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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 20. Februar 2015 um 9:09 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung Orlando Pascheit: Was soll das, eine Festlegung auf ein konkretes Ziel? Nehmen wir z.B. das Thema Primärüberschüsse. Gemeint ist damit ein positiver Haushaltssaldo (Staatseinnahmen/Staatsausgaben) ohne Zinszahlungen. Die griechische Regierung verspricht “angemessene Primärüberschüsse”. EU, IWF und EZB fordern von Griechenland einen Überschuss von 3 Prozent in diesem und 4,5 Prozent im kommenden Jahr. Wie einem Chart von Paul Krugman zu entnehmen ist, hat Griechenland viel mehr Austerität auf sich genommen als die vielgelobten, angeblichen Musterländer, Irland, Portugal, Lettland oder Spanien. Der Preis war der Einbruch der Wirtschaftsleistung, der den der ersten Weltwirtschaftskrise übertraf. Was keine der Institutionen der Troika prognostizierte, im Gegenteil … Es dürfte eher einem Wunder gleichen, wenn Griechenland es dieses Jahr überhaupt schafft, einen positiven Primärhaushalt zu realisieren. – Hier zur deutschen Übersetzungen des Briefs der Griechischen Regierung an den Präsidenten der Euro-Gruppe.
Anmerkung Orlando Pascheit: In letzter Zeit haben sich diverse Politiker angesichts der Not in Griechenland damit herausgeredet, dass die konkrete Umsetzung der Sparvorgaben in den Händen der griechischen Regierung gelegen habe. Es kann nicht oft genug betont werden, dass jenseits der abenteuerlichen, zahlenmäßigen Sparvorgaben die Troika sehr konkret in die Maßnahmen eingegriffen hat. Selbst in der Sendung “Griechenlands Schuldenpoker zieht uns der Süden über den Tisch?” von “hart aber fair” vom 09.02.2015 wurde kurz in einem Einspielfilm darauf hingewiesen (00:36: 25).
Anmerkung JK: Niemals hätte man zu träumen gewagt, dass man sich als Deutscher einmal wieder für seine Regierung schämen muss. Die Linie brutaler Erpressung, welche die Bundesregierung, flankiert durch die kampagnenartige Berichterstattung der deutschen „Qualitätsmedien“, gegen Griechenland fährt, ist eigentlich unglaublich. Ist das eines angeblich demokratisch verfassten Europas würdig? Leider nähert sich das böse Bonmot, dass Deutschland mit dem Euro das versucht, was es mit seinen Panzern nicht geschafft hat, immer mehr der Realität an. Dazu gewinnt auch das Gerede Merkels, der Konflikt mit Russland lasse sich nicht militärisch lösen, eine ganz andere Bedeutung. Um andere Länder niederzudrücken braucht Deutschland keine Panzer, dafür hat es den Euro.
Die deutsche Regierung ist also bereit an Griechenland ein Exempel zu statuieren, es notfalls aus dem Euro zu zwingen und dort ein wirtschaftliche Katastrophe ohnegleichen zu riskieren, nur um die angebliche Alternativlosigkeit einer bizarren Irrlehre zu beweisen. Dabei geht es gar nicht mehr um die Einhaltung von Prinzipien und Verträgen. Der Entscheidende Punkt ist, wie kann die Not und das Leid der griechischen Bevölkerung beendet werden? Das müsste in einem humanitären und demokratischen Europa an erster Stelle stehen. Aber dieses Europa ist nicht das Europa der Bürger, sondern das Europa der neoliberalen Eliten.
Fazit und Agenda des Paritätischen Gesamtverbandes
Die Armut in Deutschland ist auf Rekordhoch. Noch nie war die Einkommensschere so weit geöffnet wie derzeit. Es gibt aktuell auch keine politischen Weichenstellungen, die Anlass zu der Vermutung geben könnten, dass sich dieser Trend kurzfristig umkehren könnte.
Der Armutsbericht macht deutlich, dass sich die steigende Armut von wirtschaftlichen Entwicklungen gänzlich abgekoppelt hat. Auch in Zeiten volkswirtschaftlicher Prosperität geht die Einkommensschere weiter auseinander und die relative Armut nimmt zu. Hierbei nähert sich die relative Armutsgrenze von 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens (Median) sehr bedenklich dem Niveau der Grundsicherung für Arbeitssuchende und erwerbsunfähigen Menschen. Bei Familien mit mehreren Kindern liegt die relative Einkommensgrenze regional zum Teil schon unter dem Grundsicherungsniveau.
