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Titel: Europapolitiker wie Ochsen am Nasenring: „Durch Schuldenabbau Spielräume für den demografischen Wandel schaffen“
Datum: 1. Mai 2007 um 11:11 Uhr
Rubrik: Demografische Entwicklung, Europäische Union, Finanzpolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
„Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Europa ist erforderlich, um den Herausforderungen zu begegnen, die durch den demografischen Wandel auf die europäischen Gesellschaften zukommen. Darin waren sich die Teilnehmer der Konferenz der Finanzausschussvorsitzenden der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Parlamente der EU-Beitrittskandidaten am Montagmittag einig.“ So lautet der Einführungssatz einer Mitteilung des Pressedienstes des Deutschen Bundestages. Sparzwang wegen des demografischen Wandels, an dieser Logik ist nun alles falsch, was nur falsch sein kann. Und über derartigen Unsinn, sind sich alle europäischen Parlamentarier „einig“. Armes Europa! Wolfgang Lieb.
Damit Sie sich selbst überzeugen können, zunächst die Pressemitteilung im Wortlaut:
Durch Schuldenabbau Spielräume für den demografischen Wandel schaffen
Finanzausschuss
Berlin: (hib/VOM) Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Europa ist erforderlich, um den Herausforderungen zu begegnen, die durch den demografischen Wandel auf die europäischen Gesellschaften zukommen. Darin waren sich die Teilnehmer der Konferenz der Finanzausschussvorsitzenden der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Parlamente der EU-Beitrittskandidaten am Montagmittag einig. Zu dieser zweiten Konferenz der Ausschussvorsitzenden konnte der Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Eduard Oswald (CDU/CSU), Teilnehmer aus 20 Ländern begrüßen. Die erste Konferenz dieser Art hatte im vergangenen Frühjahr in Wien stattgefunden. Das Treffen im Berliner Paul-Löbe-Haus stand ganz im Zeichen des demografischen Wandels in der EU, der damit verbundenen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sowie der Stabilität der Finanzmärkte. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einem “historisch beispiellosen Wandel”, der in seinen Auswirkungen etwa mit dem Dreißigjährigen Krieg vergleichbar sei. Seit über dreißig Jahren seien die Geburtenzahlen in Europa so niedrig, dass sich die Bevölkerungszahl verringert. Kommen derzeit in Deutschland auf einen Rentner vier Erwerbstätige, so seien es im Jahr 2050 nur noch zwei, genauer 1,5 Erwerbstätige. Das Wort “Überalterung” lehnte der Minister in diesem Zusammenhang ab und überraschte mit der Wortschöpfung “Unterverjüngung”. Die Politik könne auf diese Entwicklung allerdings nur begrenzten Einfluss nehmen. Nach den Worten de Maizières muss die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte fortgesetzt werden. Die Alterssicherungssysteme müssten strukturell reformiert werden, und für Wachstum und Beschäftigung sollten die Rahmenbedingungen verbessert werden.
