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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 28. Juni 2007 um 9:55 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

  1. Führender Pharmakonzern in der Behandlung von Unfruchtbarkeit bezahlt Studie zur Kinderlosigkeit
    Die Studie kommt auf 6,4 Millionen unerfüllte Kinderwünsche. Bei 1,4 Millionen Deutschen liege das an medizinischen Gründen. Vielen der ungewollt Kinderlosen könne durch künstliche Befruchtung geholfen werden. So die Ergebnisse einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Bezahlt hat diese Untersuchung die Serono GmbH “, ein Biotech-Unternehmen, das u.a. Hormone zur künstlichen Befruchtung herstellt und sich als “weltweit führend in der Behandlung von Unfruchtbarkeit” bezeichnet. Das Berlin-Institut geht davon aus, dass in Deutschland gut zwei Drittel des Geburtenrückgangs im Jahr 2005 gegenüber dem Vorjahr darauf zurück zu führen ist, dass die Kassenzuschüsse gekürzt wurden.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Wen wundert also das Ergebnis der Studie. Das Berlin-Institut sucht erst ein Thema und dann einen Sponsor, gibt der Direktor offen zu. Dass es sich bei diesem Institut um eine PR-Agentur zur Manipulation der öffentlichen Meinung in Sachen Demografie handelt, haben wir schon früher festgestellt, als wir auf die faustdicke Falschmeldung aufmerksam machten, wonach Deutschland weltweit die niedrigste Geburtenrate habe. Siehe dazu hier oder hier.

  2. Zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft: Schwindel als Staatsräson
    Die EU gibt sich keine neue Verfassung, sondern einen neuen Vertrag, der fast alles bringt, was in der Verfassung stand, aber nicht so heißt.
    Quelle: Weltwoche
  3. Verlieren die Gewerkschaften wegen Mitgliederschwunds ihre Streikfähigkeit?
    In seiner Rede auf dem Gewerkschaftskongress der IG-Metall hat deren Vize-Vorsitzender Berthold Huber eine ernüchternde Bilanz gezogen. Angesichts des anhaltenden Mitgliederschwunds hält er die IG Metall nur noch für eingeschränkt streikfähig.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: So sieht also der Marsch in den „Gewerkschaftsstaat“ aus, den Spiegel oder manager-magazin noch vor kurzem an die Wand malten.

    Anmerkung AM: Verwunderlich ist das nicht. Denn die restriktive Konjunkturpolitik der 1980er Jahre und dann massiv seit 1993 hat zu einer Reservearmee von arbeitslosen Arbeitnehmern geführt, die einen fairen Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt außer Kraft gesetzt hat. Die Arbeitnehmer sind ständig am kürzeren Hebel. Rot-grün hat ein Übriges getan: Hartz IV hat den arbeitenden Menschen das bisschen Sicherheit einer einigermaßen verlässlichen Arbeitslosenversicherung genommen. Also: Wundern kann man sich über die Schwäche der Arbeitnehmer nicht und das schwächt auch die größte Gewerkschaft der Welt. Wundern tue ich mich allerdings darüber, dass ein Gewerkschaftsführer diese Erkenntnis öffentlich zur Schau stellt. Denn dieses Bekenntnis der nicht selbst verschuldeten Schwäche schwächt die Organisation zusätzlich.

  4. Arbeitsmarktforscher: Fachkräftemangel ist hochgepusht
    “Der Arbeitsmarkt ist keineswegs leer gefegt. Es gibt noch immer 30 000 arbeitslose Ingenieure in Deutschland“, sagte die Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Franziska Schreyer, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Das Ganze ist etwas hochgepusht“, unterstrich die Soziologin und Arbeitsmarktforscherin.
    Quelle: Focus Online

    Anmerkung: Es ist halt so, wenn man über Jahre die Belegschaften mehr und mehr ausgedünnt und immer längere Arbeitszeiten eingeführt und immer weniger ausgebildet hat, dass dann auch beim kleinsten Konjunkturaufschwung Knappheiten auftreten und dass man halt nicht immer von heute auf morgen die passenden Arbeitskräfte findet. Eine langfristig angelegte Personalpolitik sieht anders aus.

