Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/AM/WL/JB)
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- Die EU schuldet Kiew eine klare Ansage, nämlich: Nein
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko will 2020 den Beitritt zur EU beantragen. Die Wahlen waren auch eine Bestätigung dieses Vorhabens und ein Auftrag an die künftige Regierung, dieses Ziel zu verfolgen.
Bislang traut sich in Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten niemand, auf dieses Ansinnen so zu reagieren, wie es vernünftig wäre: Nämlich in aller Freundschaft klar zu machen, dass ein EU-Beitritt der Ukraine nicht in Frage kommen kann, weil er die finanziellen und integrativen Fähigkeiten der Union völlig überlasten würde. Zu befürchten ist aber, dass stattdessen wieder alles auf die klassische Strategie der Karotte zuläuft: Die Beitrittsperspektive vor der Nase soll unsichere Kandidaten zu wirtschaftlichen, politischen und rechtsstaatlichen Reformen verlocken. Stabilität und Demokratie werden damit vom Selbstzweck zur politischen Handelsware degradiert. Den mäßigen Erfolg dieses Schachers – ihr werdet gute Demokraten, wir bezahlen – kann man in Bulgarien und Rumänien betrachten.
Quelle: WirtschaftsWoche
- Von Weizsäcker: Schuldenbremse abschaffen
Der Ökonom Carl Christian von Weizsäcker hält es für falsch, dass der Bund in der aktuellen Konjunkturphase die Verschuldung auf Null fährt. Im Interview mit der WirtschaftsWoche forderte von Weizsäcker stattdessen die Abschaffung der Schuldenbremse für den Bund und verstärkte Investitionen in die deutsche Infrastruktur.
“Der deutsche Staat zahlt derzeit real negative Zinsen. Das ist ein starkes Preissignal dafür, dass höhere Schulden angezeigt sind, dass sie mach- und finanzierbar sind.”
Dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für den Haushalt 2015 die Neuverschuldung auf Null gedrückt hat, hält von Weizsäcker in der aktuellen Situationen für falsch. “Ich glaube, heute ist das ein Fehler. Die Investitionsquote im Staatshaushalt ist viel zu gering.” Der Ökonom hält es für geboten, viel stärker in die Infrastruktur zu investieren, aber auch in die Bildung.
Quelle: WirtsachaftsWoche
- Why The Eurozone Suffers From A Germany Problem
When, almost a year ago, Paul Krugman wrote six posts within three days laying into the stance of Germany on the Eurozone’s macroeconomic problems, even I thought that maybe this was a bit too strong, although there was nothing in what he wrote that I disagreed with. Yet as Germany’s stance proved unyielding in the face of the Eurozone’s continued woes, I found myself a couple of months ago doing much the same thing, although at a slightly more leisurely pace. Now it seems the whole world (apart from Germany, or course) is at it: here is a particularly clear example from Matt O’Brien.
Quelle: Mainly Macro
Dazu: The real sick man of Europe. Why the ‘German model’ cannot – and should not – be a template for other countries
Germany, written off as the ‘sick man of Europe’ when the euro was launched in 1999, is today
considered by most to be the continent’s most successful economy. But this is a dangerous
misconception. As Matt O’Brien recently wrote in The Washington Post:
“It doesn’t seem like it, but Germany is still the sick man of Europe. It’s just that everybody else is terminally ill now.
As Philippe Legrain, visiting senior fellow at the London School of Economics’ European Institute and former economic adviser to the president of the European Commission, recently wrote, this is perhaps the best demonstration of the fact that Germany’s export-led economic model (exemplified by the country’s huge current account surplus), far from being an example of superior competitivennes, is actually highly ‘dysfunctional’:
External surpluses are in fact symptomatic of an ailing economy. Stagnant wages boost corporate surpluses, while subdued spending, a stifled service sector, and stunted start-ups suppress domestic investment, with the resulting surplus savings often squandered overseas. The Berlin-based DIW institute calculates that from 2006 to 2012, the value of Germany’s foreign portfolio holdings fell by €600 billion, or 22 per cent of GDP. Worse, rather than being an ‘anchor of stability’ for the eurozone, as Schäuble claims, Germany spreads instability. Its banks’ poor approach to lending their surplus savings inflated asset-price bubbles in the run-up to the financial crisis, and have imposed debt deflation since then. Nor is Germany a ‘growth engine’ for the eurozone. In fact, its weak domestic demand has dampened growth elsewhere. As a result, German banks and taxpayers are less likely to recover their bad loans to southern Europe. Given how bad wage compression has been for Germany’s economy, foisting wage cuts on the rest of the eurozone would be disastrous. Slashing incomes depresses domestic spending and makes debts even less manageable. With global demand weak, the eurozone as a whole cannot rely on exports to grow out of its debts.
