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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 17. Juli 2015 um 16:20 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. 3,5 statt 35 Milliarden für Griechenland: Kommission nimmt Backen zu voll beim Investitionspaket
  2. Bundestag stimmt für Griechenland-Hilfspaket
  3. Eurozone: Grexit verhindert, Kürzungskurs geht weiter
  4. Das Lernziel: Nur nicht aufmucken! Euro-Europa nimmt die Verelendung eines ganzen Landes in Kauf
  5. Hoffnung für das Protektorat
  6. Tusk warnt vor ideologischer Spaltung Europas
  7. Podemos: Letzte Hoffnung für Tsipras?
  8. Oxi und der Pessimismus
  9. Sie haben mir Europa kaputt gemacht
  10. Rentenniveau in starkem Sinkflug
  11. Zank um die Gewerbesteuer
  12. Exzellente Oberschicht: Die Ultra-Elite stammt aus bestem Hause
  13. Englische Top-Internate enttäuschen
  14. Paul Krugman: Das Dogma von der Faulheit
  15. Der Feind im Äußeren? Eine mögliche Gemeinsamkeit zwischen den Krisen um Griechenland und mit Russland
  16. Umstrittene Militärreform – Das hat Japan nicht verdient
  17. PR-Inszenierungen: Merkel, Medien und Momente der Wahrheit
  18. Hörtipp: Stille Revolution – Oder: Von der Verrechtlichung neoliberaler Verhältnisse in der EU
  19. Zu guter Letzt: Möchten Sie einen Schäuble aus Marmor im Wohnzimmer?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. 3,5 statt 35 Milliarden für Griechenland: Kommission nimmt Backen zu voll beim Investitionspaket
    EU-Kommissionspräsident Juncker wirbt für den Deal mit Griechenland unter anderem mit einem Investitionspaket von 35 Milliarden Euro, das er und seine Kommissare in harter Arbeit möglich gemacht hätten. Leider geht es vor allem um alten Wein in neuen Schläuchen: Die 35 Milliarden sind EU-Strukturfondsgelder, die Griechenland laut 7jährigem EU-Haushaltsrahmen ohnehin fest versprochen sind. In der letzten Periode hatte Griechenland mit 91 Prozent auch fast alle Mittel abgerufen. Das ist besser als die meisten anderen EU-Länder und lässt keine ungehobenen Schätze übrig.
    Was aber stimmt: Die EU-Kommission hat jetzt schnell EU-Gesetzesänderungen vorgeschlagen, die einen deutlich schnelleren Abruf der Finanzmittel erlauben. Das kann Griechenland wirklich helfen, die Gelder zur Verfügung zu haben, wenn die Krise die Menschen besonders hart trifft. Unsere Fraktionsexperten haben sich die wahrscheinlichen Effekte der Maßnahmen der Kommission angesehen:

    1 Mrd. € vorgezogene Mittel
    0,5 Mrd. € mobilisiert aus der auslaufenden Periode
    2 Mrd. € durch Ausnahmen von der Co-Finanzierung

    3,5 Milliarden Zusätzliche Mittel

    Juncker hat im EU-Haushalt getan, was er konnte. Aber: Das echte Volumen des Investitionspakets macht also 3,5 Milliarden aus, nicht 35 Milliarden. 3,5 statt 35 Milliarden, da hat die EU-Kommission die Backen zu voll genommen.
    Quelle: Sven Giegold

  2. Bundestag stimmt für Griechenland-Hilfspaket
    Nach einer emotionalen und an eindringlichen Appellen reichen Debatte über die Zukunft und das Wesen der Europäischen Union stimmte der Bundestag am Freitag, 17. Juli 2015, dafür, der Bundesregierung ein Verhandlungsmandat für ein drittes Hilfspaket für Griechenland zu erteilen. Einem entsprechenden Antrag (18/5590) der Regierung stimmten 439 Abgeordnete zu. 119 Abgeordnete votierten dagegen und 40 enthielten sich der Stimme.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    dazu: Wie die Abgeordneten abgestimmt haben

    dazu auch: Thomas Jurk: Erklärung zum Abstimmungsverhalten beim Antrag des Bundesministeriums der Finanzen
    Quelle: Thomas Jurk, (MdB, SPD) [PDF]