    Dazu:

    Die OECD-Studie zur Zuwanderung wird bewusst missverstanden
    Um die Zuwanderung von “Spitzenkräften”, auf die sich die Debatte hierzulande reduziert, geht es im Kern gar nicht – oder zumindest nicht nur. Denn die qualifizierten Zuwanderer, nach denen jetzt laut gerufen wird, sind zum Teil schon im Lande. Sie finden nur keine Stelle, so die Kritik der Pariser Experten, die ihrem Qualifikationsniveau entspricht. Da verwundert es kaum, dass ausländische Hochschulabsolventen kaum die Neigung verspüren, sich ins deutsche Prekariat einzureihen. Das Gerede von der “Spitzenkraft” wird dem Volk derweil verabreicht, um dessen Ängste vor einer vermuteten Billigkonkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zu dämpfen. In Wahrheit geht es um Fachkräfte auf allen Qualifikationsstufen, nicht zuletzt etwa um jene Pflegekräfte, deren bislang illegale Existenz kaum ein Politiker offiziell eingestehen will.
    Quelle: taz

  5. Abgeltungsteuer bedeutet eine deutliche Steuersenkung für Spitzenverdiener, während auf kleine und mittlere Einkommen eine steigende Belastung zukommt
    Indem die Koalition zusätzlich die Steuerfreiheit auf langfristige Kapitalanlagen abschafft, das Halbeinkünfteverfahren bei Dividenden kippt sowie den Freibetrag für Spekulationsgewinne streicht, belastet sie vor allem mittlere und kleine Einkommen. Vermögende werden dagegen vielfach entlastet – und für Aktienanlagen steht ihnen immer noch der Weg nach Luxemburg und in die Schweiz offen.
    Je geringer der persönliche Steuersatz, desto stärker die Belastung durch die Abgeltungsteuer. Um Ersparnisse kleiner und mittlerer Einkommen stärker besteuern zu können, hat der Gesetzgeber nicht nur den Sparerfreibetrag auf nun 801 Euro beinahe halbiert, sondern auch die Freigrenze für Spekulationsgewinne in Höhe von 512 Euro gestrichen.
    Wer 30 Jahre lang jeden Monat 100 Euro spart und eine durchschnittliche jährliche Rendite von 8,3 Prozent erzielt, kassiert nach geltendem Recht rund 150.000 Euro steuerfrei. Mit der Abgeltungsteuer werden auf den gleichen Ertrag künftig 32.000 Euro Steuern fällig.
    Vermögende Anleger profitieren in mehrfacher Weise von der Abgeltungsteuer. Ihre Steuerlast auf festverzinsliche Wertpapiere fällt dramatisch, da sie Zinsen künftig nicht mehr mit dem persönlichen Steuersatz von bis zu 42 Prozent, sondern nur noch mit rund 28 (inkl. Soli) Prozent versteuern müssen. Außerdem werden mit Einführung der anonymen, pauschal abgeführten Steuer ab 2009 viele vermögende Deutsche für das Finanzamt rechnerisch ärmer, da ihre Kapitaleinkünfte nicht mehr im persönlichen Steuerbrutto auftauchen. Mit dem sinkenden Jahreseinkommen bleibt vielen Vermögenden nicht nur die Reichensteuer erspart – sie kommen ohne Kapitaleinkünfte in den Genuss ungeahnt niedriger persönlicher Steuersätze.
    Der Plan des Gesetzgebers, mit Hilfe der Abgeltungsteuer Geld nach Deutschland zurückzuholen, wird sich in wenigen Jahren dennoch als Illusion erweisen.
    Bereits jetzt basteln Luxemburger Banken an Fondsmodellen, mit deren Hilfe vermögende Kunden aus Deutschland die Abgeltungsteuer umgehen können. Solche steuerspareBereits jetzt basteln Luxemburger Banken an Fondsmodellen, mit deren Hilfe vermögende Kunden aus Deutschland die Abgeltungsteuer umgehen können. Solche steuersparenden “Millionärsfonds” stehen nur einer ausgewählten Klientel offen
    Quelle: manager-magazin

