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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 28. Oktober 2014 um 9:10 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
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Nochmals: Wahlen in der Ukraine: Proeuropäische Kräfte gewinnen deutlich
Leserbrief von Richard Kresse:
Sehr geehrter Herr Pascheit,
Sie schreiben bezüglich des ukrainischen Wahlergebnisses vom gestrigen Sonntag, dass sich die Mär von der “faschistischen” Ukraine nun wohl erledigt habe.
Dazu habe ich einige Anmerkungen, möchte aber vorab klarstellen, dass ich den Begriff des “Faschismus'” aus diversen Gründen ablehne und auch ansonsten ganz sicher nicht auf die Idee käme, der gesamten (West-)Ukraine zu unterstellen, sie sei faschistisch. Das ist sie nicht. Es handelt sich ohnehin um einen viel zu oft missbrauchten Kampfbegriff, dessen politikwissenschaftliche Definition nicht abschließend geklärt und daher diffus ist. Dennoch sei mir erlaubt, eine modernere Faschismusdefinition, in diesem Fall von Matthew Lyons zu zitieren:
“Faschismus ist eine Form rechtsextremer Ideologie, die die Nation oder Rasse als organische Gemeinschaft, die alle anderen Loyalitäten übersteigt, verherrlicht. Er betont einen Mythos von nationaler oder rassischer Wiedergeburt nach einer Periode des Niedergangs und Zerfalls. Zu diesem Zweck ruft Faschismus nach einer ‚spirituellen Revolution‘ gegen Zeichen des moralischen Niedergangs wie Individualismus und Materialismus und zielt darauf, die organische Gemeinschaft von ‘andersartigen’ Kräften und Gruppen, die sie bedrohen, zu reinigen. Faschismus tendiert dazu, Männlichkeit, Jugend, mystische Einheit und die regenerative Kraft von Gewalt zu verherrlichen. Oft – aber nicht immer – unterstützt er Lehren rassischer Überlegenheit, ethnische Verfolgung, imperialistische Ausdehnung und Völkermord. Faschismus kann zeitgleich eine Form von Internationalismus annehmen, die entweder auf rassischer oder ideologischer Solidarität über nationale Grenzen hinweg beruht. Normalerweise verschreibt sich Faschismus offener männlicher Vorherrschaft, obwohl er manchmal auch weibliche Solidarität und neue Möglichkeiten für Frauen einer privilegierten Nation oder Rasse unterstützen kann.”
Legt man diese Definition zugrunde, ist es geradezu erschreckend, in welchem Ausmaß sie auf die gesellschaftlichen Tendenzen in der Ukraine zutrifft. Aber wie gesagt, der Begriff ist hoch umstritten.Wie dem auch sei, zur Wahl:
Nach aktuellem Stand der Dinge verpasst die Partei “Swoboda” knapp den Wiedereinzug ins Parlament, obwohl sich das durchaus noch ändern kann, auf alle Fälle bekommt sie einige Direktmandate. In den Medien wird Swoboda zumeist als “rechtspopulistisch” dargestellt, was in infamer Weise verniedlichend ist. Dazu muss man wissen, dass die Partei sich erst 2004 in den aktuellen Namen (übersetzt “Freiheit”) umbenannt hat. Zuvor firmierte sie unter dem Namen “Sozial-Nationale Partei der Ukraine”, ein Name, der Ihnen zweifellos bekannt vorkommt. Die heutige Swoboda hält damit auch absolut nicht hinter dem Berg, und ein Blick auf die dankenswerterweise auch auf Englisch existierende Homepage lohnt sich, auch hinsichtlich des Parteiprogramms, das praktisch 1:1 von der NSDAP übernommen sein könnte. Es gäbe zu dieser Partei viel zu sagen, beispielsweise, dass Abgeordnete nach dem Umsturz in Kiew den Direktor eines Fernsehsenders verprügelten und zum Rücktritt zwangen, ohne dass es irgendwelche Folgen für sie gehabt hätte, oder dass der Parteichef, Oleg Tjahnibok, eine beeindruckende Zitatesammlung im Netz hinterlässt.
