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Titel: Deutschlands größte Blase ist vermutlich die private Altersvorsorge – weil sie beim Platzen die breiteste Wirkung erzielt

Datum: 23. August 2007 um 9:26 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente
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Mit Befürwortern der Ausweitung der kapitalgedeckten Privatvorsorge zu Lasten der Gesetzlichen Rente und des Umlageverfahrens hatte ich schon viele heiße Diskussionen über die Frage, warum die Privatvorsorge eigentlich rentabler sein sollte als das Umlageverfahren – wo doch schon für Verwaltung, Vertrieb der Policen, Werbung, Provisionen und Anlagestrategien ein riesiger Aufwand betrieben wird und nach Abzug dieser Kosten gleich mal mindestens 10% weniger Geld zum Sparen (und Arbeiten) zur Verfügung steht. Wenn die Privatvorsorge-Befürworter nicht mehr weiter wissen, dann kommen sie bisher mit dem Hinweis, bei der Privatvorsorge könnten die Gelder im Ausland angelegt werden und dort würden höhere Renditen erzielt. Ich habe dieses Argument zwar nie kapiert, weil mir nicht schlüssig war, dass eine Anlage in Bangladesch oder Ägypten, GB oder in den USA nun grundsätzlich rentabler sein sollte als bei uns. Heute begreife ich: Die Privatvorsorgewerber meinen z.B. die „rentablen“ Anlagen in „Wertpapieren“, die faule US-Hypotheken und andere unsicheren Forderungen bündeln. – Das kann noch munter werden und viele betreffen, die den besseren Renditeversprechen geglaubt und „geriestert“ oder „gerürupt“ haben. Albrecht Müller.

Denn es ist nicht auszuschließen, dass deutsche Banken, Versicherer, Fonds und Pensionsfonds direkt oder indirekt in solchen und ähnlichen Produkten investiert haben. Es ist eher wahrscheinlich.

Zu Ihrer Information folgen jetzt:

  1. Zuerst ein paar Links auf interessante Artikel zu diesem Thema
    • Eine gute Übersicht bringt das Handelsblatt:

      US-Finanzkrise: Der Lebensversicherung droht Gefahr
      Wie die US-Finanzkrise auch Ihre Geldanlagen bedroht und warum selbst Lebensversicherungen Renditeprobleme bekommen können.
      Quelle: Handelsblatt

      Daraus zwei Zitate:

      „ … wenn die Feuer an den weltweiten Finanzmärkten sich zu einem Flächenbrand ausweiten.
      Das träfe nicht bloß Aktionäre, nahezu jeder Deutsche bekäme das zu spüren. Lebensversicherungen, Betriebsrenten, Investmentfonds – überall kann der giftige Finanzsondermüll aus den USA drinstecken. Auf der Jagd nach jedem Prozentpunkt Rendite griffen professionelle Geldverwalter oft zu undurchschaubaren Anlagekonstruktionen. So genannte derivative oder hybride Produkte bringen zwar im Schnitt etwa 1,5 Prozentpunkte mehr als herkömmliche Papiere wie etwa Staatsanleihen; das Risiko ist jedoch oft nicht abzuschätzen, da sich hinter den Papieren mit Bezeichnungen wie CDO, ABS oder MBS oft Hunderte andere Papiere und damit Hunderte Risiken verstecken (siehe Glossar LBO ABS und andere).“

      „Auch in den USA warnte Notenbankchef Ben Bernanke vergangene Woche vor steigender Inflation und trübte damit die Hoffnung, er werde die Märkte mit einer Zinssenkung unterstützen. So eine Hilfe könnten die US-Verbraucher gut gebrauchen. Noch dieses Jahr stehen bei miesen US-Hypothekenkrediten über 500 Milliarden Dollar Verlängerungen an, kommendes Jahr bei weiteren 700 Milliarden. “Da werden viele Amerikaner ihre persönliche Pleite eingestehen müssen”, prognostiziert Adveq-Manager Laib.