Wo wirtschaftliches Wachstum jedoch die Einkommensschere nicht schließt, sondern sogar noch vergrößert und zusätzliche Armut erzeugt, ist in einem Sozialstaat politisches Handeln gefragt. Es geht um die Vermeidung von Armut und es geht um Verteilungsgerechtigkeit. Angesichts auch zunehmender regionaler Disparitäten ist darüber hinaus eine Politik gefordert, die in der Lage ist, für Ausgleiche zu sorgen und die relative Verelendung von Regionen solidarisch zu verhindern.
Um eine weitere soziale und regionale Verelendung zu verhindern, brauchen wir politische Maßnahmen in der Primärverteilung, in der Sekundärverteilung und schließlich beim Länderfinanzausgleich.
Quelle: Siehe auch Vorschläge und Forderungen Der Paritätische Gesamtverband
Hinweis: Siehe den Download des Armutsberichts und das Pressestatement von Dr. Ulrich Schneider hier.
Anmerkung WL: Zufall oder nicht am gleichen Tag als der Paritätische seinen Armutsbericht veröffentlichte, hatte die FAZ (Printausgabe) einen Artikel von Renate Köcher vom CDU-nahmen Institut für Demoskopie Allensbach im Blatt. Danach glauben 79 Prozent der Bevölkerung, dass die sozialen Unterschiede größer werden und 69 Prozent erwarten, dass mehr Menschen wirtschaftlich und gesellschaftlich zurückfallen und nicht mehr mithalten können. 74 Prozent halten es für ein ernstes Problem, wenn in einem Land der Abstand zwischen Ober-, Mittel- und Unterschicht wächst. Auch von denjenigen, die aufgrund von Bildung, beruflicher Position und Einkommen zu den oberen 20 Prozent gehören, stufen 72 Prozent wachsende soziale Unterschiede als großes Problem ein. 74 Prozent der Bürger, auch 69 Prozent der oberen Sozialschichten, wünschen eine Verringerung der
sozialen Unterschiede. 60 Prozent der Bevölkerung und auch 60 Prozent der oberen Schichten wünschen sich mehr Rücksichtnahme auf Schwächere. Größere soziale Unterschiede gelten in Deutschland quer durch alle sozialen Schichten als ungesund und als Risikofaktor. Nur acht Prozent würden gerne in einem Land mit großen sozialen Unterschieden leben, 73 Prozent ziehen eine Konstellation vor, in der die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten begrenzt werden und der Staat zu diesem Zweck auch immer wieder eingreift. Drei Viertel der Mittel- und Unterschicht favorisieren dieses Modell, auch knapp zwei Drittel der höheren Sozialschichten. Die große Mehrheit ist auch überzeugt, dass die Lebensqualität in Ländern höher ist, die sich bemühen, soziale Unterschiede zu begrenzen.
Dennoch habe der Bundestagswahlkampf 2013 gezeigt, dass Umverteilungskonzepte wenig Zugkraft hätten. Die Bürger setzten eben mehr auf eine Stärkung der Mittel- und Unterschicht als auf Maßnahmen, die die Oberschicht betreffen.
Andererseits entspreche es dem Leitbild der Mehrheit ein leistungsfähiges soziales Netz zu haben – auch um den Preis hoher Steuern und Abgaben.
Mein Fazit: Für eine sozial orientiert Politik gäbe es eine große Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung. Man müsste nur dafür werben.
Risikogruppen
Besonders ins Auge stechen dabei die Erwerbslosen mit einer Armutsquote von 58,7 Prozent und die Alleinerziehenden mit 42,3 Prozent…
Betrachtet man die Armutsbetroffenheit nach Altersgruppen, fällt auf, dass die Kinderarmut mit 19,2 Prozent seit vielen Jahren auf anhaltend hohem Niveau deutlich über der durchschnittlichen Armutsquote von 15,5 Prozent liegt. Besonderen Anlass zur Sorge jedoch gibt insbesondere die Entwicklung bei der älteren Bevölkerung. Deren Armutsquote ist zwar derzeit noch vergleichsweise moderat, doch alarmierend ist der Trend: So ist die Armutsquote der über 65-Jährigen seit 2006 um 37,5 Prozent gestiegen, bei den 50- bis 65-Jährigen immerhin um 15 Prozent.
Quelle: Der Paritätische Gesamtverband
Ländervergleich
Einen überproportionalen Anstieg der Armutsquote zeigen Berlin mit 0,6 Prozentpunkten sowie Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit jeweils 0,8 Prozentpunkten.