Ferner zieht die Partei eines weiteren “Rechtspopulisten” ins Parlament ein. Es handelt sich dabei um die sogenannte “Radikale Partei” (kurz für “Oleg Ljaschkos radikale Partei”), deren Chef, man ahnt es, ein gewisser Oleg Ljaschko ist. Es ist mir ein Rätsel, wieso man in unserer Medienlandschaft diesem Mann und seiner Partei keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt hat, denn auch hier ist das Attribut “rechtspopulistisch” grob verniedlichend. Zwar handelt es sich hier um eine Partei, die letztlich, wie der Name ja auch schon suggeriert, auf eine einzige Person zugeschnitten ist – zu ihr gleich – dennoch ist es beispielsweise bemerkenswert, dass etliche Kandidaten dem neonazistischen Netzwerk “Sozial-Nationale Versammlung” entstammen. Ljaschko selbst ist ein radikaler Nationalist, unter anderem Mitbegründer des berüchtigten Battaillons “Azow”, das sogar hierzulande bereits für Schlagzeilen sorgte. Wie Amnesty International in einem Bericht feststellte, unterhält Ljaschko eine Kampagne der Gewalt, Einschüchterung und Folter, wobei er vollständige Immunität vor jedweder Strafverfolgung zu genießen scheint. Ob er ein Ideologe ist, vermag ich nicht zu sagen, obwohl einiges darauf hindeutet und sich sogar gute Gründe finden ließen, ihn und seine Partei noch eher als die Swoboda selbst unter klassischeren Definitionen unter den Begriff “Faschist” zu subsumieren. So oder so – er ist ein Zeitgenosse übelster Sorte.
Nimmt man die aktuellen, jeweils abgerundeten Ergebnisse von Swoboda, Radikaler Partei und des weit abgeschlagenen Rechten Sektors (auf den ich hier nicht weiter eingehe) zusammen, kommt man bereits auf 12% der Stimmen. Addiert man noch die abgerundeten Ergebnisse der Partei Julia Timoschenkos, “Vaterland”, (Sie erinnern sich sicher: Sie ist der Ansicht, man müsse die Russen mit “Atombomben” vernichten und Putin “in den Kopf” schießen) hinzu, kommt man auf 17%.
Das eigentliche Problem ist aber auch die neu gegründete Partei des Premiers und in unseren Medien als “Pro-Europäer” gefeierten Arseni Jazenjuk, die “Volksfront”, die auf jeden Fall über 20% der Stimmen erhalten hat und womöglich sogar stärkste Kraft wird. Aus Jazenjuks Geist entspringt die irrwitzige Idee, an der russischen Grenze eine Mauer zu bauen, ebenso ist er ein Verfechter des fortgesetzten Krieges, im Übrigen auch um die Krim. Ferner hat er die Rebellen im Osten des Landes und die sie unterstützenden Russen als “Untermenschen” bzw. “subhumans” bezeichnet, auch wenn er später behaupten ließ, das sei lediglich ein Übersetzungsfehler gewesen. Ich beherrsche zwar die ukrainische Sprache nicht, einem professionellen Übersetzer sollte aber im Englischen der Unterschied zwischen “subhumans” und “inhumans” sofort ins Auge springen (siehe dazu). Es gibt viele Äußerungen Jazenjuks, die an seiner demokratischen Gesinnung massive Zweifel aufkommen lassen.
