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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 14. August 2015 um 17:11 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Krisen überall – Deutschlands Wirtschaft boomt
  2. Aufschwung in Portugal?
  3. Griechenland
  4. Angst vor dem Währungskrieg
  5. Zinskrise schwächt Vorsorge
  6. OECD-Kritik: So lasch ist die deutsche Steuerprüfung
  7. Unbezahlte Arbeit in Genf – Warum ein Uno-Praktikant im Zelt schlief
  8. „Schmuggelware muss vernichtet werden“
  9. Hacken lernen mit der NSA
  10. Großbritannien: Ein Linker spaltet die Gemüter
  11. Gefährliches Asbest
  12. »Freiheit ist kapitalistischer Mainstream«
  13. Wissenschaft: Wo seid ihr, Professoren?
  14. Selbstgemachte “Lügenpresse”
  15. Zu guter Letzt: Abgeordnete sollen ihrem Gewissen folgen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Krisen überall – Deutschlands Wirtschaft boomt
    Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr trotz der eskalierenden Griechenland-Krise kräftiger gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt legte von April bis Juni um 0,4 Prozent zum Vorquartal zu. Das teilte das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung mit. Im ersten Quartal hatte es nur zu 0,3 Prozent gereicht.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung AT: Schon wieder ein „Boom“. Es kann gar nicht anders sein. Wer sich aber die Originalquelle genauer anschaut, stellt etwas anderes fest. Das Statistische Bundesamt schreibt dazu:

    „Gebremst wurde das Wachstum durch schwache Bruttoinvestitionen; insbesondere in Bauten wurde weniger investiert als im ersten Quartal. Zudem gab es einen merklichen Vorratsabbau.“

    Das klingt weniger nach Boom. Und noch etwas: Wenn aus Sicht der Medien ein Plus von 0,4 Prozent ausreicht, um in Euphorie zu verfallen, wie ist dann das Ergebnis der griechischen Wirtschaft zu bewerten, die unter der Syriza-Regierung ein Wachstum von 0,8 Prozent im zweiten Quartal hingelegt hat? Das hätte nach Schäuble-Lesart gar nicht passieren dürfen, da ja nur ein umgesetztes Spardiktat Erfolg verspricht. Und weil das so ist, wird das nächste Austeritätsprogramm noch verschärft, Wirtschaftswachstum hin oder her. Nur der Glaube zählt.

    dazu: Deutsche Exporte auf Rekordkurs
    Deutschland profitiert vom schwachen Euro: Die Exporte wachsen und könnten einen neuen Rekord erreichen.
    Quelle: Zeit Online

    und: Starker Export: Wirtschaft wächst im zweiten Quartal
    Der deutsche Export ist auf Rekordkurs – und das schiebt die Wirtschaft an. Sie wächst im zweiten Quartal um 0,4 Prozent.
    Quelle: Spiegel Online

    Aber vor einer Woche hieß es noch: Rückschläge für deutsche Wirtschaft: Exporte und Produktion sinken stärker als erwartet
    Die deutsche Wirtschaft musste im Juni Rückschläge hinnehmen. Produktion und Ausfuhr entwickelten sich schwach. Auch die Einfuhren gingen zurück.
    Quelle: Spiegel Online

