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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 5. Januar 2015 um 9:32 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung unseres Lesers L.H.: Allerspätestens jetzt sollte sich jeder PEGIDA-Demonstrant noch einmal darüber Gedanken machen, ob es wirklich das ist, was er mit seiner Teilnahme an den PEGIDA-Demonstrationen unterstützen möchte. Oder ob sein Unmut über die persönliche Situation, über die gesamtgesellschaftliche Situation oder die Ingoranz der Politik gegenüber den Problemen der Bevölkerung nicht an anderer, besserer Stelle zum Ausdruck gebracht werden müsste.
Niemand kann mehr den Satz von sich geben “Ich habe nichts gegen Ausländer.”, wenn er gleichzeitig beifallklatschend der Jagd gegen Ausländer (oder ausländisch Aussehende) beiwohnt oder sein Demo-Nachbar nach der Demonstration andere Menschen körperlich angreift.
Ergänzende Anmerkung AM: Das Verhalten der Dresdner Polizei ist ein Beleg für das typische Doppelspiel der Union: in der Neujahrsansprache beklagt die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Merkel das Auftreten von Pegida, meines Erachtens zu Recht; aber zur gleichen Zeit verschärft die CSU ihre Kampagnen gegen Flüchtlinge und die CDU geführte Landesregierung in Dresden drückt ein Auge zu: ihre Polizei schützt die – zum Teil ausländischen – Jugendlichen weder gegen die rechten Schlägertrupps noch hat sie ein Interesse an einer Strafverfolgung. Das gehört zum Gesamtbild der Union und ihrer Doppelstrategie. Wir kennen das schon aus dem Umgang mit dem Morden der NSU.
Zum Thema auch: Interview: Hetzjagd auf Migranten in Dresden
Quelle: ADDN
Keine Gefahr von rechts?
Der Blick auf militante Außenseiter ergibt ein falsches Bild: Extremismus ist längst in die politische Auseinandersetzung eingegangen.
Ein Bote, der unangenehme Nachrichten überbringt, darf selten auf freundliche Aufnahme rechnen – schon gar nicht, wenn die Nachricht von dunklen Stellen im politischen Bewußtsein handelt, die mit einem Zaun von Tabus verstellt sind. In diese Rolle ist unversehens das Sozialwissenschaftliche Institut Nowak und Soergel (SINUS) geraten, das im Auftrag des Kanzleramts eine Untersuchung über „rechtsextreme politische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland“ anfertigte. Ihre wichtigsten Ergebnisse: 13 Prozent der Wahlbevölkerung haben „ein ideologisch geschlossenes rechtsextremes Weltbild“, fast die Hälfte davon (sechs Prozent) akzeptieren gewaltsamen Protest.
Der Innenminister von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel, hielt „derartige Veröffentlichungen für geeignet, dem Ansehen der Deutschen im Ausland zu schaden“. Solange die Autoren dieser Studie nicht ihre Methoden offenlegten, sei „es eine Beleidigung unseres Volkes, pauschal von 13 Prozent Rechtsextremisten zu sprechen, zumal bei den Wahlen rechtsradikale Gruppierungen weniger als ein Prozent der Stimmen erhalten haben“. Die Gefährlichkeit des Rechtsextremismus bestehe darin, daß schwer kontrollierbare Einzelpersonen oder kleinste Gruppen spontan sinnlose Gewaltaktionen unternähmen.
…
Als politische Organisation ist der Rechtsextremismus isoliert in der Bundesrepublik, als Einstellungsmuster hat er längst in die normale politische Auseinandersetzung Eingang gefunden. Der Populismus von Strauß (für Margaret Thatcher oder Ronald Reagan gilt ähnliches) hat dieses Einstellungsmuster durchaus miteinbezogen. Da mag man je nach politischem Standort darüber streiten, ob damit ein rechter Extremismus angeheizt oder ob er politisch domestiziert und ungefährlich gemacht werde. Nur eins kann man nicht behaupten: Rechtsextremismus sei eine Sache weniger militanter Außenseiter. Dies zu erkennen wäre jedenfalls nützlicher, als sich dieser Erkenntnis mit dem Hinweis auf angebliche methodische Fehler zu entziehen oder sich dagegen mit dem Satz zu verbarrikadieren, hier werde das deutsche Volk beleidigt.