      Diese 1 200 Milliarden sind längst im Finanzsystem versteckt unterwegs – auch irgendwo in einem deutschen Fonds, einer deutschen Lebensversicherung oder in den Altersversorgungskassen der Arbeitnehmer.“

    • Etwas älter, vom 31. Juli, aber auch sehr informativ:

      Die “Weichspüler”
      Neue Produkte der Lebensversicherer locken mit mehr Rendite, weichen Garantien aber drastisch auf, warnt Aktuar Axel Kleinlein. Den Wert dieser Zusagen könnten Experten kaum noch durchdringen. Die Transparenz bleibt auf der Strecke – auch bei staatlich geförderten Produkten, kritisiert der Versicherungsmathematiker.
      Quelle: manager-magazin

    • Stiftung Warentest:
      Leider schon zu Beginn des Textes die übliche Verneigung vor der Privatvorsorge, dann aber ganz brauchbar:

      FONDSGEBUNDENE RENTENVERSICHERUNG: Rente mit viel Risiko

  2. Die Risiken und Unsicherheiten bei der Privatvorsorge sind größer als in der öffentlichen Debatte zugegeben wird.

    Sie folgen nicht nur aus der Anlage in riskanten Papieren innerhalb und vor allem außerhalb unseres Landes. Sie folgen aus den hohen, schon erwähnten Kosten der Privatvorsorge, die erst einmal verdient werden sein wollen. Diese Kosten werden bei Versicherungsverträgen häufig verschleiert.

    Ein praktisches Beispiel für den Misserfolg einer Privatvorsorge

    Wie anders die Ergebnisse in der Praxis am Ende eines Arbeitslebens sind, zeigt ein Beispiel. Einer unserer Leser schildert das Ergebnis der Betrieblichen Altersvorsorge am Beispiel seines Vaters in einer Mail an die NachDenkSeiten:

    “Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Nachdenkseiten” hieß es mal vor ca. zwei Wochen zum Thema Betriebliche Altersvorsorge.
    Aus aktuellem Anlass habe ich auch mal gerechnet. Mein Vater wird im Oktober das 65. vollenden und danach den wohlverdienten Ruhestand genießen.
    1999 wurde er als immerhin 57jähriger nochmal bis zum Renteneintritt eingestellt und wir wollen darüber nicht undankbar sein. Nach fünf Jahren war eine tarifliche Gehaltszulage von DM 100,00 bzw. € 51,13 vorgesehen, welche auch als betriebliche Altersvorsorge beitragsfrei umgewandelt werden konnte. 2004 war das schon möglich und mein Vater hat das gemacht.
    3 Jahre und 4 Monate mal € 51,13 = € 2045,20 eingezahltes Kapital.
    Jetzt kam der Rentenbescheid der Versicherung und alle haben sich gefreut über eine zusätzliche Rente von € 125,15 – auf den ersten Blick.
    Auf den zweiten Blick ist es eine JÄHRLICHE Rente von € 125,15. Monatlich sage und schreibe € 10,43 monatlich.
    Paps muss also mindestens 81 Jahre alt werden, um nur sein eingezahltes Kapital ausgezahlt zu bekommen – ohne Zinsen!
    Mit den Rentenformeln kennen wir uns alle nicht gut aus. Aber pi-mal-Daumen wäre nicht weniger gesetzliche Rente dabei rausgekommen, wenn für die € 51,13 Rentenversicherungsbeiträge abgeführt worden wären.
    Soweit mich meine Fähigkeiten in Zinseszins-Rechnen aus Berufsschulzeiten nicht im Stich gelassen haben, wäre jetzt im Oktober das angesparte Kapital mit Zinsen auf einem Sparkonto mit popeligen 1,5% Zinsen und sonst gleichen Konditionen höher. Dabei habe ich analog zur Betrieblichen Altersvorsorge so gerechnet, dass monatlich € 51,13 eingezahlt worden sind.