  2. Aufschwung in Portugal?
    In deutschen Talkshows muss Portugal häufig als Gegenbeispiel für Griechenland herhalten. Dort gehe es deutlich aufwärts, weil man die Vorgaben der Troika umgesetzt habe. Aber stimmt das wirklich?
    »Es gibt keine Arbeit, weder für mich noch für Andere.«
    »Meine Frau ist arbeitslos und ich arbeite nur ein paar Stunden.«
    »Meine Rente reicht hinten und vorne nicht. Ich kann weder Miete noch Essen bezahlen.«
    Seltsam! In Deutschland gilt Portugal doch als „Musterknabe“, der gerne benutzt wird, um Griechenland an den Pranger zu stellen.
    So sagt der bayerische Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, Markus Söder:
    »Wir haben viele Partner in Europa, die sich an die Regeln halten, die Spanier, die Portugiesen, die Iren und zwar mit Erfolg an die Regeln halten.«
    Doch die sonnige Optik in Lissabon trügt. Vielen ganz normalen Familien geht es richtig schlecht. Viele Steuern wurden erhöht. Renten und Sozialleistungen zum Teil erheblich gekürzt. Jeder Siebte hat seit 2008 seinen Job verloren.
    Quelle: Christian Jekat und Dietrich Krauß in plusminus
  3. Griechenland
    1. Griechenland: Neue Hilfskredite sind nicht das Problem
      In Deutschland formiert sich Widerstand gegen das dritte Hilfspaket für Griechenland – man habe in der Krise schon genug gezahlt, so die Kritiker. Doch bisher hatten die Steuerzahler hierzulande keine Kosten. Im Gegenteil: Die deutsche Staatskasse hat von der Euro- und Griechenlandkrise sogar profitiert.
      Die griechische Regierung hat sich mit den Gläubiger-Institutionen auf Bedingungen für neue Hilfskredite geeinigt. Die zusätzlichen Gelder sind nötig, um einen Zahlungsausfall des Landes und schlimmere Konsequenzen für Griechenland und die Eurozone zu verhindern. Dennoch wird hierzulande erneut Widerstand gegen ein neues Hilfspaket laut. Deutschland habe in der Krise „genug gezahlt“ – so die Parole.
      Aber diese Argumentation ist falsch: Bisher hatte der deutsche Steuerzahler gar keine Kosten. Die deutsche Staatskasse hat von der Euro- und Griechenlandkrise sogar profitiert, wie eine neue Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) aufzeigt. Das IWH beziffert den Gewinn, den der deutsche Fiskus seit 2010 aus der Eurokrise gezogen hat, auf mindestens 100 Milliarden Euro. Grund ist die Zinsersparnis bei deutschen Staatsschulden:
      Quelle: DGB
    2. “Syriza did not expect to stand alone in the negotiations” Interview with Athanase Contagyris
      from Norbert Häring
      Anasthase Contagyris is a French and Greek economist living in Athens. He is Co-Founder of Attac-Greece, CEO of Dialogos Ltd, an Athens Startup coaching and export facilitation consultancy he founded in 1987. He is a member of the Truth Committee on Public Debt of the Greek Parliament, which recently issued a preliminary report. We met in Frankfurt. He is well conneted, though not a member, to Syriza.
      The Interview
      Häring: Mr. Contagyris, in Germany many people do not understand the behavior of the Greek government in the negotiations with creditors. It seems to have made quite a few unexpected turns.
      Contagyris: This negotiations were a lot like a poker game all along. Players adapted to the hands they had and to what they found out about the cards of their opponents.
      What did Syriza hope to achieve in these negotiations?
      One of Syriza’s missions was to change Europe. They wanted to act in a European context, within the currency union, but they wanted this context changed. They wanted a much less neoliberal and more solidary Europe. This explains why they were met with such fierce opposition right from the beginning.
      Quelle: Real-World Economics Review Blog
    3. Syriza zerbricht am dritten Rettungsprogramm
      Das griechische Parlament hat in einer Mammutsitzung, welche mit den gemeinsam tagenden Fach-Ausschüssen am Donnerstag mit eineinhalb Stunden Verspätung um kurz vor 11 Uhr begann in den Morgenstunden des Freitags, um 10 Uhr 40 mit 222 zu 64 Stimmen bei 11 Enthaltungen das so genannte “technische Memorandum” verabschiedet. Tsipras wird am 20. August, so sickerte es direkt nach der Abstimmung durch, die Vertrauensfrage stellen. […]
      Das gesamte Verfahren im Parlament wurde jedoch überschattet vom internen Streit innerhalb der Syriza-Fraktion. Tatsächlich hat die Regierung nunmehr sogar die notwendige Mindestanzahl für ein geduldetes Minderheitskabinett verloren, da je nach Artikel des drei Artikel umfassenden Gesetzespakets nur noch 115, 118, bzw. 117 Parlamentarier treu zu Premierminister Tsipras stehen.
      Per Verfassung vorgeschrieben sind jedoch mindestens 120. Bereits während der Sitzung deutete Alexis Tsipras an, dass es eventuell schon am Montag Neuwahlen ausgerufen werden könnten. Denn eigentlich ist die Regierung mit dem heutigen Tag ohne verfassungsmäßige Grundlage.
      Quelle: Telepolis
  4. Angst vor dem Währungskrieg
    Die chinesische Regierung hat am Donnerstag zum dritten Mal in Folge ihre Währung abgewertet. Sie verbilligt so chinesische Produkte und stärkt den lahmenden Export. Kritiker bemängeln dies und sprechen von einem Abwertungswettlauf. Dabei verhält sich Europa seit längerem ähnlich. Ein immer schwächerer Euro begünstigt europäische Unternehmen.
    Quelle: Claus Hulverscheidt in der SZ