Interessant ist ansonsten einerseits, dass die “Volksfront” auf den vorderen Listenplätzen eine gewisse Tetjana Tschernowol (Platz 2) beherbergt, ihres Zeichens Aktivistin aus den Reihen der offen rechtsextremen und antisemitischen Gruppierung UNA-UNSO, die sich während der Ereignisse auf dem Maidan dem Rechten Sektor anschloss. Andererseits und noch bedeutsamer findet sich dort ein Andrji Parubij (Platz 4), der in unseren Medien seinerzeit des Öfteren als “Kommandant des Maidan” hofiert wurde. Bei ihm handelt es sich um einen Mitbegründer der oben bereits erwähnten Swoboda-Vorgängerpartei “Sozial-Nationale Partei”, auch wenn er später zur Partei “Vaterland” wechselte – man darf mutmaßen, aus Karrieregründen, zumal er beispielsweise noch 2010 das Europäische Parlament bat, die Kritik an der Entscheidung, Stepan Bandera posthum den Titel “Held der Ukraine” zu verleihen, zurückzunehmen. Er war nach dem Umsturz Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine und steuerte in dieser Funktion den “Anti-Terror-Einsatz” gegen den Osten. Auch seine Rolle während der Ereignisse auf dem Maidan, die zahlreiche Ukrainer das Leben kosteten, ist umstritten. Der aktuelle Parlamentspräsident, Olexandr Turtschinow, der die Fraktion der KPU auflöste (und mithin die einzige echte Opposition) und das Verbotsverfahren anstrebt, kandidiert auf Platz 3.
Kurz: Die “Volksfront” mag pro-europäisch sein. Sie ist aber auch von Neonazis und Rechtsextremen in herausragenden Positionen besetzt und ist, selbst wenn man das vollständig ausklammert, auch so extrem nationalistisch, anti-russisch und alles andere als friedensfreudig.Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass nach aktuellem Stand abgerundet (!) 17% der Stimmen auf Rechtsextreme und Neonazis entfallen, weitere 20%+ auf Ultranationalisten mit rechtsextremen oder neonazistischen Tendenzen. Die russische Propagandamaschinerie, laut der die Ukraine von “Faschisten” durchsetzt sei, ist natürlich übertrieben und nicht haltbar und dient wohl vor allem der inneren Mobilisierung. Und dennoch – die Ergebnisse dieser Wahl sind in höchstem Maße besorgniserregend, wenn man sich nüchtern die Positionen der entsprechenden Gruppierungen und ihrer Akteure ansieht. Nicht zu vergessen die zahlreichen paramilitärischen Milizen, die offen Nazi-Symbole zur Schau stellen und von denen kaum zu erwarten ist, dass sie einfach friedlich zu Haus und Hof zurückkehren werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Richard Kresse
Anmerkung Orlando Pascheit: Ich bin Richard Kresse für seinen Kommentar dankbar, weil er mir Gelegenheit gibt, meine Anmerkung von gestern etwas zu erläutern. Setzt er doch das Wort faschistisch gleich in Anführungsstriche. Hätte ich dies nicht versäumt, wäre vielleicht die Ironie meiner Anmerkung deutlicher geworden. Natürlich hatte diese Ironie eine Richtung. Sie richtete sich gegen den Sprachgebrauch der russischen Regierung und der unter ihre Kontrolle stehenden Medien. Aber mein eigentliches Ziel ist auch nicht der Sprachgebrauch in Russland, sondern die Übernahme dieses Sprachgebrauchs in der deutschen Kritik der Ukraine. Und zwar aus denselben Gründen die Kresse so beschreibt: “Die russische Propagandamaschinerie, laut der die Ukraine von “Faschisten” durchsetzt sei, ist natürlich übertrieben und nicht haltbar und dient wohl vor allem der inneren Mobilisierung.” Wer heute die Ukraine als faschistisch denunziert, beteiligt sich an dieser russischen Propaganda und macht seine Kritik dadurch unglaubwürdig. Als Beispiel möge die Kommentierung der Wahlen durch Sevim Dagdelen (Bundestagsabgeordnete für die Linke) dienen, die wie folgt titelt: Wahlen in der Ukraine: Faschistische Gefahr nicht gebannt. Dass sie ähnlich wie Kresse, dann einzelne Personen in den gewählten Parteien unter die Lupe nimmt, bleibt ihr unbenommen, warum aber versammelt sie Ihre Getreuen unter einem so schwammigen Begriff hie Antifaschisten dort Faschisten? Der Begriff faschistisch wie auch den Gegenbegriff antifaschistisch bildet heute keine Wirklichkeit ab, er ist ein Begriff für Denkfaule, die sich schnell einem Lager zuordnen möchten. Kresse führt zurecht aus: “Es handelt sich ohnehin um einen viel zu oft missbrauchten Kampfbegriff, dessen politikwissenschaftliche Definition nicht abschließend geklärt und daher diffus ist.”