    Hätte es ein paar Jahre früher so ein interessantes Informationsangebot wie die Nachdenkseiten gegeben und hätten wir davon gewusst, dann wären wir schlauer gewesen. Aber zum Glück bin ich Dank Ihrer Informationen jetzt schlauer und ziehe für mich selbst die Konsequenzen.
    Ach ja, es handelt sich um einen der Marktführer im Bereich der Altersvorsorge, der in den letzten Jahren mit seiner Belegschaft auch eher sparsam umgegangen ist.

    Vielleicht ist das ein bisschen interessant für Sie.
    Bleiben Sie dran.“

    Mein Fazit:
    Ohne die staatliche Förderung wären die Renditen der meisten Privatvorsorge Modelle unattraktiv. Das heißt: Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung ein Flop, und auch für uns als Einzelpersonen ist sie ein Flop, wenn wir beachten, dass wir ja gleichzeitig Steuerzahler sind und für die Förderung aufkommen. Diese Schlussfolgerung ist insofern nicht korrekt, als das System insgesamt in seiner jetzigen Praxis eine Umverteilung vornimmt von jenen, die kein Geld für einen Riester Vertrag haben, zu jenen, die sich das leisten können. Lohnsteuerzahler und Mehrwertsteuerzahler subventionieren die Zusatzversorgung der etwas Besserverdienenden.

  3. Parallel zur immerhin gelegentlich stattfindenden Information über die Risiken und Nebenwirkungen der Privatvorsorge in einigen Medien läuft in der gesamten Öffentlichkeit ein Overkill der Werbung für Privatvorsorge, vor allem für die staatlich geförderten Produkte

    Ich habe den Eindruck, die Profiteure der Privatvorsorge in Politik und Wissenschaft, in Wirtschaft und Medien fürchten, dass die von ihnen geschürten übertriebenen Erwartungen demnächst wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Sie mussten die Renditevorstellungen immerhin von 11,5% auf z. B. 2,5% absenken. Das kostet Renommee. Aber wie in einer Art von Agonie versuchen sie jetzt noch das Letzte herauszuholen. Wir haben zum Beispiel berichtet über die „Dienstleistungen“ von Walter Riester und Bert Rürup für den Finanzdienstleister AWD und ihre Verknüpfung mit der SuperIllu und FocusMoney. Aber nicht nur diese unmittelbar interessierten Profiteure, auch staatliche Stellen wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und selbst die Deutsche Rentenversicherung beschleunigen das Rad ihrer Werbung für Privatvorsorge.

    Wie wir schon mehrmals berichteten, geht diese Unterstützung privater Interessen durch staatliche Stellen bis zu den Volkshochschulen, für deren Aktivitäten zu Gunsten der Versicherungswirtschaft wiederum Medien sich einspannen lassen Siehe hier ein Beispiel, das Hamburger Abendblatt

    Die Erfolgsmeldung des Müntefering-Ministeriums wurde von einem unserer Leser schön kommentiert:

    „Hallo NDS-Redaktion,

    diese BMAS-Erfolgsmeldung erinnert mich an die Persiflage der OKW-Sondermeldungen aus dem Zweiten Weltkrieg: Wieder einmal sei es gelungen, mehrere Dosen Marmelade (nicht Ein-, nicht Zwei-, nicht Drei-, nein Vierfruchtmarmelade!) an die Front zu schmuggeln: Bei rund 35.000.000 Arbeitnehmern in Vollzeitbeschäftigung (Statistisches Taschenbuch des BMAS) und 16.057.231 Rentnern (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist die Teilnehmerzahl an den VHS-Kursen von 3.500 atemberaubend. Besonders schlimm aber ist, dass sich der DGB für die systematische Unterminierung des Vertrauens der Bevölkerung in die Zuverlässigkeit der Rentenversicherung hergibt. Aber das wissen wir ja schon lange.
    Viele Grüße“


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