Quelle: academia.edu
- Crossover – „It‘s the austerity, stupid“
Ein Gespräch zwischen Cansel Kiziltepe (SPD) und Fabio De Masi (Die Linke) über Rot-Rot-Grün, das Freihandelsabkommen TTIP, über Deflation in der Eurozone – mit Differenzen über die Rolle, die Brüssel spielen soll. Für am Thema interessierte Nachdenkseiten-Leserinnen und Leser lesenswert.
Quelle: spw [PDF – 184 KB]
Anmerkung AM: Warum die Überschriften über solchen Texten in englischer Sprache gehalten sein müssen und auch noch die Rubriküberschrift „Crossover“ lautet, verstehe ich nicht. Das beklage ich nicht aus Deutschtümelei. Aber der wichtigtuerische Gebrauch englischer Begriffe schickt die normalen Leserinnen und Leser auf Distanz. Das ist nicht angebracht und schadet den Autoren.
- Zeichen der Korruption in Zeiten der Krise: Spanien im Bann der Finanzaffären
Mit sogenannten schwarzen Kreditkarten haben Führungsmitglieder der Sparkasse Caja Madrid, die inzwischen in der Grossbank Bankia aufgegangen ist, Essen, Reisen, Blumen, Anzüge und sonstige Einkäufe getätigt. Sie erzielten damit Nebeneinkommen, die sie nicht versteuerten. In den Jahren von 2003 bis 2012 bezahlte die Bank Auslagen über insgesamt rund 15 Millionen Euro. Die Praxis ist ein Hinweis auf wenig seriöse Praktiken zu Vorkrisenzeiten und für schamlose Selbstbedienung auch noch zu einer Zeit, da es im Gebälk des Bankensystems schon bedrohlich knirschte. Unter den über 80 Karteninhabern waren laut Medienberichten 28 Leute des konservativen Partido Popular, 15 Sozialisten, 4 Personen aus dem Lager der linken Izquierda Unida sowie jeweils 10 Vertreter von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden. Bei Caja Madrid herrschte eine Allparteien-Allianz der Absahner. Zwei Figuren gebührt ein besonderes Augenmerk – Miguel Blesa, Präsident der Caja Madrid von 1996 bis 2010, und seinem Nachfolger Rodrigo Rato, Leiter der Sparkasse und später von Bankia bis 2012. Rato ist besser bekannt als Ministerpräsident Aznars Wirtschaftsminister von 1996 bis 2004 und Direktor des Internationalen Währungsfonds bis 2007. Blesa soll sich mit schwarzen Kreditkarten einen Zusatzverdienst von mehr als 400 000 Euro gegönnt haben, Rato einen solchen von rund 100 000 Euro. Die beiden stehen bei der Justiz im Verdacht, das System genehmigt oder geduldet zu haben. – Neuen Wirbel gibt es zudem um Jordi Pujol und seine Familie. Der heute 84 Jahre alte Regional-Regierungs-Chef von Katalonien – er regierte 1980 bis 2003 – hatte sich erst kürzlich gegen den Verdacht verteidigt, dass ein von ihm im Ausland gehortetes Millionenvermögen mit dubiosen Nebenverdiensten aus der Politik zu erklären sein könnte und nicht mit der Erbschaft seines Vaters. Nun erlebt Pujol, der selbst sieben Kinder hat, wie gleich drei seiner Söhne ins Visier der Justiz geraten.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Kein Wunder, dass die unbelastete Podemos einen solchen Zulauf hat. Anscheinend haben sich politische Gruppierungen aller Richtungen bereichert. Selbst der Übervater der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung vermittelt den Eindruck, dass es nur darum geht, die beste Position an den Futtertrögen der Nation zu ergattern.
