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Titel: Nachwahl zur französischen Nationalversammlung: Deutlich höhere Wahlbeteiligung stoppt „Front National“ knapp

Datum: 9. Februar 2015 um 9:17 Uhr
Rubrik: Länderberichte, Rechte Gefahr, Wahlen
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Eine gegenüber dem ersten Wahlgang um fast 10 Prozentpunkte höhere Wahlbeteiligung hat verhindert, dass der rechtsextreme „Front National“ bei der Nachwahl zur französischen Nationalversammlung im Département Doubs, im Nordosten Frankreichs, sein drittes Mandat erreicht.
Bei einer Wahlbeteiligung von 49 Prozent (1. Wahlgang: 39,5 Prozent) hat der Kandidat der Sozialistischen Partei, Frédéric Barbier, am gestrigen Sonntag 51,43 Prozent der Stimmen bekommen, die Kandidatin des „Front National“, Sophie Montel, erhielt 48,57 Prozent.
Das ist ein Ergebnis, das noch vor wenigen Wochen niemand erwartet hatte; fast alle Beobachter waren davon ausgegangen, dass der sozialistische Kandidat im ersten Wahlgang ausscheidet und der zweite Wahlgang zu einem Duell zwischen „Front National“ und der bürgerlichen Rechten der „UMP“ wird. Es ist anders gekommen. Von Christoph Habermann.

Barbier, der im ersten Wahlgang fast 1000 Stimmen hinter der FN-Kandidatin lag, hat 8088 Stimmen gewonnen, Montel 6259. Seit den Parlamentswahlen 2012 hat die Sozialistische Partei damit zum ersten Mal eine Nachwahl gewonnen.Die absoluten Stimmzahlen zeigen aber die starken Veränderungen der politischen Kräfteverhältnisse in den vergangenen drei Jahren.

2012 lag die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang bei 59 Prozent.
Als Folge des französischen Wahlrechts standen damals im zweiten Wahlgang zwei Kandidaten und eine Kandidatin von drei Parteien zur Wahl: Sozialisten, bürgerliche Rechte und rechtsextreme „Front National“.

Der sozialistische Kandidat hat gegenüber der Wahl im Jahr 2012 fast 4000 Stimmen verloren, die Kandidatin des „Front National“ fast 5000 Stimmen gewonnen.
Damit hat die Kandidatin des „Front Nationale“ das bisher beste Ergebnis für ihre Partei in einer Nachwahl erreicht.

Auffällig ist, dass eine ungewöhnlich große Zahl von Wählerinnen und Wählern einen leeren oder ungültigen Stimmzettel abgegeben haben: Etwa 2700 Stimmen oder mehr als 8 Prozent.

Zwischen dem ersten Wahlgang am 1. Februar und dem zweiten Wahlgang am 8. Februar 2015 hatten die französischen Grünen, die Links-Partei und bürgerlichen Parteien der „Mitte“ zur Wahl des sozialistischen Kandidaten aufgerufen.

Die „UMP“ unter Vorsitz des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy hatte sich in der Öffentlichkeit vielstimmig präsentiert. Der Vorstand hatte am Dienstag der vergangenen Woche einen Beschluss gefasst, mit dem er die Wählerinnen und Wähler dazu aufgerufen hat, weder den Kandidaten der Sozialistischen Partei noch die Kandidatin des „Front National“ zu wählen, was de facto einer Unterstützung für den „Front National“ entspricht, der mit seiner Kandidatin im ersten Wahlgang vorne lag.

Prominente Vertreter der „UMP“ wie der frühere Premierminister Alain Juppé und der Präsident des Senats, Gérard Larcher, hatten dagegen zur Wahl des sozialistischen Kandidaten aufgerufen, um die Wahl einer Abgeordneten des „Front National“ zu verhindern. Auch örtliche Vertreter der „UMP“ hatten sich in den vergangenen Tagen in der gleichen Weise erklärt.

Wie die Wählerinnen und Wähler, die im ersten Wahlgang den Kandidaten der „UMP gewählt haben, sich im zweiten Wahlgang entschieden haben, lässt sich anhand der Zahlen des zweiten Wahlganges nicht sagen. Bemerkenswert ist die hohe Zahl von leeren oder ungültigen Stimmzetteln, die genau der Wahlempfehlung des Vorstands der „UMP“ entsprechen.

Der Kandidat der Sozialisten hätte aber nicht allein durch die Stimmen aus der höheren Wahlbeteiligung gewinnen können. Wie viele Wählerinnen und Wähler der „UMP“ sich im zweiten Wahlgang für den sozialistischen Kandidaten oder die Kandidatin des „Front National“ entschieden haben, wird man letztlich nie wissen; Wahlanalysen der kommenden Tage werden dazu jedenfalls Hinweise geben.

Das Wahlergebnis vom 8. Februar wird aber auf jeden Fall eine wichtige Rolle in der innenpolitischen Diskussion in Frankreich spielen, vor allem mit Blick auf die Wahlen zu den Räten der Départements am 22. und 29 März 2015.

In der Sozialistischen Partei wird sich die Auseinandersetzung darum drehen, ob das Ergebnis als eine Art Vertrauensbeweis für die Politik von Präsident Francois Hollande gesehen wird, die im Widerspruch zu vielen der Ankündigungen vor seiner Wahl steht und auf heftigen Widerstand in der eigenen Partei stößt oder ob sie als eine Art letzte Chance gewertet wird für Korrekturen oder für einen Kurswechsel gesehen wird.

Innerhalb der „UMP“ wird das Ergebnis die Auseinandersetzungen über die richtige Strategie im Umgang mit dem „Front National“ auf der einen Seite und der Sozialistischen Partei auf der anderen Seite neu entfachen. Die innerparteilichen Gegner von Nicolas Sarkozy dürften sich durch das Ergebnis ermutigt fühlen. Das gilt vor allem für Alain Juppé, den ernsthaftesten Konkurrenten von Sarkozy um die Präsidentschaftskandidatur der bürgerlichen Rechten für die Wahl im Jahr 2017.

Erst im Lichte der Ergebnisse zu den Räten der Départements am 22. und 29. März 2015 wird sich zeigen, ob die gestrige Nachwahl in Doubs eine Ausnahme war oder die Vorbotin neuer Entwicklungen.

Interessant wird auch sein, zu beobachten, welche Rolle das Wahlergebnis im Vorfeld des Parteitags der französischen Sozialisten vom 5. bis 7. Juni 2015 in Poitiers spielen wird.


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