    Anmerkung: Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass sich das Wirtschaftsmagazin für noch weniger Steuern aus Kapitaleinkünften ausspricht. Bemerkenswert ist die Widerlegung des ziemlich blödsinnigen Satzes von Finanzminister Steinbrück: “25 Prozent von x sind besser als 42 Prozent von nix”. Ergebnis ist, dass diejenigen die auf Grund ihres Einkommens ohnehin nur 25 Prozent Steuern bezahlen müssen, künftig mehr bezahlen und diejenigen die dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent unterliegen, auch weiterhin „nix“ bezahlen.

  6. Renten steigen weiter nur gering
    Die rund 20 Millionen Rentner müssen sich auch in den kommenden Jahren auf geringe Rentenerhöhungen einstellen. Die Vorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Bund, Annelie Buntenbach, sagte gestern auf einer Vertreterversammlung der Selbstverwaltung in Landshut, dass die Experten für die Jahre 2008 bis 2010 von ähnlichen Anpassungen wie in diesem Jahr ausgingen. Wie bekannt, werden die Ruhestandsbezüge in Ost und West zum 1. Juli um 0,54 Prozent angehoben. Zuvor hatte es drei Nullrunden gegeben.
    Quelle: Berliner Zeitung
  7. Notlösung des Tages: Hartmut Mehdorn
    Der Aufsichtsrat am Mittwoch der Verlängerung seiner Amtszeit bis 2011 zugestimmt. Gern wird Mehdorn zugute gehalten, dass das Unternehmen unter seiner Führung eine enorme Umsatz- und Gewinnentwicklung vorweisen kann. Verschwiegen wird dabei meistens, dass diese Entwicklung in erster Linie auf die Expansion in unternehmensfremden Bereichen zurückzuführen ist. Die Bahn selber ist dagegen in einem eher erbärmlichen Zustand.
    Quelle: junge Welt
  8. Christoph Butterwegge rechnet mit den neoliberalen Argumenten ab
    Anfangs war der Neoliberalismus eine Wirtschaftstheorie, die in den 30er Jahren als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise und den Keynesianismus entstanden ist. Leider hat sich aus ihr eine Ideologie entwickelt, die insgesamt mehr Markt und von den Menschen mehr Leistung fordert. Es handelt sich dabei um ein politisches Großprojekt, dass praktisch alle Gesellschaftsbereiche nach dem Vorbild des Marktes neu ordnen will. Dadurch wird unsere Gesellschaft aber zwangsläufig rauer und sozial kälter.
    Wenn die hohen Lohnnebenkosten in der Bundesrepublik der Grund für die hohe Arbeitslosigkeit wären, dann müsste umgekehrt in Mosambik eigentlich Vollbeschäftigung herrschen, weil die Lohnnebenkosten dort gleich null sind.
    Die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber entscheidet also gar nicht darüber, ob eine Volkswirtschaft auf den Weltmärkten erfolgreich ist oder nicht. Dennoch haben es die Neoliberalen und Wirtschaftslobbyisten geschafft, die Lohnnebenkosten zum Fetisch zu erheben, sie in den Mittelpunkt aller Reformdebatten zu rücken und zum zentralen Druckpunkt auf den Sozialstaat zu machen.
    Quelle: SZ
  9. Interessengebundene Wissenschaft: Wirtschaftsweiser: “Mindestlohn ist Protektionismus pur”
    Der Mannheimer Forscher Wolfgang Franz ist Mitglied des Sachverständigenrats und berät die Bundesregierung. Im Interview mit WELT ONLINE sagt Franz, was er z.B. vom Mindestlohn-Kompromiss der großen Koalition hält – und verrät, was für ihn die beste Nachricht des derzeitigen Booms in Deutschland ist.
    Quelle: WELT-online