  3. Eurozone: Grexit verhindert, Kürzungskurs geht weiter
    Europa steht nach Wochen der politischen Achterbahnfahrt vor einem Scherbenhaufen. Auch, wenn am Ende die Gläubiger und die griechische Regierung einen groben Plan für die nächsten drei Jahre unterschrieben haben: Langfristig ist kein Problem gelöst. Die harte und unnachgiebige Haltung der Gläubiger hat der europäischen Idee einen schweren Schlag verpasst. Wie schon bei früheren Verhandlungen wurde allenfalls Zeit gewonnen und kurzfristig Schlimmeres verhindert. […]
    Insgesamt wird der verschärfte Kürzungskurs die griechische Wirtschaft weiter abwürgen. Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) haben gezeigt, dass die katastrophale wirtschaftliche Situation Griechenlands vor allem durch diese falschen Auflagen in den letzten Jahren zustande kam und es dem Land ohne Kürzungen deutlich besser ergangen wäre (siehe Grafik in der Anlage). Wenn die Wirtschaft weiterhin nicht auf die Beine kommt, ist aber nicht ausgeschlossen, dass Hellas schon bald wieder vor dem Grexit steht.
    Deshalb muss jetzt gegengesteuert werden: Die am Montag unterschriebene Vereinbarung sieht vor, den Griechen 35 Milliarden Euro an Strukturfondsmitteln zugänglich zu machen, die sie bislang nicht abrufen konnten, weil die teure Kofinanzierung nicht zu leisten war. Die Kofinanzierung muss jetzt vollständig ausgesetzt werden, die 35 Milliarden Euro müssen schnellstmöglich direkt in konjunkturstützende, sozial gerechte Maßnahmen und langfristig sinnvolle Investitionen fließen.
    Quelle 1: DGB
    Quelle 2: klartext 28/2015 DGB [PDF]

    dazu: Dieser Deal ist eine Falle
    Der deutsche Deal zu Griechenland wird scheitern – da sind sich die meisten Ökonomen einig. Doch je mehr Details bekannt werden, desto klarer wird: dieser Deal SOLL scheitern, er ist eine Falle. […]
    Selten waren sich die Experten so einig. Dabei gehen sie nur von den Eckpunkten aus, wie sie Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble den Griechen in den Gipfelbeschluss diktiert haben. […]
    Die deutsche Regierung sucht gar keine Lösung. Sie will Griechenland nicht retten, sondern aus dem Euro drängen. Angesichts der vielen eingebauten Fallen ist es nur eine Frage der Zeit, wann es knallt.
    Vorteil dieser Strategie aus Berliner Sicht: Griechenland hat ja alle Konditionen selbst unterschrieben – und es wird die Regierung in Athen sein, die den programmierten „Graccident“ verschuldet…
    Quelle: Eric Bonse auf Lost in Europe

  4. Das Lernziel: Nur nicht aufmucken! Euro-Europa nimmt die Verelendung eines ganzen Landes in Kauf
    Bei dem von Politik, Medien und Wirtschaft gigantisch inszenierten Streit um neue Finanzhilfen für die Gläubiger Griechenlands geht es gar nicht zuallererst um die Griechen. Es ging und geht der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, ihrer schwarz-roten Regierungskoalition und ihren europäischen Verbündeten nicht einmal um ein paar Milliarden mehr oder weniger. Es geht ihnen vor allem darum, dass die im Januar neu gewählte fortschrittliche und den Gewerkschaften verbundene Regierung Griechenlands auf gar keinen Fall irgendeinen Erfolg feiern durfte und darf. Deshalb haben die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) ihr weitaus mehr zugemutet als jeder früheren Regierung in Athen. Alexis Tsipras, Yanis Varoufakis und ihre “Koalition der radikalen Linken” (Syriza) durften und dürfen keinen Erfolg haben, weil dann sichtbar würde, dass es sehr wohl eine Alternative zu dem rund um den Globus dominierenden neoliberalen, marktradikalen Wirtschaftsmodell gibt, einer Ökonomie, die sämtliche Lebensbereiche der Menschen einer kapitalistischen Verwertungslogik unterwirft.
    Quelle: Albrecht Müller in ver.di publik
  5. Hoffnung für das Protektorat
    Nur wenn das neue Rettungsprogramm mehr Investitionen als Einsparungen ermöglicht, kann die Sanierung der griechischen Wirtschaft gelingen. Dafür sollte der Bundestag den Weg frei machen. […]
    Doch damit ist weder für die Griechen noch für ihre Gläubiger irgendetwas gewonnen. Denn in der bisher vereinbarten Form setzt das Programm die gleichen Fehler fort, an denen schon die vorherigen gescheitert sind. Nicht nur wird verhindert, dass Griechenlands politische Klasse selbst die Verantwortung für die Modernisierung ihres Staates übernimmt. Zudem werden die verfügten Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen das Land noch tiefer in die Rezession stürzen und so die Schuldenquote weiter in die Höhe treiben. Das aber nimmt der griechischen Volkswirtschaft genau das, was sie am dringendsten braucht: die Sicherheit der Währung. Solange Unternehmen und Investoren nicht wissen, ob sie ihre Erlöse auch in zehn Jahren noch in Euro erhalten, werden sie nicht mal in einen neuen Kiosk investieren, geschweige denn in Hotel- oder Energieanlagen. […]
    Vor diesem Hintergrund ist es richtig, wenn der Bundestag Ja sagt zur Aushandlung eines Programms, das Griechenland zumindest Hoffnung verschafft – so wie es auch der IWF fordert. Dazu muss Kanzlerin Merkel aber auch ihren Finanzminister in die Schranken weisen. Denn Schäuble wirbt weiter für den „Grexit“ und erzeugt damit genau die Unsicherheit, an der die griechische Wirtschaft erstickt. Bliebe es dabei, dann werden die rund 80 Milliarden Euro, mit denen die Bundeskasse für Griechenlands Schulden haftet, ganz sicher fällig.
    Quelle: Harald Schumann im Tagesspiegel

