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Titel: Rezension: „Die Eroberung Europas durch die USA“ – Wolfgang Bittners faktenreiches Buch gibt Aufschluss über die Ukraine-Krise
Datum: 5. November 2014 um 9:56 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Europapolitik, Rezensionen
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Nach mehr als zwei Jahrzehnten friedlicher Nachbarschaft und wirtschaftlicher Kooperation durchzieht Europa wieder ein Eiserner Vorhang, verursacht durch die Krise in der Ukraine, wo inzwischen Bürgerkrieg herrscht. Wie kam es dazu? Wolfgang Bittner zeichnet minutiös die Entwicklung der letzten Monate nach und gibt Aufschluss über die verhängnisvolle Einflussnahme der USA und der EU auf die Destabilisierung des Landes. Er beschreibt, wie die Ukraine, „als Brückenland von großer geostrategischer Bedeutung sowie als Wirtschaftsraum und Tor zu Russlands Ressourcen“ über Jahre hinweg systematisch durch subversive Kräfte zu dem wurde, was sie gegenwärtig ist: Kriegsschauplatz und Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen einer „westlichen Allianz“ und Russland. Von Jennifer Munro.
Der Autor steht mit seiner Kritik an Politik und Medien nicht allein. Er zitiert namhafte Wissenschaftler wie Norman Birnbaum, John J. Maersheimer, Karel van Wolferen oder Daniele Ganser, die der gleichen Meinung sind. Ebenso die auf Ausgleich mit Russland bedachten Politiker Helmut Schmidt, Egon Bahr, Willy Wimmer und Jack Matlock sowie die Journalisten Albrecht Müller, Gabriele Krone-Schmalz, Jakob Augstein und Gabor Steingart.
Zum Beispiel bringt der niederländische Politikwissenschaftler Karel van Wolferen die Situation in der Ukraine auf den Punkt, wenn er über den schmutzigen Krieg gegen die russisch-sprechenden Ostukrainer schreibt [PDF – 122 KB], „die nicht regiert werden möchten von einer Sammlung von Verbrechern, Abkömmlingen ukrainischer Nazis und in den IWF und die EU verliebten Oligarchen“.
Die Entwicklung bis zur Konfrontation der „westlichen Allianz“ mit Russland im ukrainischen Bürgerkrieg wird anhand zahlreicher Belege Schritt für Schritt bis Ende September 2014 dokumentiert. Dabei wird nach und nach verdeutlicht, dass die Aggression, für die Russland und insbesondere Wladimir Putin verantwortlich gemacht wird, vom Westen ausgegangen ist und durch die desaströsen Wirtschaftssanktionen weiter verschärft wird.
Bittner spricht von einem „Jahrhundertdesaster“. Tragisch sei vor allem die erneute Teilung Europas, die zur Orientierung Russlands nach China und zu einem verstärkten Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit den übrigen BRICS-Staaten führt, nachdem Wladimir Putin mehrmals vergeblich um eine vertrauensvolle Kooperation mit der Europäischen Union geworben hatte. Die Konfrontation – so Bittner – sei nachweislich von den USA inszeniert worden und könne nicht im Interesse Europas sein, das auf die russischen Ressourcen angewiesen ist, einmal abgesehen von den über Jahrhunderte gewachsenen kulturellen Verbindungen.
In mehreren Kapiteln wird das Ziel der US-amerikanischen Strategie analysiert, sich die Ukraine als wirtschaftliche und militärische Ausgangsbasis im Kampf gegen Russland einzuverleiben sowie als Führungsmacht die NATO und die EU (und vor allem Deutschland) auf Sanktionskurs zu zwingen. Bittner vertritt die Ansicht, Russland solle auf der politischen Bühne als globaler Akteur ausgeschaltet, Wladimir Putin diskreditiert und die Bedeutung Russlands als Energie-, Rohstofflieferant und Handelspartner Europas minimiert werden. Hinzu komme die von Barack Obama und der NATO geforderte Erhöhung der Militärausgaben und eine Militarisierung der Außenpolitik.
Demgegenüber verfüge die Bundesregierung über keine die deutschen Interessen wahrende Außenpolitik. Außenminister Steinmeier erscheine unfähig, und Kanzlerin Merkel unterwerfe sich offensichtlich den politischen Zielen der US-Regierung. Einerseits unterstütze sie nachdrücklich die Sanktionspolitik, andererseits wolle sie die Gespräche mit Wladimir Putin nicht abreißen lassen, wie sie immer wieder beteuere – „ein seltsam widersprüchliches, bigottes Verhalten in dieser unsinnigen, irrationalen Politik des vom Westen inszenierten Wirtschaftskrieges, der für alle Seiten ruinös zu werden droht“.
In der Frage der Einflussnahme der USA auf die europäische Politik stimmt Bittner weitgehend mit dem ehemaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Vizepräsidenten der OSZE Willy Wimmer überein, der schreibt: „Washington schmeißt Russland aus Europa hinaus und bekommt Westeuropa unter Komplett-Kontrolle. Da mag es traditionell noch so gute Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland geben. Washington dreht diesen Hahn in Zukunft ab oder Moskau kriecht zu Kreuze und liefert nicht nur das russische Erdgas und Erdöl amerikanischer Kontrolle aus, wie es zu Zeiten von Yukos fast gelungen wäre […] Wir Westeuropäer sollten uns nichts vormachen. Wir werden zum ‚Europäer-Gebiet‘ …“
Hochinteressant ist zudem ein Brief des ehemaligen Präsidenten des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge und Regierungspräsidenten von Braunschweig, Karl-Wilhelm Lange, an Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der im Anhang dokumentiert wird. Darin heißt es u.a.: „Unübersehbar ist jedoch, dass Ihre auf dem Vorrang der Diplomatie beharrende Politik durch die Zuspitzung der Krise in die Gefahr gerät, überrollt und ausgehebelt zu werden durch die Strategie der USA und der Nato, Russland und Putin als Alleinschuldige der Krise zur Verantwortung zu ziehen, beide zu Parias der europäischen und internationalen Politik zu machen, sie zu isolieren und sie zugleich politisch und wirtschaftlich zu destabilisieren.“
Abschließend wünscht Wolfgang Bittner den USA „Politiker, die den Mut hätten, das eigene Land als Interventionsfall zu erkennen, statt überall in der Welt Chaos und Unglück zu verbreiten“. Er hat ein außerordentlich wichtiges Buch mit vielen ins Detail gehenden Hintergrundinformationen verfasst, sehr klar und überzeugend in Diktion, Analyse und chronologischer Gliederung. Als unverzichtbare Lektüre auch für Leserinnen und Leser aus Politik und Wirtschaft zu empfehlen.
Wolfgang Bittner: „Die Eroberung Europas durch die USA“, VAT Verlag André Thiele, Mainz 2014, 148 Seiten, 12.90 Euro.
Hier ein Auszug aus Wolfgang Bittners neuem Buch [PDF – 74 KB].
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