Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK)
Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Charlie Hebdo
- Die Solidarität, die Frankreich wirklich braucht
- Zum CIA-Folterreport ist laut Bundesregierung alles gesagt
- Wir brauchen eine Bewegung gegen die Prekarisierung, nicht gegen die Islamisierung des Abendlandes!
- Die große Aggressionsverschiebung – Über Pegida, diffuse Ängste und die Reaktion der Politik
- Redefining the poor as “terrorists”
- Armutsfalle Mindestlohn
- Wo geht´s hier zur Gerechtigkeit?
- Die Mär vom unpolitischen Hooligan
- Wenn die Krise Kinderopfer fordert
- Approximately 1 Million Unemployed Childless Adults Will Lose SNAP Benefits in 2016
- Sozialdemokratie: Die Mappe des Alfred Dallinger
- Kurzer Abriß der Nationalökonomie
- Die Sozialdemokratie und die Vereinigte Armee von Europa
- Merkels Neujahrsansprache – Ein Verriss
- Meinungsmache: Rente mit 70 – zukunftsweisend für Beschäftigte und Unternehmen
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Charlie Hebdo
- Die Einheitsfront der Zivilisierten
Nach den Anschlägen in Frankreich fordert man von uns, die „westlichen Werte“ gegen die „Barbarei“ zu verteidigen. Eine Verweigerung –
(…)
Die Trauerkampagne nach den Terroranschlägen, bei denen insgesamt 16 Menschen ermordet wurden und drei Angreifer umkamen, hat ein Ausmaß erreicht, das schwer zu überschauen ist. Fußballmanschaften laufen in #jesuischarlie-Trikots auf, Millionen bekunden ihre Solidarität auf der Straße, in den sozialen Netzwerken gibt es kaum ein anderes Thema. Die Anzahl der Artikel und Essays ist schon jetzt unüberschaubar, kaum ein Politiker von Rang hat sich nehmen lassen, das Geschehene zu interpretieren.
Diskutiert wird dabei zumeist entlang einer simplen wie einprägsamen These: Wir alle, unabhängig von Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, Klasse oder sonstigen soziologischen Kategorien müssen uns nun als „Zivilisierte“ gegen die „Barbarei“ zur Wehr setzen. Feind wie Freund haben klare Züge. Freund ist, wer die „westlichen Werte“ achtet, Freiheit und Demokratie. Feind ist der islamistische Dschihadist, der Fanatisierte, der loszieht, um Andersgläubige abzuschlachten. Dieser Narrativ, so sehr auch darauf geachtet wird, dass Widerspruch ausbleibt, hat seine Probleme und ist in hohem Maße schwachsinnig.
Das sollte einem eigentlich schon bei einem kurzen Blick auf jene Gestalten auffallen, die uns nun dazu aufrufen, mit ihnen „einig“ zu sein. Sollen wir „einig“ sein mit Ahmet Davutoglu, der einer Regierung vorsteht, die die Islamisierung der Türkei seit Jahren vorantreibt und syrische Islamisten aufgerüstet und unterstützt hat? Mit Petro Poroschenko, der einen schmutzigen Krieg unter Beteiligung neonazistischer Milizen in der Ostukraine führt? Mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der uns im Bild-Interview aufruft, „unsere Werte der freien und offenen Gesellschaft (zu) verteidigen“?(…)
Genau auf diesen Zweck verweisen die Forderungen, die nun aufkommen. Und die Forderungen, die nicht aufkommen. Man fordert nicht, das Terrorunterstützerland Türkei zu zwingen, seinen internen und externen Islamisierungskurs aufzugeben und aufzuhören, säkulare und linke Aktivisten zu drangsalieren. Man fordert auch keinen Stopp von Waffenexporten, noch nicht einmal einen Stopp von Waffenexporten an die Wahabiten-Diktatur Saudi-Arabien, die mit der Verbreitung exakt jener Ideologie befasst ist, die die dschihadistischen Terroristen antreibt. Man überlegt nicht, was ungleiche ökonomische Entwicklung und imperialistischer Krieg beigetragen haben zum Entstehen des dschihadistischen Terrorismus. Ja, man stellt nicht einmal die naheliegende Überlegung an, dass es vielleicht sinnvoll wäre, Bewegungen wie die kurdische PKK, die schon länger gegen IS und Konsorten kämpfen, von den diversen Terrorlisten zu streichen.(…)
Aber, so werden einige sagen, relativiert das alles nicht die grausamen Taten der Mörder von Paris? Nein. Die Verweigerung, sich in die Einheitsfront der vermeintlich Zivilisierten einzureihen, verharmlost nicht den Terror von Paris, sondern beendet die Verharmlosung des Terrors der „Zivilisierten“.
Quelle: Hintergrund
- Verratene Prinzipien und Ideale
Die Meinungsfreiheit, wurde in den vergangenen Tagen hundertfach geschrieben, ist tragende Säule des demokratischen Rechtsstaates. Als eine der wichtigsten Errungenschaften der Aufklärung muss sie mit aller Konsequenz verteidigt werden. Deshalb sind wir alle Charlie.
Und doch hat es etwas Heuchlerisches, wenn hohe Politiker, mächtige Wirtschaftsvertreter und Strippenzieher plötzlich JeSuisCharlie-Twitter-Meldungen versenden, aber gleichzeitig aufmüpfige Journalisten mit Klagen eindecken und Gesetze verschärfen, die kritische Stimmen mundtot machen und unbequeme Whistleblower hinter Gitter bringen. Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg sind derzeit viele Fälle hängig, in denen die Meinungsfreiheit tangiert ist. Eine beklemmend große Anzahl stammt dabei aus der Schweiz. Das sollte uns zu denken geben.
«Charlie Hebdo» ist eine Ausnahmeerscheinung im publizistischen Universum. Die allermeisten Medien sind bei weitem nicht so frei, wie sie jetzt tun. Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie oft nur dort wirklich frei sind, wo sie wenig bis nichts zu befürchten haben. Das ist nicht nur bei religiösen Karikaturen so, sondern in fast allen Bereiches des Journalismus, in der Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.
