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Titel: „Die Linkspartei und das Geld“ – Anmerkungen zu einem Argumentationspapier der SPD-Bundestagsfraktion
Datum: 24. August 2007 um 9:24 Uhr
Rubrik: „Lohnnebenkosten“, DIE LINKE, Finanzpolitik, SPD
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Gesetzentwürfe und Anträge der Fraktion der Linken würden den öffentlichen Haushalten (Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen) jährliche Mehrkosten von 154,7 Milliarden Euro bescheren, heißt es in einem Papier [PDF – 288 KB], das der Fraktionsvorsitzende Peter Struck den Genossinnen und Genossen für die Auseinandersetzung mit der Linkspartei vor Ort an die Hand gegeben hat.
Die Linkspartei sei finanzpolitisch „unseriös“. Sind die Argumente der SPD-Bundestagsfraktion seriöser?
Die SPD droht mit Umfragewerten weit unter 30 Prozentpunkten ihren Status als Volkspartei zu verlieren und ist derzeit meilenweit davon entfernt, eine eigene Mehrheit zu erringen. Dagegen legt Die Linke zu und ist in den demoskopischen Erhebungen mit deutlich über zehn Prozent zur drittstärksten Partei geworden. Vor allem zu Lasten der SPD, denn jeder zweite SPD-Wähler unterstützt die Forderungen Lafontaines.
Die SPD fährt auf Bundesebene einen strikten Ablehnungskurs gegen die Linken – mit heftigen Verbalattacken gegen die neu gegründete Partei und vor allem gegen den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine: Nachfolgepartei der SED oder Rechtspopulist, NPD-Jargon, Zurück in die siebziger Jahre, unseriös usw. usf. .
Nachdem Verunglimpfungen und Beschimpfungen erkennbar nichts fruchteten, sondern die Linke nur ins Gespräch brachten, sollte nun eine „inhaltliche Auseinandersetzung“ folgen. Der SPD-Vorstand griff bei einem ersten Versuch ins Archiv, grub alte Lafontaine-Zitate aus und konfrontierte sie mit diesen widersprechenden, neueren Äußerungen. Doch man erkannte bald, dass man mit dieser Methode aus dem Glashaus mit Steinen warf. Denn jedermann erinnert sich doch noch an die Wahlversprechen der SPD und an deren Bruch, als sie an die Regierung kam und mit der Agenda 2010 – wie sie es selbst nannte – an Partei und Bevölkerung vorbei einen Paradigmenwechsel vollzog. Allen war doch noch die Polemik gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer als „Merkel-Steuer“ im Ohr, aus der dann in der Großen Koalition eine Erhöhung um satte 3 Prozentpunkte wurde.
Wie wollte man da mit ein paar widersprüchlichen Zitaten aus „Oskars Welt“ [PDF – 284 KB] die Glaubwürdigkeit Lafontaines erschüttern?
Nun gab es am 21. August einen weiteren Anlauf:
Bei den bekannt sparsamen Deutschen war es in der parteipolitischen Auseinandersetzung schon immer sehr populär, dem politischen Gegner vorzuwerfen, er könne nicht mit Geld umgehen. Damit hat über Jahrzehnte hinweg die CDU die SPD bekämpft. Das gleiche Spiel betreibt nun die SPD gegenüber der Linken:
Gesetzentwürfe und Anträge der Fraktion der Linken würden die öffentlichen Haushalte jährlich zusätzlich 154,7 Milliarden Euro kosten, heißt es in dem Papier des Fraktionsvorsitzenden Peter Struck.
154,7 Milliarden, das wären bei einem Bruttoinlandsprodukt von über 2.300 Milliarden Euro im Jahre 2006 knapp 7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Die Deutschen müssten also etwa 25 Tage im Jahr für die Forderungen der Linkspartei arbeiten. Gemessen an den Ausgaben der öffentlichen Haushalte in Höhe von über 1000 Milliarden Euro wären das sogar über 15 Prozent. Deshalb sei es „populistisch“ und „unseriös“, solche Forderungen zu stellen, so der Vorwurf.
Ich kann die Zahlen jetzt nicht überprüfen, genauso wenig, wie die Genossinnen und Genossen das können, die mit dem Papier vor Ort gegen Die Linke argumentieren sollen.