Quelle: ZEIT
Anmerkung WL: Es war klar, dass Friedrich sich eines Tages für seinen Rauswurf an Merkel (und sicher auch noch an der SPD) rächen würde. Interessanter ist, das er ganz offen zugibt, dass die CDU bzw. seine CSU die Pegida Demonstranten dadurch aufgesogen hat, dass sie deren Themen (Parolen) weggenommen hat. Das heißt doch: Die CDU/CSU haben bisher die ausländerfeindlichen und nationalistischen Ressentiments der Pegida-Demonstranten bedient. Wenigstens gibt das endlich einer zu.
Anmerkung CR: Abgesehen davon, dass die Finanzmärkte viel mit Psychologie und weniger mit ökonomischen und/oder politischen Realitäten zu tun haben, dürfte die zweite Antwort (der “Rückzug der europäischen Banken”) von entscheidender Bedeutung sein für die Beantwortung der Frage, was sich “seit den Hochzeiten der Eurokrise” geändert habe.
Es sollte an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass die Krise in Europa keine Euro-, sondern vielmehr eine Bankenkrise ist.
Zum Thema auch: Robert Misik – Demokratie? Aber nur, wenn sie die Märkte nicht nervös macht
Griechenland wählt, die Märkte fürchten sich vor einem Regierungswechsel hin zur linken Syriza
Griechenland steht vor den Wahlen, und Europas gesammeltes Polit- und Medienestablishment trommelt, dass die korrupten Konservativen nur ja nicht abgewählt werden dürfen. Denn ein Regierungswechsel hin zur linken Syriza-Partei wäre ja fürchterlich gefährlich. Da könnten ja glatt die Märkte nervös werden.
Aber was bedeutet eine solche Rhetorik eigentlich für unsere zeitgenössische Demokratie? Es darf schon gewählt werden, aber natürlich nur solange, solange nichts anderes als die Merkel-Politik gewählt wird. “Marktkonforme Demokratie”, hat Merkel selbst das in beklemmender Offenheit genannt. Wählen ohne Wahlmöglichkeiten. Es schleichen sich immer mehr antidemokratische Postulate in den politischen Diskurs. Erstaunlich eigentlich, dass die Idee der Demokratie selbst immer noch allgemein hochgehalten wird.
Man stelle sich nur vor: Vor deutschen Wahlen würde irgendein EU-Regierungschef drohen, wenn die Deutschen abermals Merkel wählen, dann ist ein Austritt Deutschlands aus der Eurozone wohl “unvermeidlich”. Das Skandal-Geschrei wäre endlos …
Quelle: derStandard.at
Anmerkung WL: Zunächst die möglicherweise für eine solche Ermächtigung zu einem Atomschlag einschlägigen Passagen, der Resolution 758 vom 4. Dezember 2014:
- Whereas the political, military, and economic aggression against Ukraine and other countries by the Russian Federation underscores the enduring importance of the North Atlantic Treaty Organization (NATO) as the cornerstone of collective Euro-Atlantic defense;
- Whereas the United States reaffirms its obligations under the North Atlantic Treaty, especially Article 5 which states that “an armed attack against one or more” of the treaty signatories “shall be considered an attack against them all”;…
… the House of Representatives
(6) calls on the President to cooperate with United States allies and partners in Europe and other countries around the world to refuse to recognize any de jure or de facto sovereignty of the Russian Federation over Crimea, its airspace, or its territorial waters;…
(9) calls on the President to cooperate with United States allies and partners in Europe and other countries around the world to impose visa bans, targeted asset freezes, sectoral sanctions, and other measures on the Russian Federation and its leadership with the goal of compelling it to end its violation of Ukraine’s sovereignty and territorial integrity, to remove its military forces and equipment from Ukrainian territory, and to end its support of separatist and paramilitary forces;…
(10) calls on the President to provide the Government of Ukraine with lethal and non-lethal defense articles, services, and training required to effectively defend its territory and sovereignty;
(11) calls on the President to provide the Government of Ukraine with appropriate intelligence and other relevant information in a timely manner to assist the Government of Ukraine to defend its territory and sovereignty;
(12) calls on North Atlantic Treaty Organization (NATO) allies and United States partners in Europe and other nations around the world to suspend all military cooperation with Russia, including prohibiting the sale to the Russian Government of lethal and non-lethal military equipment;
(13) reaffirms the commitment of the United States to its obligations under the North Atlantic Treaty, especially Article 5, and calls on all Alliance member states to provide their full share of the resources needed to ensure their collective defense; urges the President, in consultation with Congress, to conduct a review of the force posture, readiness, and responsibilities of United States Armed Forces and the forces of other members of NATO to determine if the contributions and actions of each are sufficient to meet the obligations of collective self-defense under Article 5 of the North Atlantic Treaty and to specify the measures needed to remedy any deficiencies;..