Quelle: Schweiz am Sonntag
Dagegen
- Angriff auf Presse und Wohlstand
Die freie Presse steht unter Feuer. Selten sind die Angriffe so monströs wie der mörderische Anschlag auf das Pariser Satireblatt “Charlie Hebdo” diese Woche. Doch auch anderswo verlieren Pressemitarbeiter ihr Leben, werden zu Tausenden eingesperrt, bedroht, entführt, getötet. Es sind Angriffe auf die Freiheit und, das mag überraschen, auch auf den Wohlstand.
Der Westen immerhin scheint für den Moment im Schock geeint: Wir sind Charlie, natürlich. Zu bedrohlich ist der Angriff auf Menschlichkeit und Meinungsfreiheit, als dass er uns ungerührt ließe. Aber man darf sich nichts vormachen: Die Presse und ihre Freiheit genießen keinen übermäßig großen Rückhalt in der Bevölkerung. 49 Prozent der Franzosen und 73 Prozent der Briten gaben in der aktuellen Eurobarometer-Umfrage an, sie misstrauten der Presse; der Vergleichswert für Deutschland liegt auch immerhin bei 45 Prozent.
Eine offenbar wachsende Subkultur hält die “Systemmedien” für ferngesteuerte Vehikel einer großen Verschwörung, wie der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen vergangene Woche im SPIEGEL analysierte.
Quelle: SPON
Anmerkung JK: Man mag die Wortwahl vor dem Hintergrund der Morde in Paris für unangemessen halten, aber Verlautbarungen wie diese fangen an mich in ihrer Heuchelei anzuwidern. Der bzw. die Verfasser – man fand in den vergangenen Tagen praktisch in jeder “Qualitätszeitung” ähnlich lautende Statements – versuchen dabei die ermordeten Redakteure von Charlie Hebdo gegen die in der letzten Zeit immer stärker werdende Medienkritik zu instrumentalisieren und machen deutlich, dass es ihnen um Meinungsvielfalt und -pluralität am aller wenigsten geht. Wer ein aufmerksamer Leser der NachDenkSeiten ist kann nachvollziehen wie wenig ernst gemeint diese Bekenntnisse zur “Freiheit des Wortes” in der Vergangenheit waren.
Natürlich kann man sich nicht wünschen, dass in Deutschland politische Verhältnisse Einzug halten, wobei all die Schreibtischtäter, die nun plötzlich ihre Liebe für die Freiheit des Wortes und des Bildes entdeckt haben wollen, diese wirklich unter Beweis stellen müssten. So fällt einem dazu nur noch ein Heinrich Heine zugeschriebene Bonmot ein: “Der Knecht singt gern ein Freiheitslied des Abends in der Schenke: Das fördert die Verdauungskraft Und würzet die Getränke.”
Dazu:
- Mit Zauberlehrlingen in einem Boot
«Jyllands-Posten» hat 2005 Geister gerufen, welche die Zeitung seither nicht mehr loswurde. Schon vor dem Pariser Attentat hat der Karikaturenstreit Dutzenden von Menschen das Leben gekostet – nicht in Dänemark, sondern zumeist in mehrheitlich muslimischen Ländern, wo der Mob Angehörige der christlichen Minderheit für die Karikaturen verantwortlich machte, die er als Schmähung des Propheten empfand. Das war die Tat fanatisierter Mörder, und sie können ihre Verantwortung dafür auf niemanden abschieben.
Gleichwohl: Ohne die dänischen Karikaturen würden diese Unschuldigen noch leben. Waren sie die unvermeidlichen Opfer, die man in einem Krieg gegen den Terror und für die Pressefreiheit in Kauf nehmen muss? Die Pressefreiheit ist weder in Dänemark noch in Frankreich grundsätzlich gefährdet, wohl aber in vielen Ländern, in denen die Opfer solcher «Racheakte» lebten – oft zugleich Opfer der Desinformation, der ihre Mörder folgten. In diesen Gesellschaften und für diese ist der Kampf für die Meinungs- und Pressefreiheit zu führen.
Ist es dabei hilfreich, die Gefühle der dortigen Gläubigen zu verletzen, die zum allergrößten Teil keine Gewalttäter sind? Eher sollte man die Mörder isolieren, ihnen möglichst wenig Vorwände zugestehen, dank denen sie sich zu Vertretern einer gemeinsamen, muslimischen Sache stilisieren. Unnachgiebige Verteidigung von Grundwerten gegen die Gewalt muss sich dabei paaren mit pragmatischer Rücksichtnahme auf Empfindlichkeiten derer, die gewaltfrei nach einem angemessenen Platz in der Öffentlichkeit suchen.
Quelle: NZZ
Anmerkung JK: Der Beitrag stellt einige verschobene Betrachtungsweisen wieder richtig. Weder in Frankreich noch in Deutschland ist die Presse- und Meinungsfreiheit direkt gefährdet. Jedenfalls nicht durch durchgedrehte Killer. Dafür unmittelbarer und direkter durch die Totalüberwachung der NSA. Umso verlogener und zynischer ist das aufgeregte Gehabe der deutschen Journalisten, die gerade so tun als ob sie sich nicht mehr auf die Straße trauen könnten und sich angesichts zunehmender und berechtigter Kritik an ihrer Arbeit nun als einsame Kämpfer für die Meinungsfreiheit inszenieren.
- Wettstreit der Dschihadisten
- Die seit vielen Monaten laufende Auseinandersetzung zwischen al-Qaida und IS könnten schnell in einen mörderischen Wettlauf ausarten.