- Einheitsgewerkschaften: “Faktisch ein Eingriff ins Tarifrecht”
Das geplante Gesetz zur Tarifeinheit aus dem Haus von Arbeitsministerin Andrea Nahles laufe letztendlich auf eine Beschränkung des Streikrechts hinaus, sagte Reinhard Bispinck von der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung im DLF. Das sei nicht erforderlich und hoch problematisch – und könnte bald schon über eine Verfassungsklage scheitern…
„Es ist nicht erforderlich, weil ich denke, wir haben keine Situation, was Streiks und Arbeitskämpfe in Deutschland angeht, dass gesetzliche Beschränkungen der Gewerkschaften, die letztendlich auf eine Beschränkung des Streikrechts hinauslaufen, tatsächlich erforderlich sind. Wir haben in vielen Fällen gute Kooperationen zwischen den Gewerkschaften und da, wo es sie nicht gibt, muss man sehr genau prüfen, ob es wirklich gerechtfertigt ist, die Gewerkschaften in ihrem Recht auf Streik einzuschränken.
Quelle: DLF
- Bertelsmann – Geschäft mit der Dummheit
Bertelsmann steigt mit E-Learning-Angeboten groß in den US-Markt ein. Konzern verspricht sich durch kommerzielle Bildung eine Milliarde Euro in fünf Jahren..
Bildung und Bertelsmann – ein Widerspruch in sich? Ganz gewiss, aber keiner, der sich im Kapitalismus nicht zu Geld machen ließe. Und wie: In der Vorwoche verkündete Europas führender Medienkonzern einen Coup, der ihm eine ziemlich profitträchtige Zukunft verheißt. Wie Vorstandschef Thomas Rabe bekanntgab, wird das Unternehmen die US-amerikanische Onlineplattform Relias Learning erwerben. Der Deal, für den es noch den Segen der Kartellbehörden braucht, soll bis Ende des Jahres unter Dach und Fach gebracht sein. Kommt es so, wäre dies die größte Transaktion der Gütersloher in den USA seit der Übernahme der Verlagsgruppe Random House vor 16 Jahren.
Nur geht es diesmal nicht um ihr klassisches Geschäftsfeld, sondern um den Bildungssektor. Der soll mittelfristig zur dritten Ertragssäule des Konzerns neben Medien und Dienstleistungen ausgebaut werden. Das weltweite Marktvolumen in diesem Bereich liegt laut Rabe bei »fünf Billionen US-Dollar« und weise »hohe Wachstumsraten« auf. Um dabei mitzumischen, nimmt der Konzern eine Menge Geld in die Hand, die Rede ist von einem »mittleren dreistelligen Millionen-Dollar-Betrag«.
Quelle: Ralf Wurzbacher in junge Welt
- Nur jeder dritte Student hat starkes Interesse an Politik
- Trotz Bologna-Reform sind die meisten Studierenden mit ihrem Studium zufrieden.
- Für Politik interessieren sich einer Umfrage zufolge immer weniger.
- Grund dafür könnte ein verändertes Politikverständnis sein.
Jahrelang haben Studierende gegen den Bologna-Prozess gewettert, gegen Chaos nach der Einführung von Bachelor und Master und die Verschulung des Studiums. Eine Studie, die Bildungsministerin Johanna Wanka am Dienstag in Berlin vorstellte, zeigt aber: Die Zufriedenheit der Studierenden ist gestiegen. Eine Mehrheit der Befragten beurteilt demnach das Angebot und die Qualität der Lehre positiv; 67 Prozent sind mit dem Aufbau ihres Studiums zufrieden, 2001 waren es nur 54 Prozent. Und etwa 70 Prozent gaben an, dass Kernelemente des Bologna-Prozesses – das Credit-Point-System, die Einteilung der Studiengänge in Module und die Qualitätskontrollen – verwirklicht worden sind. Bemängelt wurden fehlender Praxisbezug und volle Lehrveranstaltungen; Pflichtpraktika, Unterricht in kleineren Gruppen und mehr Betreuung stehen ganz oben auf der Wunschliste.