(16) urges the President to publicly hold the Russian Federation accountable for violations of its obligations under the Intermediate-Range Nuclear Forces (INF) Treaty and to take action to bring the Russian Federation back into compliance with the Treaty;
(17) urges the President to work with Asian, European, and other allies to develop a comprehensive strategy to ensure the Russian Federation is not able to gain any benefit by its development of military systems that violate the INF Treaty;
(18) believes the emplacement by the Russian Federation of its nuclear weapons on Ukrainian territory would constitute a provocative and destabilizing move;
Diese Resolution strotzt voller aggressiver und einseitiger Aussagen. So wird z.B. einfach so behauptet, dass das Flugzeug der Malaysia Airlines MH 17 von einer Rakete der von Russland unterstützten separatistischen Kräfte zerstört worden sei, dass allein die Unterstützung der Separatisten durch die Russischen Föderation zu 4.000 getöteten Zivilisten, hundert Tausenden zivilen Flüchtlingen und großflächiger Zerstörung geführt habe. Die Opfer und Schäden, die durch Kiewer Truppen und Freischärler verursacht wurden und die „starke Unterstützung“ der US dabei, bleiben unerwähnt. Die Resolution belegt auch die bedingungslose Unterstützung der Kiewer Regierung durch die US und sie belegt die propagandistischen Bemühungen der US auf Russland und andere Länder Einfluss auszuüben.
Ich stimme zwar dem Vorwurf von Chossudovsky und Dietrich Schulze zu, dass diese Resolution Kriegstreiberei beinhaltet und einen öffentlichen Aufschrei hätte hervorrufen müssen. Man kann diese Resolution sogar als „a de facto green light to the US president and commander in chief to initiate – without congressional approval – a process of military confrontation with Russia“ bezeichnen.
Der Übertreibung in der Neuen Rheinischen Zeitung, dass das US-Repräsentantenhaus Obama ermächtigt hätte einen Atomschlag gegen Russland zu führen, hätte es nicht bedurft. Der aggressive Ton der Resolution ist beängstigend genug.
Ergänzende Anmerkung JB: Derartige Meldungen zur Resolution 758 geistern bereits seit Wochen durchs Netz. Erstaunlich ist, dass sich kaum ein Autor einmal die Mühe gemacht hat, die Resolution selbst zu lesen. Stattdessen hat man sich in einer Erregungsspirale gegenseitig mit Alarmismen übertroffen. Die ausgehende Interpretation der Resolution, auf die nahezu alle dieser Meldungen aufbauen, stammt übrigens vom ultraliberalen US-Politik Ron Paul, der auch in der Vergangenheit schon häufiger durch derartige Verdrehungen in Szene getreten ist.
Anmerkung CR: Diese Rede eines deutschen Bundespräsidenten ist ganz offensichtlich für die Bürgerinnen und Bürger des Landes gedacht, die einem christlichen Glauben anhängen. Weiß Herr Gauck gar nicht, dass hierzulande viele Menschen leben, die anderen religiösen Glaubensrichtungen folgen? Weiß er auch nicht, dass auch viele deutsche Bürgerinnen und Bürger sich vom christlichen Glauben verabschiedet und nicht selten säkularen Werten verschrieben haben?
Kein Wort von toten Flüchtlingen im Mittelmeer, vom sozialen Unfrieden, der hierzulande vorherrscht. Die NachDenkSeiten verweisen ständig auf die zunehmende soziale Ungleichheit; zwei aktuelle Beispiele:
Aber auch aus rein evangelischer Perspektive hinkt diese Rede des Bundespräsidenten seinen Möglichkeiten weit hinterher.
