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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 23. Dezember 2014 um 9:24 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Die Krankheiten zu nennen, sei bereits der erste Schritt zur Besserung, schloss Franziskus seine Ausführungen. Dieser Ratschlag täte nicht nur der Kurie gut. Ich wüsste einige Felder in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu benennen, denen man gleichfalls die Leviten lesen müsste.
Dazu: Gerechte Schelte für den Hofstaat
Scharfe Kritik statt weihnachtsmilder Ansprache: Papst Franziskus wirft den Kardinälen Arroganz und Eitelkeit vor. Doch dieser Tadel ist nötig, wenn die Kirche ihren Weg durch die Moderne finden will.
Aus der katholischen Kirche ist immer wieder radikale Kirchenkritik gekommen, von Bettelmönchen, Bußpredigern oder Befreiungstheologen. Diesmal ist es der Papst selbst, der seine Kirchenfürsten durchrüttelt. Statt der Kurie eine weihnachtsmilde Ansprache zu schenken, wirft ihr Franziskus 15 Kardinalsünden vor. Arroganz, Eitelkeit und Geldgier zum Beispiel, sowie – so wörtlich – geistliches Alzheimer und terroristische Geschwätzigkeit. Die Kardinäle, Bischöfe und Monsignori müssen das widerspruchslos über sich ergehen lassen. Sie sind dem Pontifex Gehorsam schuldig.
Quelle: SZ
Anmerkung unseres Lesers M.M.: Ich habe in den Nachdenkseiten den Hinweis auf diese Papstrede nicht wahrgenommen. Ich finde sie bemerkenswert klar und deutlich. Die Herausgeber von Publik nennen sie “unerhört” (=unterschlagen von den Medien). Ich meine, die Rede bei einem Treffen der Basisbewegungen im Vatikan passt sehr gut zur Linie der Nachdenkseiten. Und auch zur Weihnachtszeit mit der Sehnsucht nach “Friede auf Erden”.
Ergänzende Anmerkung JB: Es ist richtig, dass die NachDenkSeiten noch nicht auf diese Rede hingewiesen haben, da wir sie selbst noch nicht kannten. Es ist schon bemerkenswert. Als der Papst noch ein erzkonservativer Deutscher war, verging kaum ein Tag, an dem in den deutschen Medien nicht über den Papst berichtet wurde – natürlich meist komplett unkritisch und verherrlichend. Nun haben wir einen Papst, der tatsächlich einmal Bemerkenswertes sagt und direkt wie indirekt denen die Leviten liest, die das Christentum gänzlich unchristlich instrumentalisieren – und die Medien schweigen.
Quelle: BildBlog
Im Text heißt es:
„Es soll eine Geste des Friedens, ein Zeichen der Verständigung sein: Christen sollen in den Gottesdiensten an Heiligabend auch ein muslimisches Lied singen!
Das regen Politiker und der Zentralrat der Muslime in Deutschland an….“ (Siehe unter anderer Überschrift den Text auf bild.de)
Die Wahrheit sieht aber ganz anders aus. Tatsächlich stammt die Idee nämlich von „Bild“.
Omid Nouripour erklärte uns das Zustandekommen des Artikels heute so: Am vergangenen Dienstag habe ihn „Bild“-Autorin Karina Mößbauer (die den Artikel zusammen mit Ralf Schuler geschrieben hat) angerufen und sinngemäß gesagt:
Wir bringen zu Weihnachten ja immer gute Nachrichten. Und da haben wir uns gefragt, ob es nicht eine schöne Idee wäre, wenn in christlichen Weihnachtsgottesdiensten muslimische Lieder gesungen würden.
Daraufhin habe er geantwortet: Nein, das sei keine gute Idee. Wenn, dann sollte es eine Art Tausch geben: Muslimische Lieder in der Kirche, christliche Lieder in der Moschee. „Tolle Idee!“, habe die „Bild“-Autorin geantwortet.
Ja, toll. Denn so musste sie nur noch ein, zwei andere passende Zitate einsammeln — und fertig war die Schlagzeile. Vermutlich stand sie sogar vorher schon fest, und die „Bild“-Autoren haben nur so lange rumtelefoniert, bis sie prominente Stimmen gefunden hatten, die dazu passten.
Die Rechnung ist jedenfalls aufgegangen: Der Artikel gehört zu den Meistgelesenen auf Bild.de, wurde bei Facebook tausendfach geteilt.
Und die „Pegida“-Leute haben ein Scheinargument mehr für ihre Demonstrationen.
Quelle: bildblog.de
Anmerkung WL: Auf dem Pegida-Aufmarsch wurde das prompt zur Agitation benutzt, ab Minute 13.
