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Titel: Palästina wird Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofes. Anlass für einige Informationen zum Nahostkonflikt und eine Buchbesprechung.

Datum: 8. Januar 2015 um 9:27 Uhr
Rubrik: Antisemitismus, Friedenspolitik, Militäreinsätze/Kriege, Rezensionen
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Am 7.1. wird unter anderem von der Neuen Zürcher Zeitung gemeldet, der Uno-Generalsekretär Ban habe die Mitgliedschaft Palästinas beim Internationalen Strafgerichtshof per April bestätigt. Palästina will Israel unter anderem wegen des jüngsten Gaza-Krieges verklagen. Dies ist der Anstoß für die Verlinkung einiger interessanter Beiträge und die Besprechung des gerade in Deutsch erschienenen Buches von Michael Warschawski, „Schicksale, die sich überkreuzen“. Damit nicht vergessen wird, dass es in diesem Konflikt auch Menschen gibt, die anders denken als der Autor und die anderen zitierten und verlinkten Personen, wird am Ende auf einen früheren Artikel der ältesten Tochter des Schriftstellers Amoz Oz verlinkt. Albrecht Müller.

Zum Buch von Michael Warschawski, „Schicksale, die sich überkreuzen“.

Auf dieses Buch bin ich von Marlene Stripecke aufmerksam gemacht worden, die es zusammen mit Helwig Kuhl aus dem Französischen übersetzt hat. Mich hat beeindruckt, wie hier vom Autor anhand der Geschichte einer palästinensischen und einer jüdischen Familie die Entwicklung eines 100-jährigen Konfliktes beschrieben und nachgezeichnet wird. Wir denken ja normalerweise immer so, als sei der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebrochen. Oft geht die Perspektive nur in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Das ist fahrlässig, weil es sowohl die Tiefe des Konfliktes als auch die Verwobenheit der jüdischen und palästinensischen Menschen und Familien unterschätzt.

Der Autor wurde 1949 in Straßburg geboren. Er ging 1965 nach Jerusalem. Er studierte dort Philosophie und war später aktiv in der israelischen Friedensbewegung. Er vertritt seit 2001 das Alternative Information Center (AIC) beim International Council of the World Social Forum.

Autor Warschawski beschreibt die Geschichte der beiden Familien in Dialogform. Das Buch ist gut verständlich und auch für Jugendliche geeignet. Es ist ein Beitrag zur politischen Bildung.

Der ehemalige Präsident der israelischen Knesset und der Jewish Agency, Avraham Burg schreibt in seinem Vorwort:

„Das Buch hat kein Happy End. Es will die schmerzhafte Geschichte der beiden Völker nicht mit illusionärem Optimismus verfälschen, sondern sich so treu wie möglich an die Tatsachen halten. Und diese Tatsachen verheißen im Mittleren Orient zur Zeit nichts Gutes.

Wer ist Michael Warschawski, der es sich ernsthaft vorgenommen hat, diese schwierige Aufgabe zu lösen? Was bringt einen Mann wie ihn dazu, sich auf ein derartiges pädagogisches Abenteuer einzulassen, das sowohl Pioniergeist als auch Mut erfordert? Seit vielen Jahren gehört Michael Warschawski zu den Propheten, die den Glauben an den Frieden und die Koexistenz zwischen den israelischen Juden und ihren Feind-Nachbarn, den Palästinensern, verkünden. Er scheut sich niemals, wo es nötig ist, strenge Kritik an seiner Gesellschaft zu üben. Mit Leidenschaft hat er immer versucht, den Friedenserwartungen und den Wertvorstellungen gerecht zu werden, die er in seinem Herzen trägt. Immer hat er an seinen Idealen festgehalten und unablässig jenen Optimismus ausgestrahlt, den wir Menschen so dringend brauchen. Er beweist den Optimismus, der den Kern der menschlichen Natur bildet. Sie dürstet nach äußerem und innerem Frieden und ist mit einem tiefen Respekt vor den Wertvorstellungen anderer verbunden, wer immer das auch sei.