Hier – zum Vergleich – Auszüge aus zwei aktuellen Reden von Landesbischof Heinrich Bedford-Strom:
“Ich bin dankbar, dass ich heute hier sein darf. Der Grund dafür ist in jedem Falle ein menschlicher: weil es einfach gut ist, mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern zusammen zu sein. Meine eigene Familie ist ja international. Ich bin der einzige in der Familie, der nur einen deutschen Pass hat. Meine Familie gehört zu den Familien in Deutschland mit „Migrationshintergrund“. (…)
Viele fliehen in Nachbarländer. Allein in dem kleinen Land Libanon leben über 1 Million Flüchtlinge.
Und einige kommen auch zu uns nach Deutschland. Viele von Ihnen haben einen langen Weg hinter sich gebracht, bevor Sie hier in Deutschland angekommen sind. Vielleicht haben Sie gefährliche Situationen erlebt und Angst gehabt. Vielleicht haben Sie und Ihre Familie Geld, vielleicht sogar viel Geld, bezahlen müssen, um nach Europa zu kommen. Und vielleicht hat man Ihnen dabei viele falsche Versprechungen gemacht. Und nun warten Sie hier darauf, dass möglichst bald über Ihren Asylantrag entschieden wird.”
Predigt am Heiligabend 2014 im Gottesdienst mit Flüchtlingen in München [PDF – 66 KB]
sowie
“Das christliche Europa hat heute die Aufgabe, seinen Umgang mit Flüchtlingen so neu zu ordnen, dass kein Mensch mehr im Mittelmeer ertrinken muss. Es muss zu einer Kraft in der Welt werden, die mit fairen Handelsbeziehungen und internationalen Beziehungen auf Augenhöhe dazu beiträgt, dass Menschen nicht mehr fliehen müssen. Dann wird das europäische Friedensprojekt zu einem Weltfriedensprojekt. Wenn Menschen heute in ganz unterschiedlichen Projekten ihr Geld oder ihre Zeit teilen mit Menschen, die in Not sind, dann mögen das nur kleine Schritte sein. So wie der Weihnachtsfrieden damals zwischen den deutschen und den englischen Soldaten. Aber es könnte zur Keimzelle von etwas viel Größerem werden: einer Welt, in der alle Menschen in Würde leben können.”
Weihnachtspredigt in St. Matthäus, München, am 25. Dezember 2014 [PDF – 100 KB]
Diese Rede unseres Staatsoberhauptes kann also auch aus evangelischer Perspektive beschämend sein, denn sie folgt der offiziellen Linie dieser Bundesregierung und dieser Bundespräsident denkt z.B. ausdrücklich auch an Soldaten.
Aber hatte nicht gerade er auf der letzten Münchener Sicherheitskonferenz dazu angeregt, dass insbesondere Deutschlands Soldaten sich “früher, entschiedener und substantieller einbringen” sollten? Eröffnung der 50. Münchner Sicherheitskonferenz
passend dazu: Stärker zusammenhalten
2014 sei ein Jahr, das anders verlaufen sei, als vorgestellt. Mit diesen Worten leitet Bundeskanzlerin Merkel ihre Neujahrsansprache ein, in der sie neben zukünftigen Herausforderungen auch die weltweiten Krisen des vergangenen Jahres benennt.
Quelle: Die Bundeskanzlerin
Anmerkung CR: Wer diese Neujahrsansprache gehört (oder z.B. hier Dokumentation: Neujahrsansprache von Angela Merkel im Wortlaut nachgelesen) hat, kann den Eindruck gewinnen, dass die Bundeskanzlerin in einem völlig anderen Land lebt.
Ihre Anspielung auf die Fussball-Weltmeisterschaft war nicht wirklich überraschend, jedoch vollkommen daneben:
Es sind mindestens 20,3 % der Bevölkerung Deutschlands von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen – Anteil EU-weit bei 24,5 %. Diesen von Armut und Ausgrenzung betroffenen Bevölkerungsteil erwähnt “unsere Bundeskanzlerin” mit keinem Wort. Von einem “Zusammenhalt” wie ihn Frau Merkel betont, kann in diesem Lande also keine Rede sein. Notwendig wäre eine Umverteilung von oben nach unten, die jedoch insbesondere von dieser Großen Koalition nicht zu erwarten ist.
