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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Griechenland im Wahlkampf
Datum: 5. Januar 2015 um 13:57 Uhr
Rubrik: Griechenland, Strategien der Meinungsmache, Wahlen
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Hier eine kurze Darstellung der Situation, die in Griechenland mit dem Scheitern der Wahl eines neuen Staatspräsidenten entstanden ist. Mit den wenigen Punkten knüpfe ich an die Darstellung an, die ich mit meinen Beiträgen auf den NachDenkSeiten vom Dezember 2014 (hier und hier) versucht habe. Von Niels Kadritzke.
Nachdem der Regierungskandidat Stavros Dimas im Parlament nicht die erforderliche 3/5-Mehrheit erzielen konnte (nur 168 statt der nötigen 180 Stimmen), kommt es am 25. Januar 2015 zu einer vorzeitigen Neuwahl des Parlaments, der Vouli. Damit hat ein kurzer, aber heftiger Wahlkampf begonnen, an dessen Beginn sich die Situation wie folgt darstellt:
Beide Aussagen werden von der Parteiführung entschieden dementiert, ohne dass sie ihre Basis vollständig „disziplinieren“ könnte. Und es finden sich immer wieder Syriza-Vertreter (deren Namen man oft zum ersten Mal hört), die sich über diese strittigen Punkte so missverständlich äussern, dass sie den Medien neues Futter für eine Anti-Syriza-Strategie liefern. Dabei ist auffällig, wie viele Parteifunktionäre in die Talkrunden der großen Privatsender eingeladen werden, von denen „problematische“, den Kurs der Syriza-Führung anzweifelnde Äußerungen zu erwarten sind. Die Reaktion der Parteiführung auf das Echo, das solche „Dissidenten“ erzielen, beschränkt sich derzeit auf die flehenliche Bitte, „missverständliche“ Stellungnahmen zu vermeiden. Tsipras selbst rief bei der Parteikonferenz am Wochenende dazu auf, die „Polyphonie“ zu beenden. Und die zentrale Wahlaussage der Syriza, vorgebracht von den berufenen Repräsentanten der Partei, lautet eindeutig: Die Wähler sollen sich fragen, welche Regierung besser geeignet ist, in den anstehenden Verhandlungen mit der Troika die griechischen Interessen am besten durchzusetzen.
Sollten die nächsten Umfragen zeigen, dass sich das „Glaubwürdigkeitsproblem“ der Syriza in rückläufigen Zahlentrends niederschlägt, wird die Parteiführung um eine klarere Position gegenüber ihren „Dissidenten“ nicht mehr herumkommen.
In diesem Stadium des Wahlkampfs ist jedoch hervorzugeben, dass die Regierung ihrerseits große Probleme hat, ihre von einer großen Mehrheit der Wähler (ca. 70 Prozent) angezweifelte Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Wie weit der Vertrauensverlust des letzten Aufgebots der Samaras-Venizelos-Koalition schon gediehen ist, soll abschließend mit einer Analyse dokumentiert werden, die am 29. Dezember 2014, also am Tag es Scheiterns der Präsidentenwahl im Wirtschaftsteil der linken Tageszeitung „Efimerida ton Syntakton“ erschienen ist. (Für die wortgenaue Übersetzung des nicht besonders eleganten Textes bitte ich um Verständnis).
Die Unternehmer wenden sich von der Regierung ab
Von Vasilis Georgas
Die Nea Dimokratia verliert aufgrund ihrer Rhetorik den Rückhalt, den sie traditionell bei den Unternehmern der rechten Mitte hatte. Und die Syriza hofft, dass sie – wenn und insoweit sie die „Hinwendung zum Realismus“ schafft – das Vertrauen oder zumindest die Duldung „des Kapitals“ gewinnen wird. Damit würde sie die Lücke ausfüllen, die durch den Zusammenbruch der Pasok bei dem verwaisten Teil der „politischen Mitte“ entstanden ist.
