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Titel: „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit – Mit richtiger Wirtschaftspolitik die Zukunft gewinnen.“

Datum: 20. September 2007 um 17:01 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Rezensionen, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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So heißt das neue Buch von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker. Dass mir dieses Buch sehr sympathisch ist, werden Kenner der wirtschaftspolitischen Debatte verstehen. Flassbeck und Spiecker führen die neoliberalen Ideologen vor. Sie beschreiben das Scheitern dieser wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Theorie in der Praxis seit den siebziger Jahren. Und sie formulieren eine Gegenposition zum herrschenden Denken und geben der Hoffnung, die Massenarbeitslosigkeit überwinden zu können, die notwendigen wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. Das Buch hilft, sich aus den Stricken der herrschenden Debatte um diese oder jene Reform zu lösen und zu begreifen, dass es vor allem an der richtigen gesamtwirtschaftlichen Analyse und Therapie, an einer guten Makropolitik, fehlt. Albrecht Müller.

Zu Ihrer Information fügen wir die Inhaltsübersicht, das Vorwort und die Einleitung [PDF – 108 KB] an.

Einige der bemerkenswerten Inhalte möchte ich ansprechen, teilweise zitieren:

  • Es geht zum Teil um recht einfache Erkenntnisse. Allerdings muss man diese haben wollen und nicht sofort innerlich aufbegehren, wenn man liest, was eine selbstverständliche Erkenntnis sein müsste, es allerdings nicht ist und damit die herrschenden Kreise schützt. Ich zitiere: „Die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland seit mehr als einem Vierteljahrhundert nicht beseitigt worden ist, spricht unmittelbar dafür, dass die Mehrheitsmeinung (der ökonomischen Wissenschaft, AM) falsch ist. Die von ihr vertretenen Rezepte haben schließlich über Jahrzehnte hinweg keine fühlbare Verbesserung gebracht und können den aktuellen und jetzt auch am Arbeitsmarkt sichtbaren Aufschwung nicht erklären.“ Die Autoren weisen vor allem der unprofessionellen Geldpolitik die ihr gebührende Verantwortung zu.
  • Nach ihrer Meinung hätte der Aufschwung auch ohne Reform und extreme Lohnmoderation bei einer expansiveren Geldpolitik schon viel früher einsetzen können und müssen. Und sie warnen davor, dass Reformen, Lohnmoderation und Zinserhöhungen auch das Ende dieses Aufschwungs einleiten könnten.
  • Sie zeigen folgerichtig, dass auch derzeit die notwendige Wirtschaftspolitik nicht stattfindet. Richtig. Jeden Tag gibt’s eine neue Reform, aber die notwendige Debatte um die richtige gesamtwirtschaftliche Analyse und die notwendige Konjunkturpolitik findet nicht einmal jetzt statt, nicht einmal in einer Kabinettssitzung über Mindestlöhne. Konjunkturelle Veränderungen werden dann schnell der Finanzkrise zugeschrieben und natürlich nicht dem eigenen Versagen. „Die Reform des Denkens ist die wichtigste“, schreiben die Autoren. Ohne sie werde es keine durchgreifende und anhaltende Besserung unserer wirtschaftlichen Entwicklung geben.
  • Die Autoren wenden sich gegen eine der gängigen Erklärungen für die Arbeitslosigkeit: Jeder Arbeitslose habe solange höhere Löhne gefordert, bis er arbeitslos geworden sei. Und sie fügen an: „Wer davon überzeugt ist, dass diese Art von freiwilliger Arbeitslosigkeit einen Großteil der in unserem Land herrschenden hohen Arbeitslosigkeit ausmacht, muss dieses Buch nicht lesen.“ Professor Sinn muss es also nicht lesen, obwohl es ihm gut täte.
  • „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“ ist ein Buch gegen die Resignation in der Wirtschaftspolitik. Es wird selbstverständlich heftigen Widerspruch auslösen bei den Vertretern der herrschenden Ideologie, die ihre Verantwortung prinzipiell leugnen und aus ihr fliehen – so von den Autoren beschrieben -, indem sie jetzt schon neue und gravierendere Reformen vorschlagen, damit beim Publikum hängen bleibt, die bisherigen Reformen hätten es nicht gebracht, weil sie zu zaghaft waren. Die Vertreter der herrschenden Meinung werden sich also vermutlich über dieses Buch ärgern. Es wird aber auch jene vermeintlich Linken reizen, die jeden und jede, die von gesamtwirtschaftlicher Verantwortung und ihren Möglichkeiten ausgehen, als verfangen in traditionellen Vorstellungen abstempeln. Wenn es Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker mit ihrem Buch gelänge, wenigstens einige aus diesem Lager zum Nachdenken zu bringen, dann wäre das Buch schon ein großer Erfolg. Das wünsche ich ihm und den Autoren.

    Und hier noch ergänzend die fehlenden bibliografischen Angaben:

    Westend Verlag 2007, gebunden, 304 Seiten, 25 Abbildungen, Euro 24,90
    ISBN 978-3-938060-20-9


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