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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Ausländer-Hass und die Grenzen der Aufklärung
Datum: 18. Dezember 2014 um 9:10 Uhr
Rubrik: Anti-Islamismus, Erosion der Demokratie, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
4,7 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden sind Ausländerinnen und Ausländer. Den Anteil der Muslime an der Bevölkerung Dresdens beträgt 0,4 Prozent. Warum sind dort die anti-islamischen, ausländerfeindlichen und rechtsextremen Demonstrationen am stärksten? Diesen Montag sollen 15 000 Leute durch Dresden gezogen sein. Die Antwort lautet: Der Ausländerfeind braucht keine Ausländer, um sie zu hassen – wie der Antisemit keinen Juden braucht, um über die Juden Bescheid zu wissen und gegen sie zu sein. In einem Filmbeitrag für die Heute-Show hört man Teilnehmer einer PEGIDA-Demonstration richtigen Wahnsinn in die Mikrofone blubbern: “Der IS kommt zu uns rüber und schneidet uns die Köpfe ab”; “Es dauert nicht mehr lang und unsere Kinder müssen in der Schule eine Burka tragen” und Ähnliches mehr. Imre Kertész spricht in diesem Zusammenhang von „platonischem Judenhass“, der auch dort existiert, wo es praktisch keine Juden mehr gibt. Juden, Zigeuner, Muslime, Kanaken, Homosexuelle und so weiter sind die äußeren Repräsentanten des verfemten Teils der eigenen Person. Sie liefern einem diffusen Hass ein imaginäres Objekt. Es ist das Fremde – oder fremd Gewordene – in der eigenen Person, das im Fremden gehasst und verfolgt wird. Von Götz Eisenberg.
„Das Vorurteil“, heißt es bei Max Horkheimer, „ist ein Mittel, um eingepresste Bosheit loszulassen“. Erst ist der Antisemit da, dann erfindet er „den Juden“. In seinem Galeerentagebuch schreibt Kertész: „Zum letzten Mal über meine sogenannte ‚Identität‘: Ich bin einer, den man als Juden verfolgt, aber ich bin kein Jude.“
Kennzeichen rechtsextremer Bewegungen ist, dass sich die Verfolger aufspielen, als wären sie die Verfolgten. Dem kann man nur sehr begrenzt mit aufklärerischen Lobreden auf „unsere ausländischen Mitbürger“ begegnen und auch der vielfach geforderte „Dialog mit den Bürgern“ scheint nicht sonderlich erfolgsversprechend.
Wann wäre je ein Wahn einer vernünftigen Argumentation gewichen? Der Verweis auf die Steuern, die die ausländischen Mitbürger zahlen, auf ihren Beitrag zur Sicherung „unseres Rentensystems“, auf den „Fachkräftemangel“, den Zuwanderung beheben könnte, alle diese Argumente gehen ins Leere, weil sie den Ausländerfeind nicht wirklich erreicht oder weil er sie mit einem lässigen „Papperlapapp“ vom Tisch wischt. Außerdem ist der ständige Verweis auf den hart arbeitenden Ausländer im Sinne Adornos eine „Rancune-Argumentation“: Indem man so spreche, sagte er in seinem Vortrag Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute aus dem Jahr 1962, begebe man sich selber auf die Ebene des Gegners, auf der man stets im Nachteil sei. Weil man selbst glaube, hart arbeiten zu müssen oder es wirklich muss, und weil man im tiefsten wisse, dass harte physische Arbeit heute eigentlich bereits überflüssig ist, denunziere man diejenigen, von denen zu Recht oder Unrecht behauptet werde, sie hätten es leichter. Man dürfe nicht so tun, als wäre „der Schweiß an sich etwas Verdienstliches und etwas Positives“. Was wäre denn, wenn „Ausländer“ im Sinne eines ökonomischen Effizienz-Begriffs nutzlos wären? Dürfte man sie dann umbringen?
Noch eine kurze Anmerkung zu den Empörungsbekundungen gerade der Politiker, die durch ihr fortwährendes Gerede von „Zuwanderungsbegrenzung“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“ den Boden bereitet haben, auf dem nun unter anderem Phänomene wie PEGIDA und die Brandanschläge von Vorra gedeihen, bei denen diesmal noch keine Menschen zu Schaden gekommen sind. Es gilt immer noch, was Bodo Morshäuser Anfang der 1990er Jahre anlässlich der damaligen Pogrome geschrieben hat: „Wenn der Schlips vor Scheinwerfern ‚Ausländerbegrenzung‘ fordert, löst der Stiefel sie in der Dunkelheit ein. Dass aus Wörtern Taten geworden sind, will der Schlips danach nicht mit sich selbst in Zusammenhang gebracht wissen.“
Die Aufmärsche sind zum Fürchten und unsere, der Demokraten und Linken Lage ist schwierig. Im Sinne Horkheimers wird es nur eine langfristige Lösung für das Problem des Rassismus und des Ausländerhasses geben. Solange den Menschen mehr Verzichtsleistungen und Triebeinschränkungen auferlegt werden, als sie ohne Beschädigung ertragen können, werden ihnen im sozialen Vorurteil auch gleich jene Ersatzobjekte markiert, auf die sie ihre akkumulierte Feindseligkeit verschieben und an denen sie sich für Enttäuschungen rächen können. Wir müssten die gesellschaftlichen Verhältnisse so einrichten, dass den Menschen in der Erziehung und durch ihre Lebensumstände weniger Bosheit eingepresst wird. Dann würden sie keine Sündenböcke mehr benötigen, auf die sie ihre Misere verschieben können.
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