Quelle: SZ
- DGB NRW: Ausbildungsumlage gesetzlich einführen!
Im Rahmen einer Landespressekonferenz hat der Vorsitzende des DGB NRW, Andreas Meyer-Lauber, heute die Landesregierung aufgefordert, eine gesetzliche Ausbildungsumlage für alle Unternehmen in NRW einzuführen. „Ein vom DGB NRW in Auftrag gegebenes Gutachten von Professor Dr. Bodo Pieroth zeigt: Eine Ausbildungsumlage ist auf Landesebene rechtlich möglich und sie ist in der Lage, deutlich mehr Ausbildungsplätze in Nordrhein-Westfalen zu schaffen“, so Meyer-Lauber.
Bisher seien sämtliche Initiativen der Landesregierung, die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zu verbessern, ins Leere gelaufen. „Jedes Jahr bekommen 20.000 junge Frauen und Männer in NRW keinen Ausbildungsplatz“, sagte der DGB-Landesvorsitzende. „Das ist nicht nur für die Jugendlichen eine Katastrophe, sondern auch für unseren Wirtschaftsstandort. Eine florierende Wirtschaft ist auf gut ausgebildete Facharbeiterinnen und Facharbeiter dringend angewiesen.“ Und auch die öffentlichen Kassen würden laut Meyer-Lauber durch eine Umlage entlastet. „Derzeit summiert sich das Geld, das in NRW für Warteschleifen und andere Unterstützungshilfen für unversorgte Jugendliche ausgegeben wird, auf geschätzte 850 Millionen Euro. Wer den präventiven Sozialstaat ernst nimmt, kann durch mehr Ausbildungsstellen deutliche Einsparungen erzielen.“
Professor Doktor Bodo Pieroth führte aus, dass eine Umlagefinanzierung geeignet sei, um die Ausbildungsbereitschaft zu erhöhen. „In der Altenpflege und im Bauhauptgewerbe wurden bereits sehr positive Erfahrungen mit einer Umlagefinanzierung gemacht. Sie schafft für die Unternehmen ökonomische Anreize, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.“ Die Durchführung und Abgabenerhebung müsse bei einem Landesinstitut liegen, ergänzte der Gutachter. „Eine Aufgabenübertragung an die berufsständischen Kammern ist kompetenzrechtlich ausgeschlossen.“ Dem Gesetzgeber stehe nun die Tür zur Einführung einer landesweiten Umlage offen.
Hintergrundinformation: Eine Ausbildungsumlage bzw. Berufsausbildungsabgabe ist ein System zur Erhöhung der angebotenen Ausbildungsplätze. Alle Unternehmen sind verpflichtet, einen bestimmten Betrag in einen gemeinsamen Fond einzuzahlen. Im Bauhauptgewerbe sind das derzeit 1,9 Prozent der Bruttolohnsumme. Betriebe, die ausbilden, bekommen einen Teil ihrer Kosten aus dem Fond erstattet, Betriebe nicht ausbilden, erhalten keine Rückerstattung. Durch diesen ökonomischen Anreiz werden Unternehmen motiviert, sich stärker in der betrieblichen Ausbildung zu motivieren. Bisher gibt es in NRW lediglich im Bauhauptgewerbe und in der Altenpflege eine Umlagefinanzierung.
Quelle: DGB NRW
- Julian Nida-Rümelin: Der Akademisierungswahn
Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung.
Die deutsche Bildungspolitik ist auf dem Holzweg: Die berufliche Bildung wird vernachlässigt, die akademische Bildung wird immer beliebiger und flacher. Mit dieser These trat Julian Nida-Rümelin, Philosoph und streitbarer Kulturpolitiker, eine Debatte los. Seinen Kritikern hält Nida-Rümelin in diesem Essay starke Argumente entgegen: Er plädiert für ein Bildungssystem, das sich konsequent an der Vielfalt von Begabungen, Interessen, Berufsund Lebenswegen orientiert. Es kann nicht sein, dass wegen schiefer internationaler Vergleiche die Stärken des deutschen Bildungssystems geopfert werden, erklärt Nida-Rümelin.