- Bisher waren Anschläge im Westen das Markenzeichen von al-Qaida. Doch IS beanspruchen inzwischen ganz offen, weltweit den Dschihad anzuführen…
Ob die Attentäter von Paris überhaupt einer der beiden Terrororganisationen zugerechnet werden können, ist nicht klar. Es gibt nur Indizien, keine Belege. Vor dem Überfall auf die Charlie-Hebdo-Redaktion sollen sie sich als Gefolgsleute von al-Qaida ausgegeben haben, ebenso wie später in einem Telefonat mit einem französischen Fernsehsender; auch soll einer der beiden Mörder von einer Qaida-Einheit im Jemen ausgebildet worden sein. Aber es war der IS, der die Henker als “heroische Dschihadisten” lobte. Und ein IS-Prediger soll beim Freitagsgebet im irakischen Mossul gesagt haben: “Wir haben mit der Operation in Frankreich begonnen, für die wir die Verantwortung übernehmen.” Das Bekenntnis zum Massenmord muss nicht stimmen…
Die beiden Dschihadistengruppen sind Rivalen…
Der bizarre Bruderkrieg in der Dschihad-Szene macht die Sicherheitsbehörden nervös. Die seit vielen Monaten laufende Auseinandersetzung zwischen den beiden Organisationen, so befürchten sie, könnte schnell in einen mörderischen Wettlauf ausarten, in dem IS und al-Qaida mit möglichst spektakulären Anschlägen im Westen um die Vorherrschaft wetteifern könnten…
Quelle: SZ
Und:
- Zum gestrigen Beitrag von Albrecht Müller erreichte uns folgender Leserbrief:
Sehr geehrter Herr Müller,
so sehr ich Ihre Bestandsaufnahme Punkt 1-9 teile, so wenig vermag ich der etwas resignierenden Konklusion zu folgen, die Möglichkeiten zur Sozial- und Medienkritik seien durch die eindrucksvolle Sonntags-“Manifestation” in Frankreich um Jahre zurückgeworfen worden.
Schon gestern äußerten sich etliche Demonstrationsteilnehmer in Paris peinlich berührt über jene staatstragenden Persönlichkeiten – vom malischen Präsidenten bis zum ungarischen Ministerpräsidenten, die sich da tv-gerecht “coude-à coude” in der ersten Reihe platzierten. Noch peinlicher die Anwesenheit von Nicolas Sarkozy, einem Hauptverantwortlichen (Stichwort “Kärcher”) der zunehmenden Radikalisierung in den Pariser Banlieues der vergangenen Jahre. Zu Recht bleibt der Ex-Präsident und Präsidentschaftskandidat in spe bis heute eines der satirischen Lieblings-“Opfer” der “Canard-enchaîné”- und “Charlie Hebdo”-Zeichner. So gesehen hätte auch die Anwesenheit Marine LePens die Absurdität jenes “coude-à-coude” schlimmstenfalls unterstrichen.
Da dies gewiss von vielen ebenfalls so empfunden und verstanden wurde, bleiben – so denke ich – die nachdenklicheren Zeitgenossen ziemlich unberührt von dem Gefühl eines emotionalen “Schulterschlusses” mit den aktuell Mächtigen. Die kritischen Grundpositionen wie auch jene aktuellen Gefährdungen und Verwerfungen, die Sie unter Punkt 7 aufgelistet haben, bleiben ja dieselben. Ohne Überspitzung lässt sich feststellen, dass sich die Mächtigen im Grunde wie die Pawlow’schen Hunde verhalten haben: Was anderes als die Zurschaustellung jener abgenutzten “Wertegemeinschaft” samt inkludiertem Innenministertreffen, programmierter Stärkung der Geheimdienste und weiterem Abbau von Freiheitsrechten war denn von dieser gegenwärtigen Führungselite Europas zu erwarten. Dass die Zusammenhänge der aktuellen Anschläge (sprich: das Abdriften von chancenlosen Einwandererkindern in den Radikalismus) mit einer verfehlten Integrations- und Sozialpolitik von in fast allen Medien unerwähnt blieben, überrascht im Übrigen ebenso wenig.
Für Nachdenkseiten & Co heißt es also: Weitermachen wie bisher – es lohnt sich! Von Frédéric Vester ist mir ein Satz in Erinnerung geblieben: “Wer einmal damit begonnen hat, vernetzt zu denken, der kann nicht mehr damit aufhören!”
- Die Solidarität, die Frankreich wirklich braucht
„Je suis Charlie“ haben viele in der vergangenen Woche gesagt und sie haben Schilder mit diesen Worten hochgehalten, um ihre Solidarität mit einem Land zu bekunden, in dem es zu einem schrecklichen Attentat auf den unabhängigen Geist und die freie Meinungsäußerung gekommen ist. Auch in Deutschland haben Politiker aller Parteien bekundet, jetzt käme es darauf an, an der Seite Frankreichs zu stehen. Befürchtungen gibt es auch allenthalben, das Attentat könne dem Front National weiteren Zulauf verschaffen, der sich am rechten Rand des Parteienspektrums als Gegner Europas und der ungehinderten Zuwanderung positioniert.
Das alles ist gut und schön, aber es ist viel zu wenig. Viel wichtiger in seinen Auswirkungen auf die Zukunft Frankreichs als dieses Attentat ist die wirtschaftliche Attacke, die aus Richtung Deutschland seit Jahren gegen Frankreich geritten wird. Haben sich die deutschen Politiker, die Frankreich abgeurteilt und französische Politiker pauschal als „Defizitsünder“ bezeichnen haben, jetzt wenigstens entschuldigt? Haben große Teile der deutschen Presse, die sich in den vergangenen Monaten die Freiheit gegönnt hatte, Frankreich niederzuschreiben (hier haben wir anlässlich eine Spiegel-Online Artikels darüber berichtet), inzwischen ihre unberechtigten Angriffe bedauert? Nein, der Front National ist in den Europawahlen nicht wegen der vermeintlichen Islamisierung zur stärksten Partei geworden, sondern weil unter der Regie Deutschlands ein Europa im Entstehen begriffen ist, das Frankreichs Politik und seinen Freiheitswillen brüskiert und mit unsinnigen Politikempfehlungen das Land in seinem Innersten erschüttert. Und ich fürchte, dass fast alle, die heute drei Worte in Französisch sagen können, ab morgen wieder auf dem hohen deutschen Ross sitzen.
Quelle: Flassbeck Economics
Anmerkung JK: Chapeau! Herr Flassbeck! Chapeau!