Anmerkung JK: So, so: „Die Menschen, die da mitlaufen, haben nämlich Angst aus ganz anderen Gründen: Sie haben Angst, dass am Ende des Monats zu wenig Geld da ist, sie haben Angst, keinen Job zu haben“. Dieses verlogene Politikergeschwätz wird langsam unerträglich. Was macht die Politik nun mit dieser Erkenntnis? Wird sich dadurch irgendetwas an der neoliberalen Politik ändern? Richtig, gar nichts. Gerade die SPD trägt mit der Durchsetzung der Agenda 2010 die Hauptverantwortung für die gesellschaftlichen Veränderungen, die letztendlich auch in eine Pegida-Bewegung münden. Und da würde uns doch gleich die Meinung von Herren Pistorius zu Hartz IV und zur Agenda 2010 interessieren. Falls Herr Pistorius die NachDenkSeiten lesen sollte, wir sind auf seine Antwort gespannt.
Anmerkung JK: So gerne wir Heribert Prandtl auch zustimmen, müssen wir doch wiederholen, dass Kritik, die sich nur auf die handelnden Personen und deren echten und vermeintliche Motive bezieht oberflächlich bleibt. Die Frage muss auch nach den politischen Verantwortlichen der gesellschaftlichen Veränderungen gestellt werden, welche dazu führen das die Menschen mit einer diffusen Zukunftsangst auf die Straße getrieben werden. Man sollte nicht den Fehler begehen, die mentalen Veränderungen in den Köpfen der Menschen, die der Neoliberalismus bewirkt hat einfach als nebensächlich zu betrachten. Gerade der Neoliberalismus geht nicht von der Gleichwertigkeit aller Menschen aus, sondern legt ihre ökonomische Verwertbarkeit als Maßstab an, dies ist zutiefst undemokratisch, inhuman und menschenfeindlich. Auch ein Sarrazin argumentiert ja im Grunde rein ökonomisch in dem er in seinen Hetzschriften nach für Deutschland (bzw. übersetzt, die herrschende Elite) nützliche und unnütze Menschen unterscheidet. Das wird den Menschen seit 20 Jahren eingehämmert und kann nicht ohne Folgen bleiben. Ich verwiese dazu noch einmal darauf, dass einer der Tabubrüche die Einführung der Agenda 2010 war, die von einer Diffamierungskampagne gegen Langzeitarbeitslose begleitet wurde, also ganz bewusst eine Personengruppe stigmatisiert hat und das gezielt und geplant (und leider trägt die SPD, neben den „Qualitätsmedien“, dafür die Verantwortung, die Stichworte sind Clement und seine Hetzbroschüre).
Zum Thema ein etwas älterer Artikel, der sich anlässlich der zu diesem Zeitpunkt erscheinen ersten Hetzschrift Sarrazins, mit der Islamfeindlichkeit auseinandersetzt. Allerdings muss die Frage gestellt werden warum der Spiegel im Gleichschritt mit dem Springer-Blatt Bild, damals Sarrazins rassistischen Text vorab veröffentlicht und damit die Islamfeindlichkeit in Deutschland erst richtig mit angehheizt hat?
Deutschland, deine Amokläufer
Das Feindbild nimmt an Schärfe zu, “der Islam” wird für viele gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht: Arbeitslosigkeit, angebliche Überfremdung, Bildungsrückstände. Eine Religion als Sündenbock – und Kristallisationspunkt für Intoleranz und Hass.
Populäre Internetseiten wie etwa “Politically Incorrect” machen sich nicht mal mehr ansatzweise die Mühe zu differenzieren. Die Eintragungen klingen so: “Islam ist eine freiwillige Geisteskrankheit.” – “Es ist müßig, sich mit dieser minderwertigen Kultur auseinanderzusetzen.” – “Islam ist mit einem Wort: barbarisch.” Der grenzenlose, dumpfe Hass reißt in der Anonymität des Web die letzten Hemmschwellen. Da werden Anhänger des Propheten mal als “Ziegenficker”, mal als “Schleierschlampen” niedergemacht. “Du dreckiger Muslim!” und “Du verdammter Kameltreiber!” gehören heute zu den meistgebrauchten Schimpfwörtern unter Jugendlichen.
Der Prophet Mohammed hat mehr als ein Imageproblem: Laut einer Emnid-Umfrage ist er einer Mehrheit längst fast so unsympathisch wie der Jesus-Richter Pilatus. Einen Muslim als Ehepartner ihrer Kinder würden 52 Prozent der Deutschen ablehnen oder nur unter sehr starken Vorbehalten akzeptieren, einen Buddhisten 46, einen Juden 30 Prozent.
