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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 20. Mai 2007 um 9:44 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Albrecht Müller
(KR/AM)
Kommentar O.P.: Der Artikel greift sicherlich ein bestehendes Problem auf, verbleibt aber an der Oberfläche, denn dass mathematisch inkorrrektes Operieren falsche Resultate liefert, ist, mit Verlaub, banal. Und ein Politiker wird die Entscheidung, die Sozialpolitik eines Landes zu revidieren, kaum auf eine einzige Studie gründen wollen.
Die Crux mit mathematischen Modellen der Volkswirtschaft ist doch eher, daß das mathematisch korrekte Operieren zwar innerhalb der Logik eines Modells ein korrektes Resultat liefern kann, aber der Realitätsbezug meist beschränkt ist. So beweist die Entwicklung eines widerspruchsfreien mathematischen Modells des allgemeinen Gleichgewichts letztlich nicht mehr als die Existenz dieses Modells. Doch um ein funktionierendes Modell zu erhalten, wurde oft nicht davor zurückgeschreckt, reale und wichtige Zusammenhänge aus der Interaktion von Konsumenten und Produzenten zu vernachlässigen.
Wie schon eigentlich oft genug gesagt, liegt der grundlegende Fehler der herrschenden Volkswirtschaftslehre darin, eine komplexe Welt mit, wenn auch hochgradig komplexen, aber eben doch nicht hinreichend komplexen, mathematischen Modellen erklären zu wollen. Solange die Abbildung der Realität mit mathematischen Mitteln keine wesentlichen Fortschritte macht, werden mathematisch orientierte Ökonomen weiterhin gezwungen sein, ihre Forschungsgegenstände entsprechend auswählen, d.h. daß ökonomischen Prozessen, die sich mathematischen Prozessen entziehen, und das sind die wirklich wichtigen, keine Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Der andere und weitaus gefährlichere und auch häufigere Fall besteht darin, daß über mehr oder weniger komplizierte mathematische und statistische Methoden einzelne reale Phänomene auf lineare Zusammenhänge reduziert werden, um dann letztlich den Status einer Ursache-Wirkungs-Beziehung erhalten. Ein gutes Beispiel ist die berühmte Studie von Dollar und Kraay, welche belegen soll, daß die sich der Globalisierung öffnenden Entwicklungsländer gegenüber den sich nicht öffnenden Wohlstandsgewinne einfahren konnten. Nimmt man aus der Korrelation (globalisierte Länder/ pro-Kopf-Einkommen) China heraus, kann man diese These vergessen, nimmt man auch Indien heraus, kehrt sich das Vorzeichen um. China mag ja heute relativ offen sein, als Marktwirtschaft ist sie noch nicht anerkannt, keinesfalls war sie das im Untersuchungszeitraum der Studie von den 70er Jahren bis Mitte der 90er.
Aber wir brauchen gar nicht in die Ferne zu schweifen. Wie verläßlich ist denn ein Wissenschaft, welche in schöner Regelmäßigkeit ob der Trägheit ihrer Modelle jede konjunkturelle Wende verpaßt. Und sich sogar ex post nicht auf eine Erklärung der Wende einigen kann.
Kommentar von Orlando Pascheit: Was soll man von einer von der FR, der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände initiierten Veranstaltung erwarten? Zumindest, daß die Zeitung die herablassende Rede vom Moralisten Müntefering nicht noch verstärkt, indem sie Koch zum Ökonomen hochstilisiert. Da beide Kombattanten nun nicht gerade als Ökonomen bekannt sind, hätte die FR spätestens in ihrer Kommentierung etwas ökonomische Analyse bzw. Empirie einfließen lassen können.
Die Aussage Kochs, daß das Lohnniveau sich nach der Produktivität richten solle, besagt ja nicht, daß unproduktive Unternehmungen durch Hungerlöhne gerettet werden sollten. Komplizierter wird es dann, wenn hochproduktiven Unternehmen durch Hungerlöhne eine saftige Rendite gerettet werden soll, was dann die etwas komplexere Frage von einzelwirtschaftlicher Rendite und volkswirtschaftlichem Nutzen aufwirft.
Empirisch ist die Situation sowieso eindeutig: In der Europäischen Union existieren in 20 von 27 Staaten allgemeine, branchenübergreifende gesetzliche Mindestlöhne. Von den übrigen Mitgliedstaaten verfügen fünf wegen einer sehr hohen Tarifbindung über eine tarifliche Mindestlohnsicherung. Selbst die marktwirtschaftlich vorbildlichen USA verhalten sich bezüglich des Mindestlohns unökonomisch moralisch. (Scherz)
Quelle: Hans Böckler Stiftung
Kommentar: Da werden sich die privaten Auftraggeber aber freuen, wenn “forschungsschwächere Mitarbeiter” die GmbH betreuen. Und wir freuen uns, daß das DIW die derzeitigen Grundregeln des Marktes begriffen hat und durch Downsizing den “Pro-Kopf-Forschungsoutput des Instituts” steigert. Auf Zeitgeistniveau und natürlich betriebswirtschaftlich korrekt bewegt sich die Entscheidung des IDW, Entschuldigung des DIW, über das neue Unternehmen “mit Zeitverträgen, freien Mitarbeitern und Netzwerken” dem akademischen Prekariat Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten.
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