Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages II
Datum: 6. Februar 2015 um 15:34 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Quelle: Ares Kalandides
Anmerkung Orlando Pascheit: Es wäre zu schön, wenn sich unsere Regierungsriege die Zeit nähme, sich ab und an solche Filme anzuschauen, um den Kontakt zur Realität nicht zu verlieren – um zu wieder zu begreifen, dass Ziel der Politik ist, solche Zustände zu verhindern, und nicht solche zu produzieren.
Natürlich musste Griechenland Maßnahmen treffen, um die über den Einnahmen liegenden Ausgaben reduzieren – aber doch nicht so. Warum haben sich die Institutionen der Troika nicht zuerst einmal das Land angeschaut. Jedes Kind wusste, dass Wirtschaft und Politik in Griechenland klientelistisch funktionieren, dass das Land sich nicht gerade durch Steuerfleiß auszeichnet. Es tritt am Beispiel Griechenland zutage, dass ein Grundfehler der Währungsunion, ja des Brüsseler Konstrukts Europa war, sich nicht um die Steuersysteme der Mitgliedsländer zu kümmern. Dabei geht es nicht nur um abenteuerlich niedrige Steuersätze, die es den Reichen und den Unternehmen ermöglicht, sich vor ihrem Beitrag für die Allgemeinheit zu drücken. In Fällen wie Griechenland oder auch Spanien geht zunächst darum zu schauen, ob die vorhandenen Steuersysteme überhaupt effizient funktionieren. Angesichts der vorgefundenen Situation in Griechenland hätten in dem Moment, in dem das Land offiziell zum Krisenstaat erklärt wurde, Kaptalverkehrskontrollen eingerichtet werde müssen. Dies hätte die erste zu verordnende Maßnahme der Troika sein müssen. Aber nein, bis heute fließt nicht nur einfach Kapital, sondern zu versteuerndes Kapital ab.
Dies Wenige zur Einnahmeseite des griechischen Staates. Da wäre noch die im Mittelpunkt speziell deutscher Betrachtungsweise stehende Reduktion der Staatsausgaben, das was als Sparen die Diskussion beherrscht. Schade, dass die Kanzlerin nicht in diesem Fall das Bild ihrer schwäbische Hausfrau, einer verschuldeten Hausfrau, bemüht. Natürlich würde diese an den Ausgaben sparen, aber es doch so einrichten, dass genügend Geld übrig bliebe, um ihre Existenz zu sichern. D.h. sie würde z.B. als Krankenschwester nicht anfangen, sich eine 1000 Kilokalorien-Diät zu verschreiben, um dann nach einigen Wochen umzukippen. Aber genau dies wird Griechenland seit Längerem zugemutet. Und die deutsche Diskussion?
Erinnert sei an eine Diskussion, die um den Jahreswechsel 2012/13 aufkam. Der IWF, Mitglied der Troika, hatte sich Gedanken gemacht, warum sich Griechenland sich nicht in dem erwarteten Ausmaß erholte und kam zu dem Schluss, dass sich die Effekte der Sparpolitik deutlich negativer auswirkten als bisher angenommen. Nachzulesen im Wirtschaftsausblick des IWF vom Oktober 2012. Die Erwartungen künftigen Wirtschaftswachstums seien zu hoch ausgefallen, weil man die gängige Formel unterstellt habe, wonach 1% Einsparung an Staatsausgaben 0,5% an Wirtschaftszuwachs kosteten. Tatsächlich habe man festgestellt, dass der entsprechende Verlust am Wirtschaftsleistung sehr viel höher liege, nämlich in der Größenordnung von 0,9% bis 1,7%. Das ist ein “Multiplikator”, der ein Land schnell in eine Rezession bringt, so dass in der Folge der Staat spürbar weniger Steuern einnimmt. Es drohe ein Teufelskreis aus sinkender Wirtschaftsleistung, schrumpfenden Steuereinnahmen und niedrigeren Staatsausgaben, so der IWF. Griechenland hat unter dem Druck der Troika zwischen 2009 und 2012 sein um Konjunktureinflüsse bereinigtes Haushaltsdefizit um mehr als 14 Prozent des BIP reduziert – eine Konsolidierungsanstrengung, die historisch ihresgleichen sucht.
