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Titel: Krake Bertelsmann verschluckt Gruner + Jahr ganz

Datum: 7. Oktober 2014 um 9:25 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Strategien der Meinungsmache
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Die Bertelsmann AG war schon seit den 70-iger Jahren Mehrheitseigner eines der größten europäischen Magazinhäuser und hatte bisher einen Anteil von 74,9 Prozent an Gruner + Jahr. Was letztes Jahr noch gescheitert ist, die Nachkommen des Verlagsgründers John Jahr haben nun die restlichen Anteile versilbert. Damit muss Bertelsmann auf den früheren verlegerischen Anspruch des Hauses keine Rücksicht mehr nehmen und kann durchentscheiden. Wichtiger als die vollständige Übernahme ist aber vielleicht, dass Bertelsmann damit wohl auch die bisherige Sperrminorität von Gruner + Jahr von 25,25% beim Spiegel Verlag erworben hat. Mit Spiegel und Stern beherrscht Bertelsmann damit die zwei auflagestärksten Publikumszeitschriften und die wichtigsten politischen Magazine. Ein weiterer Schritt auf dem Weg in die Medienkonzentration und zum Arbeitsplatzabbau für Journalisten ist damit getan. Von Wolfgang Lieb

Mit 500 Medienaktivitäten, Magazinen und digitalen Angeboten in über 30 Ländern, knapp 11.000 Mitarbeiter weltweit und 5.600 in Deutschland, einem Umsatz von 2 Milliarden und einem Gewinn von 81 Millionen im Jahr 2013 [PDF] ist Gruner + Jahr einer der größten Zeitschriftenverlage in Europa. In Deutschland verlegt G+ J u.a. den STERN, BRIGITTE, GEO, CAPITAL, GALA, ELTERN, ESSEN & TRINKEN, NATIONAL GEOGRAPHIC und hält knapp 60% an der Motor Presse Stuttgart.

Mit der Übernahme der Sperrminorität von 25,25 beim Spiegel Verlag hat Bertelsmann nun auch direkten Einfluss auf die zwei größten Nachrichtenmagazine, dem SPIEGEL (Auflage im 2. Quartal 2014: 874.111) und dem STERN (Auflage 756.659).

Damit hat die Bertelsmann AG, der größte Oligopolist der veröffentlichten Meinung in Deutschland, seine Meinungsmacht weiter ausgeweitet. Die Bertelsmann AG mit Hauptsitz in Gütersloh ist der größte europäische Medienkonzern. Mit einem Umsatz von über 16 Milliarden Euro und über 100.000 Beschäftigten in mehr als 60 Ländern ist Bertelsmann das fünftgrößte Medienunternehmen weltweit. Bertelsmann ist zwar nicht das nach Umsatz größte Unternehmen in Deutschland, aber durch seine Medienmacht gepaart mit der Mission der Bertelsmann Stiftung das gesellschaftlich und politisch wirkungsmächtigste.

Zu Bertelsmann gehört Random House das im letzten Jahr mit der britischen Verlagsgruppe Pearson (Penguin) fusioniert hat. Die beiden Verlage umfassen 250 Verlagseinheiten. Allein Random House hat im letzten Jahr 11.000 Neuerscheinungen veröffentlicht und mehr als 500 Millionen Bücher verkauft.
Zu Bertelsmann gehören neben den unter dem Namen Bertelsmann erscheinenden Verlagen, etwa die Deutsche Verlags-Anstalt, der Heyne Verlag, Kösel, der Luchterhand Literaturverlag, Goldmann, Kösel, Siedler, Heyne und andere mehr.

Mit einer Beteiligung von über 90 Prozent ist Bertelsmann der Hauptaktionär der RTL Group. Das ist Europas führender Unterhaltungskonzern mit Beteiligungen an 45 Fernsehsendern und 29 Radiostationen in neun Ländern sowie an Produktionsgesellschaften weltweit. Die RTL Group ist das führende europäische Entertainment-Netzwerk. Das TV-Portfolio des größten europäischen TV-Senders umfasst Fernsehkanäle in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Kroatien, Ungarn, Griechenland Russland und Spanien. Der Produktionsarm der RTL Group, Fremantle Media, ist einer der größten internationalen Produzenten außerhalb der Vereinigten Staaten.
Nach firmeneigenem Bekunden schalten mehr als 200 Millionen Zuschauer in ganz Europa täglich die Fernsehsender der RTL Group ein.

2013 hat Bertelsmann das weltweit größte Musikrechte-Unternehmen BMG vollständig übernommen, das 1 Million Songrechte verwaltet.