Warschawski meint, wir alle müssten lernen, die Ängste und die Hoffnungen unseres Feindes zu verstehen, die Traumata zu erkennen, die ihn in seinem Inneren verfol-gen, und die Hoffnungen, die ihn beflügeln. Das will er mit seinem Buch erreichen, das ursprünglich ein originelles, mutiges und zuverlässiges Begleitbuch für den Unterricht sein sollte. Es war für Leser in Frankreich bestimmt, sollte aber auch junge Menschen im Mittleren Orient, in Israel und in Palästina erreichen und hier seine Mission erfüllen. Es hilft, die eigenen Irrtümer und die Leiden der anderen zu erkennen, die die Feinde von gestern sind und die die Freunde von morgen werden müssen.

Es ist eine Mission, die dazu bestimmt ist, eine humanere und bessere Welt aufzu-bauen.“

Der Autor selbst schreibt in seinem Vorwort zur deutschen Ausgabe:

„Ich habe in Deutschland häufig an Tagungen teilgenommen, die sich mit dem Konflikt in Palästina beschäftigten, und kann bezeugen, dass es in der Auseinandersetzung zwei problematische Haltungen gibt, die sich gegenseitig auf unheilvolle Weise verstärken: die manchmal wirklich dumme Haltung der „Antideutschen“, die Israel bedingungslos unterstützen, und eine israelkritische, die Hass erzeugt. Schwarz-weiß-Denken ist immer von Übel. Im Rassismus kann es auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck kommen. So liegen übertriebener Philosemitismus und zwanghafter Antisemitismus gar nicht weit auseinander.

Die Deutschen helfen uns nicht dadurch, dass sie uns bedingungslos unterstützen. Sie helfen uns durch das Beispiel, das sie uns über zwei Generationen hinweg mit ihren entschiedenen Bemühungen gegeben haben, die Wurzeln des Rassismus aus ihrer Kultur zu entfernen. Und sie geben uns ein Beispiel mit der materiellen und moralischen Entschädigung der Opfer, die für eine künftige Versöhnung unerlässlich ist. In dieser Hinsicht kann Israel viel von Deutschland nur lernen. Je eher es das tut, desto besser.“

Michael Warschawski geht außerordentlich freundlich mit uns um. Die Wurzeln des Rassismus sind leider nicht aus unserer Kultur entfernt, wie die neuen Ereignisse zeigen. Aber diese Freundlichkeit tut dem Verdienst, dieses Buch geschrieben zu haben und der Leistungen, es ins Deutsche übersetzt zu haben, keinen Abbruch.

„Schicksale, die sich überkreuzen“ ist ein Roman. Er ist 2015 im Kitab-Verlag Klagenfurt – Wien erschienen und kostet 19,26 €.

Jetzt noch ein paar Links und Hinweise auf informative und interessante Reden, Beiträge und Videos. Auf sie bin ich von der Übersetzerin des oben besprochenen Buches, Marlene Stripecke, aufmerksam gemacht worden:

Artikel der israelischen Anwältin und Verteidigerin paläst. Gefangener, Felicia Langer
Das okkupierte Ost-Jerusalem und die israelischen Kriegstreiber

ZDF und ARD berichten über den Anschlag auf die Synagoge in Jerusalem. Nicole Diekmann, die ZDF-Korrespondentin in Tel Aviv berichtet analytisch über den Anschlag: „Das ist eine neue Dimension, kaltblütig, martialisch, bewaffnet in eine Synagoge gehen, wo Unschuldige beten, nichts ahnend, das ist schon eine neue Qualität.“ (Junge Welt, R.Rupp, 19.11.14)

Bei Netanjahu ist das noch deutlicher: „Die Täter sind Tiere in Menschengestalt.“