    Anmerkung E.J.: Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Wirtschaftspolitik in Deutschland (und der EU) auf Kindergartenniveau betrieben wird – er ist erbracht: China wertet seine Währung um nominell 3,5 Prozentpunkte ab und durch die deutschen Medien geht ein Raunen: Währungskrieg!
    Die Tatsache, dass der Euro parallel zum Anleiheankaufprogramm der EZB binnen Jahresfrist von 1,35 USD auf zwischenzeitlich 1,05 USD gefallen ist und sich entsprechend gegenüber dem Yuan, der an den USD gekoppelt ist, verbilligt hat, war und ist aktuell keiner erwähnenden Erklärung wert. Merke: Währungskriege starten nur die anderen, bei uns hingegen ist Abwertung das Ergebnis der in bester eigennütziger Absicht manipulierten Märkte.
    Aber warum eigentlich die ganze Aufregung ? Haben wir nicht im Zuge der Eurokrise gelernt, dass das deutsche Lohndumping und die dadurch herbeigeführte Abwertung des deutschen Euro für den deutschen Export vollkommen irrelevant war? Genau. Europa und die Welt kauft deutsche Autos nicht wegen des billigen (deutschen) Euro, sondern wegen der QUALITÄT. Gut aufgepasst also liebe Chinesen: Mit Eurer Abwertung und der Verteuerung deutscher Autos könnt ihr uns mal den BUCKEL RUNTERRUTSCHEN.
    Mag das Lieblingsorakel des deutschen Wirtschaftsjournalisten – der Aktienmarkt – ihr eigenes Geschwafel über die entscheidende Qualität deutscher Autos auch gerade als frommes Märchen entlarven – aus Sorge um den Wechselkurs sinken die Kurse der Autobauer – sie selbst sollten sich in ihren Kinderträumen nicht beirren lassen: Durch solche Kinkerlitzchen wie Wechselkurse lässt sich die deutsche Exportmaschine nicht stoppen. Europa glaubt an uns.

  5. Zinskrise schwächt Vorsorge
    In der aktuellen Zinskrise zeigen sich die Schwächen der kapitalgedeckten Vorsorge. Die gesetzliche Sozialversicherung wurde zu früh abgeschrieben…
    Aus Angst vor dem demografischen Wandel und zu hohen Kosten für die Arbeitgeber wurde die Altersvorsorge zu Beginn dieses Jahrtausends deshalb zielstrebig umgebaut. Schließlich glaubten die Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und ihre Einflüsterer, eine geniale Lösung gefunden zu haben. In der allgemeinen Euphorie über die Chancen an den Kapitalmärkten setzten auch sie vermehrt auf die kapitalgedeckte Vorsorge. Das Geld der Sparer sollte dort „arbeiten“, um heutigen Generationen später einen angenehmen Ruhestand zu finanzieren.
    Auf diesen Rausch folgt nun der Kater. Schneller als es viele erwartet hätten, stürzt das ganze System in die Krise…
    Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht die Versicherer inzwischen als eine der größten Bedrohungen für das europäische Finanzsystem…
    Die Politik hat bereits eingegriffen, um den Versicherern Luft zu verschaffen. So wurde der Garantiezins auf 1,25 Prozent gesenkt und die Ausschüttung der Bewertungsreserven an die Kunden sowie der Gewinne an die Eigentümer reduziert. Weitergehende Hilfen könnten neue Investitionsmöglichkeiten sein, die verlässliche Renditen versprechen. Dazu zählt zum Beispiel die weitere Öffnung des deutschen Straßennetzes für Investoren…
    Knapp zehn Jahre nach dem Ende der Regierung Schröder, die den großen Schwenk zum Kapitalmarkt vollzogen hat, ist die kapitalgedeckte Altersvorsorge entzaubert…
    Quelle: Daniel Baumann in der FR