- Zum CIA-Folterreport ist laut Bundesregierung alles gesagt
Obwohl der CIA-Folterreport seit vier Wochen veröffentlicht ist, ist die Bundesregierung äußerst zurückhaltend, was die Bewertung angeht. Der Bundespräsident schweigt gleich gänzlich. Telepolis bat den Bundespräsidenten um eine Stellungnahme und stellte der Bundesregierung einige Fragen. Weder gab es eine Stellungnahme, noch wurde eine einzige Frage angemessen beantwortet. Selten wurde die Doppelmoral des westlichen Wertebündnisses bei Menschenrechtsverbrechen deutlicher.
“In den Regierungspressekonferenzen von Dezember 2014 und Januar 2015 ist zu dem Themenkomplex seitens der Bundesregierung ausführlich und deutlich Stellung genommen worden. Auch im Namen von Bundeskanzlerin Merkel hat dort Staatssekretär Seibert wiederholt betont, dass Folter nie und durch nichts zu rechtfertigen ist. Darüber hinaus hat sich der Untersuchungsausschuss der 16. Legislaturperiode mit den Themen Ihrer Anfrage befasst. Der Abschlussbericht aus dem Jahr 2009 gibt darüber umfassend Auskunft”, teilte ein Regierungssprecher Telepolis auf eine Anfrage zum Folterreport mit.
Diese Antwort soll den umfassenden Fragen offensichtlich gerecht werden. Die Bundesregierung pflegt demnach ein sehr eigentümliches Verständnis von “ausführlich” und “deutlich”. Beim Bundespräsidenten sieht es nicht besser aus, dort sah man sich nicht in der Lage eine Stellungnahme abzugeben. Regierungssprecher Seibert bringt es auf der Regierungspressekonferenz vom 5. Januar auf den Punkt: “Zu diesem ganzen Komplex ist hier aus Sicht der Bundesregierung ja nun schon alles gesagt worden.”
Quelle: heise.de
- Wir brauchen eine Bewegung gegen die Prekarisierung, nicht gegen die Islamisierung des Abendlandes!
Das Jahr 2015 wird große Herausforderungen an uns stellen: In Europa wird jede Chance auf Entwicklung kaputt gespart. Militarisierung und Rechtspopulismus haben Aufwind. Die Gewaltspirale dreht sich weiter. Nicht nur in Frankreich steht man unter dem Eindruck schrecklicher terroristischer Anschläge. In Deutschland nimmt Großmachtdenken wieder zu und die Schere zwischen Arm und Reich klafft weit auseinander.
Und in Dresden versammeln sich wöchentlich Tausende, um gegen Migrant*innen zu demonstrieren. Diese Demonstrationen sind Ausdruck eines Kulturkampfes von rechts. Der Menschlichkeit, dem Gedanken der Gleichheit aller – ganz unabhängig von Herkunft und von Geschlecht – wird durch Pegida, AFD und Co. der Kampf angesagt. Pegida kommt daher mit der Haltung, das muss man ja mal sagen dürfen. Als ob so viel Mut dazu gehören würde, rassistische Vorurteile zu bedienen! Und als ob die brutale Abschottung Europas nicht längst die Politik einer ganz großen Koalition wäre!
Bei den Debatten um Pegida taucht immer wieder eine Frage auf: Gibt es berechtigte Sorgen, die die Politik aufgreifen sollte?
Nun, es gibt berechtigte Sorgen. Die soziale Spaltung in diesem Land nimmt zu. Immer mehr Menschen sind von Altersarmut bedroht. Existenzangst greift um sich. Und wo Existenzangst zunimmt, verschärft sich das gesellschaftliche Klima. Es wird nach unten getreten, nicht nach oben.
Quelle: Katja Kipping
- Die große Aggressionsverschiebung – Über Pegida, diffuse Ängste und die Reaktion der Politik
Die Mehrheit der Demonstranten wird offenbar wahrgenommen als „die kleinen Leute“ mit diffusen Ängsten, Sorgen und Nöten. Pädagogischer Umgang mit ihnen soll helfen. Man verspricht, sie ernst zu nehmen. Dieses Herangehen kritisiert der Politologe Werner J. Patzelt: „Was als Fremdenfeindlichkeit daherkommt, entpuppt sich als sozialer Konflikt. Bei ihm steht die auf ihre Bildung und Humanität stolze Oberschicht gegen das einfache Volk, das sich anscheinend lümmelhaft aufführt und deshalb Zurechtweisung und Belehrung seitens der besseren Kreise verdient.” (2) Oder anders: Die gesellschaftliche Schicht, die sich wegen ihres überdurchschnittlichen Einkommens Bildungsnähe nachsagt, meint, eine erzieherische Aufgabe wahrnehmen zu müssen. Mit der Bildungsnähe allerdings hat es seine besondere Bewandtnis. Denn der Leistungsträger, der Techniker des praktischen Wissens, hat mit seiner Halbbildung den klassischen Bildungsbürger des 18. Jahrhunderts ersetzt. Beredter Ausdruck dieser Halbbildung sind die „Bildungsinvestitionen“. Sie begrenzen die Bildung auf ihre berufliche Verwertbarkeit, auf das, was Unternehmen nachfragen. Die in dieser Weise ökonomisierte Gesellschaft ist, so die Forschungsgruppe um den Bielefelder Erziehungswissenschaftler Heitmeyer, der Nährboden für elitär motivierte Menschenfeindlichkeit. (3) Herausgebildet habe sich ein „entkultiviertes Bürgertum“, „eine rabiate Mittelschicht“. Sie übernimmt zunehmend die Meinungsführerschaft. Es wundert demnach nicht, wenn ein entkultiviertes Bürgertum auf die „kleinen Leute“ und diese wiederum (viel Auswahl bleibt ihnen nicht) auf die Muslime abschätzig herabsehen.
Der Neonazi-Verdacht reicht für sich genommen nicht aus, um die Pegida-Demonstrationen zu begreifen. Was veranlasst so viele Leute, sich diesen anzuschließen? Ist es wirklich einfach die Ablehnung des Islam? Wie sind die gelegentlichen Wahlerfolge der NPD in Sachsen zu erklären? Sind die Wähler einfach nur Faschisten oder was bewegt sie im Grunde? Und was sind die Motive, die AfD zu wählen?