Das Resümee Kresses ist eindeutig : “die Ergebnisse dieser Wahl sind in höchstem Maße besorgniserregend, wenn man sich nüchtern die Positionen der entsprechenden Gruppierungen und ihrer Akteure ansieht” und meint wahrscheinlich wie Dagdelen ausführt: “Ein Signal des Friedens und der Versöhnung mit der Ostukraine geht ebenso wenig von dem Urnengang aus.” Was sie dann mit ihren weiteren Ausführungen meint, bleibt mir eine Rätsel: “Die Bundesregierung sollte ihr Augenmerk auf die Stabilisierung der Ukraine legen und nicht weiter mit einer marktradikalen Politik des EU-Assoziierungsabkommens gerade diejenigen Kräfte stärken, die an einer Fortführung des Krieges in der Ost-Ukraine interessiert sind.” Da werden doch nur wieder einige Schlagworte in die Runde geworfen, in die man alles Mögliche hineininterpretieren kann. Was heißt Stabilisierung? Inwiefern sind Marktradikale an der Fortsetzung des Krieges interessiert? Und überhaupt, die “marktradikale Politik des EU-Assoziierungsabkommens. Mein Gott, entdeckt die “Linke” erst jetzt, dass der Binnenmarkt ein neoliberales Projekt ist, der weder Südeuropa noch Osteuropa quasi automatisch an die wohlhabenden Nationen Europas heranführte und darüber hinaus auch sozialen Ausgleich schafft?
Mein Anliegen ist die Bitte, nicht quasi automatisch die russische Kritik an der Ukraine zu übernehmen. Ich möchte darum bitten, der Ukraine, als Staat im Übergang (Transition), genauso viel Verständnis entgegen zu bringen wie Russland. Auch in Russland gibt es bedeutende ultranationalistische Kräfte, denen auch in den Medien viel Raum gegeben wird – von streng kontrollierten Medien. Die Ukraine befindet sich zudem im Krieg. Teile des Landes werden unter Führung von recht obskuren Anführern besetzt gehalten und sollen separiert werden. Dass russische Truppen und russisches Material ganz wesentlich die Niederlage dieser Separatisten verhindert haben, steht außer Frage. Die Vorgänge um die Krim können aus der Sicht der Ukraine nur als russische Landnahme empfunden werden. Entsprechend ist die Bevölkerung national eingestellt – nationaler als in Friedenszeiten. In diesen Zeiten werden fragwürdige, rechtsextreme Figuren an das Tageslicht gespült, die im Frieden kaum eine Rolle spielen würden. Diesem Umstand wie auch dem Wahlkampf sind auch Arseni Jazenjuks Vorschläge, aber auch Teile seines Personals zuzuschreiben. Ob die Volksfront aus “Ultranationalisten mit rechtsextremen oder neonazistischen Tendenzen” besteht, sollte man nicht an der vergangenen Rhetorik Einzelner messen. Es ist bedauerlich, dass Jazenjuk und Poroschenko bei einer Verfassungsänderung (Dezentralisierung und Regionalisierung des Landes) auf Frau Timoschenko angewiesen sein wird, aber man sollte die in einem Telefongespräch geäußerten Bemerkungen zu Putin nicht überbewerten. Ich halte zunächst daran fest, dass in dieser Wahl den eindeutig rechtsextremen Parteien eine Absage erteilt wurde. Erst die Regierungsbildung wird zeigen, ob bestimmte Personen mit rechtextremem Hintergrund großen Einfluss erhalten werden. – Und – das ist ein grund zur Freude – die russische Regierung hat die ukrainischen Parlamentswahlen als gültig bezeichnet. Obwohl das vorläufige Resultat noch “widersprüchlich” sei, seien die “Wahlen gültig”, sagte der stellvertretender Außenminister Grigori Karasin am Montag in Moskau. Die Werchowna Rada müsse nun einen Dialog mit der ganzen Bevölkerung der Ukraine beginnen und direkte Kontakte mit Repräsentanten aller Regionen des Landes aufnehmen und auf diese Weise eine diplomatische Lösung des Konflikts finden, den Kiew zu verantworten habe.