    Anmerkung WL: Wie der Autor allerdings zu folgender Aussage kommt, bleibt sein Geheimnis:

    „Der einzige Vorteil der kapitalgedeckten Vorsorge ist, dass nicht nur die Lohneinkommen zur Altersvorsorge herangezogen werden, sondern auch andere Einnahmequellen wie etwa die Unternehmensgewinne.“

    Werden bei der paritätische finanzierten gesetzlichen Rente nicht auch Unternehmensgewinne herangezogen – oder wie die Arbeitgeber sagen als „Lohnnebenkosten“ geschmälert.

  6. OECD-Kritik: So lasch ist die deutsche Steuerprüfung
    Viele Länder tun nach Einschätzung der OECD nicht genug, um die Steuererklärungen von Reichen zu prüfen – eingeschlossen Deutschland. Griechenland wird hingegen positiv erwähnt.
    Wenn es um die griechische Schuldenkrise geht, wird immer auch das nicht funktionierende Steuersystem als eine der Ursachen angeführt. Griechenland sei für die Reichen nach wie vor ein Steuerparadies, so heißt es dann. Die Wohlhabenden könnten sich so richtig arm rechnen, obwohl die Belastung ohnehin nur gering sei. Und werde dann doch etwas fällig, könne die Steuerschuld mangels Personal nicht eingetrieben werden.
    Sollte das so stimmen, wäre Griechenland aber in dieser Hinsicht nur die Spitze eines Eisbergs. Ein gerade veröffentlichter Bericht der Industrieländer-Organisation OECD offenbart, dass die Steuerbehörden in den meisten Industrieländern nicht angemessen auf die steuerliche Prüfung von Wohlhabenden eingerichtet sind. Die Organisation mahnt, den Reichen künftig genauer auf die Finger zu schauen. Auch Deutschland steht am Pranger.
    Quelle: Timot Szent-Ivanyi in der FR

    Anmerkung WL: Leider wird auch hier wieder der Unsinn verbreitet, als würden die oberen zehn Prozent „mehr als die Hälfte des Steueraufkommens bestreiten.“ Nochmals: Die Einkommenssteuer macht knapp 44 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus (siehe hier auf den NachDenkSeiten).

    Quelle: Sozialpolitik aktuell [PDF – 124 KB]