Quelle: Hintergrund
- Redefining the poor as “terrorists”
In 1997, a group of American neo-conservatives (neocons) established a think-tank known as the Project for the New American Century (PNAC). Its goal was world dominance by the USA. Its members formed the rump of the Bush administration that came to power in 2000, with at least 18 of them being appointed to key positions in the George W. Bush administration.
In September 2000, just four months before Bush took office as President, the PNAC published a report called Rebuilding America’s Defenses: Strategy, Forces and Resources for a new Century. It was devoted to matters of maintaining US pre-eminence, thwarting rival powers and shaping the global security system according to US interests. Section V of the report, entitled “Creating Tomorrow’s Dominant Force”, included the clumsily-written sentence: “Further, the process of transformation, even if it brings revolutionary change, is likely to be a long one, absent some catastrophic and catalyzing event––like a new Pearl Harbor”.
There are many theories regarding 9/11. What is certain is that it amply served the function of this “new Pearl Harbour”, presenting the neocons, who now effectively controlled the Pentagon and many of the other high reaches of the US Administration, with the opportunity that they sought. The launch of a Global War on Terror (GWOT) was the ideological means necessary to secure the militarization of those regions, such as Africa, that US imperial interests required. Indeed, Deepak Lal, Economic Advisor to the World Bank, and an economist closely associated with US conservative think-tanks, said that the GWOT could be seen as “merely an extension of defending the capitalist market”.
Quelle: opendemocracy
- Armutsfalle Mindestlohn
Am 1. Januar 2005 trat das „Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ – besser bekannt unter dem Kürzel „Hartz IV“ – in Kraft. Auf den Tag genau zehn Jahre später führt die schwarz-rote Koalition nun endlich ein, was Kritikerinnen und Kritiker von Beginn an gefordert hatten – einen gesetzlichen Mindestlohn. Das „Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns“, kurz: Mindestlohngesetz (MiLoG), taucht nicht ohne Grund bereits in Artikel 1 des von Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles durchgesetzten „Tarifautonomiestärkungsgesetzes“ auf. Schließlich stellt es wohl dessen Kernbestandteil dar.
Weil dieser Mindestlohn nicht sofort für alle Branchen gilt und zudem bei einer Höhe von lediglich 8,50 Euro pro Stunde liegt (das entspricht einem Bruttolohn von 1280 Euro bei Vollzeiterwerbstätigkeit), sieht mancher darin allerdings keinen wirksamen Mechanismus zur Armutsbekämpfung. Zudem gibt es zahlreiche Ausnahmetatbestände bzw. Übergangsbestimmungen, die das sozialdemokratische Renommierprojekt zweifelhaft erscheinen lassen. Umso mehr stellt sich die Frage, ob und was der Mindestlohn an den fatalen Auswirkungen des mit dem Namen von Peter Hartz verbundenen Gesetzespaketes ändert – oder ob es sich dabei letztlich um bloße Reformkosmetik handelt. Damit aber ist man im Zentrum der Debatte angelangt, nämlich bei der Kardinalfrage, was wirklich hinter der Chiffre „Hartz IV“ steckt.
Hartz IV bedeutet einen Paradigmenwechsel im deutschen Wohlfahrtsstaat – von der Lebensstandard- zur bloßen Existenzsicherung.[1] Das primäre Ziel war eine weitere Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ durch systematisches Lohn- und Sozialdumping.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Wo geht´s hier zur Gerechtigkeit?
Mit der Umverteilung von Unten nach Oben müsse endlich Schluss sein – diese Forderung erhob dieser Tage nicht etwa Sahra Wagenknecht in einer Talk Show oder ein Gewerkschaftsführer in einer Betriebsversammlung, sondern die OECD, die internationale Wirtschaftsorganisation der führenden Industriestaaten. […]
All das ist nicht neu. Und ebenso wenig neu ist, dass die Bürger das als Problem sehen. Schon vor 15 Jahren ergab eine Allensbach-Studie, dass die Mehrheit der Deutschen findet, dass es nicht mehr gerecht zugeht.
Wenn aber praktisch jeder weiß, dass der heutige Grad ökonomischer Ungleichheit wirtschaftlich schädlich ist und die Mehrheit der Bürger zudem längst begriffen hat, dass es nicht gerecht zugeht – warum wird dann aber eigentlich nichts daran geändert? Warum wird Deutschland dann weiter immer ungleicher? Warum ist dann auch nicht abzusehen, dass sich daran etwas ändern könnte?[…]
Gleichzeitig wird seit Jahren Lohnzurückhaltung gepredigt, worauf sich der scheinbare “wirtschaftliche Erfolg” des “Exportweltmeisters” Deutschland begründet. Darüber ist man in Deutschland ja allgemein glücklich ist, was aber nichts anderes heißt als: Die Leute hier sind stolz darauf, weniger zu verdienen als ihre Nachbarn.
Höhere Löhne in den niedrigen Einkommenssegmenten können aber nur bedingt durch Wirtschaftspolitik begünstigt werden: Am besten durch eine Wirtschaftspolitik, die annähernde Vollbeschäftigung schafft und damit die Verhandlungsposition von Arbeitnehmern stärkt (davon sind wir weit entfernt); und zweitens durch eine großzügige Sozialgesetzgebung, die Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger mit üppigen Lohnersatzleistungen ausstattet, da die untersten Einstiegsgehälter am Arbeitsmarkt immer niedriger sein werden, je schlechter die Transferbezieher gestellt sind. Insofern hat aber die Hartz-Gesetzgebung nicht nur die Lage der Arbeitslosen verschlechtert, sondern auch die der niedrigen Gehaltsempfänger. Nur wissen das die wenigsten Bezieher niedriger Einkommen – sie finden es sogar gerecht, dass jemand, der nicht arbeitet, deutlich weniger bezieht als sie selbst, schneiden sich mit einer solchen Haltung aber ins eigene Fleisch.