Auch ihr Bezug auf Flüchtlinge/Zuwanderung stimmt nicht hoffnungsfroh: Das Problem ist u.a., dass aus Sicht nicht weniger Menschen ein Begriff wie Demokratie inzwischen als eine Chiffre für Niedergang begriffen wird. Es ist zu vermuten, dass diese Rede weniger durch ihren Inhalt, sondern durch die (recht große) mediale Aufmerksamkeit das Gegenteil dessen bewirkt, was sie offiziell wohl bezwecken soll: Angst vor Zuwanderung zu nehmen. Stattdessen könnte sie wie “Wasser auf die Mühlen” derer wirken, die diese Angst gerade schüren (wollen).
Anmerkung unseres Lesers J.A.: 100 Arbeitslose pro 100 offene Stellen – das ist ja an Dramatik nicht mehr zu überbieten, da findet ja (rein rechnerisch) jede Firma für alle Stellen einen Bewerber. Und daß es in den (mit) am schlechtesten zahlenden Berufsbereichen, “Gesundheit, Soziales und Bildung” sowie “Bau- und Gebäudetechnik”, wo viele kaum oder gar nicht vom Lohn ihrer Arbeit leben können, relativ wenige Bewerber gibt, ist auch nur logisch. Die Konkurrenz um Bewerber mithilfe höher bezahlter Angebote scheint in Deutschland inzwischen ausgestorben zu sein. Warum stänkert eigentlich ausgerechnet das IW gegen den (lächerlich niedrigen) Mindestlohn, wenn gleichzeitig angeblich Fachkräfte fehlen?
Anmerkung WL: Man muss wissen, dass dieses vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA)“ beim arbeitgeberfinanzierten Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln angesiedelt ist.
Und die Studien, die aus diesem Hause kommen, sind vom erkenntnisleitenden Interesse bis zur Methodenwahl in aller Regel an den Interessen der Wirtschaft orientiert.
Es ist bekannt, dass die Alarmmeldungen über den „Fachkräftemangel“ zur üblichen Arbeitgeberpropaganda gehören, um ausländische „Fachkräfte“ anzuwerben, um die Reservearmee an Arbeitskräften groß genug zu halten und um damit die Löhne zu drücken. Dazu lohnt es sich nochmals den „Arbeitsmarktreport – das Märchen vom Fachkräftemangel“ anzuschauen.
Auch diese KOFA-Studie stellt eher ein Ablenkungsmanöver dar. Der Frage, warum es trotz nach wie vor hoher Arbeitslosigkeit, obwohl Millionen von Menschen sich mehr Arbeit wünschen und obwohl die Unterbeschäftigung bei 4 Millionen liegt, bei den in der Studie genannten „Engpassberufen“, also etwa in der Kranken- und Altenpflege, bei den Gesundheitsberufen, bei Berufskraftfahrern Engpässe gibt, wird in dieser Studie nicht weiter nachgegangen. Dabei liegen die Gründe auf der Hand: Es liegt an der geringen Bezahlungen, bei schlechten Arbeitsbedingungen und einer dementsprechend hohen Quote der oft aus gesundheitlichen Gründen ausscheidenden Arbeitskräfte.
Auch die Klage über Engpässe bei Berufen mit Hochschulabschluss ist solange unglaubwürdig, so lange Informatiker oder Ingenieure, die über 50 Jahre sind und arbeitslos werden, kaum eine Chance haben eine neue adäquate Arbeitsstelle zu bekommen.
Im Übrigen dürften, selbst wenn man die Annahmen dieser Studien teilt, Engpässe erst in etwa 15 Jahren auftreten. Würde man in den Mangelberufen ordentliche Löhne zahlen und „gute Arbeit“ gewährleisten, so wäre es sicherlich kein Problem Menschen zu finden, die sich in dieser Zeit für diese Berufe ausbilden lassen.
Gerade so als wäre es eine koordinierte Medienkampagne plädierte der von der Arbeitgeberseite kommende Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen-Weise, für zusätzliche Anreize, damit Menschen freiwillig bis 70 Arbeiten können.