  7. Unbezahlte Arbeit in Genf – Warum ein Uno-Praktikant im Zelt schlief
    Ein Zimmer im teuren Genf konnte Uno-Praktikant David Hyde sich nicht leisten. Also zeltete er an der Rhône. Jetzt hat der junge Neuseeländer genug und ruft zur Revolte gegen unbezahlte Praktika auf…
    Arbeitgeber wie Uno und EU machen sich gut im Lebenslauf, und wegen der hohen Fluktuation können Praktikanten sich kaum organisieren. Kommt doch einmal Kritik auf, wie im Fall von Hyde, reagiert die Uno umgehend: Die Uno bezahle ihre Praktikanten nicht, weil eine Resolution der Generalversammlung ihr das verbiete, heißt es in einer Pressemitteilung am Tag nach Erscheinen des Artikels. “Die Mitgliedstaaten erlauben nicht, Praktikanten zu bezahlen, auch wenn die Uno das gern wollte.”
    Nicht an der Uno selbst soll es also liegen, sondern an den Mitgliedern – also sieht sich niemand verantwortlich. Entsprechend deftig sind die Kommentare auf der Facebook-Seite der Uno: “Sklaven, die nicht essen oder schlafen, werden bei der Uno in Genf ihr Glück finden”, schreibt ein User. Ein anderer fasst es kürzer: “Schäm dich, Uno!”…
    Quelle: Anja Tiedge auf Spiegel Online
  8. “Schmuggelware muss vernichtet werden”
    Der Deutsche Stefan Dürr führt Russlands größten Milchkonzern. Vor einem Jahr riet er Wladimir Putin, sich gegen die Sanktionen der EU zu wehren. Und heute? Ein Gespräch
    DIE ZEIT: Herr Dürr, vor etwas mehr als einem Jahr hat die EU weitreichende Sanktionen gegen Russland beschlossen. Kurz darauf haben Sie mir erzählt, dass Sie Präsident Wladimir Putin in einem persönlichen Gespräch zu Gegensanktionen geraten haben. Bereuen Sie das?
    Stefan Dürr: Nein. Ich würde ihm auch rückblickend noch denselben Ratschlag geben.
    ZEIT: Aber Russland ist doch in eine tiefe ökonomische Krise gerutscht.
    Dürr: Aber das liegt doch nicht an den Gegensanktionen! Im Gegenteil: Das Importverbot für westliche Lebensmittel hilft der russischen Agrarwirtschaft. Vor Kurzem hatte ich Besuch von einem der Chefeinkäufer der Metro für Russland. Früher war es für heimische Hersteller extrem schwierig, in das Sortiment der Metro aufgenommen zu werden. Es gab Einstiegsgebühren, und die Ware wurde oft erst nach acht oder zwölf Wochen bezahlt. Inzwischen aber sucht die Metro händeringend nach russischen Lieferanten. Sie ist sogar bereit, die Entwicklung von neuen Produkten vorzufinanzieren. […]
    ZEIT: Die Lebensmittelpreise sind im vergangenen Jahr durch das Importverbot deutlich gestiegen.
    Dürr: Ja, zum Teil, aber das renkt sich gerade wieder ein. Durch den Wegfall der Importkonkurrenz verdienen die russischen Bauern gut und investieren in neue Technik und neue Strukturen. Dadurch werden sie effizienter und können günstiger produzieren.
    ZEIT: Das klingt, als gäbe es keine Probleme.