Quelle: Robert Misik
- Die Mär vom unpolitischen Hooligan
Die Krawalle auf der Kölner Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) am 26. Oktober 2014 bestimmten tagelang die mediale Berichterstattung. Unter der Losung „In den Farben getrennt, in der Sache vereint“ mobilisierte die Hogesa rund 4500 Hooligans, Rocker, Neonazis und sonstige Sympathisanten auf den Breslauer Platz vor dem Kölner Hauptbahnhof, vorgeblich, um gegen radikale Islamisten zu protestieren. Die Bilanz von 45 verletzten Polizisten, zahlreichen Sachbeschädigungen sowie bedrohten Journalisten dokumentiert eindrucksvoll das Gewaltpotential der Hogesa. Bereits im Vorfeld warnten antifaschistische Gruppen vor einem der größten neonazistischen Aufmärsche im Westen der Bundesrepublik seit Jahren.[1]
Die Kampagne der Hogesa zeigt, dass Teile der gewaltaffinen Fußballsubkultur auf eine Ausweitung der Kampfzone drängen – jenseits ihres klassischen Terrains, nämlich des Stadions, sowie von „Wald und Wiese“ als Austragungsorte organisierter Massenschlägereien, die auch als „dritte Halbzeit“ bezeichnet werden. Auch wenn die Hogesa in ihrer jetzigen Variante nur eine „temporäre Kampfgemeinschaft“[2] bleiben wird, ist sie Ausdruck einer noch nicht abgeschlossenen und explizit politisch ausgerichteten Neuformierung der Hooligans. Sie als „unpolitisch“ zu charakterisieren, vermehrt nur die Mythen dieser nach rechts offenen Fanszene.
Vor diesem Hintergrund waren die ersten offiziellen Reaktionen auf die Demonstration der Hogesa bemerkenswert eindimensional. Hans-Georg Maaßen, Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bezeichnete Hooligans als zum „größten Teil politisch indifferent“. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas strapazierte in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ zunächst die üblichen Klischees: „Hooligans sind nicht politisch. Hooligans sind asozial. Sie treffen sich zum Prügeln, und sie trinken viel dabei.“
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Wenn die Krise Kinderopfer fordert
Das Gesundheitssystem wurde auch in Griechenland das Opfer der Finanzkrise. Der Staat hat unter dem Druck der Troika die öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen drastisch gekürzt. Auch wenn es die griechische Gesundheitspolitik nicht wahrhaben will: arbeitslose, unversicherte und mittellose Griechen können sich medizinische Behandlung nicht mehr leisten.
Manche Krankenhäuser setzen sich über die Budgetknappheit hinweg und behandeln diese Menschen, die sich eine medizinische Behandlung nicht leisten können. Allen voran das Krankenhaus Elpis, das älteste Krankenhaus in Athen. Aber die Lage wird mit jedem Tag prekärer, die Versorgung
mit Medikamenten und medizinischer Ausrüstung ist völlig unzureichend. Dringend nötige Operationen müssen wegen fehlender Narkose- und Schmerzmittel verschoben werden. Nicht selten operieren die Ärzte und Schwestern und Krankenhaus-Chef Theordoros Giannaros gratis, die Angehörigen besorgen privat die nötigen Medikamente für die Patienten. Das Hospital Elpis wird seinem Namen, der auf Deutsch „Hoffnung“ bedeutet, gerecht.
Quelle: Griechenlandhilfe
Anmerkung JK: Hier die Frage: gehören die griechischen Bürger nicht zur jetzt in Paris beschworenen europäischen Wertegemeinschaft? Gilt für sie nicht das Recht auf Leben und freie Entfaltung, gelten grundlegenden Menschenrechte dort nicht?
Zur Anschauung der Artikel 25 der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948
Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.
- Approximately 1 Million Unemployed Childless Adults Will Lose SNAP Benefits in 2016
Roughly 1 million of the nation’s poorest people will be cut off SNAP (formerly known as the Food Stamp Program) over the course of 2016, due to the return in many areas of a three-month limit on SNAP benefits for unemployed adults aged 18-50 who aren’t disabled or raising minor children. These individuals will lose their food assistance benefits after three months regardless of how hard they are looking for work.
One of the harshest pieces of the 1996 welfare law, this provision limits such individuals to three months of SNAP benefits in any 36-month period when they aren’t employed or in a work or training program for at least 20 hours a week. Even SNAP recipients whose state operates few or no employment programs for them and fails to offer them a spot in a work or training program — which is the case in most states — have their benefits cut off after three months irrespective of whether they are searching diligently for a job. Because this provision denies basic food assistance to people who want to work and will accept any job or work program slot offered, it is effectively a severe time limit rather than a work requirement, as such requirements are commonly understood. Work requirements in public assistance programs typically require people to look for work and accept any job or employment program slot that is offered but do not cut off people who are willing to work and looking for a job simply because they can’t find one.
The loss of this food assistance, which averages approximately $150 to $200 per person per month for this group, will likely cause serious hardship among many. Agriculture Department (USDA) data show that the individuals subject to the three-month limit have average monthly income of approximately 19 percent of the poverty line, and they typically qualify for no other income support.
Quelle: Center on Budget and Policy Priorities
Dazu passt: Höchster Luxus-Wolkenkratzer der Welt
432 Park Avenue, eine Adresse als Programm: Hier steht, noch unbewohnt, das höchste, teuerste und luxuriöseste Wohnhaus der Welt – ein atemberaubend-groteskes Luftschloss für Millionäre und Milliardäre.
Seit 2012 wächst es empor, das 1,3 Milliarden Dollar teure Lebenswerk des exzentrischen Immobilienunternehmers Harry Macklowe, 77 – seine “Mona Lisa”, wie er beim Richtfest im Oktober prahlte. Seither überragt das Dach von 432 Park Avenue das Dach des Empire State Buildings (um 45 Meter) und sogar das des neuen World Trade Centers (um neun Meter). 426 Meter Protz und Prunk – der höchste Stalagmit der Skyline.