Professor Wolfgang Benz, der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin und Mitbegründer der “Dachauer Hefte”, mit denen er die KZ-Forschung etablierte, sieht zwischen antisemitischen Hetzern und extremen “Islamkritikern” Parallelen. “Das Feindbild Westen, im islamischen Kulturkreis von Demagogen propagiert, wird von Populisten im Westen mit dem Feindbild Islam erwidert.” Sie arbeiteten mit ähnlichen Mitteln, mit instrumentalisierten Zerrbildern, mit Hysterie: “Die Gleichsetzung deutscher Bürger muslimischer Religion mit fanatisierten Terroristen hat Methode und wird mit dem Appell an das gesunde Volksempfinden inszeniert.”
Quelle: Spiegel
Anmerkung JB: Die Spannungspolitik lässt die Kassen der Rüstungskonzerne klingeln.
Anmerkung JK: Man kann den Menschen in Belgien nur die Daumendrücken und hoffen, dass ihr Widerstand gegen eine belgische Agenda 2010 Erfolg hat. Was natürlich auffällt, über den Widerstand gegen neoliberale Politik, der ja auch in Spanien und Griechenland stattfindet, berichten die deutschen „Qualitätsmedien“ eher nicht. Für diese gilt das deutsche Austeritätsdiktat bekanntlich weiter als alternativlos.
Dazu passt: Auch EnBW will Millionen für Zwangsabschaltung
Als dritter Energiekonzern nach RWE und E.on verlangt EnBW wegen der erzwungenen Abschaltung von Atomreaktoren Schadenersatz. Am Dienstag solle beim Landgericht Bonn eine entsprechende Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und das Land Baden-Württemberg eingereicht werden, kündigte das Unternehmen am Montag in Karlsruhe an. EnBW fordere für die dreimonatige Stilllegung seiner Atomkraftwerke Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag.
Quelle: SPON
Anmerkung JK: Schon einmal ein kleiner Vorgeschmack was uns blüht wenn das TTIP und die Investorenschutzklauseln durchgesetzt werden. Im obigen Fall erfolgt die Klage noch vor einem öffentlichen und nach rechtsstaatlichen Prinzipien arbeitenden Gericht. Wird das TTIP so wie geplant umgesetzt, dann können Unternehmen in Zukunft jeder Zeit wenn sie der Ansicht sind, dass eine staatliche Handlung auch nur im Ansatz ihre Gewinnerwartungen schmälert, Klage vor einem geheimen, der öffentlichen Kontrolle vollständig entzogenen Schiedsgerichte einreichen.
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es ist ja nicht nur wirtschaftspolitische Inkompetenz, die CSU-Politiker in einer Inflationsrate von 0% (oder am besten Deflation) Geldwertstabilität sehen läßt. Es ist auch eine besondere Form der Dreistigkeit zu leugnen, daß die konservativ-neoliberale Politik des radikalisierten Lohndumpings in Deutschland (natürlich inklusive der Politik von Schröder/Fischer) die Deflationsspirale überhaupt erst ausgelöst hat.
Quelle: IAQ-Report 2014-06 von Thomas Haipeter und Christine Slomka [PDF – 2.1 MB]
Anmerkung JB: Wenn Sie zu Weihnachten einmal eine gute Tat vollbringen wollen, dann geben Sie doch einfach einmal dem Paketboten, der vieleich sogar noch heute schwerbeladen und abgehetzt ihre letzten Weihnachtsgeschenke ins Haus bringt, eine kleine Anerkennung.
Anmerkung WL: Kritisiert haben wir die Regelung des Mindestlohns, die Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) oder die Rente mit 67 oft genug.
Anmerkung JK: Was nun Herr Gabriel? Deutlichere Avancen für schwarz-grün im Bund kann es fast schon nicht mehr geben. Und so wird die SPD, wie bei dieser Thematik schon mehrfach angemerkt, bei der nächsten Bundestagswahl der dumme August sein. Sich ohne politische Vision nur auf die Rolle der Mehrheitsbeschafferin für die Union zu konzentrieren reicht eben nicht. Einen bis Konturlosigkeit geschmeidigen Parteivorsitzenden zu haben, der auch noch beständig Beschlüsse der Parteibasis mit Füssen tritt, sowieso nicht. Die Grünen sind hier definitiv schlauer als die SPD. Durch deren Beständige Ablehnung einer Koalition mit der Linken auf Bundesebene ist völlig klar, dass es mit der dahinsiechenden SPD niemals zu einer Regierungsmehrheit reichen wird. Da sucht man sich eben einen anderen Koalitionspartner. Mit der neoliberalen Agenda haben die Grünen seit Joschka “Moneymaker” Fischer und forciert eben durch Kretschmann, Özdemir und Göring-Eckhardt auch kein grundsätzliches Problem mehr. Ihre besser verdienende Klientel ja sowieso nicht.
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Passend zu Weihnachten verdrückt der SPIEGEL ein paar Krokodilstränen über die Zustände, die er selber maßgeblich mit herbei geschrieben hat.
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