    Dürr: Doch, die gibt es. Gerade bei Käse oder Quark greifen zunehmend Produzenten zu billigen Zutaten wie Palmöl, um teures Milchfett zu ersetzen – ohne das immer zu kennzeichnen. Insgesamt aber geht es voran. Was sich innerhalb eines Jahres in der russischen Landwirtschaft getan hat, hätte ich vorher nicht für möglich gehalten. Früher waren die russischen Bauern meist reine Rohstofflieferanten. Mittlerweile produzieren sie nicht nur mehr, sie verarbeiten die Produkte auch weiter. Mein eigenes Unternehmen Ekoniva etwa verkauft nicht mehr nur Rohmilch, sondern auch Produkte wie Joghurt, Quark oder Butter. Wir erschließen also ganz neue Bereiche der Wertschöpfung.
    Quelle: Zeit Online
  9. Hacken lernen mit der NSA
    Hacken leicht gemacht – das lernen Schülerinnen in New York – und anderswo. Die Aktion ist keine bloße Schul-AG. Sponsor ist der US-Geheimdienst, die NSA hat Nachwuchssorgen. Die sollen auch mit Hilfe der Hacker-Seminare behoben werden. […]
    Vier Millionen Dollar lässt sich die NSA diese Sommerlager kosten. Bis 2020 soll es sie in allen 50 Staaten geben. Ein Grund. Die NSA sucht und braucht Nachwuchs, sie wollen die Besten. Und so kommen in die Kurse eben Gastredner wie heute vom Secret Service. In der Woche davor waren sie im New Yorker Google-Labor. Die Mädchen finden es klasse. Dass der Sponsor der Geheimdienst ist? Schulterzucken: “Es sind mehr die Eltern der Mädchen, die beim Stichwort NSA aufhorchten, die Mädchen selbst sind eher unpolitisch”, sagt die Professorin.
    Sie hat sich ganz aufrichtig darüber gefreut, dass dank der NSA jetzt auch mal Mädchen in die Rubrik Cyber-Security reinschnuppern können: “Da gibt’s keine bösen Hintergedanken. Alles ganz unschuldig. Die Mädchen lernen hier viel Theorie. Und als jemand der aus der Theorie kommt, sag ich, super Idee.”
    Die Nachfrage für die NSA-Sommercamps ist übrigens riesig. Ein Grund: In die USA, wo Sommercamps gerne mal ein paar tausend Dollar kosten, gibt dieses High-Tech-Ferienlager umsonst. Der NSA sei Dank.
    Quelle: Tagesschau
  10. Großbritannien: Ein Linker spaltet die Gemüter
    Turbulente Zeiten kommen auf die britische Labour-Partei zu, wenn man Umfragen und Buchmachern glaubt. Denn die wollen schon wissen, wer am 12. September den Parteivorsitz übernimmt: ein stramm Linker mit einer Vorliebe für Tabubrüche namens Jeremy Corbyn. Einer, in dem viele den Sargnagel der Partei sehen, einen rückwärtsgewandten Spinner. Aber auch einer, der sein Publikum mitreißt und eine kleine «Corbyn-Mania» ausgelöst hat…
    Mit leiser, freundlicher Stimme bricht er Tabus: weg mit britischen Atomwaffen, raus aus der Nato. Bescheidenes internationales Auftreten statt «neo-kolonialer Kriege», die sich als Schutzinitiative für Menschenrechte tarnen. Mehr Sozialstaat und, jawohl, Verstaatlichungen, etwa der Energieversorger. In britischen, vor allem in englischen Ohren, ist das Zündstoff, geradezu unverschämt…
    Quelle: FR