Noch eine Anmerkung unseres Lesers E.V.: Bei allem Jubel über die Wahlergebnisse im größten Teil der Ukraine , der von der Politik und den Medien unisono verkündet wird, sollten doch einige rationale Fragen und Anmerkungen erlaubt sein.
Wenn es heißt, die Mehrheit der Ukrainer hätten “proeuropäisch” gewählt und den “EU-Kurs” bestätigt, darf angemerkt werden, dass die Wahlbeteiligung mit 52 Prozent doch sehr niedrig lag bei einer solch wichtigen Wahl, vor allem angesichts einer solch hochpolitischen Atmosphäre in der Ukraine. Man muss sich nach den Gründen für die massenhafte Wahlverweigerung fragen. Zu fragen ist auch, ob denn ein Beitritt der Ukraine zur EU in absehbarer Zeit überhaupt realistisch und von den anderen EU-Staaten gewollt ist.
Und was heißt überhaupt proeuropäisch? Geht es um Rechtsstaatlichkeit, parlamentarische Demokratie, Menschenrechte? Wenn ja, wie sind diese Prinzipien mit der grenzenlosen Korruption und der ebenso grenzenlosen Macht der Oligarchen, wie z.B. Poroschenko, Achmetow, Firtasch, Tigipko, Klujev, Pintschuk und Kolomoisky, zu vereinbaren.
Und warum wird Oleg Ljaschko als “Populist” bezeichnet, wo seine Neonazi-Gesinnung und die Vorwürfe von Amnesty International (Entführungen, Misshandlungen, Folter und vielleicht sogar Mord) allgemein bekannt sind.
Und warum wird nicht erwähnt, dass auf der Liste von “Jazenjuks Volksfront” führende Rechtsradikale der nazistischen Bataillone “Asov” und Aydar” auf vorderen Plätzen rangierten.
Bei allem Jubel – ein bisschen Vernunft, Transparenz und Objektivität sollte doch gerade in den Medien auch ein Merkmal “proeuropäischer” Werte sein!
Anmerkung JK: Wieder ein schönes Beispiel der Meinungsmache. Der Scharfmacher im Konflikt mit Russland, der Neoliberale und das 100-prozentige Konstrukt der US-Interventionspolitik, Arsenij Jazenjuk, wird hier euphemistisch als Pragmatiker beweihräuchert. Man beachte dabei auch die entsprechende Semantik. Jazenjuk empfängt seine „Gesprächspartner mit federndem Gang und festem Händedruck.“ Während Vitali Klitschko, von den USA nicht favorisiert, sich für den stramm transatlantischen Spiegel, „nur noch müde von Krisensitzung zu Krisensitzung“ schleppt. Auch schön die Rechtsradikalen auf Jazenjuks Wahlliste als „Frontkämpfer“ zu verharmlosen.
Dazu ein Beitrag vom Januar diesen Jahres, der nichts von seiner Aktualität verloren hat und der darauf hinweist, dass es eigentlich im Sinne der neoliberalen Agenda war, die Tarifeinheit in den Betrieben zu zerstören. Und nun beklagt man sich über die Folgen.