Was zunächst auffällt: Der überwiegende Teil der Forderungen der Linken bedeutet vor allem im sozialen Bereich nicht mehr und eher weniger als die Wiederherstellung des Zustands, wie er etwa um die Jahrtausendwende offenbar noch für finanzierbar gehalten wurde. Zugegebenermaßen war bis dahin – vor allem in den 90er Jahren – von der Kohl-Regierung ein riesiger Schuldenberg aufgehäuft worden, doch der war eher den Kosten der deutschen Einheit als dem Anwachsen der Sozialhaushalte geschuldet. Der Anteil der Sozialleistungen gemessen am BIP hatte sich nämlich seit 1980 von 30,8 auf 29,8 Prozent im Jahre 2001 verringert (Arbeits- und Sozialstatistik, Statistisches Taschenbuch 2001, Bonn 2001).
Bis heute hatten wir weder ein „demografisches Problem“ (eher im Gegenteil), noch eine dramatische Überalterung, noch hat sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung verschlechtert, geschweige denn, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit gelitten hätte.
Was sich aber verändert hat, das ist z.B. der dramatische Anstieg der Zahl der Arbeitslosen und der Rückgang der Erwerbsquote; außerdem gab es Reallohnverluste. Vor allem diese Verschlechterungen haben zu finanziellen Engpässen in den sozialen Sicherungssystemen geführt – weil halt mit weniger Beitragszahlern bei stagnierenden, ja sogar sinkenden Beitragssätzen die Einnahmen im Verhältnis zu den Ausgaben gesunken sind.
Statt alles zu tun, um die Wirtschaft anzukurbeln und damit mehr Beschäftigung mit höheren Löhnen zu schaffen, hat man bei Rot-Grün und der Großen Koalition das Pferd vom Schwanze aufgezäumt und die sozialen Sicherungssysteme beschnitten. Unter dem zynischen Schlagwort „Arbeit hat Vorfahrt“ wurden Löhne und sog. „Lohnnebenkosten“ um jeden Preis gedrückt, es wurden mit Hartz die Arbeitslosen statt die Arbeitslosigkeit bekämpft und gleichzeitig in einem „Steuersenkungswahn“ (R. Hickel) eine Unternehmensteuerreform nach der anderen durchgezogen. Zurückhaltend gerechnet, wurden in den letzten Jahren die Unternehmen um dreistellige Milliardensummen entlastet. Die erhofften Investitionen und neue Arbeitsplätze blieben leider aus. Die Gewinne flossen eher in Spekulationsblasen, die derzeit zu platzen beginnen. Und um eine Finanzkrise zu verhindern, pumpt jetzt die Europäische Zentralbank 200 Milliarden in den Kreditmarkt, damit nicht noch mehr Banken insolvent werden und die Anleger nicht noch mehr Vermögen verlieren als bereits geschehen.
Ein Kredit von 200 Milliarden an die Vermögenden ist eben etwas anderes als 154 Milliarden an die Unvermögenden.
Obwohl die in der Argumentationsliste der SPD angegebenen Zahlen nicht nachvollziehbar sind, lohnt es sich dennoch, einen genaueren Blick darauf zu werfen.
Da wird etwa dem Antrag der Fraktion Die Linke zur „Wiedereinführung der Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rente“ (Drs. 16/5903) entgegengehalten:
„Mit dem Antrag will die Linkspartei den Rentenbeitragssatz bis 2030 auf 28 Prozent anheben.
Derzeit liegt der Satz bei 19,9 Prozent und soll 2030 die Marke von 22 Prozent nicht übersteigen. Die Linkspartei ignoriert die demografische Entwicklung und gefährdet den Standort Deutschland. Ein Anstieg der Lohnnebenkosten um sechs Prozentpunkte würde rund 600.000 Arbeitsplätze kosten. (Ein Anstieg der Lohnnebenkosten von einem Prozentpunkt kostet rund 100.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze.)