    dazu: US-Finanzminister erklärt Griechenland zur Chefsache
    In drei Absätzen erklärt US-Finanzminister Jack Lew was das Ergebnis seiner Treffen am 15. Und 16. Juli mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, seinem französischen Pendant Michel Sapin, EZB-Chef Mario Draghi und seiner Telefonate mit Athen war. […]
    Ein Schlüsselsatz lautet: “Er stellte fest, dass er mit allen Beteiligten während dieser wichtigen Zeit im Austausch bleiben werde.“ Es soll sich also keiner einbilden, er könne machen, was er wolle. Das ist jetzt Chefsache.
    Der Satz steht nicht etwa am Ende der Erklärung, sondern am Ende des Absatzes zu seinen Gesprächen mit Schäuble und Sapin. Das dürfte heißen: vor allem diese beiden – vermutlich ist vor allem Schäuble gemeint – werden ab jetzt an der engeren Leine geführt. Nicht von ungefähr ist dieser Absatz der Längste. Berlin (und eventuell Paris) werden als Hauptproblem markiert. […]
    Dann betont er die Wichtigkeit, in den Verhandlungen „Schuldentragfähigkeit für Griechenland“ zu erreichen. Die Aussicht auf Umstrukturierung und dadurch erhebliche Erleichterung der griechischen Schulden ist das Hauptargument, mit dem der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras rechtfertigt, dass er der ansonsten extrem harten Vereinbarung zugestimmt hat. Lew macht sich zum Garanten dafür, dass dies nicht nur eine Aussicht bleibt. Dann unterstreicht er noch, dass das im besten Interesse Griechenlands, Europas und der Weltwirtschaft sei. […]
    Dass Lew ein Problem damit hat, dass Schäuble nicht aufhört, vom Grexit zu reden, ist nach dieser Erklärung offenkundig.
    Quelle: Norbert Häring

  6. Tusk warnt vor ideologischer Spaltung Europas
    EU-Ratspräsident Donald Tusk hat die Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten aufgerufen, in der Debatte über Griechenland auf eine sachliche Diskussionsebene zurückzukehren. „Es war zuletzt zu viel von Würde und Demütigung die Rede“, sagte Tusk im Gespräch mit mehreren europäischen Zeitungen, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Die Geschichte, nicht zuletzt die deutsche, lehrt uns, wohin das führt.“
    Der Pole warnte vor einer ideologischen Spaltung Europas. Wie 1968 gebe es eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, die schnell in eine revolutionäre Stimmung umschlagen könne. Es werde die Illusion erweckt, es gebe einen Alternative zum bestehenden Wirtschaftssystem, ohne Sparpolitik und Einschränkungen. Tusk kritisierte nicht zuletzt den amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger und Sparkursgegner Paul Krugman: „Was Krugman sagt, ist intellektuell sicherlich brillant, hat aber nichts mit der Realität zu tun.“
    Schuld an der Krise in Griechenland sei nach Ansicht von Tusk nicht die Einführung des Euro, sondern die griechische Politik. Etwas anderes zu behaupten, sei absurd. Der Ratspräsident verteidigte den Kompromiss des Gipfeltreffens der Eurostaaten vom Montagmorgen gegen Kritik aus Athen. „Tsipras hat immerhin 80 Milliarden Euro Hilfe für sein Land ausgehandelt – und das zu ziemlich weichen Bedingungen“, sagte er. Die Einigung sei kurz vor dem Scheitern gewesen. Der Grexit habe kurz bevor gestanden.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die harten Ideologen fordern zur Sachlichkeit auf und kritisieren die Realisten für angebliche ideologische Spaltung, und an der Spaltung des Euro ist ausschließlich Griechenland schuld und nicht vor allem die deutsche Politik: das ist wirklich wie der Geisterfahrer, der die vielen anderen Autos für Geisterfahrer hält. Eine besondere Form von Ironie.