Ein derartiger Anschlag auf Zivilisten ist durch nichts zu rechfertigen und muss verurteilt werden, was ich auch tue. Aber die mittlerweile hochexplosive Lage im okkupierten Ost-Jerusalem geht zweifelsohne auf das Konto der kriegstreiberischen Regierung Netanjahu, die tötet, kidnappt und verhaftet, enteignet, die die ursprünglich palästinensischen Stadtviertel besiedelt, Häuser zerstört und die Bewohner vertreibt – kurzum, die das Völkerrecht mit Füßen tritt. Jeden Tropfen Blut, der in dem Konflikt vergossen wird, haben letztendlich die israelischen Kriegstreiber auf dem Gewissen; z.B. Außenminister Liebermann, ein Erzrassist, der neulich bekannt gab, natürlich werde Israel Ost-Jerusalem weiter besiedeln, ungeachtet aller internationaler Proteste. In jüngster Vergangenheit wurden in den palästinensischen Vierteln zahlreiche Häuser besetzt oder enteignet oder zerstört, die Zahl der geplanten jüdischen Wohneinheiten geht in die Tausende. – Noch ein bisschen Öl ins Feuer.

Trifft es wirklich zu, dass der mörderische Anschlag in der Jerusalemer Synagoge auf nichtsahnende Betende eine „neue Qualität“ bzw. eine „neue Dimension“ darstellt?

Erstaunlich, wie lückenhaft das politische Gedächtnis wird, wenn es um jüdische Täter aus Israel geht. Ich habe mich eingehend mit dem Massaker beschäftigt, das der Arzt Dr. Baruch Goldstein, ein israelischer Siedler in Armee-Uniform, am 25.2.1994 in der Al Ibrahimi Moschee in Hebron verübte: 29 nichtsahnende Betende wurden kaltblütig massakriert, zahlreiche verletzt. Der Täter lebte in der benachbarten Siedlung Kirjat Arba, die während der Regierungszeit der Arbeiterpartei mit deren Billigung und Segen in den Jahren 1968 bis 1970 gebaut wurde und sich selbst „Mutter der Siedlungen“ nennt. Mit einem Maschinengewehr und etlichen Magazinen Munition bewaffnet, drang er in die Moschee ein und eröffnete das Feuer. Unter den Toten waren auch Kinder im Alter von 10,11,12 und 13 Jahren. Der jüngste war Maraqa, 10 Jahre alt. Ich habe seine Familie im Oktober 1994 besucht und auch die Überlebenden und ihre Familien getroffen. Einer der Augenzeugen berichtete, dass Goldstein aus nächster Nähe systematisch von der letzten Reihe vor ihm, Reihe für Reihe, bis zur entferntesten kaltblütig beschossen hat. Die vor Ort anwesenden israelischen Soldaten haben nicht eingegriffen. Der Mörder wurde schließlich von den aufgebrachten Gläubigen getötet. – Von vielen jüdischen Israelis wurde und wird Goldstein seither als Held verehrt; sein Grab und das darauf errichtete Gedenkmal ist zum Wallfahrtsort geworden…

Ich habe meine Recherchen vor Ort in einem Buch zusammengefasst, das den Titel trägt „Wo Hass keine Grenzen kennt“. Ich habe es den Opfern gewidmet. Auf jüdischer Seite beruht der Hass auf einer rassistischen Ideologie, auf palästinensischer Seite hat er sich durch die nunmehr 47 Jahre währende Besatzung entwickelt, deren Folgen man als schleichende ethnische Säuberung bezeichnen kann. Machen wir ihnen das Leben unerträglich, dann gehen sie von selbst.