Deutschland setze unter anderem auf eine längere Lebensarbeitzeit und eine zusätzliche, kapitalgedeckte Altersvorsorge, über die bereits 60 Prozent der Erwerbstätigen verfügten. Zugleich wachse die Bedeutung stabiler Finanzmärkte. De Maizière ging in diesem Zusammenhang auf die deutsche Initiative für eine höhere Transparenz bei den Hedge-Fonds ein. Hier strebe man eine freiwillige Selbstverpflichtung der Branche an und werde dies auch zum Thema beim Treffen der führenden Industrienationen (G 8-Gipfel) im Juni an der Ostseeküste machen. Der Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundesrates, der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen, sagte, das “rasant wachsende” Geburtendefizit könne seit 2003 nicht mehr durch Nettozuwanderung ausgeglichen werden. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Barbara Hendricks (SPD), meinte allerdings, diese “drängenden Fragen” riefen weder nach Verzagtheit noch nach Panikmache. Es gelte Strukturen zu schaffen, um die gesamtwirtschaftliche Effizienz des öffentlichen Handelns zu verbessern, etwa effektive Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung einzuführen oder die Aufteilung von staatlichem und privatwirtschaftlichem Handeln zu optimieren. Die Doppelstrategie aus Wirtschaftspolitik und Konsolidierung der Haushalte sei glaubwürdig und habe zu gewachsenem Vertrauen der Investoren in die Zukunft geführt, sagte Hendricks. “Schulden sind verbrauchte Zukunft”, unterstrich der Vorsitzende des Finanzausschusses des österreicherischen Nationalrates, Günter Stummvoll. Bei der Rentenreform gehe es darum, die richtige Botschaft zu versenden. Den Menschen müsse man sagen: “Die Politik wird alles tun, damit ihr länger arbeiten könnt.” Sein italienischer Kollege, Giorgio Benvenuto, setzt auf eine bessere Integration des europäischen Finanzmarktes, in dem Kapital bei einem “passablen Überwachungsniveau” frei und kostengünstig zirkulieren kann. Es gehe um eine Politik zum Schutz des Wettbewerbs und der Verbraucher Mário Patinha Antao aus Portugal lud die Teilnehmer zur nächsten und dritten Konferenz dieser Art am 5. und 6. November nach Lissabon ein. Portugal hat die nächste EU-Ratspräsidentschaft nach Deutschland inne. Zu dem von einigen seiner Kollegen angesprochenen “Problem”, dass zahlreiche Nord- und Mitteleuropäer ihr Rentenalter in Südeuropa verbringen, ihre Renten dort ausgeben, im Krankheitsfall aber zur Behandlung in die Heimat reisen müssen, sagte Patinha Antao, hier sollte es Behandlungsangebote an Ort und Stelle geben. Vor allem der luxemburgische Finanzausschussvorsitzende Laurent Mosar hatte darauf verwiesen, dass sein Land viele Renten exportiere, die dann im Ausland ausgegeben würden. Frankreich “glaubt an die Zukunft”, so Pierre Hériaud, Abgeordneter der Nationalversammlung. Hier sei die Geburtenrate günstiger als in anderen Ländern. Zugleich habe Frankreich die kürzesten und bezogen auf die Lebensarbeitszeit auch die wenigsten Arbeitswochen. Da könnte es einen Zusammenhang geben, meinte Kanzleramtsminister de Maizière. Frankreich sei ja auch das Land der Liebe, und wo weniger gearbeitet werde, hätten die Leute mehr Zeit für andere Dinge.
Dazu meine kritischen Anmerkungen:
Zur Klarstellung: Ich rede nicht der öffentlichen Verschuldung das Wort. Das schon deshalb nicht, weil die Schulden der öffentlichen Hand, ja immer – und zwar auch über die Generationen hinweg – die Zinsen für diejenigen bringen, die in der Lage sind, dem Staat das Geld zu leihen.
Ich sage nur, dass Schuldenabbau am besten gelingt, wenn man dem Steuersenkungswahn vor allem bei Vermögens- und Kapitaleinkünften abschwört und wenn man die Wirtschaft in Schwung bringt, damit die Steuereinnahmen wieder sprudeln. Der Beweis, dass Sparmaßnahmen nicht zur Sparerfolgen führen, wurde in den letzten Jahren in einem politischen Feldversuch demonstriert: Eichel sparte und sparte und die Nettoneuverschuldung stieg und stieg. Kaum hat die Große Koalition mit der Sparwut etwas nachgelassen und – vor allem – kaum sprang die Konjunktur ein wenig an und schon nimmt der Fiskus wieder soviel ein, dass der Wirtschaftsminister schon über weitere Steuersenkungen fabuliert.
Wer also die „Konsolidierung“ als Selbstzweck und ausschließlich von der Ausgabenseite betreiben will, dürfte kaum Sparerfolge, sondern allenfalls ein weiteres Aushungern (geschönt „Verschlankung“) des Staates und in der Regel bedeutet das die Kürzung von Transfer- und Sozialleistungen im Kopf haben.