Diese Ausführungen verursachten beträchtliche Unruhe. Lebten doch deutsche u.a. Politeliten noch im Glauben, unterstützt durch eine EZB-Studie, die Sparpolitik könne sogar expansive Effekte haben, weil sie das Vertrauen in der Privatwirtschaft stärke. Die IWF-Autoren verwarfen die EZB-These und attestierten auch älteren Studien, die zu diesem Ergebnis gekommen waren, gravierende methodische Mängel. Der damalige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück argumentierte im Februar im Bundestag: Der Staatshaushalt laufe ins Leere, wenn „aus Sparen ein Kaputtsparen“ werde und keine Wachstumsperspektiven eröffnet würden. Unser Finanzminister konnte natürlich diese Erkenntnisse nicht akzeptieren und hielt an der EZB-Studie fest und so war denn auch im Monatsbericht des Ministeriums zu lesen: „In der längeren Frist können Konsolidierungen nach der EZB-Studie nicht nur die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen, sondern sogar auch das Bruttoinlandsprodukt erhöhen … Insgesamt kann die EZB-Studie vor dem Hintergrund der hier genannten Kriterien als sehr weitreichend und belastbar eingestuft werden.“
Natürlich kann man über die Modelle streiten, die der Multiplikatorberechnung zugrunde liegen. Der von John Maynard Keynes eingeführte Begriff des BIP-Multiplikators (30er-Jahre), der angibt, wie stark das Bruttoinlandsprodukt (BIP) reagiert, wenn sich die Staatsausgaben (positiv wie negativ) ändern, ist in seine Größe seit jeher unter Ökonomen heftig umstritten.
Man kann und muss auch darüber streiten, ob die Auswahl der Länder oder der Zeitraum, der in diese Modelle einfließt, Verzerrungen verursacht, aber eines macht der oben empfohlene Film auch jedem ökonomischen Laien klar, die Sparauflagen, die Europa den Griechen auferlegt, sind absolut unverhältnismäßig – sie sind die Krankheit zum Tode.
Anmerkung WL: Fast alle Medien sprechen von einer Friedensinitiative von Angela Merkel und François Hollande.
Anmerkung Orlando Pascheit: Manfred Kriener stellt weiterhin die Frage, warum eigentlich nicht die USA ihre Förderung drosseln, da Fracking bei den heutigen Preisen nicht mehr rentabel sei. Die Antwort befriedigt nicht. Soweit ich ihn verstanden habe, würde das Platzen der Frackingblase den Wirtschaftsaufschwung der USA gefährden. Das ist sicherlich richtig. Der Witz ist der, dass die Ausweitung der Erdölförderung durch das unrentabel geförderte Frackingöl zu einem Ölpreis geführt hat, der wie ein Konjunkturpaket (nicht nur) für die US-Wirtschaft geführt hat. In vielen Unternehmen sinken die Produktionskosten, der ausgabenfreudige, amerikanische Konsument hat mehr Geld zur Verfügung, da er weniger für Benzin und Heizöl ausgeben muss. Möglicherweise sind die Ausgaben für Neuinvestitionen in der Öl- und Gasindustrie viel geringer als geringer als der Gewinn für die Volkswirtschaft. Nur agieren die Förderfirmen einzelwirtschaftlich, und unter diesem Aspekt müssen bekanntlich die Ausgaben für das Fracken der Quellen langfristig kleiner als die Erträge sein. Inzwischen wurden in der Branche Neuinvestition reduziert und etliche kleinere Förderanlagen wurden geschlossen. Zulieferer mussten Personal entlassen.
Nur sollte Kriener die Botschaft der Frackingindustrie, dass man auch mit niedrigeren Preisen rentabel produzieren könne, nicht so schnell als “sedieren” der Anleger abtun. Unter verschiedensten Aspekten würde ich das gerne auch so sehen, aber dennoch sollte man vielleicht bedenken, dass die Frackingindustrie – sicher nicht alle Firmen – bei den vielen Bohrungen gelernt hat und weiterhin lernt, effizienter zu bohren. Allerdings werden die Fracker lernen müssen, bei einem Preis von 40 Dollar produzieren zu können. Denn klar ist auch: Die USA fallen als weltgrößter Importeur von Öl aus, Chinas Wachstumsraten werden dauerhaft auf einem weniger hohen Niveau verbleiben und die Welt lernt, Energie immer effizienter zu nutzen. Diese drei Faktoren werden den Ölpreis niedrig halten. – Selbst in einem pessimistischen Szenario verbleibt die Möglichkeit, angesichts der gesamtwirtschaftliche Aspekte Fracking staatlicherseits zu subventionieren. – Großbritannien könnte hierzu ein Muster abgeben. Da die britische Ölindustrie in der Nordsee bei den gegenwärtigen Preisen unter Druck gerät, soll Schatzkanzler George Osborne “Financial Times” in seiner Budget-Rede im März weitere Steuererleichterungen für die Ölindustrie ankündigen.
Darum!
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24913