Und auch der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse (CDA) stimmte in diesen Chor für eine flexible Altersgrenze (natürlich jenseits der 67) Jahre ein. Die Arbeitgeberseite nimmt also Rache für die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren. Nach einer Umfrage der “Leipziger Volkszeitung” (LVZ) lehnen allerdings bundesweit 78 Prozent der Bürger die Rente mit 70 ab. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer ist für einen flexiblen Renteneintritt zwischen 60 und 64 und weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer ist bis 65 erwerbstätig und nur jeder Dritte der 60- bis 64-Jährigen ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Dazu: Vom Sozial- zum Suppenküchenstaat
Der Kölner Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge über lebenslange Entwürdigung durch Hartz IV
Wohlstandschauvinismus und Sozialdarwinismus haben zugenommen. Die mediale Abwertung der Betroffenen als »Sozialschmarotzer« hat gewirkt – Transferleistungsempfänger zählen für viele Angehörige der Mittelschicht nicht mehr zur »guten Gesellschaft«. Arbeitslosenhilfeempfänger galten als Menschen, die gearbeitet und in die Sozialversicherung eingezahlt und deshalb Anspruch auf Leistungen hatten. Nach Einführung des Arbeitslosengeldes II waren es Menschen, die eine Fürsorgeleistung bekamen. Das war ein Umschalten von der Lebensstandard- auf bloße Existenzsicherung. Vorher war der Anspruch, der Sozialstaat muss mich auffangen, wenn ich länger arbeitslos bin. Heute herrscht die Auffassung, dass Betroffenen die Leistung nicht zusteht, außer sie erbringen eine Gegenleistung, etwa einen Ein-Euro-Job. Hartz IV bedeutet den Übergang vom Sozialversicherungs- zum Almosen- und Suppenküchenstaat. Betroffenen wird im Jobcenter schon mal vorgeschlagen, sie sollten zur Lebensmitteltafel gehen…
Quelle: ND
Quelle: ND
Als Gegenmaßnahme empfiehlt der DGB, Hartz IV zu entlasten und dafür die Arbeitslosenversicherung auszubauen. Mit einem “Mindest-Arbeitslosengeld” könnte die Zahl derjenigen verringert werden, die direkt nach einem Jobverlust wieder in Hartz IV abrutschen.
Auch sozialversichert Beschäftigte, die mit Hartz IV aufstocken, sollten von der Arbeitslosenversicherung betreut werden, rät der DGB. Außerdem müsse die Arbeitsförderung ausgebaut werden, insbesondere die Mittel für Weiterbildung müssten erhöht werden. Wer auf absehbare Zeit keine Chance auf einen regulären Arbeitsmarkt hat, solle soziale Teilhabe in einer öffentlich geförderten Beschäftigung ermöglicht werden.
Quelle: Welt.de
Anmerkung WL: Welche politische Konsequenz zieht der DGB aus seiner Kritik?
Passend dazu: Deutsches Kinderhilfswerk – Zehn Jahre Hartz IV hat Kinderarmut in Deutschland deutlich verschärft
Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert umfassende Reformen der Sozialgesetze in Deutschland, um die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Dabei sollten insbesondere die Regelsätze für Kinder und Jugendliche, Bildungsgerechtigkeit und die Möglichkeiten des gesunden Aufwachsens im Mittelpunkt der Reformen stehen. Soziale Sicherheit und Bildungsgerechtigkeit für Kinder sollten in einer der reichsten Industrienationen der Welt eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Zehn Jahre nach Einführung der sog. Hartz IV-Gesetze ist aber festzustellen, dass sich insbesondere die Kinderarmut in Deutschland deutlich verschärft hat. Die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen hat sich in den letzten zehn Jahren auf rund 2,8 Millionen mehr als verdoppelt…
… eine deutlich höhere Säuglingssterblichkeit als in den oberen sozialen Schichten, eine zweimal höhere Mortalitätsrate durch Unfälle als bei Kindern aus privilegierteren Schichten, ein sehr viel häufigeres Auftreten akuter Erkrankungen und eine höhere Anfälligkeit für chronische Erkrankungen. Arme Kinder leiden häufiger an Karies, Infektionen, Asthma, Fettleibigkeit, Kopf- und Rückenschmerzen. Kinder in Armut leiden aber auch häufiger unter Stress und geringem Selbstbewusstsein, was sie ihr Leben lang verfolgen wird…
Eine im Januar dieses Jahres vom Deutschen Kinderhilfswerk veröffentlichte repräsentative Umfrage hat ergeben, dass 72 Prozent der Bundesbürger der Ansicht sind, staatliche und gesellschaftliche Verantwortungsträger würden „eher wenig“ oder „sehr wenig“ tun, um Kinderarmut wirkungsvoll entgegenzutreten. Dabei kommt eine große, die Parteigrenzen überschreitende Mehrheit zu der Aussage, Staat und Gesellschaft engagierten sich zu wenig gegen Kinderarmut. Zugleich wären 66 Prozent der Befragten bereit, mehr Steuern zu bezahlen, wenn damit das Problem der Kinderarmut in Deutschland wirksam bekämpft würde.
