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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 18. Juni 2007 um 8:58 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(WL/AM)
Anmerkung: Es ist wie meist bei Ulrich Beck: Flott formulierte Klischees. Nehmen wir zum Beispiel die Polemik gegen den Sozialstaat: „Sie (die Linke) will ihren guten alten Kaiser Sozialstaat wiederhaben.“ Das ist einfach so daher geplappert. Vieles spricht dafür, dass gerade in einer von weltwirtschaftlichen Zusammenhängen geprägten Ökonomie (heute sagt man Globalisierung) die solidarische Absicherung gegen die Risiken des Lebens rationaler und verlässlicher ist als die jetzt modische Privatisierung der Sicherungssysteme. Billiger ist sie in jedem Fall.
Und dann die Polemik gegen die Gewerkschaften und der Hinweis auf transnationale Lösungen. Erstens wissen die Gewerkschaften selbst um die Notwendigkeit von übernationalen Regelungen für Arbeitnehmer. Da bedarf es nicht der Ermahnung durch den Soziologen Beck. Zweitens, und das kapiert so jemand wie Ulrich Beck nie, folgt die Schwäche der deutschen Gewerkschaften heute ganz wesentlich daraus, dass unsere Ökonomie spätestens seit 1992 makroökonomisch in den Keller gefahren worden ist, mit der Konsequenz einer großen Reservearmee von Arbeitslosen und Niedrigstlöhnern und der Folge, dass Arbeitnehmer in die Defensive geraten sind, gerade auch weil sie von der Politik im Stich gelassen wurden (Hartz IV, angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, Senkung von Lohnkosten etc.).
Allein schon die Tatsache, dass die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften bei uns aus den skizzierten Gründen um vieles weniger erfolgreich waren als zum Beispiel in Schweden oder auch in Frankreich zeigt, dass Becks Diagnose nicht stimmen kann. Oder liegt Schweden außerhalb der globalisierten Welt?
Hartz IV hat die Position der Arbeitnehmer zusätzlich enorm geschwächt. Weil den noch Arbeitenden das bisschen Sicherheit einer einigermaßen intakten Arbeitslosenversicherung genommen wurde. Mit einer nationalen (!) Entscheidung. Es gibt offenbar in negativer und positiver Richtung eine Fülle von nationalen Handlungsmöglichkeiten. Hinzu müssen natürlich auch internationale Regelungen kommen, etwa gegen Lohn- und Steuerdumping oder für den Erhalt von Sozial- und Umweltstandards. Das stimmt.
Die Beckschen Polemiken sind nur noch Koketterien eines eitlen Schwätzers, der sich selbstgefällig in oberflächlichen Formulierungen ergötzt, aber nichts mehr zu einer gesellschaftlichen und schon gar nichts zu einer ökonomischen Analyse beiträgt, die die politische und wissenschaftliche Diskussion befruchten könnte.
Seltsam, dass so etwas immer noch gedruckt wird.
Anmerkung: Bis auf Bofinger sind es für NachDenkSeiten-Leserinnen und Leser die altbekannten Dogmatiker, die den Arbeitsmarkt wir einen Kartoffelmarkt betrachten und deren Gleichgewichtsaxiom „markträumende Preise“ verlangt. Das Dogma steht gegen die Empirie in zwanzig EU-Ländern und zusätzlich drei weitere Länder in denen die Tarifmacht der Gewerkschaften einen Mindestlohn faktisch erzwingt. Ginge es nach diesen Mainstream-Ökonomen (es gibt übrigens hunderte Wirtschaftswissenschaftler, die eine andere Meinung vertreten), dann müssten in der deutschen Baugewerbe, im Dachdeckerhandwerk, bei den Gebäudereiniger, im Abwrack- und Abbruchgewerbe sowie im Maler- und Lackiererhandwerk – wo es einen Mindestlohn schon gibt – längst Entlassungswellen laufen. Auch wundert man sich, dass bei Hungerlöhnen von drei Euro etwa im Osten, der Markt nicht schon längst geräumt ist.
Die ach so neutrale FAZ platziert diesen Artikel natürlich gezielt vor dem anstehenden Koalitionsausschuss.
