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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Ukraine, Russland, Merkel und Putin – die Strategien der Meinungsmache sind perfekt und pervers
Datum: 21. November 2014 um 14:24 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Im Folgenden Text wird – mit Bezug auf einen Beitrag vom Montag – die Strategie des Westens im Umgang mit der Ukraine-Krise analysiert, es wird weiter an Hand von kleinen Dokumentationen die Reaktion deutscher Medien auf Putins Interview, auf die Sendung von Jauch vom 16. November und auf Merkels Rede (Anlage 1 und 2) gezeigt, wie einseitig und konfliktfördernd viele Medien sind. Die hier abgebildete Karikatur steht symbolisch für den Zustand der öffentlichen Auseinandersetzung.
Auf den Foren unserer Medien tobt ein harter Kampf. Ein NachDenkSeiten-Leser aus München, Franz Piwonka, hat zu letzterem einen lesenswerten Erfahrungsbericht geschrieben. Von Albrecht Müller.
Bundeskanzlerin Merkel hat in ihrer Rede in Sidney alle Hemmungen fallen lassen. Alltagssprachlich würde man sagen: sie hat das Tischtuch zwischen sich und der russischen Führung zerschnitten. Dazu gibt es einen treffenden Offenen Brief von Karl-Jürgen Mueller aus Konstanz „Kommen Sie zur Wahrheit, Frau Merkel!“ [PDF]. Lesenswert.
Noch eine persönliche Anmerkung, bevor ich zur Skizze der westlichen Strategie komme:
Nachdem wir im Vorfeld von 1989 erleben konnten, dass es möglich ist, den Konflikt zwischen Ost und West zu beenden, erfüllt mich der jetzt erkennbare Wiederaufbau der Konfrontation mit Sorge. Die Strategie, durch Abbau der Konfrontation und durch Vertrauensbildung einen Wandel beim Gegenüber zu erzeugen, hatte sich als erfolgreich erwiesen. Es gibt keinen sachlichen Grund, jetzt den notwendigen Wandel Russlands hin zur Modernisierung, – in gängigen Schlagworten ausgedrückt – hin zu Demokratie und Menschenrechten mit Hilfe von Sanktionen und Strafmaßnahmen und der Verschärfung des Misstrauens erreichen zu wollen.
Putin und die russische Führung stehen – anders als hier bei uns suggeriert wird – mit dem Rücken zur Wand. Er steht vermutlich im Innern unter Druck. Die Eskalation des Konflikts wird vom Westen aber ohne Rücksicht auf diese Konstellation und die möglichen Folgen in Russland betrieben. Das Ende wird nicht bedacht, wie es auch bei der Intervention in Libyen, im Irak, in Afghanistan und an anderen Ecken der Welt nicht bedacht wurde. Tausende von Toten, zerstörte Städte und zerbombte Landschaften, die „Produktion“ von Rache und Terrorismus – auch das ist die Bilanz der westlichen Interventionen.
Im Falle des Konflikts mit Russland werden kriegerische Auseinandersetzungen uns direkt berühren. Dass dies (fast) 70 Jahre nach dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs von Politikern und Medien nicht mehr einkalkuliert und gewogen wird, ist ein Zeichen von Vergesslichkeit oder (eher) von Ignoranz gegenüber den Erfahrungen des eigenen Volkes und unserer Nachbarn.
Und noch eine Bemerkung vorweg:
Wer sich Sorgen um diese gefährliche Entwicklung macht, wird schnell in die Ecke jener gestellt, die die Zustände in Russland beschönigen. Diese sind nicht zu bewundern. Putin und die russische Führung haben viele Fehler gemacht. Ein NachDenkSeiten-Leser hat mit Bezug auf meine Analyse des Putin-Interviews vom vergangenen Sonntag und der Sendung von Jauch gerade warnend geschrieben: „Wir Sympathisanten der Russen sollten nicht ihre Fans werden.“ Besser hätte ich es nicht formulieren können und möchte es aus aktuellem Anlass ergänzen: Die Gegenpropaganda, wie sie in Teilen der Arbeit von Russia Today (RT) sichtbar wird, ist auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Russland täte gut daran, seine Aufklärungsarbeit in Deutschland und Europa differenzierter und sachlich anzugehen.
Die Elemente der Strategie des Westens in der Sache und in der Kommunikation
Dass diese ökonomischen Faktoren eine Rolle gespielt haben, additiv sozusagen, will ich gar nicht bestreiten. Das gleiche Spiel jetzt wieder zu betreiben ist jedoch teuer und gefährlich. Dennoch wird vermutlich in den führenden Kreisen im Westen mit dieser Option gespielt, und entsprechend gehandelt. Die Sanktionen zielen auf die ökonomische Schwächung. Siehe dazu auch den unter NachDenkSeiten-Leserinnen und Lesern bekannten Artikel in der ZEIT („Die Superwaffe des Mr. Glaser“)
Nachbemerkung: Selbstverständlich würde ich gerne daran glauben, dass der deutsche Außenminister mit großem Engagement versucht, den Konflikt friedlich und bei Wahrung der gegenseitigen Anerkennung von Westen und Russland zu lösen.
