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Titel: Ein gutes Beispiel für eine weit gehende Gleichschaltung: Die Medien zur Nominierung der neuen IGMetall-Führung.

Datum: 6. September 2007 um 14:52 Uhr
Rubrik: Gewerkschaften, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Wir hatten als Nr. 4 der gestrigen Hinweise des Tages ein Aufmacher der Frankfurter Rundschau verlinkt und kommentiert. Siehe unten. Es bleibt nachzutragen, dass bei weitem nicht nur die Frankfurter Rundschau die Nominierung von Bertolt Huber und Detlef Wetzel als neue Spitze der IG-Metall undifferenziert und mit langsam nicht mehr erträglichen Stereotypen (Reformer vs. Traditionalisten) kommentierte. Die FR ist in „guter“ Gesellschaft. Auch die Welt, die Süddeutsche Zeitung, der Kölner Stadtanzeiger, der Spiegel, die taz und so weiter gebrauchen die gleichen Worte und Stereotypen. Zum Trost: Es gibt noch einige Medien, die differenzierter berichten und kommentieren. Zum Beispiel das Handelsblatt. Albrecht Müller.

Im einzelnen siehe den Hinweis Nr.4 vom Vortag:

IG Metall: Auf Reformkurs
An der Spitze der IG Metall sollen künftig zwei Funktionäre stehen, die beide als Modernisierer gelten – und die für mehr Demokratie in der größten Gewerkschaft Europas plädieren. Der Vorstand nominierte den derzeitigen Vize Berthold Huber als Vorsitzenden. Er löst den Traditionalisten Jürgen Peters ab, der – wie vor vier Jahren nach einem beispiellosen Führungsstreit vereinbart – nicht mehr antritt. Auch das Alter des 63-jährigen Peters sprach gegen eine Kandidatur.
Quelle: FR

Anmerkung AM/WL: Dieser Aufmacher der Frankfurter Rundschau von Eva Roth und der Leitartikel von Markus Sievers vom 4.9. sind eigentlich nicht besonders lesenswert. Die dort vertretenen Meinungen konnte man auch im Spiegel oder anderswo genau so lesen. Mit Erleichterung wird der Abgang des „Traditionalisten“ und „Nein“-Sagers Jürgen Peters gefeiert: Der Wunsch auf ein Einschwenken der IGM auf den herrschenden Reformkurs ist Vater der dort geäußerten Gedanken.
Der Hinweis ist nur interessant im Kontext der Entwicklung der Frankfurter Rundschau. Es gibt einige Leser der NachDenkSeiten, die uns für zu kritisch gegenüber der „neuen“ FR halten. Gerade sie sollten diese Texte lesen. Sie sind voller Stereotypen: „traditionell orientierte Linke“ versus „Modernisierer“, „Traditionalistenflügel“ und „monolithischer Block“ versus „offenere, modernere IG Metall“ und „Erneuerung“. Und sie sind voller ebenso gängiger wie falscher Behauptungen.
Es ist schlicht eine Legende, wenn Sievers schreibt, Peters steuerte die IG Metall auf „Linkskurs“. Die Politik der vergangenen Vier-Jahres-Periode war beileibe keine alleinige Peters-Politik, sondern wurde weitgehend von der gesamten IG Metall und ihren Gliederungen getragen. Der als Vize nominierte Detlef Wetzel hatte schon bisher einen großen Einfluss.
Beide Texte erwecken beim Leser den Eindruck, als würde die IG Metall endlich von dem Ballast Peters befreit, der für alles Böse und Schlechte verantwortlich erklärt wird. Warum hat sich eigentlich die Mitgliederentwicklung unter Peters weitgehend stabilisiert? (Über einen Rückgang von nur noch 0,4 Prozent könnten sich CDU und SPD doch nur glücklich schätzen.) In der IG Metall haben die Bezirke schon immer ein großes Gewicht gehabt und unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Von einem „monolithischem Block“ zu reden, liegt abseits der Realität. Dass Huber einen anderen Stil als Peters hat, das ist bei jedem Personalwechsel in der Führung so. Dass der Personalvorschlag von einer großen Mehrheit des Vorstands getragen wurde, beweist eigentlich nur, dass dort niemand an einer Auseinandersetzung zwischen „Modernisierern“ und „Traditionalisten“ interessiert war. Wichtiger als die Personalvorschläge sind jedoch die Beschlüsse des kommenden Gewerkschaftstages.
In ihrem Arbeitnehmerbegehren hat die IG Metall Alternativen zur herrschenden „Reform“-Politik skizziert und mit konkreten Forderungen untermauert. Bei diesem (nach Ansicht von Befürwortern und Kritikern) linkskeynesianischen Programm formulieren die Metaller den Anspruch auf eine aktive Wirtschafts-, Finanz-, Steuer-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die den herrschenden angebotsorientierten Theoremen und der ihnen entsprechenden Praxis der Regierungsparteien ziemlich deutlich entgegensteht.
Kurz: Man hätte sich von der FR mehr als nur das Repetieren der gängigen Vorurteile über Peters und seinen angeblichen Traditionalismus gewünscht, wie sie in jeder x-beliebigen Zeitung, die an einer Anpassung der IG Metall an den Reformkurs interessiert ist, nachzulesen war.


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