Einen mehr als doppelt so starken Anstieg der Armut als im Bundesdurchschnitt sehen wir in den Ländern Thüringen (+1,2 Prozentpunkte), Saarland (+1,7 Prozentpunkte), Bremen (+1,7 Prozentpunkte) sowie Hamburg mit dem größten Zuwachs von 2,1 Prozentpunkten, wobei die Armutsquote dort in 2013 um über 14 Prozent höher lag als im Vorjahr…
… in den Ländern, in denen die Armut ohnehin schon am größten ist, wächst sie auch noch schneller als in Gesamtdeutschland. Im Ergebnis geht die Schere zwischen den Ländern auseinander und setzen sich die ärmsten Länder immer weiter ab…
In Bremerhaven ist der Anteil der Armen an der Gesamteinwohnerschaft viermal so hoch wie in Bodensee-Oberschwaben. 2006 betrug die Differenz zwischen der Region mit der niedrigsten (Schleswig-Holstein Süd mit 7,8 %) und der Region mit der höchsten Armutsquote (Vorpommern mit 25,6 %) gerade 17,8 Punkte.
Quelle: Der Paritätische Gesamtverband
Quelle: Der Paritätische Gesamtverband
dazu: 12,5 Millionen Deutsche sind arm
Der Paritätische Gesamtverband äußert sich besorgt. Es gebe einen “armutspolitischen Erdrutsch”, noch nie sei die Kluft zwischen armen und reichen Ländern so groß gewesen. Dabei macht der Verband gleich mehrere Risikogruppen aus.
Die Armut in Deutschland steigt sprunghaft an und Rentner sind immer stärker davon betroffen. Das sind zentrale Ergebnisse des Armutsberichts des Paritätischen Gesamtverbands, der in Berlin vorgestellt wurde. “Noch nie war die Armut in Deutschland so hoch und noch nie war die regionale Zerrissenheit so tief wie heute”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider.
Die Anzahl der von Armut betroffenen Menschen hierzulande stieg dem Bericht zufolge von 12,1 Millionen Menschen im Jahr 2012 auf 12,5 Millionen im Jahr 2013. Am stärksten betroffen sind dem neuen Armutsbericht des Paritätischen zufolge die Bundesländer Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, am wenigsten Baden-Württemberg und Bayern.
Besorgt äußerte sich Schneider besonders darüber, dass “die Kluft zwischen reichen und armen Ländern in Deutschland immer größer wird”. Er sprach von einer “zerklüfteten Republik”.
Insgesamt verschlechterte sich die Lage in 13 der 16 Bundesländer, nur in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen blieb die Armutsquote stabil oder ging leicht zurück. Einen besonders starken Anstieg gab es dagegen neben den bereits genannten Schlusslichtern der Armutsstatistik auch in Hamburg und Teilen Nordrhein-Westfalens.
Unter den gesellschaftlichen Gruppen sieht der Paritätische das größte Risiko bei Alleinerziehenden, die dem Bericht zufolge zu 43 Prozent von Armut betroffen sind. Als weitere Risikogruppen nannte Schneider Erwerbslose und Menschen ohne beziehungsweise mit niedrigem Bildungsabschluss.
Quelle: N-TV
Anmerkung J.K.: Weiter so mit der marktkonformen Demokratie. Wie das Beispiel Griechenland zeigt gibt es noch viel Luft nach unten.
Anmerkung WL: Da sind ja die richtigen „Reformer“ am Werk.
Anmerkung J.K.: Na und, möchte man sagen, wo ist der Skandal? Offenbar gibt es in Frankreich gerade auf Seiten der Linken noch Abgeordnete, welche die neoliberalen Agenda Vorstellungen, die Berlin Frankreich oktroyieren möchte, nicht einfach abnicken wollen, wie es die SPD einst bei der Agenda 2010 getan hat.
Anmerkung unseres Lesers A.P.: Sehr lesenswert. ‘In tutto: Das ist das Script eines schleichenden exekutiven Putsches…’ Dazu Kant zitierend: „Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“ Soviel zu Unrechtsstaaten andernorts und mitten unter uns. Zum schleichenden Putsch hier.
Anmerkung JB: Die Scheinargumente gegen den Mindestlohn werden von Tag zu Tag abstruser. Welcher Unternehmer protokolliert denn bitte nicht die geleisteten Arbeitsstunden seiner Angestellten?
Anmerkung WL: Es ist absurd und ein Skandal sondergleichen, dass in einer Zeit, in der der Staat Geld für 1 Prozent Zinsen oder weniger aufnehmen könnte, Pläne geschmiedet werden, wie er der Finanzwirtschaft Anlagemöglichkeiten bei der öffentlichen Infrastruktur für 5 oder mehr Prozent Zinsen verschaffen will, die letztlich der Steuerzahler zu bezahlen hat. In vergleichbaren Fällen würde man von Veruntreuung von Steuergeldern sprechen.
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