    Anmerkung von Martin Betzwieser: Professor Franz ist Präsident und wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW). Seine Aussagen zu Mindestlohn, Unternehmenssteuerreform und Renteneintrittsalter 67 lassen sich besser zuordnen, wenn wir einen Blick hinter die Kulissen des ZEW werfen:
    Das ZEW hat einen Förderkreis. Diesem gehören diverse Großunternehmen an, deren Interessen zur Lohngestaltung hier Einfluss finden dürften. Die zahlreichen Versicherungs- und Finanzdienstleiser werden wohl am Renteneintrittsalter 67 und den Folgen verdienen. Bei den Mitgliedern des ZEW-Aufsichtsrates fällt sofort Professor Axel Börsch-Supan auf. Und im wissenschaftlichen Beirat ist Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt vertreten. Interessant ist dann noch die Liste der Auftraggeber: Neben zahlreichen Unternehmen, Bundes- und Landesministerien zählt auch die Hans-Böckler-Stiftung zu den Auftraggebern.

    Quelle 1: ZEW-Förderkreis
    Quelle 2: ZEW-Aufsichtsrat
    Quelle 3: Wissenschaftlicher Beirat des ZEW
    Quelle 4: Auftraggeber des ZEW

  10. DIW droht Ausschluss von Gemeinschaftsdiagnose
    Nach FTD-Informationen aus Finanzkreisen gibt es in der Bundesregierung Vorbehalte gegen eine Beteiligung des DIW an der Konjunkturprognose. Demnach belaste der Verlust von qualifizierten Mitarbeitern die Leistungsfähigkeit der DIW-Konjunkturabteilung.
    Quelle 1: FTD
    Quelle 2: FAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wer meint diese Entwicklung sei dem Abgang bzw. Weggang zweier Steuerschätzer geschuldet, verkennt, dass sich der Weggang von Flassbeck und Gustav Horn eben nicht so leicht verkraften ließ. Klaus F. Zimmermanns persönliche, ideologische und institutspolitische Differenzen zur Konjunkturabteilung, welche über ein Gefälligkeitsgutachten des liberalen Humboldt-Professors Michael Burdas im Rausschmiss Horns gipfelten, hat die Kompetenz dieser Abteilung nachhaltig geschwächt. Die Orientierung auf eine keynesianisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik war das Markenzeichen des DIW, welches auch der Wissenschaftsrat bei früheren Bewertungen als Stärke anerkannt hat. Es war zu erwarten, dass das angebotstheoretisch ungeübte DIW gegenüber dem Kieler IfW in seinen Empfehlungen zurückfallen musste. Nicht zu begreifen, wie Zimmermann dieses Institut in den Ruin treiben durfte.

  11. Neues aus dem Casino
    • Wir werden noch mehr Pleiten sehen
      Im Herbst 2006 verbrannte der Starhändler Brian Hunter mit einer Wette auf den Erdgaspreis innerhalb einer Woche sechs Mrd. Dollar. Der Fonds brach zusammen, allerdings ohne bleibenden Schaden an den Märkten zu hinterlassen, obwohl Amaranth zwei Mrd. Dollar mehr verloren hatte als der Pleitefonds LTCM.
      1990 existierten weltweit weniger als 1 000 Hedge-Fonds, die Anlegergelder im Wert von 39 Mrd. Dollar verwalteten. Heute steigt die Zahl rasant in Richtung 10 000 und die Schätzungen für das verwaltete Vermögen liegen zwischen 1,5 und 2 Bill. Dollar.
      Trotz des rasanten Wachstums gehen jedes Jahr viele hundert Fonds ein, die meisten davon völlig geräuschlos. Allein in der Steueroase Cayman Islands, wo viele Hedge-Fonds ihren juristischen Sitz haben, gaben im vergangenen Jahr 770 Fonds auf. Im ersten Quartal 2007 gingen 80 Hedge-Fonds auf den Cayman Inseln ein, dafür wurden allerdings gleichzeitig 1 900 neue gegründet.
      Quelle: handelsblatt.com
    • TANK & RAST – Eigentümer will Kasse machen
      Nur zweieinhalb Jahre nach der Übernahme durch die britische Beteiligungsgesellschaft Terra Firma steht der deutsche Raststättenbetreiber Tank & Rast erneut vor dem Verkauf: Wie die Berliner Zeitung gestern aus Finanzkreisen erfuhr, soll das Unternehmen bereits in den nächsten Tagen an einen internationalen Infrastrukturfonds veräußert werden.
      Quelle: Berliner Zeitung
    • Hochstapler berät heute Banken und das FBI
      Er war im wirklichen Leben der Trickbetrüger, den Leonardo di Caprio in “Catch Me If You Can” spielte: Frank Abagnale arbeitet heute als Berater – und schämt sich kein bisschen für seine Vergangenheit.
      Quelle: Spiegel Online
  12. Eckpunkte der SPD-Arbeitsgruppe Mitarbeiterbeteiligung
    Gestern konnte ich mit meiner Kritik nur auf einen stern-Artikel beziehen. Hier also das Papier zum „Deutschland-Fonds“.
    Quelle: SPD: Deutschlandfonds für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eckpunkte für mehr Mitarbeiterbeteiligung [PDF – 408KB]