Bis vor einiger Zeit hat ein großer Teil der Unternehmerschaft die Regierung Samaras-Venizelos diskret oder offen unterstützt. Der schrittweise Ernüchterungsprozess begann im Frühjahr 2014. Die entscheidenden Etappen waren: der Flirt von Samaras mit der extremen Rechten (der Fall Baltakos, siehe Nachdenkseiten vom 11. April 2014); die populistische Wende, die mit der Regierungsumbildung im Gefolge der Europawahlen (vom 25. Mai 2014) begonnen hat und im September bestätigt wurde, als Samaras den „vorzeitigen Ausstieg aus dem Memorandum“ verkündete; und zuletzt seine Entscheidung, auf die „Strategie der Angst“ zu setzen.
Die direkte Konfrontation der Regierung mit der größten Oppositionspartei zeugt von dem verzweifelten Bemühen der Nea Dimokratia, mit ihrer Panikmache den Unternehmern und den Bürgern Angst einzujagen. Währenddessen ist die Syriza bemüht, die endlosen Versprechungen wieder „einzusammeln“, die sie freigiebig in alle Richtungen gemacht hat, und sich zugleich als einigende Kraft (der ganzen Bevölkerung) darzustellen, und bei alledem zu vermeiden, was „die Märkte“ und die Unternehmer beunruhigen könnte.
Heftige Reaktionen bei vielen Unternehmern und ökonomischen Akteuren hat vor allem die strategische Entscheidung der Regierung ausgelöst, in der politischen Konfrontation voll auf den „Terror des Marktes“ zu setzen und katastrophale Folgen für die Wirtschaft zu prophezeien, falls die Wahl eines neuen Staatspräsidenten nicht gelingen sollte.
Eine Mehrheit der Unternehmer zeigt sich über diese Strategie stark verärgert. Eine Ausnahme bilden nur bestimmte publizistische Unternehmen und große Reedereien, sowie parteiabhängige „Gewerkschafter“, die die Panikmache unterstützen, weil sie Angst haben, ihren Anteil an der Macht zu verlieren oder bestimmte „abgeschlossene“ Geschäfte nicht vollenden zu können.
Die unseligen Äußerungen über die „Gefahr abnehmender Liquidität“ (Zentralbankpräsident Stournaras und Finanzminister Chardouvelis), über drohende „Zahlungsunfähigkeit“ und „Bankrott“ (Samaras und Regierungssprecherin Voultepsi), und die Wiederbelebung von Szenarien über den Austritt aus der Eurozone (Ex-Minister Georgiadis), haben heftige Zweifel ausgelöst, die noch verstärkt werden durch das „Einfrieren“ der Marktes unter anderem als Folge der politischen Konfrontation der letzten Wochen.
Ein schwerer Schlag für die Taktik der Regierung ist auch die Tatsache, dass die extremen Szenarien nicht einmal von den ausländischen Investmentbanken übernommen werden. Viele von ihnen haben in letzter Zeit begonnen, in ihren Analysen mit der Aussicht auf einen Wahlsieg der Syriza zu flirten. Und die britischen Banken HSBC und Barclays wie auch die US-Bank JP Morgan ermuntern ihre Kunden neuerdings sogar, weiterhin in Griechenland zu investieren.
Selbst der Präsident des griechischen Industriellenverbandes, der eigentlich der ND nahestehende Theodoros Fessas, zog es bei seiner letzten öffentlichen Stellungnahme vor, auf „Sicherheitsabstand“ von der Regierung zu gehen, insofern er einen Konsens der Parteien in allen zentralen Wirtschaftsfragen forderte. Hinter den Kulissen sehen Mitglieder des Verbandes die Schuld für die plötzliche Zunahme der Unsicherheit in den letzten drei Monaten beim Regierungschef und seiner Entscheidung vom September, ohne jede Vorbereitung den vorzeitigen Ausstieg aus dem Memorandum zu fordern, woraufhin er jede Verhandlung mit der Troika eingefroren und zwei negative Entwicklungen ausgelöst hat: den großen Zinsanstieg für die griechische Staatsobligationen (von 5,7 auf 10,5 Prozent im Zeitraum September bis Dezember) und den krassen Kurssturz an der Athener Börse, wo die Aktien in den letzten vier Monaten einen Wertverlust in Höhe von 20 Milliarden Euro erlitten haben.
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