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Titel: Kein Presseauskunftsrecht auf Bundesebene – und keiner vermisst es
Datum: 7. Oktober 2014 um 14:05 Uhr
Rubrik: Bundesregierung, Erosion der Demokratie, Medien und Medienanalyse
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Seit dem 20. Februar 2013 gibt es in der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene kein Presseauskunftsrecht mehr. Bundesministerien und -behörden brauchen Anfragen von Journalisten nicht mehr in der Ausführlichkeit und Genauigkeit zu beantworten, wie dies die jeweiligen Landesbehörden tun müssen.
Und das kam so: Mit seinem Urteil vom 20. Februar 2013 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Klage des Chefreporters der Bild-Zeitung Hans-Wilhelm Saure abgelehnt. Saure wollte erfahren, wie viele alte Nazis beim BND bei Gründung und über die Jahrzehnte hin beschäftigt waren. Darüber mochte der BND nichts sagen. Deshalb klagte der Redakteur und berief sich in dieser Klage auf das Berliner Pressegesetz. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnte die Klage ab und schaffte, sozusagen nebenbei, auch das Presseauskunftsrecht auf Bundesebene ab. Von Helmut Lorscheid [*]
In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts heißt es:
„Die Landespressegesetze begründen keine Auskunftsansprüche der Presse gegen den Bundesnachrichtendienst; deshalb kann der Kläger sein Begehren nicht auf § 4 Abs. 1 BlnPrG (Berliner Pressegesetz) stützen. Die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung derartiger Presseauskünfte liegt beim Bund (a). Solange der Bund von seiner gesetzlichen Regelungskompetenz keinen Gebrauch macht, folgt ein Auskunftsanspruch der Presse unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG…“
Weiter heißt es:
„Die Länder können durch ihre Pressegesetze den Bundesnachrichtendienst nicht zu Auskünften gegenüber der Presse verpflichten. Für eine solche Regelung fehlt ihnen die Gesetzgebungskompetenz…“
Damit wurde die bisher gepflegte Praxis, bei Anfragen an Bundesbehörden sich auf das jeweilige Landespressegesetz zu beziehen, beendet. Folglich fehlte plötzlich etwas – was zuvor keiner brauchte – ein Presseauskunftsrecht auf Bundesebene.
Als logische Konsequenz legte die SPD-Bundestagsfraktion bereits wenige Wochen nach der mündlichen Verkündigung dieses Urteils im Frühjahr 2013 einen Entwurf eines “Presseauskunftsgesetzes” vor, bestehend aus nur einem Paragraphen, der da lautete [PDF]:
„Die Behörden des Bundes sind verpflichtet, den Vertreterinnen und Vertretern der Presse und des Rundfunks zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen.“
In der Begründung verwiesen die SPD-Abgeordneten auf das erwähnte Bundesverwaltungsgerichts-Urteil (6 A 2/12). In den darauf folgenden Monaten wurde der Gesetzesantrag beraten, es gab eine Anhörung, bei der die Journalistengewerkschaft dju /verdi ebenso wie der DJV und die Verleger dieses Gesetz begrüßten. Doch in der 17. Wahlperiode regierte bekanntlich eine CDU/CSU-FDP-Koalition und die lehnte den SPD-Entwurf ab, ohne aber, wie sonst üblich, einen eigenen Antrag einzubringen.
So gab es bis zur Wahl des 18. Deutschen Bundestages kein Presseauskunftsrecht auf Bundesebene. Das sollte auch – bis heute so bleiben. Obwohl auch die Medienpolitiker der Union, allen voran deren medienpolitischer Sprecher, Marco Wanderwitz MdB, die Notwendigkeit für ein solches Gesetz sehen, fand es keinen Eingang in den Koalitionsvertrag der CDU/CSU-SPD-Regierung. Und was da nicht drin steht, wird auch nicht gemacht.
Wanderwitz meinte gegenüber dem Autor:
„Ja, ich bin der Meinung, wir sollen gesetzgeberisch tätig werden. Die Federführung dafür liegt aber bei den Innenpolitikern, nicht bei uns Medienpolitikern. Ich muss daher auf diese verweisen bezüglich des Zeitplans, wofür ich herzlich um Ihr Verständnis bitte.“
Die verantwortlichen Innenpolitiker in der Union sind der Heilbronner CDU-MdB Thomas Strobl, stellvertretender CDU-Vorsitzender und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU- im Bundestag und von Beruf Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Medienrecht. Der Mann weiß also ziemlich genau, was er macht. Er pflegt aber auf Anfragen zum Thema Presseauskunftsrecht nicht zu antworten, ebenso wie der zweite Hardliner in der CDU/CSU-Fraktion, Stephan Mayer, CSU-MdB aus Altötting. Weil also von der Großen Koalition vorläufig keine Änderung zu erwarten war, entschloss sich der Autor Ende 2013 den Wortlaut des SPD-Gesetzentwurfs als Petition an den Bundestag zu richten.
Dabei wurde leider deutlich, welch geringen Stellenwert das Recht auf Auskunft für die Journalisten tatsächlich hat. Zwar fand die Petition die Unterstützung von dju/verdi, DJV, Freischreiber, Netzwerk Recherche und schließlich auch seitens der Verleger, dennoch unterzeichneten lediglich 2424 Journalisten und medienpolitisch interessierte Menschen. Es gibt geschätzt etwa 80.000 Journalisten in diesem Land. Ein mäßiges Ergebnis.