Es gibt tatsächlich eine „neue Qualität“ in der Beziehung zwischen Israel und den Palästinensern: Die Palästinenser in den besetzten Gebieten leiden unter immer stärker forcierter Enteignung, Kolonisierung und Strangulierung, die die Aussicht auf einen lebensfähigen eigenen Staat zunichte machen, und die Palästinenser im Kernland unter dem zunehmenden offenen Rassismus und ihrer Marginalisierung in dem Staat, der sich immer mehr als Staat nur für Juden versteht. – Die derzeitige Regierung unter Netanjahu ist offensichtlich friedensresistent und stellt sowohl für den Staat Israel, der nach eigenem Lippenbekenntnis demokratisch sein will, wie für die Region eine Gefahr dar.

Jeder friedliebende Mensch sollte die derzeitige israelische Politik ächten und verurteilen, und zwar nicht stillschweigend, sondern in Wort und Tat.

Das wäre eine zwingend notwendige „neue Dimension“.

Felicia Langer

Israel: Der Streit ums Öl in Palästina ARTE Reportage – Samstag, 29. November 2014 – 17:05
Israel verfolgt im besetzten Westjordanland seit vielen Jahren mit der Ausbeutung von Bodenschätzen auch harte Wirtschaftsinteressen. Dabei geht es seit einiger Zeit nicht mehr nur um Ackerland, Wasser, Mineralien und Baustoffe, sondern auch um ein Ölfeld im Grenzgebiet zwischen Israel und Palästina – eine Quelle großen Reichtums, zur Zeit aber nur ausgebeutet von der Ölindustrie Israels. Israel: Der Streit ums Öl in Palästina (22 min) Über ein halbes Jahr lang haben sich unsere Reporter um eine Dreherlaubnis bei der Firma Givot Olam bemüht: Die errichtete ihre Bohrtürme gut 100 Meter entfernt von den Palästinensergebieten. Palästinensische Geologen behaupten nun, 85 Prozent des Ölfeldes das Israel anzapft, läge auf ihrer Seite. Diese Vorwürfe wollten wir nicht unkommentiert im Raum stehen lassen – doch nach vielem hin und her, nach Zusagen für Interviews, die immer wieder in letzter Minute abgesagt wurden, verzichtet der israelische Ölförderer Givot Olam gänzlich und ohne nähere Begründung darauf, unsere Fragen zu beantworten. Kritische Rechtsanwälte in Israel halten es für illegal, das Israel dieses Öl ausschließlich zum Profit der eigenen Wirtschaft fördert und nennen den Raub von Naturstoffen generell ein Kriegsverbrechen. In der Westbank liegt nach Schätzungen Rohöl im Wert von 255 Milliarden Dollar, vor der Küste Gazas Gas im Wert von einer halben Milliarde Dollar. Seit 20 Jahren dokumentiert Dror Etkes von der israelischen Friedensbewegung die Beziehungen zwischen Siedlungspolitik und Wirtschaft. Mit unseren Reportern bemüht er sich, die Systematik zu analysieren, mit der Israel die Ausbeutung von Bodenschätzen in Palästina nur zum eigenen Vorteil betreibt. – See more

Rede von Miko Peled, Sohn eines israelischen Generals, mit deutschen Untertiteln

Englisches Original

Miko Peled räumt mit den herkömmlichen israelitischen Mythen auf.

Er spricht Themen an, die hochaktuell sind: Jerusalem, Netanjahu, Ein- oder Zwei-Staaten-Lösung, Antisemitismus, Israels Einfluss in den USA.

In seiner atemberaubenden Rede spricht er über die Rolle seines Vaters im Juni-Krieg 1967.

Er äußert sich auch zum Tode seiner Nichte, die durch einen palästinensischen Selbstmordattentäter ums Leben kam, und zu der Frage, was ist Terrorismus und was ist legitimer Widerstand.

Bettina Marx fordert im SWF die Anerkennung der Rechte der Palästinenser

Und hier noch der andere Part:

Gaza-Krieg: Wo ist der Blick für das Leid der anderen?
Im Nahostkonflikt regieren die Fanatiker. Auf beiden Seiten. Damit muss Schluss sein, schreibt die älteste Tochter des Schriftstellers Amos Oz. von Fania Oz-Salzberger


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