertaler Ermittler mit Hilfe gekaufter CDs voller Kontodaten schon oft geknackt hat. Schweizer Behörden haben 2012 einen nationalen Haftbefehl gegen den Beckhoff und zwei seiner Kollegen erlassen. Die Vorwürfe lauten auf Gehilfenschaft zum wirtschaftlichen Nachrichtendienst, also Wirtschaftsspionage, sowie Verletzung des Bankgeheimnisses.
Jetzt stellt sich heraus, dass die Schweiz im Zuge des Ermittlungsverfahrens selbst zum Instrument der Spionage gegriffen haben könnte. Wie Bilanz berichtet, hat ein Agent Informationen über die Steuerfahnder aus dem Ruhrgebiet beschaffen sollen. Auftraggeber sei der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gewesen, das eidgenössische Gegenstück zum deutschen BND und zum Verfassungsschutz.
Quelle: SZ
- Franz Josef Strauß
- Wie die deutsche Wirtschaft Strauß alimentierte
Der damals 34 Jahre alte Jurist Reinhold Kreile, ein Studienfreund von Marianne Strauß und späterer CSU-Bundestagsabgeordneter, ersann eine Treuhand-Konstruktion, die es Strauß und seiner Frau erlaubte, “nicht nach außen als Geschäftsführer aufzutreten”. Alles sollte völlig geheim bleiben: “Über die praktischen Tätigkeiten der Gesellschaft”, schrieb Kreile, “verständigen wir uns am besten mündlich.” Unternehmen der Flick-Gruppe zahlten für angebliche Beratungstätigkeit, dasselbe machten BMW, Bertelsmann, Daimler-Benz und Dornier; auch der Film-Unternehmer Leo Kirch gab sein Scherflein. Allein von Ende 1964 bis 1968 gingen rund 491 000 Mark auf dem Konto ein – gemessen an der Kaufkraft, wäre diese knappe halbe Million heute fast das Vierfache wert. Die generösen Zuwendungen, so Siebenmorgen, seien bis in die Achtzigerjahre geflossen, wobei Strauß in seinen Zeiten als Minister darauf achtete, das Treuhand-Konto nicht weiter zu füllen…
Die gesamte Industrie, vor allem die Rüstungsbetriebe, schreibt der Spiegel, habe Anlass gehabt, Strauß dankbar zu sein. In der Tat hat er als Verteidigungsminister von 1957 bis 1962 viele Bundeszuschüsse nach Bayern gelenkt.
Quelle: Franziska von Augstein in der SZ
- Einer der nahm, was er kriegen konnte
Franz Josef Strauß war als Politiker verschlagen und prinzipienlos. Die CSU schwelgt dennoch gern in verklärten Erinnerungen – und wird sich auch von der Forderung, den Flughafen umzubenennen, nicht beirren lassen.
Vor 700 Jahren wurde der Herzog von Oberbayern erst zum römisch-deutschen König und später zum Kaiser gewählt: “Ludwig der Bayer” – auf ihn bezieht sich der Spruch “Wir sind Kaiser”. In seiner republikanischen Fassung heißt er “Mia san mia”.
Diesem Motto und zeitweise auch der CSU hat der vor hundert Jahren geborene Franz Josef Strauß zu fast universaler Geltung verholfen. Es gab außerhalb Bayerns oft Versuche, das sich darin spiegelnde bayerische Selbstverständnis, das sich auf Geschichte und Geschichten gründet, als hohl zu entlarven; der Spiegel widmet diesem Versuch soeben aus Anlass des bevorstehenden Strauß-Geburtstags sein Heft; der Spiegel hat darin allerdings viel vergessen.
Dazu gehörte der Hinweis, dass den großen Kaiser und den großen Politiker außer dem Stolz ihrer Nachfahren auch noch das Ende verbindet, das sie gefunden haben: Beide starben auf der Jagd; der eine bei Fürstenfeldbruck, der andere bei Regensburg. Wer solche Gemeinsamkeiten verachtet, kann Bayern nicht verstehen.
Quelle: Heribert Prantl in der SZ
Anmerkung JK: Zugegeben – man steht diesen, nur als zynisch zu nennenden Tatsachen durchaus hilflos gegenüber. Gerade aus der Ecke der CSU kam und kommt mit die schlimmste Hetze gegen Griechenland. Dabei ist diese Partei selbst bis auf die Knochen korrupt, deren Klientelpolitik steht den Zuständen in Griechenland in nichts nach und dennoch ist sie in Bayern völlig unangefochten.
Dazu noch einmal:
Wilhelm Schlötterer
Wahn und Willkür
Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt
448 Seiten
ISBN: 978-3-453-20047-0
Heyne
- Wird Jeremy Corbyn groß wie Margaret Thatcher?