David Metcalf, unabhängiger Experte der britischen Niedriglohnkommission fasst zusammen: “Die Prognosen der Skeptiker haben sich überhaupt nicht bewahrheitet. Stattdessen hat die gesamte Beschäftigung kontinuierlich zugenommen. Die Mindestlöhne haben für eine Anhebung der Reallöhne im Niedriglohnsegment gesorgt, sie haben das Ungleichgewicht bei der Bezahlung zum Teil ausgeglichen und sie haben das Lohngefälle bei der Bezahlung für weibliche Beschäftigte verringert.”
Anmerkung: Wer wundert sich da eigentlich noch, dass keine osteuropäische Erntehelfer mehr nach Deutschland kommen.
Anmerkung: Ein Diskussionsbeitrag der eine kritische Auseinandersetzung verdiente.
Anmerkung: Merke: Ein „Rechtsverstoß“ liegt so lange nicht vor, so lange eine solche Käuflichkeit gesetzliche nicht verboten ist. Das herrschende Recht ist eben in der Regel auch das Recht der Herrschenden. Kleine Leute würden bei dieser Art der Korruption schon längst vor dem Kadi sitzen.
Anmerkung: Ein kluger Kommentar – mit ein paar Fragwürdigkeiten, zum Beispiel:
Von Hochkonjunktur kann im Blick auf Gesamtdeutschland keine Rede sein. Wenn rund 4 Millionen offiziell arbeitslos sind und inoffiziell vielleicht 5, 6 oder 7 Millionen. Wenn die Arbeitslosigkeit in einigen Regionen noch weit über 20% liegt, dann kann man beim besten Willen nicht von einer Hochkonjunktur spricht. Das von dieser Einschätzung Abgeleitete stimmt dann eben auch nicht.
Die Autorin übersieht meines Erachtens bei der Analyse des Potenzials der Linkspartei, wie viele Wähler der SPD und der Grünen mit der Stärkung der Linkspartei darauf hoffen, dass ihre Parteien wieder zur Vernunft kommen. Nach meiner Beobachtung ist dies ein wachsendes Segment. So zitiert die Bild am Sonntag eine Forsa-Umfrage, wonach 43% der Wählerschaft der Grünen und 23% der Anhänger der Sozialdemokraten sich vorstellen können die neue Linke zu wählen und dass ihr Wählerpotential in Deutschland bei 24% liege (19% im Westen und 44% im Osten).
Anmerkung: Auf diesen Kommentar weisen wir deshalb hin, weil man hier nachlesen kann, wie in Deutschland mit persönlicher Verunglimpfung und Hetze gegen einen unliebsamen politischen Gegner Stimmung gemacht werden kann, ohne auch nur ein einziges sachliches Argument zu gebrauchen.
Anmerkung: Selbst die liberale FAZ findet nur noch beißenden Spott über den Spaßmacher.
Diesem Spott schließt sich die FTD an:
Quelle: FTD
Anmerkung: Gerne hätte man ja gewusst, welche Erfolge der „Reformpolitik“ zu verdanken sind.
Anmerkung: Wir wissen es nicht, würden es aber gerne wissen.
Anmerkung eines aufmerksamen Lesers: Die INSM veranstaltet jetzt höchst dubiose “Umfragen” unter Studierenden und erstellt daraus ein Ranking der Hochschulen. In einer Rubrik, die die zugrundeliegende Methodik offenlegen soll, finden sich keinerlei konkrete Angaben, wie die Daten erhoben werden. Studierende, die auf dieser Seite stets plump-vertraulich geduzt werden, müssen sich anmelden, bevor sie Probleme an ihrer Universität in einer Rubrik “Kommentar” darstellen können. Man findet keinerlei Angaben darüber, wie viele Studierende von den jeweiligen Universitäten sich überhaupt an der Umfrage beteiligt haben.
Ich habe mir die Angaben zu meiner eigenen Universität (Duisburg-Essen), die auf dem vorletzten Platz gelandet ist, einmal angesehen. Ich habe die Namen derjenigen durchgezählt, die ihre Kommentare dort hinterlassen haben, es waren ganze fünf; möglicherweise war die Zahl derjenigen, die abgestimmt haben, auch nicht größer.
Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie in der Bildungspolitik scheinbar verlässliche Daten erstellt werden, mit denen anschließend die Öffentlichkeit beeinflusst wird.
Im Übrigen tut die Umfrage so, als seien Studiengebühren sinnvoll und als könne damit tatsächlich etwas zur Verbesserung der Studienbedingungen erreicht werden.
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