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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 28. November 2014 um 8:35 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JW/WL/RS)
Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten im November 2014 806.000 (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,324 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 94.000 sog. Aufstocker/Parallelbezieher (Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im November 2014 etwa 5,036 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) und/oder Arbeitslosengeld II, „44.000 … weniger“ als ein Jahr zuvor. (vgl. BA-Monatsbericht [PDF – 2.4 MB] , S. 21 und Monatsbericht 04/2014; November 2013: 5,080 Millionen; eigene Berechnungen)
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Der Artikel stellt wieder einmal den geballten Irrsinn dieser Diskussion vor, die sich permanent im Kreis dreht.
Anmerkung WL: In vielen Medien konnte man gestern jubelnde Kommentare über diesen positiven Trend lesen, dabei wird übersehen, dass nur 2 von 3 Beschäftigten (67,5%) in einem Normalarbeitsverhältnis arbeiten und nach wie vor über siebeneinhalb Millionen Menschen atypisch beschäftigt sind, darunter 679.000 Zeitarbeitsverhältnisse, 2,444Millionen geringfügig Beschäftigte.
Anmerkung WL: Siehe unter diesem Link auch die PDF-Dateien der gesamten Studie und die beeindruckenden Grafiken.
Angesichts der Tatsache, dass in der Öffentlichkeit und in der Politik üblicherweise die angebliche Zuwanderung in die Sozialsysteme („Sozialschmarotzer“) thematisiert wird („Wer betrügt, der fliegt“ (CSU)), ist es erfreulich, dass die Bertelsmann Stiftung einmal genauer nachschauen ließ, welchen Beitrag die Zugewanderten zu Steuern und sozialen Sicherungssystemen leisten.
Bertelsmann wäre allerdings nicht Bertelsmann und das die Studie erstellende Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) wäre nicht das ZEW, wenn im Ergebnis nicht für eine „gesteuerte“ Zuwanderung von (Hoch-)Qualifizierten plädiert würde. Hier treffen sich die Interessen der Wirtschaft mit der Forderung nach (qualifizierter) Zuwanderung, damit schafft man eine Reservearmee von Fachkräften und kann so die Löhne niedrig halten.
Ergänzende Anmerkung Orlando Pascheit: Es gibt in dieser Pressemeldung einen Satz, der sich zumindest teilweise auch anders interpretieren lässt: “Wenn die bereits heute in Deutschland lebenden Ausländer unter 30 Jahren durchschnittlich das gleiche Bildungsniveau erreichten wie die Deutschen und dadurch im Job entsprechend besser verdienten, würde diese Altersgruppe über ihre gesamte Lebenszeit 118.400 Euro pro Kopf mehr an Steuern und Abgaben zahlen.” Wer sagt denn, dass die Ausländer, die weniger verdienen, tatsächlich immer eine schlechtere Ausbildung als Deutsche haben? Könnte es nicht sein, dass Ausländer mit gleicher Qualifikation wie Deutsche oft notgedrungen niedrigere Löhne akzeptieren? Dies würde der in der Regel unzutreffenden Klage über Fachkräftemangel und der Forderung der Arbeitgeber nach einer erleichterten Zuwanderung von Fachkräften einen Sinn geben und das Motiv für diese regelmässig im Blätterwald aufkommenden Forderung darstellen: Diese Ausländer üben einen “wunderbaren” Lohndruck aus. Warum haben wir denn trotz angeblichen Fachkräftemangels in den behaupteten Berufszweigen noch keine Knappheitslöhne. Wie heißt es denn im schönen neoklassischen Kreuz von Angebot und Nachfrage: Sinkt das Arbeitsangebot, steigen die Löhne. Man kann also davon ausgehen, dass die Zahlungen der Ausländer in die deutschen Sozialkassen bei gleichwertiger Bezahlung noch höher ausfallen könnten.
Das IAB hat in einer Untersuchung [PDF – 500 KB] festgestellt, dass die Löhne ausländischer Männer, die im Jahr 2000 erstmals eine Vollzeitbeschäftigung in Deutschland auf genommen haben, bis zum Jahr 2008 stärker gestiegen sind als die der deutschen Männer. “Im Durchschnitt haben Ausländer damit im beobachteten Zeitraum zwar aufgeholt, trotzdem lagen ihre Löhne auch 2008 noch deutlich unter denen der Deutschen.” Natürlich gibt es dafür auch ganz rationale Gründe: “Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Migranten im Entsendeland andere Arbeitsmittel eingesetzt haben oder Produktionsprozesse dort anders organisiert waren. Die Nutzbarmachung mitgebrachter Qualifikationen könnte außerdem durch Sprachdefizite erschwert werden. Die Einstiegslöhne der Migranten sind auch dann niedrig, wenn diese in der deutschen Joblandschaft weniger gut orientiert sind.”
Die Untersuchung des IAB ist durchaus informativ. Sie geht z.B. auch auf die verschiedenen Herkunftsländer ein und stellt z.B. fest, dass Zuwanderer aus Frankreich, Spanien, Tschechien oder Bulgarien eine besonders hohe Lohnanpassung erreichten, aber der Durchschnittslohn von Migranten aus dem Libanon und aus Afghanistan im Vergleich deutlich absank. Während afghanische Arbeitskräfte 2000 noch 49 Prozent des deutschen Lohnniveaus erreichen, fielen acht Jahre später auf 46 Prozent. Interessant ist auch der sog. Kompositionseffekt, d.h. die Änderung der Zusammensetzung einer Gruppe. Der durchschnittliche Lohn der Migranten steigt dann zwischen 2000 und 2008 an, weil sich die Zusammensetzung der Gruppe ändert. Wenn Migranten, die im Jahr 2000 sehr geringe Löhne erzielten, wieder aus dem hiesigen Arbeitsmarkt durch Rückkehr in ihr Heimatlandausscheiden, bleiben im Jahr 2008 nur noch solche Migranten übrig, die – bezogen auf die gesamte Gruppe – schon im Jahr 2000 überdurchschnittliche Löhne erzielten. Also ein statistischer Effekt. So führen die Autoren mehr als die Hälfte der besonders hohen Lohnanpassung französischer Migranten (+ 43 Prozentpunkte) darauf zurück, dass ihre weniger erfolgreichen Landsleute das Land wieder verlassen haben.
Wie gesagt, gibt es durchaus akzeptable Gründe dafür, dass die Firmen Ausländer schlechter bezahlen, aber außen vor bleibt, dass Firmen über diverse Wege auch die Not der ausländischen Arbeitssuchenden auszunutzen versuchen. Das IAB schreibt ausdrücklich: “Die ungünstige Informationslage der Migranten und die mangelnde Vergleichbarkeit von Zeugnissen bieten auch Spielraum für Lohndiskriminierung. In der vorliegenden Studie können wir aber keine Aussagen über die Existenz und das Ausmaß von Lohndiskriminierung gegenüber Ausländern machen.” d.h. ohne Lohndiskriminierung könnte der Beitrag von Ausländern in unsere Sozialkassen höher liegen.
Schade, dass Bertelsmann nicht auch die Zahlungen der Deutschen mit Migrationshintergrund in unsere Sozialkassen hat untersuchen lassen, denn auch deren Beitrag dürfte den meisten Bürgern nicht klar sein.
Dazu: Nicht mit uns!
Ab Juli 2016 wird es keine Haftpflichtversicherung mehr für freiberufliche Hebammen geben. Das betrifft nicht nur Hebammen sondern auch Eltern, Großeltern und Kinder in Deutschland. Damit wird nicht nur den Hebammen ihre Existenz genommen, sondern auch uns Eltern die freie Wahl des Geburtsortes unserer Kinder. Wir werden dann nicht mehr in den Genuss der Schwangerschafts- und Wochenbettbetreuung bei uns zu Hause kommen. Weder Beleghebammen, noch außerklinische Geburten werden möglich sein. Wir finden so etwas darf einfach nicht sein.
Quelle: hebammenunterstuetzung.de
Dazu von Stephan Schulmeister: Die große Depression, der New Deal, ihre Bewertung durch den Mainstream und die Krise Europas
Der “New Deal”, mit dem Roosevelt die Wirtschaft der USA aus der Depression 1929/1933 führte, unterscheidet sich markant von der EU-Politik seit 2009. Zunächst konzentrierte er sich auf die Bekämpfung von Mutlosigkeit und Verzweiflung, auf die Regulierung des Finanzsektors und auf die Belebung der Realwirtschaft. Danach folgten Strukturreformen wie der Ausbau des Sozialstaates und seine Finanzierung durch einen progressiveren Steuertarif. In den USA stieg das reale BIP zwischen 1933 und 1937 um 43%, primär als Folge des Booms der privaten Investitionen (+140%). Die Staatsnachfrage wuchs lediglich um 28%, das Defizit wurde nicht erhöht. Roosevelt nahm somit jene Botschaften von Keynes’ “General Theory” (1936) vorweg, die später verdrängt wurden: die Bedeutung von Unsicherheit und Vertrauen sowie die Notwendigkeit, Finanzspekulation radikal einzuschränken. Die einflussreiche These von Friedman – Schwartz (1963), wonach die Depression primär durch die Geldpolitik – also durch den Staat – verursacht wurde, erweist sich als Ideologieproduktion. Dies gilt noch mehr für These von Cole – Ohanian (1999) sowie von Prescott (1999), wonach der New Deal die Depression verlängert hätte. Eine Orientierung der europäischen Politik an den Leitlinien von Roosevelt und damit ein den gegenwärtigen Ausgangsbedingungen angepasster “New Deal für Europa” könnte die Wirtschaft aus der hartnäckigen Krise führen.
Quelle: Östrerreiches Institut für Wirtschaftsforschung [PDF – 476 KB]
Anmerkung WL: Die Preissteigerungsrate liegt also weit unter der Zielinflationsmarke von 2% der EZB. Auch das ist ein Warnsignal für die wirtschaftliche Entwicklung, es zeigt dass die Nachfrage auf dem Binnenmarkt schwach ist. Wir dümpeln am Rande einer (gefährlichen) Deflation.
Hinweis: Auch diese Woche wieder eine Reihe interessanter Artikel in Kontext:Wochenzeitung u.a.:
Kontext:Wochenzeitung erscheint mittwochs online auf kontextwochenzeitung.de und samstags als Beilage zur taz.
Anmerkung WL: Das Statistische Beschönigungsamt scheint richtig stolz auf diese Entwicklung der Steigerung der Drittmittel zu sein, dabei ist das angesichts stagnierender Mittel bei der Hochschulgrundfinanzierung eher ein Alarmzeichen für die Freiheit der Forschung. Drittmittel sorgten einstmals dafür, dass Hochschulforscher zusätzliches Geld für ihre aus Grundmitteln finanzierte (und damit selbstgewählte) Forschung ausgeben konnten. Mehr und Mehr werden Drittmittel zur Grundbedingung für die Forschung an den Hochschulen überhaupt. Das heißt die Forscher können ihre Forschungsthemen nicht mehr frei wählen, sondern sind davon abhängig, welche Forschungsfragestellungen sei es von öffentlichen Förderern (z.B. Deutsche Forschungsgemeinschaft) oder von Geldgebern aus der gewerblichen Wirtschaft für relevant gehalten werden. Die grundgesetzlich garantierte Forschungsfreiheit wird mehr und mehr eine Frage des Wettbewerbs um Drittmittel.
Dazu: Studierendenberg entpuppt sich als Plateau
Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) e.V. fordert anlässlich der vom Statistischen Bundesamt (Destatis) veröffentlichten Studierendenzahlen die vollständige Aufhebung des Kooperationsverbots und die Anhebung der Grundfinanzierung. Der Kurs von Bundesbildungsministerin Wanka gefährdet die Vielfalt unter den Hochschulen.
Dazu Daniel Gaittet, Mitglied im Vorstand des fzs: “Die steigenden Studierendenzahlen stellen die Hochschulen und Universitäten vor Herausforderungen, die nur durch gemeinsame Anstrengungen von Bund und Ländern bewältigt werden können. Die geplante Änderung beim Kooperationsverbot schafft zwar eine neue Möglichkeit zur Finanzierung, die Breite der Hochschulen und Universitäten kann davon aber nicht profitieren. Die immer mehr auf Wettbewerb ausgerichtete Mittelvergabe gefährdet die Vielfalt unter den Hochschulen und Universitäten zusätzlich. Um diese Entwicklung abzufangen, brauchen wir auch eine vollständige Aufhebung des Kooperationsverbotes. Wenn Frau Wanka ihren Kurs nicht ändert, können wir die Vielfalt unter den Hochschulen und Universitäten bald begraben.”
Isabella Albert, ebenfalls Mitglied des Vorstandes, ergänzt: “Die steigenden Studierendenzahlen waren bisher der einzig erfolgreiche Ansatz, um eine soziale Durchmischung der Studierendenschaft zu erreichen. Um gute Bildung nicht nur den Kindern reicher Eltern vor zu behalten, muss die Grundfinanzierung der Hochschulen steigen. Wir freuen uns, dass sich das Märchen vom Studierendenberg zum dauerhaften Plateau der Studierendenzahlen entwickelt.”
Quelle: fzs e.V.
Anmerkung unserer Leserin M.G.: Ja, wer ist denn “der Rest Europas”, Sigmar Gabriel? Gehören zum Rest Europas auch die Bürger?
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24105