Das Wunder, das in Großbritannien derzeit Freunde wie Feinde in seinen Bann zieht, heißt Jeremy Corbyn. Ein uncharismatischer Redner, der selten die Stimme hebt, noch seltener lacht und den so viele Menschen hören wollen, dass vor den Hallen Monitore aufgestellt werden müssen, um seine Worte zu übertragen. Ein vermeintlich chancenloser Alibikandidat für den Vorsitz der Labour-Partei, der auf seine Nominierung mit den trockenen Worten reagierte: “Ich bin etwas erstaunt, aber jetzt ist es halt so”, und seitdem die Umfragen anführt.
Ein linker Außenseiter, der 400.000 Briten dazu gebracht hat, der daniederliegenden Labour-Partei beizutreten. Ein mürrischer Hinterbänkler, der sich im Parlament 500 Mal dem Fraktionszwang widersetzt und gegen die eigene Partei gestimmt hat. Ein hoffnungslos altmodischer Gutmensch, von dessen kometenhaftem Aufstieg selbst die erfahrensten Kommentatoren überrascht wurden. Ein Faktotum der Friedensbewegung, ein politischer Dinosaurier, humorloser Vegetarier und Abstinenzler – dieses leibhafte Gegenteil eines fernsehtauglichen Karrierepolitikers verändert derzeit nicht nur die politische Landschaft in Großbritannien.
Damit stellt er jenen marktfreundlichen Trend nach rechts infrage, den New Labour unter Tony Blair einst begründet hat und dem seitdem Sozialdemokraten in ganz Europa gefolgt sind. Die britische “Corbymania” offenbart, wie groß das Wählerpotenzial links der nach rechts gewanderten Mitte ist. In einem sind sich die verblüfften Berichterstatter nämlich einig: Corbyn trifft deshalb den Nerv der Zeit, weil die Kluft zwischen Arm und Reich in Großbritannien so groß werden konnte, dass sein Ruf nach “Anstand” von vielen nicht als Drohung, sondern als Versprechen empfunden wird.
Quelle: WELT
Anmerkung JK: „Die britische “Corbymania” offenbart, wie groß das Wählerpotenzial links der nach rechts gewanderten Mitte ist.“ Na ja, die SPD und der sogenannte Vizekanzler sehen das hierzulande bekanntlich anders.
- „Hart aber fair“ aus Mediathek gelöscht – WDR verteidigt Plasberg-Zensur
Jetzt hat sich Jörg Schönenborn, Fernsehdirektor des WDR, geäußert: Er verteidigt sein Vorgehen, die „Hart aber fair“-Sendung „Nieder mit den Ampelmännchen“ vom 2. März 2015 aus der Mediathek gelöscht zu haben – und kündigte zugleich an, das Thema Gleichberechtigung der Geschlechter erneut aufzugreifen.
Quelle: Bild.de
Anmerkung WL: Einmal völlig abgesehen davon, ob man diese Sendung für „mediathek-würdig“ hält oder nicht, der Vorwurf der „Zensur“, der vor allem von den Printmedien und den hinter ihnen stehenden Verlegerverbänden erhoben wird, ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Waren es doch gerade die Zeitungsverleger, die dafür gesorgt haben, dass nach dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag Telemedienangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur kurze Zeit im Netz stehen dürfen und dass mehr als 6 Millionen Euro Rundfunkgebühren dafür missbraucht worden sind, um Sendungen, die im Internet abrufbar waren, zu „depublizieren“, das heißt zu löschen.
Merke: „Zensur durch den Markt“ hilft angeblich der Informationsfreiheit und vor allem den Verlegerinteressen.
- Das Letzte – Hohe Löhne, viel bezahlte Freizeit
Deutschland steht für starke Industrie und geringe Arbeitslosigkeit. Doch es ist gleichzeitig das Land des bezahlten Müßiggangs – nirgends in Europa gibt es mehr Urlaubs- und Ferientage als hierzulande.
Eine erfolgreiche Industrienation, warnte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im Jahr 1993, lasse sich „nicht als kollektiver Freizeitpark organisieren“. Der Ausspruch vor dem Hintergrund der Einführung der 35-Stunden-Woche in der deutschen Metall- und Elektroindustrie löste damals eine Welle der Entrüstung aus. Zwei Jahrzehnte und einige Arbeitsmarktreformen später hat sich Deutschland den Ruf einer erfolgreiche Industrienation zurückerkämpft.
Nun allerdings gibt es neue Warnungen vor zu viel Freizeitdrang: Zum einen haben Industriebeschäftigte in keinem anderen Land so viele bezahlte freie Tage wie hierzulande. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der bayerischen Arbeitgeberverbände, die damit aus Sicht der Verbände ein wachsendes Kostenproblem hiesiger Unternehmen belegt. Zum anderen gehen hierzulande nach wie vor viele Arbeitnehmer recht früh in den Ruhestand. Das zeigt eine vergleichende Analyse der Beratungsgesellschaft PWC. Beide Studien liegen der F.A.Z. vorab vor.
Quelle: faz
Anmerkung JK: Neoliberale Arbeitgeber-Propaganda vom Feinsten.