Quelle: Deutsches Kinderhilfswerk
Dazu auch: Deutscher Afghanistan-Einsatz – Geheimpapier über Killer-Kommandos
So halfen Bundeswehr und BND beim Töten der Taliban
Auch BILD liegen umfangreiche Geheimdokumente zu der Liste (Fachbegriff: JPEL) vor.
Sie belegen, wie sich Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst (BND) aktiv und in bisher unbekanntem Ausmaß an der Taliban-Jagd und an „gezielten Tötungen“ beteiligten.
Der deutsche Generalmajor Markus Kneip, 2011 Kommandeur in Afghanistan und heute einer der engsten Berater von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (56, CDU) und möglicher nächster Generalinspekteur, wählte „Personenziele“ persönlich aus.
Die Dokumente belegen auch, dass der BND davon ausging, dass seine Informationen zur Tötung oder Folter von Taliban-Führern genutzt werden könnten…
Eine gezielte Tötung wird in dem BND-Bericht – unter Bedingungen – sogar erlaubt: „Eine Verwendung zum Zwecke des Einsatzes tödlicher Gewalt ist nur dann zulässig, solange und soweit ein gegenwärtiger Angriff vorliegt oder unmittelbar droht.“
Quelle: Bild.de
Befallen vom Überwachungsvirus
Die Überwachungen durch staatliche Organe im Internet machen krank, meint Friedemann Karig in Essay und Diskurs. Sie wirken genauso wie ein Virus, gegen den sich die Bürger schützen müssen – und können. Es komme darauf an, die Wunder des Netzes zu nutzen, um seine Rettung voranzutreiben…
In einer Demokratie ist also nicht wichtig, ob man etwas Geheimes zu verbergen hat, sondern dass man es grundsätzlich darf. Sonst ist es keine Demokratie.
Zweitens: Die vermeintliche Existenzberechtigung der Überwachung, ihr raison d’être, ist der Terrorismus, der uns ständig bedroht.
Glücklicherweise blieb Deutschland bisher von Terroranschlägen verschont. Wir können ohne kollektives Trauma analysieren, wie groß die Gefahr wirklich ist – und ob Überwachung dagegen hilft. Rein statistisch gesehen starben in England von 2000 bis 2010 pro Jahr an folgenden Ursachen diese Anzahl Menschen:
Der Politikwissenschaftler Andreas Busch schreibt dazu:
“Als objektive Gefahr ist der Terrorismus als Todesursache schon immer statistisch unbedeutend gewesen, darüber herrscht in der Literatur Einigkeit.”
Terror ist leider real. Seine Bedrohung für unser Leben wird jedoch übertrieben. Das Problem liegt zudem nicht in einem Mangel an Informationen, sondern in einem Mangel an sinnvoller Analyse. Man denke nur an den Rechtsterrorismus des NSU, dessen Verhinderung tragischerweise an vielem scheiterte, aber nicht an einem Mangel an Informationen…
Quelle: Friedmann Karig im Deutschlandfunk
Anmerkung CR: Am Schluss des Interviews äußert Todenhöfers auf einen (möglichen) Zusammenhang zwischen IS und Pegida hin.
und: Urban Priol: Tilt! – Tschüssikowski 2014
Quelle: ZDF
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