Anlage 1:
Eine kleine Dokumentation der Reaktion unserer Medien zum ARD-Interview mit Russlands Präsident Putin
(Basis: Google News vom 16. und 17.11.2014)
Putin pöbelt gegen den Westen: „Ist etwas ausgefallen in deren Gehirnen?“ vom 16.11.2014
Quelle: Hamburger Morgenpost
ARD verwandelt sich in Putins Kreml-TV vom 17.11.2014
Quelle: Die Welt
Wie Putin die Welt sieht vom 17.11.2014
„Russlands Präsident zeigt offen, dass er bereit ist, seine Interessen mit Gewalt durchzusetzen.“, so der erste Satz des „SZ“-Artikels.
Quelle: Süddeutsche.de
Berthold Kohler, Putins Propaganda vom 17.11.2014
Quelle: Frankfurter Allgemeine
Auftritt in der ARD: Wie Putin die Fakten verdreht vom 17.11.2014
Quelle: Spiegel Online
Wie Putin die ARD narrte vom 17.11.2014
Quelle: Bild
Passend dazu:
Merkel: Kampfansage an Putin
Kreml-Chef versucht im ARD-Interview Deutschland einzuwickeln – Kanzlerin warnt ihn vor Flächenbrand vom 17.11.2014
Quelle: Bild
ARD-Interview mit Wladimir Putin: Der Faktencheck vom 17.11.2014
Ein angeblicher „Faktencheck“ soll die Argumente des russischen Präsidenten Putin entkräften.
Quelle: Web.de
Kuschelkurs mit Putin: So verspielt die ARD jede Glaubwürdigkeit vom 17.11.2014
Quelle: Focus Online
Wladimir Putin interviewt sich selbst vom 17.11.2014
Quelle: Wirtschaftswoche
Plappern mit Putin vom 17.11.2014
Russlands Präsident Putn rede viel und sage nichts, so eine irritierende Zwischenüberschrift, die auch aus dem Kalten Krieg der 1970er Jahre hätte stammen können.
Quelle: stern
Wladimir Putins Demagogie verfallen, vom 17.11.2014
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger
Wladimir Putin schlägt Haken, Hubert Seipel hakt nicht nach vom 17.11.2014
Quelle: Der Tagesspiegel
Passend dazu:
Was Wladimir Putin nicht sagt vom 17.11.2014
Quelle: Der Tagesspiegel
ARD: Der Nick-Seipel im Jauch-Gewitter vom 17.11.2014
Quelle: Tichys Einblick
Putins Reitkunst: Ein Kommentar zu dem Interview der ARD vom 18.11.2014
„Ein Teil der Werte einer Demokratie liegt darin, dass Meinungen zulässig sind, selbst wenn sie von irgendwelchen Despoten stammen.“, womit im Eingangssatz suggeriert wird, dass der russische Präsident ein Despot sei.
Quelle: The Huffington Post
Anlage 2:
Kleine Dokumentation der Reaktion auf Merkels Rede in Sidney
(Basis Google News vom 16. November)
Konflikt in der Koalition: SPD distanziert sich von Merkels’ Putin-Kritik
Wie scharf dürfen westliche Politiker den Kreml kritisieren? Kanzlerin Merkel hat in Australien deutliche Worte gefunden. Offenbar zu deutlich …
Quelle: Spiegel Online
Presseschau zu Merkels Rede: Einer enttäuschten Kanzlerin platzt …
Angela Merkel hat im australischen Sydney mit deutlichen Worten die Politik von Wladimir Putin in der Ukraine-Krise kritisiert. Die deutsche …
Quelle: FOCUS Online
Merkel rechnet mit Putin ab
Quelle: www.dw.de
Merkel und Putin: Die Zeit der Spielchen ist vorbei
Quelle: n-tv.de
Merkel: Kampfansage an Putin
Vier Stunden lang, bis tief in die Nacht hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (60,CDU) beim G20-Gipfel in Brisbane mit Russlands Präsident Wladimir Putin (62) …
Quelle: BILD
G20-Gipfel: Merkel äußert sich nicht zu Gespräch mit Putin
Quelle: tagesschau.de
Kommentar zur Russland-Rede: Merkel hat es satt
Es muss Merkel in der Bilanz des Treffens mit Putin wohl völlig klar geworden sein, dass mit ihm auf der Geschäftsgrundlage des geltenden ..
Quelle: tagesschau.de
Merkels klare Worte über Putin
Merkel, die sich in Australien zuvor zu einem persönlichen Gespräch mit Putin getroffen hatte, sagte, Putin setze auf das Recht des Stärkeren …
Quelle: tagesschau.de
“Merkel verliert die Geduld mit Putin”, Jauch ist schon längst …
Und was Staatsfrau und Staatsmann sich zu sagen wussten, blieb unbekannt, auch wenn der Welt-Reporter “Merkel mit Putin ringen” wähnte.
Quelle: Telepolis
Nach ARD-Interview – Kanzlerin Merkel rechnet hart mit Putin ab
Quelle: Express.de
Ukraine-Krise: Merkel kritisiert Putin ungewohnt scharf
Nach ihrem langen Vieraugengespräch mit Putin besteht offenbar immer … Bundeskanzlerin Angela Merkel hat überraschend deutlich vor …
Quelle: n-tv.de
Beim G-20-Gipfel verändert Merkel ihre Putin-Strategie
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Strategie im Umgang mit Putin geändert. In Brisbane führte sie am Rande des G-20-Gipfels ein …
Quelle: DIE WELT
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