    dazu: Donald Tusk, der osteuropäische Irrglaube an die Marktwirtschaft und der späte Sieg des Marxismus
    Donald Tusk war Ministerpräsident in Polen und ist der Präsident des Europäischen Rates, also der Zusammenkunft der Staatschefs der EU. Er hat in einem Interview etwas höchst Interessantes zum Griechenlandkonflikt gesagt. Laut FAZ warnt er vor einer ideologischen Spaltung Europas und vergleicht die Situation mit 1968. Und dann lässt er die Katze aus dem Sack. Laut FAZ sagt er, es werde die Illusion erweckt, es gäbe eine Alternative zum bestehenden Wirtschaftssystem, ohne Sparpolitik und Einschränkungen. Und dann kritisiert er Paul Krugman mit den Worten: „Was Krugman sagt, ist intellektuell sicherlich brillant, hat aber nichts mit der Realität zu tun.“ […]
    „System“ bedeutet bei Tusk ein System aus Sparpolitik und Einschränkungen, so wie es Schäuble ihm bei jedem Treffen erzählt. Auf die Idee, dass Schäuble keine Ahnung von dem „System“ hat, und dass es bei der Kritik von Krugman und anderen darum geht, das „System“ überhaupt richtig zu verstehen, kommt er nicht, weil er in einer Welt aufgewachsen ist, in der es nur die Systemauseinandersetzung ‚Marktwirtschaft kontra Planwirtschaft‘ gab. Die viel wichtigere Auseinandersetzung dreht sich um ein angemessenes Verständnis dessen, wie ein marktwirtschaftliches System überhaupt funktioniert und wie es mit Hilfe der Wirtschaftspolitik in ihren drei großen Ästen Fiskal-, Geld- und Lohnpolitik nachhaltig und zum Nutzen aller betrieben werden kann. Diese Auseinandersetzung, die viele Jahre der Nachkriegszeit diesseits des Eisernen Vorhangs geprägt hat, ist an den Menschen jenseits dieses Vorhangs vollkommen vorbeigegangen. […]
    Es scheint, der Marxismus besiegt die Marktwirtschaft am Ende auf eine ganz hinterhältige Weise. Indem die Marktwirtschaft von denen regiert wird, die der Marxismus so verschreckt hat, dass sie nur an die Auseinandersetzung zwischen den Systemen denken, nicht aber an die konstruktive Auseinandersetzung mit dem übrig gebliebenen System selbst, macht er der Marktwirtschaft endgültig den Garaus. Bravo Karl Marx – das ist die höchste Form der Dialektik.
    Quelle: flassbeck-economics

  7. Podemos: Letzte Hoffnung für Tsipras?
    Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hofft, dass es in Südeuropa bald zu Veränderungen kommt und Formationen wie Syriza an die Macht kommen. Bei der erhofften Verschiebung der Kräfteverhältnisse und für einen politischen Wandel in Europa richtete er am späten Dienstag beim TV-Interview seinen Blick besonders auf Spanien. Denn die Hoffnung, dass “Podemos” (Wir können es) oder ein Bündnis wie “Ahora en Común” (Jetzt Gemeinsam) eine Chance auf einen Wahlsieg haben, brachte Tsipras offenbar dazu, den Rücktritt und/oder Neuwahlen (noch) nicht anzusetzen.
    Und weil es gute Chancen in Spanien gäbe, “ist es in unserer Verantwortung, weiter zu regieren”, erklärte Tsipras im Staatssender ERT. “Die Austeritätspolitik ist heute die einzige Realität, aber in der Zukunft wird das anders sein.” Er fügte an: “Europa kann sich ändern, wenn Kräfte in Spanien an Kraft gewinnen, die Syriza ähnlich sind.” Er hofft damit auf klare Unterstützung aus dem viertgrößten Euroland, denn mit ihm kann nicht so umgesprungen werden wie mit dem kleinen Griechenland. Erstaunlich ist, dass er nun von “Kräften” spricht, im Wahlkampf hatte er allein Podemos als Schwesterpartei bezeichnet und dem früheren Bündnispartner Vereinte Linke (IU) vor die Nase gestoßen.
    Quelle: Ralf Streck auf Telepolis
  8. Oxi und der Pessimismus
    61 Prozent der Griechen, die zur Urne stürmten, riefen laut Nein. Was für ein Einschlag das war am Sonntag vor zwei Wochen. Ich schlug mir auf die Schenkel. Damit hatte ich nie und nimmer gerechnet. Tsipras war damit ein Coup gelungen. Griechenland stand auf. Das hatte was von einer plebiszitären Revolution gegen ein Europa, das sich als Wirtschaftszone versteht, nicht aber als der Lebensraum von Europäern verschiedenster kultureller Herkünfte. Oxi bot zwar keine Alternative im eigentlichen Sinne. Aber es war zunächst mal das notwendige Nein zu einer Politik, die die Menschen in den Abgrund spart und die Perspektiven, Hoffnungen und Wünsche von Jung und Alt unter sich begräbt. Man kann viel über Geld sprechen, aber was ist ein Gemeinwesen wert, in dem Menschen keine Zukunftspläne mehr schmieden, weil alles trostlos ist? Das hat die Troika, das haben die Rädelsführer aus Berlin in all den Jahren nicht begriffen: Eine Kontinentalunion, die die Perspektivlosigkeit nicht nur duldet, sondern zur Agenda macht, schafft Tristesse und nicht etwa ökonomische Zuversicht, wie man das dieser Tage zuweilen liest.
    Es waren also 61 Prozent und Hoffnungen, die da aufkeimten. Seither ist nur wenig Zeit ins Land gegangen. Eigentlich nur Stunden und wir wissen: Oxi war letztlich nichts wert. Die linke Regierung eines relativ kleinen Landes hatte nicht die Kraft, sich weiterhin den europäischen Forderungen in den Weg zu stellen. Sie ist eingebrochen unter dem Druck. Tsipras machte Zugeständnisse, die bitterer sind als alles, was bis dahin auf dem Plan stand. Es ist fast so, als haben die, die sich die Geberländer nennen, nach dem Referendum Rachegelüste entwickelt und nun noch mal boshaft die Forderungen verschärft. Griechenland wird wohl alles erfüllen. Renten werden weiter sinken. Jugendarbeitslosigkeit steigen. Junge Menschen werden nie lernen, wie es ist, ein bisschen Zukunftspläne zu schmieden. Sie bleiben ohne Beschäftigung, verarmen und müssen über kurz oder lang Familie und Heimat verlassen, um vielleicht in Deutschland in einer Taverne den Servierclown für deutsche Gourmets zu geben.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  9. Sie haben mir Europa kaputt gemacht
    Vielleicht bin ich ein Idiot – bitte nicht zu schnell zustimmen, ich möchte das erklären. Mein Eindruck ist, dass die Idee Europa implodiert, und ich verspüre dabei Schmerzen. Im Vordergrund spielt sich das Drama um Griechenland ab, bei dem man auch ohne tiefere Sachkunde erahnen kann, dass es dabei nur Verlierer gibt. Im Hintergrund zerfasert und zersplittert etwas, ein Europagefühl, irgendwie. In vielen Bereichen geht etwas kaputt, aber in der digitalen Sphäre ist es für mich leichter zu erkennen.
    Der gefährlichste Mann Europas, David Cameron, steht kurz davor, faktisch WhatsApp und iMessage zu verbieten sowie insgesamt Privatnachrichten, die die Bezeichnung “privat” auch verdienen. Das dazugehörige Zitat des britischen Premierministers lautet:

    “Wollen wir in unserem Land Kommunikationsmittel zwischen Menschen erlauben, die wir [als Staat] nicht lesen können? Meine Antwort auf diese Frage ist: Nein, wir dürfen das auf keinen Fall erlauben.”

    Das ist ein Zitat, das Stalin nicht totalitärer hätte formulieren können. Ich empfinde diese Aussage als Katastrophe, als Aufkündigung ungefähr jeden Wertes, den ich mit einem demokratischen Europa verbinde: die Abschaffung nicht nur der Privat- sondern auch der Intimsphäre, die Abschaffung einer freien, also unüberwachten Presse, die Abschaffung der Meinungsfreiheit, die es nur geben kann, wenn man sich nicht vom Staat allüberwacht fühlen muss.
    Quelle: Sascha Lobo auf Spiegel Online

  10. Rentenniveau in starkem Sinkflug
    Aktuelle Erhöhungen können nicht über die Probleme hinwegtäuschen
    Zum 1. Juli sind die Renten gestiegen. 2,1 Prozent mehr gab es im Westen, 2,5 Prozent im Osten. Und auch für das nächste Jahr sind die Aussichten auf eine weitere spürbare Erhöhung dank der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 recht gut. Denn die Rentenerhöhung richtet sich teilweise nach der Entwicklung der Bruttolöhne im Vorjahr, also auch nach dem, was Gewerkschaften in Tarif­auseinandersetzungen durchgesetzt haben.
    So weit, so gut? Mitnichten. Denn das Rentenniveau insgesamt, also die Höhe der Altersversorgung im Vergleich zum Arbeitseinkommen, sinkt spürbar. Das ist politisch gewollt.
    Quelle: ver.di publik
  11. Zank um die Gewerbesteuer
    Städte wie Eschborn und Monheim locken Unternehmen mit niedriger Gewerbesteuer. Die Unternehmen nutzen das – und nicht alle Mittel sind im Sinne des Erfinders. […]
    Sie werben mit Steuervorteilen: Niedrige Gewerbesteuerhebesätze machen sie für Betriebe attraktiv und zu einem Dorn in den Augen der Politiker umliegender Kommunen. Denn die Gewerbesteuer ist die größte Geldquelle, die die Kommunen selbst erheben. Durch diese nahmen die Kommunen im vergangenen Jahr 43,7 Milliarden Euro ein und damit so viel wie noch nie.
    Monheim nahe Köln senkte den Gewerbesteuerhebesatz im Jahr 2012 auf 300 Prozent, steigerte die Einnahmen deutlich und wurde schuldenfrei. Vergangenes Jahr wurde der Satz weiter gesenkt. In Norderfriedrichskoog in Schleswig-Holstein lag der Hebesatz einst bei 0 Prozent, weswegen die Gemeinde mit 50 Einwohnern als Steuerparadies mit Hunderten Briefkastenfirmen galt. Doch von 2004 an musste der Hebesatz mindestens 200 Prozent betragen, und viele Unternehmen zogen wieder ab.
    Im Rhein-Main-Gebiet blicken die Kommunalpolitiker mit Argusaugen auf Eschborn, das mit einem Hebesatz von 280 Prozent Unternehmen auch aus dem nahen Frankfurt anzieht. Der Vorwurf lautet „Dumpingsteuersätze“. Offenbachs Oberbürgermeister Horst Schneider (SPD) sagte, er finde es pervers, dass Eschborn mit solchen Dumpingsätzen Wettbewerb betreibe.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die FAZ war doch zumindest bisher immer für “Steuerwettbewerb”. Vielleicht kann sie mal erklären, welchen volkswirtschaftlichen Vorteil für den Gesamtstaat dieser Deutschland-interne Dumping-Wettbewerb haben soll. Und wenn sie schon mal dabei ist: wem nützt eigentlich das europaweite Körperschaftssteuerdumping? Den Staaten????