Auf dem überdrehten Wohnungsmarkt Manhattan ist 432 Park das bisher schamloseste Monument eines neuen Gilded Age, ein Fanal dafür, wie tief die Kluft zwischen Haben und Nichthaben mittlerweile ist. In den USA nämlich so tief wie seit drei Jahrzehnten nicht. “Das Haus, das die Ungleichheit erbaute”, schämt sich selbst das Millionärsblatt “Forbes”.
Erdacht von einem New Yorker Immobilienhai, entworfen von einem südamerikanischen Stararchitekten, finanziert von US-israelischen Investoren: 432 Park ist Produkt und zugleich Symbol einer globalen Elite, die Residenzen sammelt wie Kunst. Dies sind nicht die ein Prozent – dies sind die 0,1 Prozent: Oligarchen, Mogule, die letzten Aristokraten.
Quelle: SPON
- Sozialdemokratie: Die Mappe des Alfred Dallinger
Die Idee, die da mit dem österreichischen Sozialminister Alfred Dallinger am 23. Februar 1989 vor dem schweizerischen Ort Rorschach untergegangen ist, war eine letzte, beinahe schon verzweifelte Aufwallung sozialdemokratischen Wollens, den Kapitalismus innerhalb seiner selbst an die Kandare des Gemeinsinns zu nehmen. Es waren rührend punktuelle Maßnahmen, die Dallinger da in seiner Agendamappe mit sich führte, keineswegs jene revolutionäre Totalität, als die sie seit Jahren schon verteufelt wurden.
Eine maßvolle Arbeitszeitverkürzung sollte mithelfen, das wiedererwachte Gespenst der Massenarbeitslosigkeit zu bannen. Und die Umstellung der Finanzierung des Sozialsystems von einer Arbeitsplatz- auf eine Wertschöpfungsabgabe – “Maschinensteuer” wurde das genannt im politischen Wettbewerb – sollte die schon mit Händen zu greifende Schieflage der Gesellschaft wieder geraderücken. Deutsche und französische Gewerkschaften bastelten schon an entsprechenden Kampagnen. Es war also nicht ganz absurd, anzunehmen, dass das alles auf einen klassischen Sozialkompromiss hinauslaufen würde. 1989 galt es im westlichen Europa ja noch als ausgemacht, dass die Politik die Wirtschaft reiten solle.
Im Jahr 1983 hatte der deutsch-britische Soziologe und liberale Politiker Ralph Dahrendorf das Ende der Sozialdemokratie verkündet. Seine These war es, dass sozialdemokratische Weltanschauungen – “Wachstum, Gleichheit, Arbeit, Vernunft, Staat, Internationalismus” – so allgemein sich durchgesetzt hätten, dass der Kampf darum quasi vorgestrig, weil einer um des Kaisers Bart sei. Eine interessante These, ohne Zweifel, aber zutreffend nur deshalb, weil die Sozialdemokraten als Einzige wirklich daran glaubten und sich daran hielten.
Eine der schmerzlichsten Konsequenzen dieses Übermuts wird bis heute kaum besprochen, und doch wird sich an ihr das Schicksal Europas entscheiden. Denn in jener Zeit, da die Sozialdemokraten das Feld der Politik zugunsten der sogenannten Marktkräfte räumten, geschah im Osten des Kontinents die Transformation zur Demokratie. Deren ursprüngliches ökonomisches Ziel war der Kapitalismus light in Form einer sozialen Marktwirtschaft, Wohlstand für alle, und das unter parlamentarisch-demokratischen, insgesamt humanistisch fundierten Bedingungen. Auf Dahrendorfisch also: Wachstum, Gleichheit, Arbeit, Vernunft, Staat, Internationalismus. Stattdessen kam es nun – ohne jedweden Einspruch – im Osten Europas zum größten Eigentümerwechsel der Geschichte, der in weiten Bereichen einem schlichten Raubzug glich. Man war auf Beute aus.
Dass der ökonomische Umbau schmerzlos sein würde, hat wohl nicht einmal der größte Optimist vermutet. Dass er allerdings so brutal über die Menschen kommt, verdankt sich dem großflächigen Versagen der Sozialdemokratie, die der jetzt erst richtig einsetzenden Globalisierung nicht bloß keine Zügel anlegte, sondern das zu tun nicht einmal mehr in Erwägung zog. Der gesamte europäische Osten wurde quasi von heute auf morgen in eine echte Zweidrittelgesellschaft verwandelt.
Quelle: der Standard
- Kurzer Abriss der Nationalökonomie
Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben. Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenschaftlichen Gründe, doch können solche durch eine Notverordnung aufgehoben werden.
Über die ältere Nationalökonomie kann man ja nur lachen und dürfen wir selbe daher mit Stillschweigen übergehn. Sie regierte von 715 vor Christo bis zum Jahre nach Marx. Seitdem ist die Frage völlig gelöst: die Leute haben zwar immer noch kein Geld, wissen aber wenigstens, warum.
Die Grundlage aller Nationalökonomie ist das sog. ›Geld‹. (…)
Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andre werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. ›Stützungsaktion‹, bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, dass die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr. (…)
Zusammenfassend kann gesagt werden: die Nationalökonomie ist die Metaphysik des Pokerspielers.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben, und füge noch hinzu, dass sie so gegeben sind wie alle Waren, Verträge, Zahlungen, Wechselunterschriften und sämtliche andern Handelsverpflichtungen –: also ohne jedes Obligo.
Quelle: Das Blättchen
- Die Sozialdemokratie und die Vereinigte Armee von Europa
Ende 2014 wurde in der Presse über ein Positionspapier zur Europäisierung der Streitkräfte berichtet, das von der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion verfasst wurde.[1] Dabei wurde vor allem auf die im Papier auftauchende Forderung nach einer „Vereinigten Armee von Europa“ hingewiesen. Teils wurden auch noch einzelne Elemente der im Papier aufgeführten militaristischen Wunschliste aufgezählt – kritiklos, versteht sich.[2] Überhaupt keine Erwähnung fand jedoch der problematische (Denk-)Kontext, in den das Papier eingebettet ist, da es stilsicher die Floskeln von Bundespräsident Joachim Gauck für eine ambitioniertere deutsche Weltmachtpolitik aufgreift. Fast noch schwerer wiegt die völlig unverantwortliche Weigerung, sich seriös mit den drängenden Fragen demokratischer Kontrollbefugnisse (bzw. deren Aushebelung) zu beschäftigen, die von der geforderten Europäisierung der Streitkräfte zwingend aufgeworfen werden.