Quelle: Perlentaucher
Anmerkung WL: Siehe dazu nochmals „Akademisierung in der Wissensgesellschaft – Wahn oder Notwendigkeit?“
- Salafisten, Hooligans und Rechtsradikale – da wächst zusammen … Ein Weckruf zum Reformationstag
… und plötzlich sind sie dann da – die Neonazis, zahlreicher und gewalttätiger denn je wie am vergangenen Samstag in Köln. Dabei wurde seit dem Scheitern der NPD an der Fünf-Prozent-Hürde bei der Landtagswahl im Freistaat Sachsen medial schon das Totenglöcklein für den Rechtsradikalismus geläutet. Doch weit gefehlt. In Köln wurden wir Zeugen einer der größten Neonazi-Aufmärsche der letzten Jahre. Da hilft keine Beschwichtigung – auch die nicht, dass sog. Hooligans zwischen Gewalt und Politik trennen würden, also deren Gewalt sozusagen „unpolitisch“ ist. Dabei sind doch verselbständigte Gewalt und Menschenverfeindung, wie sie von Hooligans angeblich „unpolitisch“ praktiziert wird, ein wesentlicher Bestandteil der rechten Ideologie, also mit dem Neonazismus bestens kompatibel ist. Also darf es niemanden wundern oder überraschen, dass sich über kurz oder lang beide Szenen miteinander verbünden. Und nun haben sie das gemeinsame Thema gefunden: „HoGeSa“, „Hooligans gegen Salafisten“ – salonfähig gemacht seit Monaten auch durch die Berichterstattung in den Medien. Und alles passt zusammen: NPD-Parolen und brutale Gewalt und ein schleichender Abschied im Bildungsbürgertum von den Grundlagen unserer Verfassung.
Wie dem begegnen? Das Erste und Wichtigste: Wer den Schutz der Verfassung dem sog. Verfassungsschutz anvertraut, hat schon verloren. Darum: Jeder Bürger, jede Bürgerin ist aufgerufen, wachsam zu sein. Keinen Augenblick den Rechtsradikalismus und seine neuen Brückenorganisationen verharmlosen.
Quelle: Christian Wolff
- Braune Festschrift für altgedienten Jubilar
Ganz rechts außen steht der Tübinger Hohenrain-Verlag – das ist nicht nur dem Verfassungsschutz bekannt. Zum 80. hat der Verlag jetzt dem ehemaligen NPD-Landespolitiker Rolf Kosiek eine Festschrift gewidmet. Darin versammeln sich zahlreiche Autoren, die bundes- und landesweit führend in rechtsextremen Zusammenhängen tätig sind.
Der 80-jährige Rolf Kosiek ist das Gegenteil eines dumpfbackigen hirnlosen Proleten, den viele beim Stichwort Rechtsextremismus assoziieren. Er ist promovierter Physiker, Politiker, Buchautor und Lektor. In rechtsextremen Kreisen wird er als “herausragender Publizist des freiheitlich-konservativen Lagers” verehrt. Als einen “radikalen Antisemiten und Rassentheoretiker” charakterisierte ihn vor wenigen Monaten dagegen die bürgerliche “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung”.
Quelle: Kontext:Wochenzeitung
Hinweis: Auch diese Woche wieder eine Reihe interessanter Artikel in Kontext:Wochenzeitung u.a.:
- Helfen bis zum Ruin: Die Bundesländer bieten syrisch-stämmigen Deutschen die Möglichkeit, Angehörige aus dem Kriegsgebiet ins sichere Deutschland zu holen. Sie müssen sich allerdings verpflichten, jegliche Kosten zu übernehmen. Baden-Württemberg ist hier besonders streng.
- Puzzelstücke für den NSU-Ausschuss: Die ermordete Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter und ihr schwerverletzter Kollege gelten bisher als Zufallsopfer des „Nationalsozialistischen Untergrund“. Doch viele Ermittlungsergebnisse könnten neu sortiert werden, wenn es dem Untersuchungsausschuss im Landtag gelingt, an weitere Akten zu kommen.