    Anmerkung WL: Wetten, dass Corbyn nicht Labour-Vorsitzender und schon gar britischer Premier wird, da werden die Rechten in der Labour-Partei wie etwa Tony Blair und die Medien schon dafür sorgen.

  11. Gefährliches Asbest
    Wer mit dem krebserregenden Material in Berührung kam und schwer krank geworden ist, muss zum Teil jahrelang kämpfen, um als Asbest-Opfer anerkannt zu werden. Spielen Berufsgenossenschaften und Versicherungen auf Zeit?
    Asbest – einst die Wunderfaser – und fast überall eingesetzt. Vor allem zwischen 1960 und 1990. Es war das perfekte Material: stabil und hitzebeständig, ideal zur Dämmung und dazu noch sehr preiswert. Die Folgen zeigen sich jetzt, Jahrzehnte später. Wer damals Asbest einatmete, trägt heute das Tumorrisiko in sich. Etwa 30 bis 40 Jahre kann es dauern, bis der Krebs durch die Fasern zum Ausbruch kommt. Es kann jeden treffen. […]
    Eigentlich müssen die Berufsgenossenschaften die durch Asbest erkrankten Menschen entschädigen. Es geht um die komplette Existenz: Pflegegeld, häusliche Versorgung, Reha und vor allem Rente für die Kranken oder Hinterbliebenen. Das Problem: Patienten wie Werner Schroer müssen den Zusammenhang zwischen Asbest und dem Krebs selbst beweisen. Wie soll das gehen? […] Ein großer Teil der Anträge wird von den Berufsgenossenschaften abgelehnt.
    Quelle: plusminus
  12. »Freiheit ist kapitalistischer Mainstream«
    Die Mittelschicht schafft sich ab, Bildungsabschlüsse verlieren an Wert, und der Neoliberalismus vereinnahmt selbst diejenigen, die ihn bekämpfen sollten – beste Voraussetzungen, um das ganze Gesellschaftssystem ins Wanken zu bringen, meint die Soziologin Cornelia Koppetsch…
    Wir beobachten, dass viele besorgte Eltern zu immer aufwendigeren Mitteln greifen, um die Zukunft der Kinder zu sichern: Elitekindergärten, Privatschulen, Auslands-aufenthalte. Wenn immer mehr Menschen in immer höhere Bildung investieren, werden herkömmliche Bildungseinrichtungen und Bildungszertifikate entwertet. Es findet ein Überbietungswettbewerb statt: Wir können auf so viele Lehrlinge zurückgreifen, wir nehmen jetzt nur noch die mit Abitur – dann landen Realschulabsolventen in ungelernten Jobs, und die Hauptschüler kriegen gar keinen. Alles rutscht eine Stufe tiefer, weil die Spitze immer exzellenter wird. Oder die Elite-Universitäten: Die Ehrgeizigen zieht es dorthin, die übrigen Universitäten werden zu zweitklassigen Bildungsanstalten herabgestuft. Nur: Die Berufsaussichten für den Einzelnen werden dabei nicht besser. Man muss ständig aufrüsten, hat aber am Ende nichts davon…
    Der heutige Finanzmarktkapitalismus hat Eigentum und unternehmerische Tätigkeit entkoppelt. Das hohe Lied der unternehmerischen Tugenden predigt man lieber den einfachen Arbeitnehmern: Sie sollen zu Arbeitskraftunternehmern werden, Ich-AGs gründen und eigenverantwortlich handeln. Doch die Rechnung geht nicht auf: Ein wachsender Teil der Armen, vor allem derer mit geringer Qualifikation, hegt auch subjektiv kaum mehr Aufstiegsambitionen. Die haben sich längst ausgeklinkt…
    Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler denken völlig unterschiedlich. Viele Wirtschaftswissenschaftler behaupten: Die Marktkräfte regulieren sich selbst, da muss keine Gesellschaft eingreifen. Die Soziologen hingegen argumentieren: Ohne Rückbindung an eine gesellschaftliche Ordnung kann kein Kapitalismus existieren. Eine völlige Entfesselung der Marktkräfte – das zeigt in der jüngsten Vergangenheit ja auch der Zusammenbruch der Finanzmärkte – ließe das System implodieren.
    Quelle: SZ Magazin
  13. Wissenschaft: Wo seid ihr, Professoren?
    Das Wissenschaftssystem drängt seine besten Denker ins Abseits. Ihre Stimmen fehlen in den gesellschaftlichen Debatten. Das ist fatal.
