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Titel: Nein zu Krieg und Faschismus!
Datum: 13. Mai 2015 um 16:31 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Friedenspolitik, Gedenktage/Jahrestage, Interviews
Verantwortlich: Redaktion
Am vergangenen Sonntag versammelten sich tausende Menschen in Berlin, um anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung vom Hitlerfaschismus „für eine Politik der Verständigung und friedlichen Konfliktlösung“ zu demonstrieren, wie es im entsprechenden Aufruf heißt. Notwendig sei das, da „70 Jahre nach Ende des von Deutschland verschuldeten Weltkrieges (…) deutsche Soldaten wieder an Interventionskriegen beteiligt (sind und) (…) (die) Bundesregierung (…) Kriegsvorbereitungen und Interventionen durch militärische Verbündete von deutschem Boden aus (duldet).“ Das aber dürfe nicht sein. Jens Wernicke sprach mit dem Schauspieler Rolf Becker, der einer der Hauptredner der Veranstaltung war.
Herr Becker, warum sprechen Sie als Schauspieler auf Friedensdemos? Was treibt Sie an?
Wenn wir gefordert werden oder uns gefordert fühlen, sollten wir uns einbringen, mit Zitiertem oder Eigenem. Was mich, wie viele andere auch, antreibt, ist die Sorge, dass die derzeitige Politik der NATO-Staaten zu einem weiteren Krieg gegen Russland führt.
Die weltpolitische Lage eskaliert also aktuell? Wie kommt es dazu? Was ist Ihre Einschätzung?
Ursache ist letztlich die keineswegs überwundene, im Gegenteil: sich verschärfende, weltweite wirtschaftliche Krise. Wie wir wissen, gibt es aus kapitalistischer Sicht nur zwei Möglichkeiten sie zu überwinden: gründlichere Ausbeutung alter und Eroberung neuer Märkte. Beide werden beschritten.
Beispiel für fortgesetzte Ausplünderung: Griechenland. Warum gibt die Troika nicht nach? Weil mit Investitionen in den überschuldeten Ländern eine Konkurrenz geschaffen würde gegenüber den Industrien Zentraleuropas, die ohnehin zunehmend Probleme haben ihre Produkte abzusetzen.
Und krassestes Beispiel bislang für das Vordringen der imperialistischen Staaten, um neue Ressourcen und Märkte zu erschließen, ist der fortgesetzte Aufmarsch der NATO zur Einkreisung Russlands und die bewusst herbeigeführte Eskalation in der Ukraine. Wie heißt es bei Brecht? „Die Kapitalisten wollen keinen Krieg – sie müssen ihn wollen.“
Im Internet gibt es gute Interviews mit Ihnen, in denen Sie von Antifaschismus und Krieg als Lebenserfahrungen sprechen. Rühren die aktuellen Entwicklungen sozusagen auch „an Ihrer Biografie“ – wiederholt sich Geschichte also womöglich, auf allerdings stets verschiedene Art?
Das ist meine Befürchtung. Ich trete auf, um den uns Nachfolgenden zu ersparen, was Generationen wie meine erleiden mussten. Ermutigend ist aber die zunehmende Beteiligung unserer Kids an Protest und Widerstand gegen die Fortsetzung gegenwärtiger Regierungspolitik. Nur sie können verwirklichen, woran wir gescheitert sind.
Ihre Lehre aus der Vergangenheit ist also nicht jene von mehr “deutscher Verantwortung” in der Welt?
Im Gegenteil. Was 1999 mit dem Überfall auf Jugoslawien, dem ersten Angriffskrieg Deutschlands seit 1939, angerichtet wurde, sollte keine Fortsetzung finden. Abzug also aller deutschen Militäreinheiten aus allen Ländern, in denen sie, wie es die Bevölkerung täuschend heißt, „friedenssichernd“ im Einsatz sind. Und raus aus der NATO.
Auf der Demo gab es ja auch wieder „Verwirrungen“: Einige Teilnehmer trugen etwa Transparente wider die „roten Faschisten“ etc. Eine von vielen neumodischen Kategorisierungen, die mich zurzeit immer wieder in Erstaunen versetzen. Was halten Sie denn davon? Und was von all den „Etiketten“, die zurzeit so schnell und leicht – offenbar von jedermann – verteilt werden selbst?
Die Teilnehmer der Demonstration heute haben vorbildlich auf die Pegida-Gruppe mit ihrem Transparent reagiert und sie gewaltlos abgedrängt. Aber wir haben Anlass, künftig wachsam zu sein. Leute wie Jürgen Elsässer propagieren das Aufrollen der Linken von Rechtsaußen, versuchen Konfusion zu stiften, zu zersetzen mit Sprüchen wie: „Pegida als Volksbewegung ist vielleicht die letzte Chance, die wir haben, um dieses Volk zu retten.“ Oder: „Das deutsche Volk, die deutsche Nation, der deutsche Staat wird ja aus mehreren Richtungen bedroht.“ Und nicht zuletzt: „Meine Vision: Eine deutsche National- und Freiheits- und Souveränitätsbewegung!“ Nationalismus statt Internationalismus also, Rückfall in das Denken einer Vergangenheit, deren Wiederholung und offenbar angestrebte Steigerung es gerade zu bekämpfen gilt.
Wir sollten uns – besonders im Hinblick auf die Jugendlichen – vor jeglicher Besserwisserei hüten und unsere Meinung vielmehr als Anregung zu selbstständigem Denken sagen. Die Einheit, die wir uns wünschen, kann nur das Ergebnis vorangegangener und notwendiger Auseinandersetzungen sein. Wir sollten unterscheiden zwischen denen, die – wie unerfahren auch immer – zur Bewegung hinzukommen, und denen, die sie – ihre Überzeugungen verleugnend – verlassen, die Seiten wechseln. Dabei sollten wir uns, wie von Bertolt Brecht 1952 vorgeschlagen, auf nur eine Vorschrift beziehen: „Keine Freiheit für Schriften und Kunstwerke, welche den Krieg verherrlichen oder als unvermeidbar hinstellen und für solche, welche den Völkerhass fördern.“
Und was ist Ihrer Meinung nach in der aktuellen Situation vorrangig zu tun? Ich meine: In Bezug auf sowohl die Etikettierungen und „Verwirrungen“ – als auch und vor allem auf die Militarisierung der Politik?
Wenn irgend möglich, vor Ort gehen. Zu Streikenden, Flüchtlingen, Gefangenen. Teilnehmen, wo sich Widerstand regt. Die Auseinandersetzungen des Alltags als Schule erkennen. Wieder mit Brecht: „Die Wahrheit ist konkret.“
Konkret zu den Veranstaltungen dieser Tage: Wenn wir fordern, dass der 8. Mai zum Feiertag wird, zum Tag der Befreiung, verbinden wir damit auch bislang nicht eingelöste Forderungen. Eine Antwort auf die Frage etwa „Befreit wofür?“ steht nach wie vor aus. Und nach wie vor gilt es, den Schwur von Buchenwald einzulösen:
„Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln. Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit.“
Ich bedanke mich für das Gespräch.
Rolf Becker ist Schauspieler und engagiertes Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Er arbeitet mit kritischen und politisch aktiven Kolleginnen und Kollegen zusammen und gehört keiner Partei an.
Foto: Joscha Jenneßen
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