Schwarz-rotes Streikverbot
Erst als die Tarifergebnisse in Zeiten der Arbeitslosigkeit und gewerkschaftlichen Schwäche hinter dem zurückblieben, was verteilungspolitisch möglich und volkswirtschaftlich notwendig war, zerbrachen einige der bisher praktizierten Tarifgemeinschaften. Insbesondere in den der Privatisierung preisgegebenen Sektoren des Verkehrs- und Gesundheitswesens verlor die Verallgemeinerungslogik des einheitlichen Tarifwerks des öffentlichen Dienstes ihre Anerkennung. So konnte es nicht überraschen, dass einige der bestehenden Berufsverbände meinten, auf sich allein gestellt besser zu fahren.
Damit aber war die soziale Grundlage der gerichtlich dekretierten Tarifeinheit entfallen. Folgerichtig verabschiedete sich das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 von der Einheitsdoktrin. Von Stund an galt, was Verfassung und Tarifvertragsgesetz schon immer vorschreiben: Was tariffähige Gewerkschaften im Tarifvertrag durchsetzen, ist auf die Arbeitsverhältnisse der jeweiligen Mitglieder der vertragsschließenden Gewerkschaft anzuwenden.
Doch die damit hergestellte betriebliche Geltung einheitlicher Tarifbedingungen ist nicht das eigentliche Anliegen der Arbeitgeber. Überhaupt ist es ein Stück aus dem Tollhaus, wenn ausgerechnet jene nach dem Einheitsvertrag rufen, die seit Jahren Belegschaften und Betriebsräten das Leben schwer machen, indem sie ein wahres Chaos unterschiedlicher Arbeitsbedingungen produzieren – durch flexible Betriebsorganisation, durch Betriebsteilung und -auslagerungen, durch Tarifflucht, durch Zeitarbeit und Werkvertragsarbeitnehmer, durch geringfügige Beschäftigungen usw. Unterschiedliches Vertragsrecht in einem Betrieb gehört infolgedessen längst zum Alltag.
Nein, was hier treuherzig als Rückkehr zur früheren Rechtsprechung eingefordert wird, erweist sich bei näherer Betrachtung als veritables Streikverbot. Der Kern der BDA-Initiative liegt nicht in der Tarifeinheit, sondern darin, dass die aus dem dominierenden Tarifvertrag folgende Friedenspflicht auch auf die konkurrierende Gewerkschaft erstreckt werden soll. Das ist neu und stellt nicht etwa die frühere Rechtsprechung wieder her. Diese hatte nämlich die Einheitsdoktrin aus guten, verfassungsrechtlichen Gründen nicht etwa dahin überdehnt, dass sie der konkurrierenden Gewerkschaft auch noch das Streikrecht beschnitten hätte. Genau dies aber soll in Zukunft geschehen.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
Anmerkung WL: 3,7 Milliarden Euro hat die BayernLB bie der Hypo Alpe Adria verloren und weitere 2,3 Milliarden liegen noch an Krediten bei der Kärntner Bank. Den Steuerzahler kostete dieses Geschäft 3,7 Milliarden. Nahezu alle für den Deal Verantwortlichen kamen mit lächerlichen Strafen davon.
Der Ex-Landesbankchef Schmidt hat Bestechung gestanden. § 334 StGB lautet:
„Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.“
Der Ex-Landesbankchef konnte auch mit dem Gericht einen „Deal“ machen: Er musste im Gegenzug für ein Geständnis nicht ins Gefängnis. Wie viele Leute sind schon im Gefängnis gelandet, die mit weniger als 2,5 Millionen Euro bestochen haben und bei diesem krummen Geschäft noch nicht einmal den Steuerzahler geschädigt haben.
Wegen der vielen möglichen Umgehungsmöglichkeiten bleibt die Umsetzung entscheidend. Gute Prinzipien genügen nicht.