- “Ein dummes Geschäft”: Gerhard Schick ist Ökonom, finanzpolitischer Sprecher in Berlin und gilt als einer der wenigen linken Grünen Baden-Württembergs. Er will die Deutsche Bank verkleinern, die Macht der Global Player verringern und dem Lobbyismus an den Kragen. Geht das mit den Grünen? Ein Gespräch.
- Nichts mitgekriegt vom Katastrophenalarm: Wenn es am Schwarzen Donnerstag in der damaligen Führungsriege der Stuttgarter Polizei so zugegangen ist, wie es deren Chefs heute glauben machen wollen, dann verwundert es nicht, dass der Einsatz im Stuttgarter Schlossgarten derartig danebenging. Verwundern muss aber, dass all dies bis heute für keinen der Verantwortlichen persönliche Konsequenzen hatte.
- Als schwäbischer Kurde zurück im Irak: Salam Kadir war ein Vorzeigeflüchtling. Heute lebt der “schwäbische Kurde” wieder im Nordirak, wohin derzeit viele zehntausend Menschen vor dem selbsternannten “Islamischen Staat” fliehen. Begonnen hat das Drama vor 100 Jahren, als die Engländer einmarschierten. Ein verdrängter Teil der Geschichte des Ersten Weltkriegs.
- “Wir sind die Guten”: Wenn sogar die FAZ von links aus agitiert gegen herrschende Verhältnisse, muss wirklich etwas faul sein im Staate Deutschland. Der harsche öffentliche Umgang mit streikenden Lokführern und Piloten zeigt, wie schlecht es bestellt ist mit dem Wissen um die Bedeutung von Arbeitnehmerrechten.
- Die 4. Gewaltfrei: Wetterer Peter Grohmann über die Medien und unterdrückte Nachrichten. Zum Beispiel vom AKW in Neckarwestheim.
Kontext:Wochenzeitung erscheint mittwochs online auf kontextwochenzeitung.de und samstags als Beilage zur taz.
- Kirche und Politik warnen vor neuen Feindbildern
Der Kieler Propst Thomas Lienau-Becker ärgert sich über die Wortwahl im Ukraine-Konflikt. Insbesondere wendet er sich gegen die Rede vom “bösen und immer aggressiven Russland”. “Es sorgt mich sehr, wie ein Feindbild Russland wieder hergestellt wird”, sagt Lienau-Becker. Nun hat der Theologe gemeinsam mit der parteilosen ehemaligen Wissenschaftsstaatssekretärin Cordelia Andreßen sowie dem Kieler Osteuropahistoriker Ludwig Steindorff den “Kieler Appell gegen die Eskalation durch Worte” formuliert. Wörtlich wird vor “der Verschärfung des Feindbildes” sowie “vor der Dämonisierung einzelner Handelnder” gewarnt. Zwar wollten die Unterzeichner nicht das Handeln von EU, Nato und Russischer Föderation beurteilen oder der Ukraine Ratschläge erteilen, aber eine Politik unterstützen, “die versucht, durch eine Einbeziehung Russlands den Konflikt zu lösen”.
Quelle: Hamburger Abendblatt
Anmerkung Orlando Pascheit: 2011 haben Paul H. Thibodeau Lera Boroditsky die Wirkung bestimmter Sprachbilder untersucht. Zwei Gruppen wurde ein Text vorgelegt, der die Kriminalität einer fiktiven Stadt beschrieb. Der Text der einen Gruppe unterschied sich von dem der anderen darin, dass im ersten Satz Kriminalität einmal als “wildes Tier” und einmal als “Virus” bezeichnet wurde. Die Probanden, die sich mit dem “wilden Tier konfrontiert sahen, sprachen sich für “catching and jailing criminals and enacting harsher enforcement laws” aus. Die andere Gruppe (Kriminalität als Virus) sprach sich für “investigating the root causes and treating the problem by enacting social reform to inoculate the community, with emphasis on eradicating poverty and improving education” aus, also Ursachenforschung, Armutsbekämpfung und Verbesserung der Bildung. Beide Gruppen beriefen sich dabei auf die identische Kriminalitätsstatistik der fiktiven Stadt.