Für Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von 2.000 Euro würde eine derartige Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge eine monatliche Einbuße von 80 Euro bedeuten, auf das Jahr gerechnet sind das 960 Euro.“
In meinem Beitrag vom 22. August habe ich mich – übrigens vor Veröffentlichung des SPD-Argumentationspapiers – mit dieser Art von Rechnung auseinandergesetzt:
Zunächst wäre festzustellen: Bis 2030 gibt es kein demografisches Problem [PDF – 280 KB], deshalb ignoriert die Linkspartei die „demografische Entwicklung“ zu Recht. Die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte in Deutschland wird eher wachsen. Bis dahin wird die Generation der „Babyboomer“ dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Es starten mehr junge Menschen am Arbeitsmarkt, als in Rente gehen – in den kommenden Jahren scheiden die eher schwach besetzten Kriegs- und Nachkriegsjahrgänge aus. Es wird also – wie in der Vergangenheit – eher ein Arbeitsmarktproblem als ein Demografieproblem geben.
Aber nehmen wir einmal an, die Arbeitsmarktlage bliebe die nächsten 20 Jahre so schlecht wie bisher und man müsste den Rentenbeitragssatz von 22 – also der politisch „gedeckelten“ Höchstgrenze – auf 28 Prozent anheben.
Damit würde der Nettobeitrag, der von den Arbeitnehmern aufzubringen ist, von knapp 11 auf 14 Prozent steigen.
Der Arbeitgeberseite würde die Erhöhung ihres paritätisch zu finanzierenden Anteils um gleichfalls drei Prozent mehr (tatsächlich sind es weniger) – also auf insgesamt 28 Prozent der Bruttolohnsumme – „zugemutet“.
Wegen des Glaubens an den Mythos der Lohnnebenkosten gilt das für die SPD als im Jahr 2030 unzumutbar für die Unternehmen.
Dafür wird aber zur Vermeidung von Altersarmut mit den Riesterschen Rentenreformen umgekehrt den jungen Arbeitnehmern schon heute (2007!) zugemutet, um die staatlichen Zulagen zu bekommen 3 Prozent und ab 2008 sogar 4 Prozent vom Brutto-Jahreseinkommen zurückzulegen. Der Präsident des Verbandes Deutscher Rentenberater Martin Reißig, rät am 22. 8. 07 auf Seite 13 der BILD-Zeitung, mindestens „10 Prozent vom Netto beiseite zu legen und so wird das allenthalben propagiert.
Die angeblich „unseriöse“ Rechnung der Linken sieht also so aus, dass der Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von 2000 Euro im Jahre 2030 monatlich etwa 80 Euro mehr für die Altersvorsorge aufbringen müsste. Nach der „seriösen“ Gegenrechnung sollten die jungen Leute aber schon ab heute mindestens 4 Prozent vom Brutto, besser aber 10 Prozent ihres Nettoeinkommens, also sagen wir rund bis zu 150 Euro beiseite legen. 80 Euro im Jahre 2030 gegen 150 Euro heute! Wer argumentiert da eigentlich seriös?
Genauso unseriös ist die Drohkulisse im SPD-Papier, wonach „ein Anstieg der Lohnnebenkosten von einem Prozentpunkt … rund 100.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze“ koste. Diese Behauptung wird auch nicht dadurch seriöser, dass sie unlängst vom BA-Chef Frank-Jürgen Weise wiederholt wurde. Hat denn die Senkung der Arbeitslosenbeiträge um 2,3 Prozent von 6,5 auf 4,2 Prozent etwa 230.000 Arbeitsplätze gebracht? Nach dieser Logik würde die komplette Abschaffung der Arbeitslosenversicherung 420.000 Arbeitsplätze schaffen.
Nehmen wir einen weiteren Punkt aus dem SPD- Argumentationspapier:
Antrag der Linkspartei: „Für ein menschenwürdiges Existenzminimum“
(Drs. 16/2743)
„In dem Antrag fordert die Linkspartei die Bundesregierung unter anderem dazu auf, den Regelsatz von ALG II (SGB II) und der Sozialhilfe (SGB XII) zeitnah auf 420 Euro monatlich zu erhöhen und das Bedarfsbemessungssystem zu erneuern.