„Schulden sind verbrauchte Zukunft“ warnt ein Ösi-Finanzer. Das sollte er mal einem Häuslebauer, der eine Hypothek aufnimmt, oder einem Unternehmer, der sich mit einem Kredit eine neue Maschine kauft, erzählen. Die würden sich kaputt lachen. Vernünftige Schulden, Herr Vorsitzender des Finanzausschusses des österreicherischen Nationalrates, das sind rentierliche Investitionen in die Zukunft! (Wenn ich mir als gschamigster Diener diese Bemerkung erlauben darf.)
Wer aber nur die Senkung der Staatsquote im Kopf hat, für den bleibt natürlich nur der Ausweg einer „strukturellen“ Reform der Alterssicherung und „strukturell“ heißt auf gut Deutsch die private kapitalgedeckte Altersvorsorge.
Weil man den Abbau des Soziastaats und die zusätzliche Belastung des Bürgers für die private Altersvorsorge natürlich „vermitteln“ muss, braucht man eine Drohkulisse. Diese Kulisse ist der demografische Wandel. Und da die Argumente schwach sind, muss diese Drohkulisse umso erschreckender wirken:
Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) bemüht für den “historisch beispiellosen Wandel“ gar den Vergleich mit dem „Dreißigjährigen Krieg“ – ein im kollektiven Gedächtnis haftendes (wenn man die beiden Weltkriege schon nicht heranziehen will) wirklich furchtbares historisches Ereignis.
Schon bei diesem historischen Vergleich kann man die Absicht, den Leuten einen tiefen Schrecken einzujagen, mit Händen greifen: Denn nach den üblichen Modellrechnungen – wohlgemerkt es sind nicht etwa Prognosen – „schrumpft“ die Einwohnerzahl Deutschlands bei gegebener Geburtenrate im Jahre 2050 von 82 auf – je nach Modellannahme – 69 bis 74 Millionen. Dieses Ausbluten der Deutschen findet zwar nicht durch Mord und Totschlag, sondern einfach deshalb, weil weniger Kinder zur Welt gebracht werden. Ein verglichen mit dem Schreckbild des Dreißigjährigen Krieges, vielleicht bedauerlicher, aber doch ziemlich harmloser Vorgang. Meinen Sie nicht auch Herr Staatsminister?
Aber lassen wir uns dennoch weiter auf Ihre Zahlenspielerei mit der Überalterung oder -übernehmen wir Ihre äußerst kreative Wortschöpfung – mit der „Unterverjüngung“ einmal ein: Statt heute vier Erwerbstätige müssten in dieser für kaum jemand absehbaren Zukunft von über vierzig Jahren künftig nur noch eineinhalb Erwerbstätige einen (wahrscheinlich nach Abbau des Sozialstaates immerhin ziemlich abgemagerten) Rentner auf ihren Schultern tragen.
Man sieht die bedauernswerten Erwerbstätigen des Jahrs 2050 regelrecht unter ihrer Last ächzen.
Um diesem Bild nicht seine Dramatik zu nehmen, lassen wir einmal außer Betracht, dass in den letzten 45 Jahren die Alterung und die Verringerung des Jugendanteils fast genauso waren, wie heute für die Zukunft bis 2050 vorausberechnet. Dass wir diese Überalterung, pardon „Unterverjüngung“ ganz gut überstanden haben, würde ja sonst die ganze Drohkulisse zusammenbrechen lassen.
Nein, bleiben wir beim unter seiner Rentnerlast ächzenden Erwerbstätigen des Jahres 2050. Die Politik könne ihm seine Last nicht abnehmen, denn sie könne „auf diese Entwicklung …nur begrenzten Einfluss nehmen“, meinen Sie, Herr Kanzleramtsminister.
Und der zum Demografieexperten mutierte Finanzminister aus Nordrhein-Westfalen sekundiert Ihnen, „das ´rasant wachsende` Geburtendefizit könne seit 2003 nicht mehr durch Nettozuwanderung ausgeglichen werden.“ Na klar, wenn man die Grenzen dicht macht und möglichst viele Ausländer rausschmeißt, geht das natürlich nicht!
