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Titel: Perfekte Demagogie von fachlich perfekten Stümpern – Anmerkungen zu einem Propagandafilm des Bundesministers der Finanzen
Datum: 14. September 2007 um 14:12 Uhr
Rubrik: Finanzpolitik, Manipulation des Monats, Schulden - Sparen, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Albrecht Müller
Sehen Sie sich zunächst diesen Film an: Hamster der Film Das ist perfekt gemacht von einer der großen politischen Propaganda-Agenturen, von fischerAppelt Kommunikation. Von gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen hat diese Agentur offensichtlich genauso wenig wie der Bundesminister der Finanzen die notwendige Ahnung. Die Macher glauben, man könne Schulden abbauen (was wir auch wollen), wenn man spart. Das alleine reicht aber nicht. Dazu kommen muss eine gute konjunkturelle Entwicklung. Wenn man diese mit Spar-Aktionen stört, dann hat man am Ende weniger gespart als beabsichtigt. In diese Falle drohen die perfekten Demagogen wieder zu laufen, obwohl sie aus ihren eigenen Grafiken eigentlich schlau werden müssten.
Wenn Sie nach Abspielen des Hamster-Films auf das Bild „Schuldenfalle“ oder direkt auf diesen Link klicken, dann erscheint eine Grafik, die den Propagandisten des BMF eigentlich die Augen hätte öffnen müssen: Die Pro-Kopf-Verschuldung stieg nämlich allein zwischen 2000 und 2006 von 14.579 auf 17.987 € an. Das war die Zeit intensiver Sparversuche von Hans Eichel. Zuvor, nämlich zwischen 1997 und 2000, hatte der Zuwachs der Gesamtverschuldung deutlich abgenommen, von 45,8 Mrd. Euro auf 11,5 Milliarden. Siehe Abbildung unten. Das war eindeutig die Folge einer besseren Konjunktur. Diese bessere Konjunktur wurde dann nach dem Jahr 2000 abgewürgt mithilfe von Sparversuchen des ähnlich denkenden Vorgängers von Herrn Steinbrück.
Ich kann in diesem Kontext auf unseren Tagebucheintrag vom 21.2.2007 und viele andere Einträge verweisen, die Sie unter dem Stichwort Staatsverschuldung bei uns mit der Suchfunktion finden. Im Tagebucheintrag vom 21.2.2007 steht:
Angesichts der Schulden- und Spardebatte ist es gut, sich zu vergegenwärtigen, wie sich die staatliche Gesamtverschuldung in den letzten Jahren entwickelt hat. Die folgende Grafik zeigt zum Beispiel, dass in den neunziger Jahren der Schuldenzuwachs extrem hoch war. Sicher eine Folge der deutschen Vereinigung und der Art, wie sie gemacht und finanziert worden ist. Jedenfalls kann man da schon sagen, dass die pro-zyklischen Sparversuche von 1992 ff. nichts gebracht haben. Die Neuverschuldung ging zurück, als die Konjunktur 1998 bis 2000 besser wurde. Und sie stieg erneut massiv an, als die Sparpolitik des Sparkommissars Hans Eichel zur Wirkung kam: 2002, 2003, 2004. Wiederum prozyklisch.
Abbildung: Jährlicher Anstieg der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte (in Milliarden Euro) zwischen 1988 und 2005 (Juni)
Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Hrsg.): Die Chance nutzen – Reformen mutig voranbringen, Jahresgutachten 2005/06, Wiesbaden 2005, S. 79*.
Jetzt, im Jahre 2007, besteht die Gefahr, dass wegen der falschen Interpretation der vergleichsweise schwachen wirtschaftlichen Belebung (die übrigens schwächer ist als zwischen unser 1997 und 2000) als Boom schon wieder prozyklisch operiert wird. Der Hamster-Film und die darum kopierten Texte und Grafiken des BMF weisen jedenfalls in diese Richtung.
Unser Land leidet unter der Mittelmäßigkeit seiner Führungseliten. Jeden Tag wird uns das leider erneut bewiesen.
Übrigens: Wenn unsere Abgeordneten noch wach wären, dann würden sie dafür sorgen, dass ein demagogisches Machwerk wie der Hamsterfilm schnellstens aus dem Netz genommen wird. Ähnliches würde gelten, wenn wir noch einen kritischen Journalismus hätten.
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