Der Antrag führt zu Mehrbelastungen in Höhe von 10 Mrd. Euro. Die Große Koalition hat die Sätze auf 347 Euro monatlich erhöht und auch die Angleichung West/Ost vorgenommen. Damit sind die Sätze bereits höher als es früher die Sozialhilfesätze waren, die bereits ein existenzsicherndes Niveau hatten.“
Ich kann auch die Mehrbelastung im Umfang von 10 Milliarden durch eine Erhöhung der Regelsätze von derzeit 347 auf 420 Euro nicht nachvollziehen.
Im Jahr 2005, also beim höchsten Stand der Arbeitslosigkeit, lagen die Kosten für Sozial- und Arbeitslosenhilfe insgesamt bei 44,4 Milliarden Euro.
Bei einem Anstieg von 347 auf 420 Euro, also um rund 20 Prozent komme ich, selbst wenn ich das auf die Gesamtkosten von Alg II plus Sozialleistungen von weit über 40 Milliarden Euro beziehe, jedenfalls nicht auf 10 Milliarden Euro.
Im Übrigen übertrumpfen selbst die Grünen Die Linke und fordern inzwischen eine Anhebung sogar auf 450 Euro. Und für so „existenzsichernd“ hält inzwischen wohl selbst der Bundesarbeitsminister das Niveau dieser Regelsätze nicht mehr. Er lässt nämlich derzeit überprüfen, ob die bisherige Methode, die Regelsätze für Erwachsene zu errechnen, die tatsächlichen Preissteigerungen abbildet.
Nächster Punkt:
„Die Linkspartei fordert die Bundesregierung auf, die Bezugsdauer des ALG I so zu verlängern, dass für jedes Jahr Beitragszahlung ein Anspruch auf einen weiteren Monat Arbeitslosengeld entsteht. Als Mindestabsicherung soll es nach zwei Jahren Beitragszahlung einen nach Alter stärker gestaffelten Anspruch auf Arbeitslosengeld
geben.
Für diese Forderung allein würde ein würde ein Finanzvolumen von 2,5 Mrd. Euro jährlich notwendig werden.“
Diese Forderung entspricht in etwa dem Zustand des „Arbeitslosengeldes“ vor den Hartz-Reformen und ungefähr der Beschlusslage der CDU auf ihrem Dresdener Parteitag.
Wäre ein dazu erforderliches Finanzvolumen von 2,5 Mrd. Euro nicht aus den Überschüssen der Bundesagentur im Jahre 2006 von 11 Milliarden Euro und – trotz der Beitragssenkung – im Jahre 2007 von nochmals mehren (nach gegenwärtigen Schätzungen von über 5) Milliarden finanzierbar?
Ist es etwa seriöser, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge nunmehr auf 3,9 Prozent weiter abzusenken und sogar die Zusage zu brechen, dass 1 Prozent der Mehrwertsteuererhöhung in die Arbeitslosenversicherung gehen soll?
Man könnte Punkt für Punkt durchgehen. In fast allen Punkten des SPD-Argumentationspapiers könnte man Widersprüche, falsche Behauptungen oder unseriöse Kalkulationen nachweisen. So etwa auch, wenn dort die Mehrwertsteuererhöhung als unumgänglich unterstellt, die Unternehmensteuersenkungen aber als für die Wettbewerbsfähigkeit des Exportweltmeisters unerlässlich dargestellt wird.
Hier nur noch ein letztes Beispiel:
Antrag der Partei Die Linke: „Hochschulen öffnen – BAföG ausweiten“
(Drs. 16/847)
„Mit diesem Antrag will die Linkspartei die automatische Anpassung des BAföG an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, voraussetzungsfreie Masterförderung und Aufhebung der Altersgrenze von 30 Jahren,
Umstellung des Förderhöchstzeitraums von Regelstudienzeit auf die durchschnittliche Studienzeit, elternunabhängige Förderung bereits nach drei Jahren Arbeitstätigkeit statt nach fünf Jahren.