    Die Gewerkschaften haben wohlwollend auf den SPD-Vorschlag zur Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmenskapital reagiert. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) warnte hingegen vor “Kapitalverschwendung” und sieht das Geld von Mitarbeitern in herkömmlichen Investments besser angelegt.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung: Ausnahmsweise stimme ich dem Aktieninstitut zu. Warum gibt man dem Arbeitnehmer nicht mehr Lohn in die Tasche und lässt ihn in „Eigenverantwortung“ selbst entscheiden, ob er sein Geld in einem Kapitalfonds anlegt.
    Im Übrigen: Wenn man den Verlauf der Debatte um den Vorschlag Becks verfolgt, kann man jetzt schon sagen, dass die Mitarbeiterbeteiligung – wie schon seit Jahrzehnten – vor allem Ablenkungsdiskussion von ehrlichen Lohnerhöhungen ist.

  13. Karl Lauterbach: Arme subventionieren Reiche
    Deutschland ist ein Zweiklassenstaat: Er bekämpft die gesellschaftlichen Ungleichheiten nicht – sondern stärkt die Privilegierten sogar noch zusätzlich. Wie diese Bevorzugung der Eliten funktioniert, konnte man letzte Woche erneut am Beispiel der Pflegeversicherung studieren. Zunächst wirkt es harmlos, dass sich die Koalition darauf geeinigt hat, dass die gesetzliche Pflegeversicherung ab dem 1. 7. 2008 um 0,25 Beitragssatzpunkte teurer werden soll. Doch mit diesem Beschluss werden die privilegierten Privatversicherten einmal mehr davor geschützt, gesamtgesellschaftliche Solidarität zeigen zu müssen.
    Quelle: taz
  14. Herrscher über Leben und Tod
    Im niederrheinischen Wegberg sind innerhalb eines Jahres über zwei Dutzend Menschen gestorben, weil Ärzte falsch, unnötig oder stümperhaft behandelt haben sollen. Der Verdacht: Der neue Chef der privatisierten Klinik habe auf Kosten der Gesundheit seiner Patienten Kasse machen wollen.
    Das auffällige Sterben in Wegberg begann Anfang 2006, nachdem Bürgermeisterin Hedwig Klein die St. Antonius Klinik an den Chirurgen Dr. Arnold Pier verkauft hatte – für lächerliche 26 000 Euro, nebst einem gut gehenden Altenheim.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Wie spottet doch Volker Pispers in seinem Kabarettprogramm: In Deutschland sterben jährlich tausende aufgrund von ärztlichen Kunstfehlern. Im Kampf gegen den Terrorismus, dem in Deutschland zum Glück noch niemand zum Opfer gefallen ist, wird kein Aufwand gescheut. Über die Toten im OP regt sich kaum jemand auf.

