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Titel: Adecco-Chairman Clement meldet sich zurück

Datum: 8. Mai 2007 um 9:10 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Hartz-Gesetze/Bürgergeld, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Rente
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Der ehemalige Superminister und heutige Multi-Aufsichtsrat, Vorstandsmitglied im Verlag Neven DuMont, Mitglied im „Konvent für Deutschland“, WamS-Kolumnist sowie „Chairman“ des Adecco Institute in London – ein vom „Weltmarktführer für Personaldienstleistungen“ finanziertes Institut – sagt uns im Zeitgeistmagazin „Cicero“, wo es in der Großen Koalition lang gehen muss. Ein typisches Beispiel des gängigen inhaltsleeren, ja unsinnigen „Reformsprechs“.

Clement hat mal wieder einen Beitrag geschrieben, der kaum ein Versatzstück neoliberaler Reform- und Ruck-Rhetorik auslässt.

Nehmen wir die Allerweltsformeln der Reihe nach durch:

Wir leisten uns mehr strukturelle Hindernisse als im globalen Wettbewerb verkraftbar.

Was heißt eigentlich „strukturelle Hindernisse“? Immer, wenn man nicht sagen möchte, was man wirklich sagen will, nämlich dass man einen Systemwechsel will, spricht man von „Strukturreformen“. Dahinter verbirgt sich nicht mehr und nicht weniger als der Abbau von sozialen Rechten, Privatisierung und Abbau des Sozialstaats.

Eine konsequente Wachstumsstrategie muss über das hinausgehen, was wir uns bisher abverlangen.

Was haben „wir“ uns bislang schon alles abverlangt? „Wir“ haben Arbeitslose auf die Sozialhilfe abgedrängt und Clement selbst hat sie darüber hinaus als „Schmarotzer“ beschimpft. „Wir“ haben die gesetzliche Rente zum Armutsrisiko gemacht. „Wir“ haben eine historisch einmalige Umverteilung von unten nach oben in Gang gesetzt. „Wir“ sind bei den Löhnen gegenüber nahezu allen Konkurrenten abgehängt. Was will „uns“ Clement eigentlich noch mehr abverlangen?

Eine entschiedene Entschlackung der öffentlichen Haushalte von allen nicht zwingenden öffentlichen Aufgaben und Ausgaben. Nur ein Beispiel: Müssen Lehrer oder Hochschullehrer wirklich „verbeamtet“ werden? Das gibt’s in keinem europäischen Staat mehr.

Wie das? Beamte – ob man sie nun mag oder nicht – hat es in anderen Ländern Europas noch nie gegeben. Sollen also Lehrer und Hochschullehrer nicht mehr als öffentliche Ausgaben den öffentlichen Haushalten zur Last fallen? Wer würde sie bezahlen, wenn sie Angestellte wären? Sollen sie sich von ihren Schülern oder Hochschülern bezahlen lassen? Oder sollen Schulen und Hochschulen gleich ganz in private Profit-Centers umgewandelt werden?
Hat Clement nicht von seinem früheren Kabinettkollegen Finanzminister Schleußer vorgerechnet bekommen, dass Angestellte aktuell dem Fiskus viel teurer kämen als Beamte?
Das hat doch inzwischen jeder bemerkt und deshalb ist diese Diskussion abgestanden, nur Clement geht damit immer noch on Tour.

Ein Bürokratieabbau, der in einem ersten Schritt nachweisbar zu einer Minderbelastung von Unternehmen in einer Größenordnung von 25 Prozent führt.

Wer hat das nachgewiesen? Was meint Clement mit Bürokratieabbau: Kündigungsschutz? Tarifverträge? Arbeitsschutz?

Eine Steigerung der staatlichen Effizienz durch eine Neugliederung der Bundesländer.

Ein ziemlich abgefackelter Dauerbrenner. Wer gliedert die Bundesländer neu? Ein Mufti oder die Bürgerinnen oder Bürger?

Nur so kann gewährleistet werden, was den föderalen Staat dem Zentralstaat überlegen macht: Wettbewerb?“
Mal wieder „Wettbewerb über alles.

Nicht der Wettbewerb unter den Ländern, sondern der kooperative Föderalismus hat die Bundesrepublik erfolgreich gemacht. Der Wettbewerbsföderalismus führt, wie wir schon kurze Zeit nach der Föderalismusreform jetzt schon erkennen zu einem Flickenteppich-Föderalismus, etwa im Bildungsbereich und zu einem „race to the bottom“ bei allen Umwelt-, Sozial-, Steuer- und Arbeitsrechtsstandards.

Eine Arbeitsmarktpolitik, die auf Flexibilität und Qualifikation setzt, auf individuelle „Flexicurity“, und nicht Arbeitsplätze schützt, sondern Menschen fördert und fordert. Statt mit gesetzlichen Mindestlöhnen und anderen Defensivinstrumenten zu hantieren, sollte die Politik ein Mindesteinkommen in Form eines marktkompatiblen Kombilohns anbieten.

Aha, Arbeitsmarkpolitik soll also nicht mehr Arbeitsplätze schützen? Das haben wir hinter Clements Arbeitsmarktpolitik schon immer vermutet.
Hat Clement jemals zur Kenntnis genommen, was das aus Dänemark stammende Modell von „Flexicurity“ heißt, nämlich zwar keinen Kündigungsschutz aber 80 Prozent des Gehalts ohne zeitliche Grenze?
Wie sich Clement das „Fördern“ und „Fordern“ vorstellt, davon können die Leute, die mit den von ihm eingeführten „Arbeitsgelegenheiten“ (1-Eur-Jobs) beglückt wurden, ein Lied singen.

Was ist ein „marktkompatibler“ Kombilohn? Kann uns Clement sagen, was der Marktwert eines einzelnen Arbeitnehmers ist?
Ein „marktkompatibler“ Kombilohn ist vermutlich dann erreicht, wenn die Gewerkschaften ihre Tarifmacht völlig verloren haben und die Wirtschaft ein Maximum an staatlichen Lohnzuschüssen erreicht hat.
Warum ist eigentlich ein gesetzlicher Mindestlohn ein „Defensivinstrument“ und nicht ein Offensivinstrument?

Wir selbst und die, die derzeit für uns politische Verantwortung tragen, machen uns noch immer etwas vor. Unser Problem sind nicht ominöse Heuschrecken. Unsere Herausforderer sind rund eineinhalb Milliarden Menschen. Sie leben in den aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie China und Indien, und sie melden sich mit großem Selbstbewusstsein im globalen Arbeitsmarkt zurück.

Na ja, Clement hat offenbar Steingarts Bedrohungsszenarium vom globalen Arbeitsmarkt auch schon mal in seine Phrasendreschmaschine übernommen.
Aber warum melden sich die Chinesen und Inder eigentlich „zurück“? Waren sie schon mal da?
Clement ist ja schon mit seiner überschaubaren nationalen Arbeitsmarktpolitik ziemlich gescheitert. Ob ihn das als globalen Arbeitsmarktpolitiker auszeichnet?

Zu guter letzt die Preisfrage: Was heißt eigentlich „aktivierende Wirkung des Wachstums“?
Wenn Sie es auch nicht wissen, seien Sie nicht beunruhigt.
Es ist eben reines Geschwätz, bei dem – sogar noch ziemlich unverdaut – irgendwelche Einflüsterungen des neoliberalen Umfelds aufgeschnappt wurden.

Aber für solches Geschwätz ist das Zeitgeistmagazin Cicero ja da: Was eben gerade als Geschwätz in der Zeit ist, das gilt als Geist. Wenn auch nur noch Geisterfahrer unterwegs sind.


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