Mittelfristig soll das BAföG „zu einer elternunabhängigen und bedarfsdeckenden Grundsicherung mit Vollzuschuss“ ausgebaut werden. „Diese Grundsicherung soll auch Schülerinnen und Schülern der Oberstufe, Auszubildenden in außerbetrieblichen oder vollzeitschulischen Ausbildungsgängen und Erwachsenen während der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.“
Der Ausbau zu einer Grundsicherung verändert den Charakter des BAföG: Statt eine auf Sicherung der Chancengleichheit in der Bildung gerichtete Sozialleistung entstünde ein – unfinanzierbares – staatliches Stipendiensystem für Jedermann.
Das ist sozialpolitischer Unsinn. Auch Studierende aus Doppelakademiker- oder Spitzenverdiener-Haushalten erhielten so einen vollen BAföG-Anspruch.
Kosten 17,2 Mrd. Euro“
Die Argumentation in dem SPD-Papier ist ein reines Horrorgemälde. Dazu wäre folgendes anzumerken:
Es war die nordrhein-westfälische, SPD-geführte Landesregierung, die Ende der 90er Jahre einen Antrag zur Einführung einer „elternunabhängigen Studienförderung“ in die Kultusministerkonferenz eingebracht hatte. Die Berechnung war kostenneutral. Sie setzte allerdings voraus, dass das Kindergeld und die Kinderfreibeträge für Jugendliche ab 18, die in Ausbildung stehen, sowie die bisherige Studienförderung in einen Ausbildungsfonds fließen sollten.
Warum sollen eigentlich studierende Jugendliche bis zum Alter von 27 (künftig nur noch bis 25) nur über das Kindergeld und die Steuerfreibeträge an die Eltern gefördert werden?
Nicht eine elternunabhängige Förderung von jungen Menschen in der Ausbildung ist unsozial, sondern – wie man an der sozialen Zusammensetzung der Studierenden leicht ablesen kann – das derzeitige Transfersystem.
Warum sind die Studierenden aus „Doppelakademiker- oder Spitzenverdiener-Haushalten“ über die steuerlichen Kinderfreibeträge dem Staat eigentlich erheblich mehr wert als die Kinder derjenigen, die nur das Kindergeld geltend machen können und – wenn das Einkommen der Eltern niedrig genug ist – BaföG-berechtigt sind?
Diese steuerliche Privilegierung der wohlhabenden Eltern ist „sozialpolitischer Unsinn“ – und nicht eine elterunabhängige Ausbildungsförderung, die am Auszubildenden statt an den Einkünften der Eltern des Auszubildenden ansetzt.
In dem Argumentationspapier heißt es ganz pauschal:
„Die vorgeschlagenen steuerlichen Gegenfinanzierungsmaßnahmen sind derzeit politisch nicht umsetzbar(Vermögensteuer) oder erbringen voraussichtlich nicht das erforderliche Mehraufkommen (Erbschaft- und Schenkungsteuer).
Die starke Anhebung des Spitzensteuersatzes würde insbesondere
mittelständische Unternehmen belasten und würde somit die Maßnahmen zur Erhöhung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 konterkarieren.“
Selbstredend ist eine Anhebung der Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer in einer Großen Koalition nicht durchsetzbar, obwohl es im Bundestag eine „linke Mehrheit“ (Edmund Stoiber) dafür gäbe. Und natürlich müsste die SPD ihre eigenen Entscheidungen korrigieren, wenn sie wieder zu einer Anhebung der Spitzensteuersätze, wie sie auch in anderen Ländern üblich sind, kommen wollte.
Die Vorwürfe einer politisch nicht durchsetzbaren Gegenfinanzierung treffen also nicht die Linkspartei, sondern fallen auf die SPD zurück.
Dass die SPD in ihrer Argumentation
beweist nur einmal mehr, dass sie eben den Einflüsterungen der neoliberalen Ideologen im Lande folgt, statt der politischen Mehrheit in der Bevölkerung. Schon gar nicht kann sie sich auf harte finanzpolitische oder ökonomische Fakten stützen.
„Die Linkspartei macht den Staat und seine Bürger arm“ schreibt Peter Struck in seinem Begleitschreiben.
Man müsste den SPD-Fraktionsvorsitzenden zurückfragen: Wer hat eigentlich bisher den Staat arm gemacht und eine dramatische Zunahme der Armut in diesem Lande zugelassen oder mit seinen „Reformen“ herbeigeführt?
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