    Es sind drei Geschichten, Seltsamkeiten aus der Welt der Anreize und Belohnungen, die der Schriftsteller Rolf Dobelli in seinem Buch Die Kunst des klaren Denkens erzählt. Die erste geht so: Im Hanoi der französischen Kolonialherrschaft entwarf man ein Gesetz, um die Rattenplage einzudämmen, und versprach jedem, der eine tote Ratte herbeischaffte, eine Prämie. Die Folge war, dass die Menschen Ratten züchteten. Die zweite Geschichte handelt von den Schriftrollen vom Toten Meer, die man 1947 entdeckte. Archäologen boten für neue Funde des uralten Pergaments eine Belohnung – mit der fatalen Konsequenz, dass gerade noch irgendwie zusammenhängende Schriftstücke zerkleinert wurden, um den maximalen Finderlohn einzuheimsen. Die dritte Geschichte ist ähnlich deprimierend: Sie berichtet von Bauern im China des 19.
    Jahrhunderts, die auf Prämien für Dinosaurierknochen spekulierten, diese ausgruben, um sie dann in Gedanken an ihren Eigenvorteil in Stücke zu hauen.
    Was sich hier zeigt, ist, dass Anreize den guten Absichten mitunter radikal zuwiderlaufende Effekte erzeugen können. Das Phänomen ist jedem Verhaltensökonomen bekannt. Weniger bekannt ist, dass in den Geistes- und Sozialwissenschaften seit Jahren ein groß angelegter Feldversuch im Anreizbusiness läuft, der in der Welt der geistigen Güter mitunter toxische Nebenwirkungen erzeugt. Die deutschen Geistes- und Sozialwissenschaften marginalisieren die Figur des öffentlichen Intellektuellen, der in verständlicher Sprache zeitdiagnostische Deutungsarbeit leistet, vielleicht sogar moralisch argumentiert, sich aber in jedem Fall um Wirkung bemüht. Es ist das Ende der Einmischung, das nun droht. Es sind die Produktivkräfte des Polemischen und der pointiert-aufrüttelnden, riskanten Gegenwartsbeschreibung, die gefährdet sind. Woran liegt das? Wo liegen die Ursachen für die Selbstkastration einer kritischen Intelligenz, die gerade jetzt – in Zeiten der Krisen und des Klimawandels, der geopolitischen Verwerfungen und der Terrordrohungen – so nötig und nützlich wäre?
    Quelle: Zeit Online
  14. Selbstgemachte “Lügenpresse”
    Dass die Fälschung bei Facebook so übertrieben positiv klingt und fehlerhaft ist, gehört zu ihrem Konzept: Die Leser sollen auf Ungereimtheiten im Text stoßen und sich darüber erzürnen, wie dreist die “Lügenpresse” falsche Nachrichten verbreite. Die Betrüger stoßen den Sturm der Entrüstung selbst an, indem sie unter ihre eigene Falschmeldung Wut-Kommentare schreiben.
    Meldungen wie die über Seneki Mutalla tauchen in den Sozialen Netzwerken derzeit gehäuft auf. Da ist von jungen Flüchtlingen die Rede, die einer obdachlosen Frau ihre Einkaufsgutscheine schenken, oder einem syrischen Flüchtling, der 50 Euro findet und sie edel im Rathaus übergibt.
    Alles gelogen…
    Die Aufwiegler laden sich aus echten Meldungen Fotos herunter, verfassen einen erfundenen Text und kreieren ein fiktives Medium, auf das verlinkt wird, um schließlich die Falschmeldung selbst in Frage zu stellen…
    Quelle: Paul Katzenberger in der SZ
  15. Zu guter Letzt: Abgeordnete sollen ihrem Gewissen folgen
    Sollen Abgeordnete ihrem Gewissen oder der Partei folgen? Die Frage stellt der DeutschlandTrend nach der Debatte über Fraktionsdisziplin, die Unionsfraktionschef Kauder mit harten Worten gegenüber Abweichlern ausgelöst hatte. Die meisten Deutschen sind ganz und gar nicht Kauders Meinung. […]
    Für die überwältigende Mehrheit der Deutschen ist die Antwort klar: 77 Prozent der im ARD-DeutschlandTrend Befragten finden, ein Parlamentarier solle seinen persönlichen Standpunkt vertreten – wenn es sein muss, auch gegen die eigene Parteilinie. Nur 18 Prozent dagegen folgen Volker Kauder und sagen: Die Fraktionsdisziplin sollte im Vordergrund stehen.
    Quelle: ARD Deutschlandtrend

    dazu: Kaum benutzt: eBay-Nutzer “vkauder49” versteigert gut erhaltenes Grundgesetz
    Tuttlingen (dpo) – Das klingt nach einem Schnäppchen: Auf der Auktionsplattform eBay bietet der Nutzer “vkauder49” derzeit ein gut erhaltenes Grundgesetz an. Der Startpreis liegt bei einem Euro. Insbesondere der Bereich um Artikel 38, der regelt, dass Abgeordnete des Bundestags als Vertreter des ganzen Volkes nicht an Weisungen gebunden und nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen sind, befindet sich in hervorragendem Zustand.
    Quelle: Der Postillon


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