  15. Juristisches Nachspiel wegen massiver polizeilicher Übergriffe beim G-8 Treffen
    Der G-8-Gipfel wird für die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern ein juristisches Nachspiel haben. Globalisierungskritiker und Anwälte des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV) haben am Dienstag bei einer mehr als sechsstündigen Anhörung erklärt, dass sie gegen die “massive Polizeigewalt” während der Protestwoche gegen den G-8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm juristisch vorgehen werden. “Um politischen Protest einzuschränken, wurde der Rechtsstaat faktisch außer Kraft gesetzt.”
    Quelle: taz
  16. Altkanzler Helmut Schmidt glaubt nicht, dass die Sozialdemokraten zwischen der CDU und der Linkspartei zerrieben werden. Umdenken müssten jedoch ihre Anhänger
    Er sehe für die SPD keine grundlegende Gefahr. Die CDU stehe zwar in den Meinungsumfragen im Moment relativ gut da. Aber: “Wenn Sie sich Frau Merkel wegdenken, dann sieht die Union ganz anders aus.” Die SPD leide nicht zuletzt daran, dass sie am laufenden Band ihre Vorsitzenden gewechselt habe.
    Das Entstehen der Linkspartei führt Schmidt auch auf das Wahlsystem zurück. “Wo es Verhältniswahlrecht gibt, dort entstehen zwangsläufig linksextreme und rechtsextreme Parteien. Die Parteien in der Mitte zwingt es dazu, sich zusammenzuraufen, ob das Große Koalitionen sind oder halbgroße oder halbstarke.”
    Quelle: Die Zeit

    Anmerkung: Helmut Schmidt hat aus seinen eigenen Fehlern nichts gelernt. Er war maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich die Grünen etabliert haben. Das einzige, was ihm zur Abwehr der Linken einfällt, ist eine Wahlrechtsmanipulation. Wenn er meint, damit die politischen Kräfteverhältnisse ausblenden zu können, dann irrt er ein weiteres Mal.

    Dazu passt:

    Die SPD verliert bei der Wählerzustimmung im Wochenvergleich einen weiteren Zähler und kommt nur noch auf 24 Prozent. Dagegen kommt Die Linke mit 13 Prozent (plus 1 Punkt) auf ihren höchsten Stand seit der Wahl 2005. Sie wäre damit die drittstärkste politische Kraft im Bund.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Darin zeigt sich m.E. zweierlei: Erstens, dass sich die SPD mit ihrer aggressiven Polemik gegen Die Linke nur selbst schadet und der Linkspartei eher nützt.
    Zweitens: Wahlforscher kennen den sog. „Go-with-the-winner“-Effekt, d.h. wenn einer Partei keine Regierungsbildung mehr zugetraut wird, wechseln viele Wähler zum erwartbaren Sieger, um sich anschließend als Sieger fühlen zu können.
    Zwar sagt die SPD in ihrer Erklärung auf dem „Zukunftskonvent“ richtigerweise, dass es in diesem Land „eine solidarische Mehrheit“ gibt. Wenn man aber einen großen Teil dieser solidarischen Mehrheit, die mit den Zielen der Linken sympathisiert, ständig vor den Kopf stößt, dann braucht man sich – einmal ganz unabhängig, ob man Die Linke mag oder nicht – nicht weiter zu wundern, dass sich diese Mehrheit aufspaltet und durch die Absage jeglicher Zusammenarbeit eine potentielle Regierungsmehrheit verspielt wird.

    Siehe auch die Umfrageergebnisse der anderen Institute
    Quelle: wahlrecht.de

  17. OECD sagt was Frankreich zu reformieren hat
    Frankreich muss seine Reformen auf dem Arbeitsmarkt, bei der Altersversorgung und im Gesundheitssystem fortsetzen um sein Wachstum zu steigern und seine öffentlichen Finanzen dauerhaft zu stabilisieren, meint die OECD. Der Think-Tank sagt, dass das Wachstum in Frankreich habe seinen knappen Vorsprung über die zurückliegende Dekade gegenüber den großen Handelspartner wie Deutschland und Italien verloren.
    Quelle: FinancialTimes.com

    Anmerkung: Jetzt macht die OECD auf Frankreich Druck, die Reformen durchzusetzen, die in Deutschland schon durchgesetzt wurden. Das Reform-Dumping geht also weiter.