Quelle: Sven Giegold
Anmerkung unseres Lesers M.H.: ich möchte Sie auf ein Interview mit Herrn Sinn vom IFO (UFO)- Institut hinweisen. Nun ist Herr Sinn kein Ökonom, den man zu sehr beachten müsste, obwohl er einer der führenden Talkshow-Gäste ist, um seine zweifelhaften Thesen vorzutragen. Allerdings ist es interessant, wenn man über die Jahre betrachten darf, wie Herr Sinn seine Meinung ändert.
Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als Deutschland als Schlusslicht der europäischen Ökonomien behandelt wurde. In der Zeit, als Herr Aznar noch Präsident von Spanien war und den Bausektor aufgebläht hat, wurde uns von Herrn Sinn erzählt, wir sollten mal auf Spanien schauen, um zu lernen, wie eine Ökonomie zu funktionieren hat.
Heute will Sinn von Spanien nichts mehr wissen. Interessant war nun, dass er in einem Interview mit Phöenix seine neuesten Kehrtwendungen als Wahrheit verkauft. Thesen, die er noch vor zwei Jahren vertreten hat, von denen will er plötzlich nichts mehr wissen. Selbst die Süddeutsche Zeitung lobte ihn neulich für seine “modernisierten” Ansichten.
Das ist natürlich Quatsch. Um aber mal den Wendehals Sinn in voller Breite zu erleben, empfehle ich Ihnen das Interview auf Phoenix.
Anmerkung J.K: Oh, Heilige Einfalt. Der Rückgang der Nachfrage ist aus dem Rückgang der Partizipation am Arbeitsmarkt aus der demografischen Entwicklung bedingt. Ein weiterer Beweis, dass Neoliberale in einem Paralleluniversum leben. Während man in Europa verzweifelt darum kämpft, eine Deflation noch abzuwenden, ist die Preistabilität weiterhin die einzige Sorge der Neoliberalen. Martin Feldstein, Professor für Ökonomie an der Universität Harvard, war Vorsitzender des Rates der Wirtschaftsberater unter US-Präsident Ronald Reagan – noch Fragen?
Anmerkung JK: Ein weiterer Beleg für die Verwüstungen, welche die aberwitzige Austeritätspolitik anrichtet. Nicht nur das Deutschland die EU-Partnerländer damit in die Bredouille stürzt, auch ein wesentlicher Bestandteil der politischen Ordnung der Bundesrepublik, die föderale Struktur, gerät dadurch ins Wanken. Die Saarländische Ministerpräsidentin hat dies deutlich dargestellt. Das irre daran ist aber, das Annegret Kramp-Karrenbauer im gleichen Atemzug die Austeritätspolitik als „grundsätzlich vernünftig“ verteidigt, obwohl damit die Existenz des Bundeslandes, dessen Ministerpräsidentin sie ist, in Gefahr gerät. Diese Form kognitiver Dissonanz bringen offenbar nur deutsche Politiker zustande. Dies belegt auch, dass die sogenannte Schuldenbremse mit keinerlei Rationalität begründet ist, sondern dass es sich dabei um ein rein ideologisches Konstrukt handelt.
Natürlich ist es mit der Abschaffung der sogenannten Schuldenbremse nicht getan, die wesentliche Frage dahinter ist die nach einer soliden Fundierung der Staatsfinanzen. Diese wäre allerdings problemlos möglich wenn in Deutschland Vermögen und Einkommen aus Vermögen angemessen besteuert würden, wenn es eine angemessene Unternehmensbesteuerung gäbe, wenn es eine vernünftige Regelung der Erbschaftsteuer gäbe, wenn die hohen Einkommen angemessen besteuert würden, wenn endlich rigoros gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung vorgegangen würde, wenn die aggressiven Steuervermeidungsstrategien der großen Unternehmen bekämpf würden und wenn es eine angemessene Lohnpolitik in Deutschland gäbe, da höhere Einkommen letztendlich höhere Steuern generieren. Aber mit diesen Erkenntnissen ist eine deutsche Landespolitikerin offenbar bereits intellektuell völlig überfordert.