  12. Exzellente Oberschicht: Die Ultra-Elite stammt aus bestem Hause
    Nach Leistung geht es in der Wissenschaft, und nochmals nach Leistung! Wer hier vorankommt, gehört zu den Besten. – So stellt sich die deutsche Wissenschaft selbst gerne dar. Spätestens seitdem die Studie der Paderborner Soziologin Christina Möller bekannt geworden ist, muss allerdings angezweifelt werden, dass Universitäten ihre Professoren ausschließlich nach meritokratischen Prinzipien rekrutieren. Denn wer aus der gehobenen sozialen Schicht kommt, hat demnach erheblich höhere Chancen auf eine Professur als potenzielle Mitbewerber aus anderen Schichten (der Tagesspiegel berichtete). So haben unter den Jura-Professoren 80 Prozent Eltern, die zur gehobenen oder hohen Schicht gehören, unter den Medizinprofessoren 72 Prozent. Und noch nie in 40 Jahren war der Anteil von Professoren aus der höchsten Schicht so hoch wie heute.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Siehe zur „sozialen Schließung der Universitätsprofessur“ eine Studie von Christina Möller [PDF].

  13. Englische Top-Internate enttäuschen
    Adressen auf der Insel gelten als Garanten für eine exzellente Ausbildung des Nachwuchses. Ein Segen für den, der es sich leisten kann? Das schöne Bild hat seine Schattenseiten. Erfahrungen eines betroffenen Vaters…
    Nach 21 Jahren in London und als Vater von vier Kindern bin ich auf dem besten Weg, eine siebenstellige Summe in das englische Privatschulsystem zu stecken…
    Mein Fazit bislang: Es ist bei weitem nicht alles Gold, was glänzt. Mein Rat an Eltern in Deutschland, die erwägen, ihre Kinder auf ein englisches Internat zu schicken und es sich finanziell leisten können: Überlegen Sie es sich noch einmal, ob Sie Ihr Geld, Ihre Zeit und die Zeit Ihrer Kinder nicht für etwas anderes aufwenden wollen…
    Die große Stärke der englischen Schulen und Schüler ist die Selbstdarstellung. Doch der Eindruck trügt: Selbst auf den englischen Top-Internaten lernen die Kinder nicht mehr als in Deutschland, eher weniger….
    Weniger lernen und viel zahlen ist das eine. Viel schlimmer aber ist, dass selbst ein kurzer Aufenthalt in einem englischem Internat dazu führen wird, dass Kinder jeden Bezug zum Geld verlieren…
    Im englischen System lernen Kinder im Alter von vier zuerst gezielt auf die Aufnahmeprüfung in die Grundschule hin, dann für die Aufnahmeprüfung an den weiterführenden Schulen, dann auf die GCSE – das Äquivalent der deutschen mittleren Reife oder dem mittleren Schulabschluss. Am Ende der Sekundarstufe II wurden im Jahr 2014 26,3 Prozent aller A-Levels (vergleichbar der Abitur-Prüfung im Leistungskurs) mit der Note A oder A mit Stern belohnt. An den Top-Schulen liegt diese Quote bei 80 Prozent und mehr – daran sieht man, dass die Kinder regelrecht abgerichtet werden, den Anforderungen dieser fragwürdigen und für deutsche Schüler vollständig irrelevanten Tests Genüge zu tun….
    Alles in allem macht kein anderes westliches Land es seiner Unterschicht schwerer, nach oben zu kommen. Die sozialen Ungerechtigkeiten hier in London schreien zum Himmel. Das Schulsystem ist eine der Hauptursachen dafür…
    Quelle: Arnold Holle in der FAZ
  14. Paul Krugman: Das Dogma von der Faulheit
    Amerikaner arbeiten länger als Arbeitnehmer in fast allen anderen reichen Ländern. Unter Leuten, die sich mit so etwas beschäftigen, sind wir als „das urlaublose Volk“ bekannt. Einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 zufolge arbeiteten vollzeit-beschäftigte Amerikaner fast 30 Prozent mehr Stunden im Jahr als ihre deutschen Gegenstücke, und das lag hauptsächlich daran, dass sie nur halb so viele Wochen bezahlten Urlaubs hatten. So ist es nicht verwunderlich, dass der Gleichgewichtsakt zwischen Berufs- und Privatleben für viele Menschen ein großes Problem ist.
    Aber Jeb Bush – der noch immer seine aberwitzige Behauptung, er könne unser
    Wirtschaftswachstum verdoppeln, zu rechtfertigen sucht – sagt, Amerikaner müssten “länger arbeiten und durch ihre Leistung ein besseres Einkommen für ihre Familien verdienen“.