Auf die Idee des Abgeordneter der französischen Nationalversammlung, Pierre Hériaud, dass Deutschland seinem Nachbarn nacheifern könnte und ein „Land der Liebe“ werde, „wo weniger gearbeitet werde“ und „die Leute mehr Zeit für andere Dinge“ haben und dass man zum Beispiel damit zu viel höheren französischen Geburtenraten kommen könnte, kann ein deutscher Politiker natürlich nicht kommen. Nein, „Deutschland, Land der Liebe“, das ist völlig unvorstellbar, da behalten wir doch lieber unsere sexuelle Neigung zum Masochismus bei und zeigen uns weiter die Folterinstrumente auf.
Aber müssen wir, die wir ohne diese spezielle Neigung zum Masochismus sind, diese Folterinstrumente überhaupt ernst nehmen?
Schon die erste Daumenschraube, nämlich dass wir eine höhere Lebenserwartung von vielleicht 7 bis 9 Jahren haben, lässt sich ja noch nicht so unverhohlen als schreckenerregend darstellen. Wir hängen schließlich alle am Leben und dass wir länger leben könnten, das kann man uns schlecht als schlecht für die Rente verkaufen. Außerdem könnten wir ja auf die Idee kommen und nachhalten und dabei feststellen, dass die Lebenserwartung im letzten Jahrhundert viel mehr angestiegen ist, nämlich um mehr als 30 Jahre und selbst unter Einbeziehung der Erfolge bei der Verringerung der Kindersterblichkeit immerhin noch um 20 Jahre. Wen könnten da noch die Steigerung der Lebenserwartung von ein paar Jährchen für die nächsten fünfzig Jahre schrecken – zumal man hört, dass in unserem Nachbarland Schweiz oder in den USA die Lebenserwartung gerade wieder zu sinken anfängt [PDF – 64 KB].
Na ja, setzen wir also – wie Adenauer zu seinem neunzigste Geburtstag gesagt haben soll – „Gottes Barmherzigkeit nicht so enge Grenzen“ und lassen uns noch ein bisschen älter werden, aber muss man deshalb gleich von Überalterung reden.
Was unsere Drohkulissenschieber beim Bild des unter der Rentnerlast ächzenden Erwerbstätigen zum Beispiel vergessen haben, das ist, dass dem ach so Beklagenswerten beim künftigen Tragen der Last des Rentners, ja auch nicht mehr so viele Kinder an den Rockschößen hängen als heute. Der Erwerbstätige des Jahres 2050 muss vielleicht mehr für Altersheime oder für die Pflege der Alten zahlen, dafür braucht er weniger für Kinderkrippen (wenn es denn die bis dahin geben sollte), für Kindergärten, Schulen oder Hochschulen berappen. Denn er hat ja keine Kinder mehr, die er dort hinschicken müsste.
Mathematisch ausgedrückt: Selbst wenn also der Quotient Ältere zu Erwerbsfähigen bis 2050 um dramatisch wirkende 77 Prozent steigt, klettert der realistischere Gesamtquotient der insgesamt zu versorgenden Personen (Kinder plus Alte zu Erwerbsfähigen) nur um 37 Prozent.
Aber um solche platten statistischen Wahrheiten kümmern sich wohl unsere demografischen Dramatisierer nicht, das könnte ihren Argumenten ja die Dramatik nehmen.
Das Entscheidende, was unsere wie Ochsen am Nasenring des Sparzwangs und der Demografie im ehrenwerten Paul-Löbe-Haus herumgeführten Europapolitiker nicht mehr sehen wollen oder, weil sie wirtschaftspolitisch „kastriert“ sind, nicht mehr sehen können, das hat ihnen z.B. Gerd Bosbach schon vor längerer Zeit vor ihre Nase gerieben:
Die Wirkung der Arbeitslosigkeit ist wesentlich stärker als die der demographischen Entwicklung der nächsten 20 Jahre. Eine grobe Rechnung zeigt die Problematik. Heute stehen etwa 45 Millionen Erwerbsfähige (Menschen zwischen 20 und 60 Jahren) 20 Millionen Älteren (ab 60 Jahre) gegenüber. