Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Parteitag der Grünen: Alles geht – von der Fundamentalopposition bis zu Schwarz-Grün
Datum: 24. November 2014 um 10:46 Uhr
Rubrik: Grüne
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Nach dem Hamburger Parteitag haben Bündnis 90/Die Grünen ihren Gründungsmythos einer pazifistischen Umweltpartei endgültig aufgegeben und haben sich vollends zu einer Funktionspartei, also als Mehrheitsbeschaffer für alle nur denkbare Koalitionen gewandelt. Was sich in den unterschiedlichen Länderkoalitionen von Grün-Rot, über Rot-Grün, Schwarz-Grün bis Rot-Rot-Grün schon abzeichnete, wurde nun mehr auch programmatisch beschlossen, nämlich „ein konsequentes Sowohl-als-auch“ (taz). „Mehr Biss. Grün“ lautete die Parole auf der Rückwand, doch zahnlose Grüne mümmelten nur noch Einheitsbrei. Von Wolfgang Lieb.
Da übernimmt der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann kehllautig das Begriffspaar „Freiheit und Verantwortung“ aus der Bundessatzung der untergegangenen FDP und plappert das libertäre Pathos des Bundespräsidenten nach. Zu Recht stellt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung infrage, ob die Gleichung „Gauck + FDP = Grüne“ aufgehen könne.
Man müsse den Menschen und der Wirtschaft „nicht immer sagen, was sie machen sollen“, denn das Thema Ökologie sei nämlich längst „in der Mitte der Wirtschaft angekommen“. Kein Wunder, dass der Regierungschef des Autobauerländles gegen den Titel „Lothar Späth mit Hybridantrieb“ inzwischen keine Einwände mehr hat und die Grünen als „klassische Wirtschaftspartei“ versteht. So liberal wird also künftig – wie es beschlossen – „Freiheit Grün gestaltet“.
Der Fraktionschef der Grünen in NRW, Reiner Priggen, bedauert – obwohl in einer rot-grünen Koalition mitregierend – ganz offen, „warum wir in Berlin nicht mit dieser Merkel-CDU eine schwarz-grüne Regierung hätten wagen sollen“. Eine Koalition mit dem rechten Hardliner in der CDU, Volker Bouffier sind die Grünen in „Waziristan“ (Jürgen Trittin) ja schon eingegangen.
Und in Thüringen soll es, wenn eine Koalitionsregierung von Rot-Rot-Grün zustande kommt, u.a. mehr Geld für freie Schulen geben. Wohl damit die wohlhabenderen grünen Eltern nicht mehr so viel Geld ausgeben müssen, wenn sie ihre Kinder auf private Schulen schicken wollen.
Für was die Grünen eigentlich stehen, wenn der Wähler ihnen seine Stimme gibt, bleibt nach diesem Parteitag völlig offen:
Zwar haben die Flügel der Partei auf dem Parteitag ein paar Mal kräftig geschlagen, aber hochgetragen wurden dabei die Grünen nicht. Vom „Grünen Gegenwind“ war nicht viel zu verspüren. Möglicherweise schwelen die Konflikte innerhalb der Partei weiter, doch wie die Antworten auf wichtige Fragen künftig ausfallen werden, bleibt nach Hamburg offen, wenn sie nicht gar beliebig sein werden. Auf diesem Parteitag blieb jedenfalls völlig offen, was man als Opposition im Bundestag der Großen Koalition entgegensetzen will – Harmonie nach allen Seiten war eben angesagt.
Die Kompromissformel, die Grünen müssten wachsen, „um unseren Veränderungsanspruch, unsere Inhalte besser durchzusetzen“, ist angesichts der Verwässerung der Programmatik geradezu paradox. Wofür wollen die Grünen wachsen? Welchen Veränderungsanspruch haben sie denn noch? Reicht es aus, dass man in vielleicht bald in acht Ländern egal mit welcher Partei auch immer in der Regierung sitzt? Doch woran erkennt man noch, dass die Grünen an der Regierung beteiligt sind?
Die Grünen als Mehrheitsbeschaffer egal für welche Koalition, sind in der Gefahr als reine Funktionspartei das gleiche Schicksal zu erfahren wie die FDP. Die SPD hat erlitten, was es bedeutet, wenn man den Markenkern einer Partei nicht mehr erkennen kann. Wie will eine Partei mehr Zustimmung erfahren, wenn der Wähler nicht mehr weiß, wofür er stimmt.
Von einem rot-grünen Projekt ist weder bei den Grünen noch bei der SPD etwas erkennbar.
Die SPD sollte dieser Parteitag der Grünen für 2017 beunruhigen, denn dann werden die Sozialdemokraten als Mehrheitsbeschaffer für die CDU mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr gebraucht. Nach diesem Parteitag haben die Grünen die Rolle des Steigbügelhalters für Frau Merkel übernommen. (Falls sie nochmals antreten sollte.)
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24049