    Mr. Bushs Berater haben versucht, seine Behauptung abzuschwächen, indem sie sagten, er habe sich nur auf Arbeitnehmer bezogen, die in Teilzeitarbeit feststecken und eine Vollzeitbeschäftigung suchen. Durch den Kontext wird allerdings deutlich, dass er das nicht so gemeint hat. Die tatsächliche Quelle seiner Bemerkung war das Dogma vom “Volk derer vom Stamme Nimm“, das in den letzten Jahren die konservativen Kreise beherrscht – das Beharren darauf, viele Amerikaner, weiße wie schwarze, träfen die Wahl, nicht zu arbeiten, weil sie dank staatlicher Programme ein Leben in Müßiggang führen können.
    Dieses Dogma von der Faulheit findet man überall auf der Rechten. Es war die verdeckte Grundlage von Mitt Romneys infamer 47-Prozent-Bemerkung. Es stützte die wütenden Attacken auf die Arbeitslosenunterstützung zur Zeit der Massenarbeitslosigkeit und jene auf Essensmarken, als die für Abermillionen Amerikaner eine entscheidende Rettungsleine darstellten. Es steht hinter solchen Behauptungen wie der, über die Hälfte, wenn nicht fast alle Leute, die Unterstützung wegen Erwerbsunfähigkeit beziehen, seien tatsächlich Drückeberger.
    – “Mehr als die Hälfte der Erwerbsunfähigen haben entweder Angstzustände, oder ihnen tut der Rücken weh“, sagt Senator Rand Paul.
    Das alles läuft auf eine Weltsicht hinaus, der zufolge Amerikas Hauptproblem darin liegt, dass wir zu nett zu Mitbürgern sind, denen es schlecht geht. Warum diese Sicht für Konservative so attraktiv ist, liegt auf der Hand: Sie gibt ihnen ein weiteres Argument dafür, zu tun, was sie ohnehin tun wollen, nämlich die Unterstützung für weniger Begünstigte drastisch kürzen und gleichzeitig die Steuern für die Reichen senken.
    Quelle: New York Times
  15. Der Feind im Äußeren? Eine mögliche Gemeinsamkeit zwischen den Krisen um Griechenland und mit Russland
    In beiden politischen Disputen ist die Zuweisung von Schuld nach außen charakteristisch. Im Griechenland-Konflikt stehen ökonomisch-politische, im Konflikt mit Russland stehen militärisch-politische Interessen im Vordergrund. Begleitet werden beide Konflikte – nicht ganz so offensichtlich – von der Projektion eines Schuldigen im Äußeren.
    Im Griechenland-Konflikt steht – so die fast einhellige Meinung von deutschen und europäischen Politikerinnen und Politikern sowie der Vertreterschaft von Medien – die neue griechische Regierung am Pranger. Sie müsse (noch mehr) Zugeständnisse gegenüber den „Institutionen“ machen. Offensichtlich keine Rolle spielt dabei, wie groß das Entgegenkommen von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission gegenüber der griechischen Position gewesen ist.
    Wie kann das sein? Weshalb dreschen zahlreiche Vertreter aus Medien und Politik auf die Tsipras-Regierung ein? Welcher Sinn kann dahinter stecken – welche Funktion soll mit dieser einseitigen Schuldzuweisung erfüllt werden?
    Die Antwort ist vermutlich banaler als Viele annehmen mögen: Es geht um die Schuldzuweisung an sich.
    Quelle: Christian Reimann auf FAB
  16. Umstrittene Militärreform – Das hat Japan nicht verdient
    Mit der Militärreform zerschlägt Regierungschef Shinzo Abe im Hau-Ruck-Verfahren den Kern einer Verfassung, die Japan 70 Jahre lang Frieden und Wohlstand garantiert hat, kommentiert Jürgen Hanefeld. Dem Premier scheint es zu gelingen, diese friedfertige und auf Harmonie bedachte Gesellschaft auf Dauer zu spalten.
    Der japanische Regierungschef spricht etwas geschwollen vom “proaktiven Beitrag zum Frieden”, meint aber auch das Gegenteil: Militärische Abschreckung Pekings ist das kurzsichtige Ziel dieser Politik.
    Ob das der richtige Weg ist, der zweifellos wachsenden Expansion Chinas zu begegnen, darüber ließe sich trefflich streiten. Aber Abe streitet nicht, er macht. Im Hau-Ruck-Verfahren zerschlägt er den Kern einer Verfassung, die Japan 70 Jahre lang Frieden und Wohlstand garantiert hat.
    Es waren die USA, die ihrem ehemaligen Kriegsgegner diese Verfassung diktiert hatten. Japan sollte nie wieder seine Nachbarn angreifen können, deswegen erlaubt der Artikel 9 den Streitkräften des Landes ausschließlich die Selbstverteidigung. Mit diesem konstitutionellen Pazifismus, einmalig auf der Welt, ist das Land der aufgehenden Sonne nicht nur aufgeblüht, dieser Pazifismus ist den Japanern auch in Fleisch und Blut übergegangen. Den meisten jedenfalls, und vor allem jener Generation, die von den Gräueln des Zweiten Weltkriegs noch etwas weiß…