  18. Wachablösung in Downing Street
    Es ist das erste Mal seit mehr als 50 Jahren, dass jemand britischer Premier wird, ohne sich der Wahl des Volkes oder wenigstens der eigenen Partei gestellt zu haben. Brown war an allen Regierungsentscheidungen der letzten zehn Jahre beteiligt. Deshalb ist seine Schonfrist bei Wählern und Medien weit kürzer als die von Blair nach dessen Amtsantritt 1997.
    Quelle: taz
  19. Gordon Brown sonnt sich im Licht, doch er wirft auch viel Schatten
    Von Jahr zu Jahr hat sich Brown auf sein Geschick berufen, den Aufschwung zu nähren und der Nation eine Ära beispielloser Chancen beschert zu haben. Larry Elliott, der Wirtschaftschef des liberalen Londoner Guardian meint jedoch, Großbritannien sei in der Brown-Ära “ein riesiger Offshore-Hedgefonds” geworden, “vollkommen abhängig von der Fähigkeit der City, das Glücksrad erfolgreicher als die Rivalen in Frankfurt, Tokio oder New York zu drehen”. Die Verfügbarkeit billigen Geldes habe Browns Landsleuten eine “Phantasie-Insel” beschert, in der sie glaubten, ungestraft über ihre Verhältnisse leben zu können.
    Quelle: FR
  20. An der Hamburger Kunsthochschule boykottieren 80 Prozent die Studiengebühren
    Die Hamburger Hochschule für Bildende Künste ist eine der renommiertesten Kunsthochschulen bundesweit. Jetzt droht 350 Studierenden die Exmatrikulation, weil sie ihre Studiengebühren nicht bezahlt haben – immerhin knapp 80 Prozent der gebührenpflichtigen Studentenschaft. Die Hochschule hat jetzt eine zweiwöchige Nachfrist gesetzt: Wer bis dahin nicht zahlt, darf nicht weiterstudieren. Diese Drohung macht vielen zu schaffen.
    Quelle: DLF
  21. Das Land Hessen bürgt den Hochschulen für die Studiengebühren, falls die Verfassungsklage Erfolg hat
    „Für den Fall, dass das Hessische Studienbeitragsgesetz vom Hessischen Staatsgerichtshof als mit der Hessischen Verfassung nicht vereinbar angesehen wird und einer sich daraus ergebenden Rückzahlung der Studienbeiträge an die Studierenden, erstat-tet das Land den Hochschulen die nachgewiesenen Ausgaben, die diese zur Umset-zung des Studienbeitragsgesetzes in der Zwischenzeit vorgenommen haben.“ So heißt es in einem Erlass des Hessischen Wissenschaftsministeriums an die Hochschulen.

    Anmerkung: Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie sehr die Landesregierung und die Hochschulen durch die erfolgreiche Volksklage gegen die Studiengebühren verunsichert sind, dann findet man ihn in diesem Erlass.
    Er zeigt auch: Das Geld wäre da, wenn man nur wollte.

    Dazu passt:

    Studiengebühren nützen den Unis nichts
    Verbesserungen an der Universität spüren nur die wenigsten Studierenden, die Studiengebühren zahlen. Das geht aus einer Studie des Lehrstuhls für Marketing der Universität Hohenheim in Stuttgart hervor. Demnach gehen 71,2 Prozent der Gebührenzahler davon aus, dass es trotz der Geldbeiträge zu keiner Verbesserung kommt.
    Quelle: Netzeitung.de

  22. Billiglehrer für Hauptschulen
    Baden-Württemberg will künftig “Pädagogische Assistenten” einsetzen. Kritiker bemängeln, dass ausgebildete Lehrer dann zu Dumpinglöhnen arbeiten sollen.
    Quelle: taz


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