Bertelsmann dürfte nun auch den Anteil von 37,45% an Europas größtem Tiefdruck-Konzern Pinovis von G + J übernommen haben und zusammen mit der seiner Tochter Arvato über drei Viertel der Anteile besitzen. Auch das größte Offsetdruck-Unternehmen in den USA, Brown Printig gehört zu Bertelsmann.

Eine 100-prozentige Tochter der Bertelsmann AG ist die Arvato AG, die mit mehr als 68.000 Mitarbeitern weltweit zu den größten Medien- und Kommunikationsdienstleistern gehört. Das Geschäft umfasst Druckereien, Call- und Service-Centers sowie Logistikdienstleistungen und die Herstellung optischer Speichermedien. Arvato bietet Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen integrierte und maßgeschneiderte Lösungen rund um die Kernkompetenzen, Datenmanagement und darüber hinaus den Direktvertrieb von Wissensmedien. Arvato betreut in aller Welt mehr als 150 Millionen Endkunden in über 20 Sprachen.
Arvato ist die größte Druckereigruppe Europas und der zweitgrößte Speichermedienhersteller der Welt.

Es ist kaum möglich, dass jemand der liest, Fernsehen schaut oder Musik hört noch an Bertelsmann vorbeikommt.

Die Medienkonzentration bei den Publikumszeitschriften hat weiter zugenommen, die Verlage Bauer, Axel Springer, Hubert Burda Media, WAZ und G + J teilen sich fast 90 Prozent der Gesamtauflage.

Medien sind keine Waren wie Autos oder Nahrungsmittel, mit Medien werden Botschaften vermittelt, sie machen Meinung. Die Bertelsmann AG gehört mit 76,9% der Anteile der Bertelsmann Stiftung. Das heißt die Stiftung und ihre Führungspersonen, vor allem die Familie Mohn mit Liz Mohn an der Spitze bestimmt die Linie des Konzerns. Und diese Linie ist vom Stifter und verstorbenen Firmenpatriarchen Reinhard Mohn klar vorgegeben. Mohn und seine Stiftung betrachten den Sozialstaat als überdehnt oder gar überholt und sie streben eine über den Wettbewerb hergestellte Effizienz als Steuerungsinstrument in allen gesellschaftlichen Bereichen an. Und immer geht es Bertelsmann auch um die Zurückdrängung des Staates, die Verringerung der Staatsquote und – als Mittel dazu – um die Senkung der Steuerlast.

Wenn Ihnen also im SPIEGEL, im STERN, in GALA oder in irgendeiner anderen Zeitschrift von Bertelsmann Beiträge begegnen, die diese Glaubenslehre vertreten und verkünden, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern.
Bertelsmann ist – wie Harald Schumann im Tagesspiegel schrieb – eine „Macht ohne Mandat“.

Aus Sicht der Mitarbeiter von G + J bietet die Übernahme alles andere als rosige Aussichten. Bertelsmann-Chef Thomas Rabe hat angekündigt, dass er die „auf den Weg gebrachte Transformation von Gruner + Jahr uneingeschränkt“ unterstützen werde. Diese Transformation bedeutet die Fortsetzung der Entlassungswelle. Schon im vergangenen Jahr hat G + J hunderte Stellen gestrichen und die Financial Times Deutschland eingestellt. Demnächst sollen 26 Mitarbeiter der Stern-Redaktion gekündigt werden, obwohl das Magazin profitabel ist. Hinter der strategischen Neuausrichtung steht das Einsparziel von 75 Millionen Euro und ein Abbau von weiteren 400 Arbeitsplätzen. Auch betriebsbedingte Kündigungen können nicht ausgeschlossen werden.

Ob G + J von Bertelsmann nicht wie von einer „Heuschrecke“ nur „filletiert“ wird und die einzelnen Fillet-Stücke wie etwa die Liegenschaft am Hamburger Elbufer weiterverkauft werden, ist eine offene Frage. Vielleicht statt Gruner „und“ Jahr künftig nur noch Gruner „minus“ Jahr.

Man glaubt offenbar, dass man mit weniger Journalisten besseren Journalismus machen könnte und dadurch wieder höhere Auflagen schaffen und höhere Gewinne machen könnte. Die Kosten- und Effizienzdenker haben nicht verstanden, warum die Printmedien ihr Publikum verlieren. Warum sollte man auch noch z.B. den STERN oder den SPIEGEL lesen, wenn ohnehin alle nur die Mission von Bertelsmann verkünden.

Hinweis: Wenn Sie mehr über Bertelsmann nachlesen wollen, dann klicken Sie in der linken Spalte auf Sachfragen und dort auf die Rubrik „Krake Bertelsmann“.


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