    Quelle: Jürgen Hanefeld im DLF
  17. PR-Inszenierungen: Merkel, Medien und Momente der Wahrheit
    Diese Woche hatte es in sich – das reinste Pro-Seminar in Politik-, Kommunikationswissenschaften und Sozialpsychologie. Was ich diese Woche über politische Inszenierungen und unser Selbstverständnis als Journalisten gelernt habe. […]
    Was mich am meisten befremdet: Wie sehr wir uns alle an professionelle PR-Inszenierungen gewöhnt haben und diese gar nicht mehr hinterfragen. Was das Video mit der jungen Schülerin so außergewöhnlich macht, war NICHT die mehr oder weniger gefühlvolle Reaktion von Angela Merkel. Was das Video so kraftvoll macht: Das Mädchen hat für einen kurzen Moment eine perfekt orchestrierte Inszenierung gesprengt! Alle vom Kanzleramt bezahlten PR-Mitarbeiter, die Kameras, Fotografen und Webseiten waren für einen kurzen Moment neutralisiert und haben uns wenige Sekunden HINTER diese Inszenierung blicken lassen. Ich wünschte mir, so mancher Journalist, ob Netz oder nicht, würde solche PR-Termine mehr hinterfragen, statt eine Kanzlerin allein an der Qualität ihrer Streichel-Einheiten zu messen. Insofern – eine gute Woche. Ich hoffe ich ziehe daraus für meine eigene Arbeit die richtigen Schlüsse.
    Quelle: Richard Gutjahr
  18. Hörtipp: Stille Revolution – Oder: Von der Verrechtlichung neoliberaler Verhältnisse in der EU
    Seit Anfang 2010 folgen sich in der EU krisenbedingt Reformvorschläge und neue Regelungen in derart dichter Abfolge, dass selbst genaue Beobachter leicht den Überblick verlieren. Die Vorschläge heißen: Strategie Europa 2020. Europäisches Semester. EFSF. EFSM. Euro-Plus-Pakt. Six Pack. Two Pack. ESM. Fiskalpakt. Bankenunion. Verträge für Wettbewerbsfähigkeit. All diesen neuen Instrumenten wohnen rechtliche Verschiebungen inne, doch die werden von den Akteuren nicht an die große Glocke gehängt. In den Europarechtswissenschaften gibt es allerdings eine Reihe kritischer Wissenschaftler, die diese Verschiebungen sehr genau analysieren.
    Welche Rechtskonstruktionen waren bereits in der Gründungsvereinbarung der Europäischen Gemeinschaft als bloßer Wirtschaftsgemeinschaft angelegt? Was haben die Analysen über das Verhältnis von global agierender kapitalistischer Wirtschaft und rechtsstaatlicher Demokratie herausgefunden?
    Quelle 1: Heute von 19.15 bis 20 Uhr im Deutschlandfunk
    Quelle 2: Deutschlandfunk
  19. Zu guter Letzt: Möchten Sie einen Schäuble aus Marmor im Wohnzimmer?
    Möchten Sie so eine Statue? Die Frage muss gestellt werden. Die Politik der Bundesregierung bekommt hierzulande Zustimmungsraten, die trotz oder gerade wegen einer ostblöckisch anmutenden Fragestellung enorm gut sind. Das Land ist weitgehend mit dem, was Schäuble der griechischen Regierung an Zwangsmassnahmen aufgedrückt hat, zufrieden, und ich entnehme Zeitungen, dass man ihn für den listenreichsten Menschen seit Odysseus halten sollte, selbst wenn ich glaube, dass die lange Nacht von Brüssel für Europas langfristig so klug wie die Niederschlagung des Prager Frühlings durch Breschnew und den Ostblock ist. Also, ich will ganz sicher keinen denkenden Schäuble in Marmor in meiner Wohnung, der über den Verbleib eines Schwarzgelds sinniert, aber Sie vielleicht? […]
    Und nachdem unsere Sache, wie ich lese, so viel besser ist und der böse Herr Krugman einfach nur einen Hass auf den guten Herrn Schäuble hat, wird der Westblock auch ohne Blick auf die Geschichte alles besser, noch richtiger und alternativloser machen. Also, schauen Sie sich ruhig einmal um, ob Sie nicht auch Platz für so eine Statue haben, die Ihre richtige Einstellung dokumentiert. In Zeiten der Vorratsdatenspeicherung gibt es dann sicher auch ein Luxusmodell mit der formschön eingebauter Überwachungsinfrastruktur. Nicht dass wir sie bräuchten., wo wir doch alles richtig machen – aber es ist gut, sie zu haben. Fragen Sie dann nicht. Kaufen Sie einfach.
    Quelle: FAZ Blogs

    dazu: #schäublestreichelt

    #schäublestreichelt

    Quelle: Extra 3 via Facebook


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