Zurecht werfen Kritiker Bundespräsident Joachim Gauck vor, in seiner seitdem vielfach aufgegriffenen Grundsatzrede bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang 2014 nicht weniger als einen grundlegenden Kurswechsel in Richtung einer militärisch gestützten deutschen Weltmachtpolitik eingefordert zu haben: „Was Gaucks Rede […] so problematisch macht, ist die Tatsache, dass sie sich einfügt in den konzertierten Versuch, einen Paradigmenwechsel in der deutschen Außenpolitik herbeizuführen. Und zwar in zweierlei Hinsicht: erstens den Wechsel von einer Kultur der Zurückhaltung zu einer ‚Kultur der Kriegsfähigkeit‘ (Josef Joffe), und zweitens den Wechsel von einer Kultur der Werte zu einer Kultur der Interessen.“
Quelle: Informationsstelle Militarisierung
- Merkels Neujahrsansprache – Ein Verriss
Ich war wie gelähmt durch dieses dumpfe Denken, das hier sichtbar wurde. Diese Ansprache war ein niederschmetterndes Dokument der Verzerrung, Verhetzung und Klitterung. Ein Dokument der politischen Verwahrlosung und der Heuchelei. Eine Rede, die darauf abzielt, Europa und die Deutschland zu spalten.
Ich werde einige Passagen, die ich für zentral halte, kommentieren. Ich behalte die chronologische Abfolge der Rede bei.
Fangen wir an:
“Es war das Jahr, in dem wir in Europa in lange nicht gekannter Härte erfahren haben, was es bedeutet, wenn Grundlagen unserer europäischen Friedensordnung infrage gestellt werden – also die freie Selbstbestimmung der Völker. Genau das mutet Russland der Ukraine zu.”
Schon diese Sätze nach der Einleitung sind nicht nur fragwürdig, sondern verkehren die Tatsachen in ihr Gegenteil. Es ist nicht Russland, dass der Ukraine das Recht auf Selbstbestimmung aberkennt. Es waren vielmehr die Akteure des Westens, die die Ukraine unter den Druck eines Entweder-Oder gesetzt haben. Die Geschichte des Konflikts zwischen Russland einerseits und der NATO, der Europäischen Union und den USA andererseits bei der Abspaltung der Krim anzusetzen, kommt einer Leistungsverweigerung des Denkens gleich. Für Leistungsverweigerung gibt es in der Schule die Note sechs. Das muss in der Politik auch gelten. Merkel verweigert, Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Selbst wenn es sich, was äußert fragwürdig ist, bei der Abspaltung der Krim und deren Angliederung an Russland um eine Annexion und nicht um die freie Selbstbestimmung der Völker, sprich eine Sezession gehandelt haben sollte, wäre dies nicht das erste Mal, dass dies die europäische Friedensordnung infrage stellt.
Der wirklich erste Verstoß gegen die europäische Friedensordnung ist der Europäischen Union und damit Deutschland selbst anzulasten. Mit der Annexion des Kosovo hat die EU einen Präzedenzfall geschaffen. Dass es sich beim Vorgehen im Kosovo um einen völkerrechtswidrigen Akt handelt, gibt inzwischen sogar der damals verantwortliche Kanzler Schröder zu.
Es ist reine Heuchelei, wenn Merkel diesen Sachverhalt übergeht, um mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Russland zu deuten.
Quelle: Gert Ewen Ungar
- Meinungsmache: Rente mit 70 – zukunftsweisend für Beschäftigte und Unternehmen
Der Vorschlag von Frank-Jürgen Weise, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit das Renteneintrittsalter flexibel bis 70 Jahre auszugestalten, wird aktuell kontrovers diskutiert. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des damit einhergehenden Fachkräftemangels kann diese Flexibilisierung ein weiterer Baustein zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen sein. Für die Mitarbeiter bietet eine dehnbare Ausweitung des Rentenalters Motivation, Wertschätzung und Beschäftigung. Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa) hält die flexible Ausweitung des Renteneintrittsalters aus arbeitswissenschaftlicher Sicht für weitgehend umsetzbar.
“Was grundsätzlich zählt, ist das biologische und nicht das kalendarische Alter”, so Sibylle Adenauer, wissenschaftliche Expertin des ifaa. “Dies kann von Mitarbeiter zu Mitarbeiter unterschiedlich sein. Ein trainierter 65-Jähriger ist oftmals fitter als ein untrainierter 45-Jähriger” ergänzt Adenauer. Wobei nicht nur die körperliche sondern auch die geistige Fitness eingeschlossen ist. Diese kann durch geistiges Training und lebenslanges Lernen verbessert und erhalten werden. “Da es den normierten älteren Mitarbeiter nicht gibt, sollte es keine Pauschallösungen geben. Stattdessen sind individuelle mitarbeiterspezifische Lösungen gefragt,” erläutert Adenauer weiter.
Quelle: Institut für angewandte Arbeitswissenschaft
Anmerkung JK: Hier kann man wieder schön sehen wie Meinungsmache funktioniert. Einer spielt den Ball bzw. bringt die Diskussion ins Rollen, schon stehen weitere Spieler bereit den Ball aufzunehmen und das Thema ist in der Öffentlichkeit. Man darf sicher sein, die Rente mit 70 wird noch eine größere politische Diskussion produzieren. Und wir dürfen gespannt sein welche unserer, wie wir nun aus vielfältigen Bekenntnissen wissen, ausschließlich der Meinungsvielfalt und –pluralität verpflichteten „Elitejournalisten“, diese Arbeitgeberpropaganda unreflektiert nachbeten werden. Dazu sollte man wissen: Mitglieder des ifaa sind die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie sowie der Arbeitgeberverband Gesamtmetall.