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Titel: Zum ersten Kanzlerwechsel hat Günter Grass Beachtenswertes beigetragen
Datum: 13. April 2015 um 17:03 Uhr
Rubrik: Demokratie, Kultur und Kulturpolitik
Verantwortlich: Albrecht Müller
20 Jahre lang immer die gleiche Partei im Kanzleramt. Das hält eine Demokratie nicht aus. Also machte sich Günter Grass wie schon 1965 auch 1969 auf den Weg, an den verfestigten verknöcherten Zuständen etwas zu ändern. Ein krähender Hahn war damals das Symbol der sozialdemokratischen Wählerinitiative, deren Anführer und Impulsgeber Günter Grass war. Die Geschäftsstelle der SWI war in der Bonner Adenauerallee. Dort traf ich ihn zum ersten mal. Ein eindrucksvoller dynamischer Typ, eine politische Begabung. Meist und unentwegt war er unterwegs. Er warb in eindrucksvollen Reden für den Regierungswechsel. Er hat wesentlich dazu beigetragen, das liberale Bürgertum und wohl auch das konservative lesende Publikum für den politischen Wechsel aufzuschließen. Das gelang mit der Wahl Ende September 1969. Albrecht Müller
1972 engagierte sich Günter Grass noch einmal. Die Mehrheit für die Ostpolitik und die inneren Reformen, die man damals noch als fortschrittliche Reformen im Interesse der Mehrheit erkennen konnte, konnte auch mit seiner Unterstützung ausgebaut werden. Danach gab es eine bemerkenswerte Irritation im Verhältnis Brandt zu Grass und umgekehrt. Günter Grass reihte sich 1973 in die Reihe der Nörgler ein. Willy Brandt war tief getroffen. Ich hatte Günter Grass damals wie auch später seine Unterstützung für Gerhard Schröders Agenda 2010 nicht verstanden – oder ehrlicher: nicht gut gefunden, verstanden schon. Auch das politische Wesen G. Grass hatte seine Schwächen. Aber was soll das. Ein großer politischer Kopf hat uns verlassen. Mit großer Dankbarkeit können wir uns vor ihm verneigen.
P.S.: Sein Tod erinnert uns daran, wie reich wir einmal gesegnet waren von geistigen und politischen Talenten, die uns verlassen und allein gelassen haben: Heinrich Böll, Gustav Heinemann, Günter Gauß, Hans-Joachim Kuhlenkampf, Inge Meysel, Dieter Hildebrandt, Johannes Rau und dann auch noch eine stattliche Reihe Gleichgesinnter in der früheren DDR.
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