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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Wie funktioniert Geschichtsschreibung? Oft per Nachplappern der gängigen, von den Medien geprägten Vorurteile.
Datum: 7. Juli 2007 um 15:14 Uhr
Rubrik: Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Ich habe in den letzten 40 Jahren Politik persönlich miterlebt, ich habe dabei auch intensiv die Meinungsbildungsprozesse in den Medien analysiert und beobachte jetzt schon seit längerem die Geschichtsschreibung zum persönlich erlebten Geschehen. Meine Erfahrung: Die Geschichtsschreibung orientiert sich wesentlich am gängigen Denken und zurrt häufig nur noch das fest, was diese Geschichtsschreiber an gemachter Meinung und auch an Vorurteilen über politische Vorgänge und Personen vorfinden. Ein Musterbeispiel dafür ist der Beitrag des Historikers Wehler in der „Zeit“: „Aus Weimar lernen“. Weiterlesen
Zunächst noch zu Musterbeispielen aus der Vergangenheit:
In den meisten historischen Abhandlungen über Willy Brandt und seine Regierungszeit schlägt sich nieder, was während seiner aktiven Zeit medial vermittelt worden war. Er habe sich auf die Außenpolitik konzentriert, die innenpolitische, insbesondere die wirtschaftspolitische Bilanz sei mager. Willy Brandt sei ein Außenkanzler titelte der „Spiegel“ – nach meiner Erinnerung – 1973 und prägte damit wesentlich die Urteile und auch die Geschichtsschreibung. – Richtig ist, dass seine Regierungszeit auch wirtschafts-, gesellschafts- und rechtspolitisch durchaus erfolgreich war. Die Zuwachsraten der Einkommen sowohl der Unternehmen und Unternehmer als auch vor allem der Arbeitnehmer waren außerordentlich beachtlich. Mit dem Umweltschutz wurde begonnen usw.. Dennoch wird in vielen historischen Abhandlungen das Gegenteil vermittelt.
Der erfolgreichste SPD-Wahlkampf von 1972 sei mit dem Thema Ostpolitik und der starken Personalisierung mit Willy Brandt gewonnen worden. Beides war wichtig, aber entscheidend für die Mobilisierung der Anhänger Brandts und der SPD und damit zugleich auch für die einzigartig hohe Wahlbeteiligung von über 91% war eine offensive Auseinandersetzung mit dem Versuch des großen Geldes, die politische Macht mithilfe von viel Geld und anonymen Gruppen zurückzuerobern. In meinem Buch über den Wahlkampf 1972 habe ich dies belegt. – In den historischen Werken kommt diese Realität in der Regel nicht vor. Die Fakten richtig zu sehen, wäre aber gerade heute wichtig für die Formulierung einer Strategie der Sozialdemokraten wie der politischen Linken insgesamt.
Ähnlich lückenhaft und verfälscht ist die Geschichtsschreibung über den Rücktritt Willy Brandts 1974 und auch zu den Ursachen für das Scheitern Helmut Schmidts im Jahr 1982.
Und jetzt kommt ein Historiker des Wegs, Hans-Ulrich Wehler, und belegt freundlicherweise die These von der Neigung vieler Historiker zur Nachplapperei mit aktuellem Material:
Dem Historiker fällt das alles nicht auf, weil ihn die Realität gar nicht interessiert. Der Transport von eingerasteten Vorurteilen und gängigen Behauptungen in die Geschichtsbücher reicht als Lebensleistung.
Nachtrag:
Im Kontext Sozialdemokratie und Linkspartei sind noch folgende Hinweise von Interesse:
Koch rät Sozialdemokraten zu Becks Abwahl
Die SPD und ihr Vorsitzender Kurt Beck geraten von allen Seiten unter Beschuss. Linken-Chef Oskar Lafontaine macht Beck für “millionenfache Ausbeutung” persönlich verantwortlich. Hessens Ministerpräsident Roland Koch rät der SPD gar, sich einen neuen Vorsitzenden zuzulegen.
Quelle: Spiegel
Die Linke klaut das Erbe der Grünen
Die Linke ist nicht nur die wahre Ökopartei sein. Jetzt soll sie auch noch die Nachfolge der grünen Bürgerrechtspolitik antreten.
Quelle: taz
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