Anmerkung unseres Lesers O.B.: Jaja, der böse, böse Putin hat was gegen Homosexuelle. Deswegen muss man ihn verdammen. Wenn die katholische Kirche oder die CDU den selben Schmarrn ablässt, dann wird es akzeptiert.
Ergänzende Anmerkung Orlando Pascheit: In der Tat, wenn der “Feind” etwas “Böses” tut, lohnt es sich, immer wieder davon zu berichten. Das Kehren vor der eigenen Haustür wird dabei vernachlässigt. Allerdings hat mir ein schwuler Freund geschrieben, nachdem ich ihm eher zufällig die Anmerkung von O.B. mitgeschickt hatte: “Na ja, aber der Papst kann keine Gesetze erlassen so wie Putin. Ich bin froh, dass ich derzeit in Hamburg und nicht in Russland lebe, da käme ich vielleicht ins Gefängnis.” Als schulpolitischer Fraktionssprecher und Stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion ist allerdings Herr Irmer ein einflussreicher Faktor der Legislative, der gewiss nicht allein schwulenfeindliche Gesetze stemmen kann, aber als Verhinderer aufklärender Maßnahmen wie oben geschildert Wirkungsmacht hat.
Anmerkung J.K: Ohne Verschwörungstheorien bemühen zu wollen, es ist jedesmal schon recht merkwürdig, dass die Organe der Exekutive, wenn es um Rechtsextremismus geht, häufig überrascht und völlig überfordert erscheinen – es sei in diesem Zusammenhang nur an den NSU-Skandal erinnert, wobei es dem riesigen Überwachungsapparat aus Verfassungsschutz und Polizei zehn Jahre nicht gelang den Mördern des NSU auf die Spur zu kommen. Aber sieht man sich etwa die Blockupy Proteste vergangenes Jahr in Frankfurt an, war dort, völlig überraschend, genügend Polizei vorhanden um den friedlichen Demonstrationszug zu stoppen und einzukesseln, während man in Köln den rechten Mob gewähren lässt. Einen politischen Hintergrund mag man natürlich nicht sehen. Die Rechtsextremisten hätten sich gewaltbereiten Hooligans angeschlossen, diese aber nicht gesteuert, sagte der Chef des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Burkhard Freier. Na, da sind wir ja alle beruhigt. Und wenn, dann kann man ja den rechten Mob quasi als Verbündeten in der Anti-IS-Koalition sehen.
(wer mag kann mit den Stichworten „blockupy frankfurt 2013“ einmal nach Bildern googeln, um zu sehen wie nachhaltig in Deutschland die marktkonforme Demokratie und die Interessen der Finanzindustrie geschützt werden).
Anmerkung WL: Interessant ist auch noch die Grafik über die Parteipräferenzen nach Haushaltseinkommen unter 1.000 Euro. Danach sind 20,3% dieser Gruppe Nichtwähler; 17,4% präferieren die NPD, die Linke 14,3%; unentschlossen sind 12,1%; Piratenpartei 10,3%; 6,6% SPD; Grüne 5,5; CDU/CSU 5%; AfD 3,9%.
Sehr geehrtes Nachdenkseitenteam,
aus aktuellem Anlass schreibe ich und empfehle, ihr solltet dringend Euer Verhältnis zur Tagesschau verbessern ! Jedes mal wenn ich bei Tagesschau.de einen Kommentar veröffentlichen will, bei dem ich auf die Nachdenkseiten verweise, werde ich zensiert, pardon, der Beitrag wird von der Redaktion nicht freigegeben. Und das liegt keinesfalls daran, dass Tagesschau.de Links auf andere Seiten grundsätzlich nicht zuläßt.
Aber ehrlich gesagt, m.E. zeigt dieses Verhalten, dass ihr genau richtig liegt !
Also weiter so und schönen Tag noch….
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