- Lasst die Warhols da
Der geplante Verkauf von „Four Marlons“ und „Triple Elvis“ durch das Land NRW ist ein kulturpolitischer Skandal. Es geht überhaupt nicht darum, ob Andy Warhol, dieser alte Europäer, als Andrej Warhola getaufter Sohn ruthenischer Auswanderer in Pittsburgh geboren, ein guter oder schlechter Künstler ist. Es geht ums Prinzip des Umgangs mit unwiederbringlichem Kulturgut. Und das geht jeden Bürger und Steuerzahler an – egal, ob ihm Warhols Werk gefällt oder nicht. Die politische Vernunft muss endlich aus ihrem Schlaf erwachen, und sei es aus ökonomischer Räson. Die beiden Warhols müssen in Nordrhein-Westfalen bleiben. Erst danach kann eine Debatte mit offenem Ergebnis beginnen, ob Kunst aus dem „nicht direkten Besitz“ des Landes zu veräußern ist und falls ja, zu welchen Zwecken. Bis dahin sollte es auch dortigen Politikern einleuchten, dass es grotesk ist, den kulturellen Ausverkauf mit den vom Geld der Bürger erworbenen Kronjuwelen zu beginnen.
Quelle: FAZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Was ist denn von einer Republik zu erwarten, die sich wegen kurzfristiger Gewinne, die kurzfristig den jeweiligen Haushalt aufhübschen, über die letzten Jahrzehnte über Privatisierungen von ihrem Tafelsilber trennte. In der öffentliche Gebäude verkauft werden, um sie dann zu mieten und in der öffentliche Projekte von Privaten finanziert werden sollen, damit kurzfristig Haushaltsziele erreicht werden. Das gleicht zumindest in diesem Punkt den Finanzierungstechniken der Dschihadisten, die die Kulturgüter ihrer Länder verscherbeln.
Siehe dazu: Die Kunst der Finanzierung des Terrors
Syriens kulturelles Erbe wird von der radikalen Gruppe Islamischer Staat (IS) bedroht, der eine ikonoklastische Haltung unterstellt werden kann. Denn es sind bereits einige Berichte über die Vernichtung wertvoller archäologischer Schätze erschienen, die an die Zerstörung der afghanischen Buddhastatuen von Bamijan durch die Taliban im Jahr 2001 erinnern. Dazu gehört die Zerstörung von Statuen der archäologischen Stätte Ajaja nahe der syrischen Stadt Hassaka sowie die Sprengung schiitischer Moscheen und Schreine in der nordirakischen Stadt Mossul. Doch das Bild, das sich heute in den vom IS kontrollierten Gebieten abzeichnet, ist wesentlich komplexer als die erwähnten Beispiele. Heute beherrscht der IS große Teile der ländlichen Gebiete Syriens, vom Osten Aleppos bis zum Euphrat und weiter südlich die Städte Rakka, Deir al-Sur sowie Gebiete darüber hinaus. Diese ganze Region ist außergewöhnlich reich an archäologischen Stätten, die von der Frühgeschichte bis zur Blütezeit des Islams im Mittelalter reichen.
Quelle: taz
- “Die Anstalt” vom 28. Oktober 2014
Bereits einige Tage vor Halloween haben Max Uthoff und Claus von Wagner bittersüße und saure Themen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gesammelt. Die beiden Vollblutkabarettisten präsentieren sie in der Anstalt und bringen dabei die ein oder andere politische Maske zum Fallen. Tatkräftig unterstützt werden sie dabei von Michael Mittermeier, HG. Butzko und Chin Meyer.
Quelle: ZDF Mediathek
Anmerkung JB: Wieder einmal grandios!