Interessant war dabei zu sehen, wer diese unter Journalisten ausreichend bekannt gemachte Petition, nicht unterschrieb. Dazu gehörten alle Redaktionen der politischen Magazine der ARD. Keines dieser Magazine hat bisher das fehlende Presserecht auf Bundesebene auch nur mit einem Wort erwähnt. Auch überregionale Zeitungen haben bisher nicht darüber berichtet. Insgesamt war die Berichterstattung über diese Petition und den Missstand, der damit bekämpft werden soll, recht übersichtlich. Es gab gerade einmal drei Rundfunkberichte, wobei lediglich „Radio Dreyeckland“ und „Nordwestradio – eine gemeinsam von Radio Bremen und dem NDR produzierte Sendung – berichteten und für die Unterzeichnung der Bundestagspetition warben. Das NDR-Medienmagazin ZAPP berichtete erst kurz nach der Zeichnungsfrist und im WDR 5 gab es ein paar Monate später einen Beitrag. Große Unterstützung kam hingegen von der Medienredakteurin von „Cicero online“.
In der Bundespressekonferenz vom Autor gefragt, ob oder wann noch in dieser Wahlperiode mit einem Entwurf der Bundesregierung für ein Presseauskunftsgesetz zu rechnen sei, reagierte der Regierungssprecher mit Unwissenheit und Unverständnis. Steffen Seibert wörtlich: „Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, was Sie meinen. Wir haben das Informationsfreiheitsgesetz, das auch sehr intensiv genutzt wird. Ich weiß jetzt nicht genau, was Sie darüber hinaus meinen und müsste dann vielleicht auch den Kollegen des Justizministeriums hinzu bitten.“
Da ich als Fragsteller jedoch das „BMI“ als federführendes Ministerium nannte, antwortete der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Dr. Tobias Plate:
„Ich kann jedenfalls Folgendes dazu sagen: Ihrer Aussage, dass es kein einklagbares bundesseitiges Presseauskunftsrecht gibt, muss ich widersprechen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, auf das Sie sicherlich Bezug nehmen, sagt ja, dass ein solcher Presseauskunftsanspruch unmittelbar aus Artikel 5 des Grundgesetz http://www.artikel5.de/ folgt, also aus einer Norm, die sozusagen der höchsten Rechtssetzungsebene entspringt, die wir in der Bundesrepublik Deutschland kennen. Dass das nicht einklagbar wäre, ist also unzutreffend. Dieses Recht ist sozusagen auch auf der höchsten denkbaren Ebene verbrieft.“
Beim Sprecher der Arbeitsgruppe Kultur und Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Dörmann, MdB, stieß diese Darstellung nur auf begrenzte Zustimmung. Zwar sei die Darstellung des Ministeriums „durchaus richtig“, sagte Martin Dörmann gegenüber dem Autor, denn mit seinem Urteil (6 A 2/12) habe das Bundesverwaltungsgericht zwar festgestellt, dass die Pressegesetze der Länder auf Bundesbehörden nicht anwendbar sind. Gleichzeitig hat es aber in aller Deutlichkeit ausgeführt, dass ein solcher Auskunftsanspruch – mangels einer bundesgesetzlichen Regelung – aber unmittelbar auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gestützt werden kann.
Dennoch, so fährt Dörmann fort „sieht die SPD-Bundestagsfraktion beim Auskunftsrecht für Journalistinnen und Journalisten gegenüber den Behörden des Bundes unverändert erheblichen Handlungsbedarf.“
Deshalb habe die Fraktion (unter der Federführung Dörmanns) in der letzten Legislaturperiode, einen Entwurf für ein Presseauskunftsgesetz vorgelegt, der nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht Rechtssicherheit für Journalistinnen und Journalisten bei ihren Auskunftsanfragen an Bundesbehörden schaffen sollte.
(…) “Eine solche Regelung ist – solange die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes geltendes Recht ist – nach wie vor notwendig, da die Medien nun nur noch einen zwar im Grundgesetz verankerten, aber inhaltlich unbestimmten Auskunftsanspruch haben.“
Es sei daher von besonderer Bedeutung, „Rechtssicherheit für die Presse hinsichtlich des Umfangs des verfassungsrechtlich verbürgten Auskunftsanspruchs und insbesondere bezüglich der Ausnahmen zu schaffen. Es ist mit dem verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Auftrag der Presse nicht vereinbar, dass das Spektrum vermeintlicher Ausnahmen erst im Wege langwieriger Rechtsstreitigkeiten erkennbar wird.“ Deshalb habe die SPD ihren Gesetzesvorschlag auch in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. Dörmann:
„Wir konnten dies aber gegenüber unserem Koalitionspartner leider nicht durchsetzen. Wir sehen aber unverändert die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung und werben bei unserem Koalitionspartner auch weiter dafür. Bislang ist jedoch nicht im Ansatz erkennbar, dass es hier seitens der Unionsfraktion zu einer Änderung ihrer ablehnenden Haltung kommen könnte, auch wenn die Medienpolitiker sich Ihnen gegenüber möglicherweise anders äußern. Die Federführung läge im Übrigen beim Bundesminister des Innern.“
Es bleibt also vorläufig dabei, tiefergehende Fragen von Journalisten werden weiterhin von Bundesbehörden nach Gutdünken beantwortet. Journalisten, die gründlich recherchieren bekommen deshalb schon mal solche Antworten, wie der Bonner Marvin Oppong sie z.B. von der Kreditanstalt für Wiederaufbau erhielt. Statt eine inhaltlichen Auskunft auf dessen Fragen in einer Wirtschaftsrecherche zu erteilten, erklärte die Sprecherin der KfW, Dr. Charis Pöthig am 18. März 2104 in ihrer Email:
„Im Übrigen verweisen wir hinsichtlich Ihres Hinweises auf etwaige presserechtliche Auskunftspflichten auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2013 (Az. BVerwG 6 A 2.12).“
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[«*] Helmut Lorscheid ist freier Journalist in Bonn und Berlin
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
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