Dazu: Auf zur Starbucket-Challenge
[…] Diesmal geht hauptsächlich um das Thema Steuern, auch das ist eine Stärke der Sendung, man fokussiert sich auf ein Thema und nimmt es präzise auseinander, statt sich in Inhaltsvielfalt zu verzetteln. So wird zum Beispiel sehr einleuchtend erklärt, wie große Unternehmen ihre horrenden Gewinne an der Steuer vorbeischmuggeln. […] Am eindringlichsten dürfte jedoch der Schluss im Gedächtnis bleiben, als die Satiriker deutlich machen, mit welch perfiden Methoden sich einige der größten Konzerne der Welt wie Apple, Amazon und Starbucks Steuern entziehen – in Billionenhöhe. Starbucks beispielweise hat in Deutschland 160 Filialen, an Unternehmenssteuer haben sie in den letzten Jahren keinen Cent gezahlt.
Zum furiosen Schluss rufen dann alle zur Starbucket-Challenge auf, einer so grandiosen Idee, dass man sie hier nochmal erklären muss, um die wahrscheinlich geringen Erfolgsaussichten vielleicht ein wenig zu steigern. Man begebe sich in eine Starbucks-Filiale, bestelle sich eine dieser überteuerten Kaffee-Kreationen und beschwere sich nach einem Schluck, dass es nicht schmecke, da keine Steuern drin sein. Danach schütte man sich das Getränk wie bei der Ice-Bucket Challenge über den Kopf. Bei der ganzen Aktion hat man sich natürlich filmen lassen. Dann nur noch auf allen Social Media Seiten hochladen und mit dem Hashtag #Starbucketchallenge versehen. Und wer möchte kann guten Gewissens noch ein #tollesendung hinzufügen. Ob die beiden Anstaltsleiter bei der nächsten Sendung ein paar Videos von diesen Aktionen zeigen können, bleibt abzuwarten. Zu gönnen wäre es ihnen auf alle Fälle.
Quelle: Frankfurter Rundschau
und: So geht Satire – nicht
Das ZDF-Kabarett mit Max Uthoff und Claus von Wagner bietet Spitzengags, die leider allesamt stumpf sind. Und der Dritte im Bunde, Michael Mittermeier, rettet wenig bis nichts.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung JB: Ob es ein Zufall ist, dass dieser lustlose Verriss ausgerechnet im Tagesspiegel erschienen ist, der zur gleichen Verlagsgruppe wie die ZEIT gehört, deren „Edelfedern“ mit der Anstalt in einem juristischen Dauerclinch liegen?
- #S21-Krankheiten
Wie die Ratten früher den Pestfloh eingeschleppt haben, so schleppt S21 eine ganze Reihe akuter Krankheiten nach Stuttgart ein. D.h., „einschleppen“ ist eigentlich nicht ganz das richtige Wort. Vorhanden waren diese Krankheiten auch vorher schon und es gibt sie durchaus auch anderswo. Aber S21 hat zu einer massenhaften Ansteckung geführt.
Zum Beispiel die „Chronische Demokratie Unterversorgung (CDU)“. S21 erforderte über Jahre hinweg den massiven Missbrauch demokratischer Instrumente. Wobei die Instrumente an sich schon in Ordnung waren. Deren dauerhafter Betrieb mit frisierten Wahrheiten und Worthülsen hat aber zu irreparablen Schäden an den Instrumenten geführt. Ähnlich wie bei einer Pumpe, die man leer laufen lässt. Dadurch sind Demokratielücken entstanden, die in großen Teilen der Bevölkerung zu einer Art „demokratischem Skorbut“ geführt haben.
Ebenfalls alarmierend ist die rapide Ausbreitung der „Sozialpolitischen Partial-Demenz (SPD).“ Ursache dieser Krankheit sind soziale Einzeller (sogenannte Spekulantillen oder Bankterien) die sich mit Vorliebe Politiker als Wirts-Tiere suchen. Sie bleiben solange inaktiv, bis ein befallener Politiker einen Wahlerfolg errungen hat. Dann beginnen sie sofort damit, gerade jene Hirnareale aufzufressen, in denen die Kernüberzeugungen des Politikers gespeichert waren. Dieser erinnert sich schlagartig nicht mehr an seine Wahlversprechen. Als Reaktion darauf erinnern sich seine Wähler, quasi als Folge eines Enttäuschungs-Schocks, dann nicht mehr an ihre Bürgerpflichten und gehen z.B. nicht mehr Wählen.
Quelle: Parkschützer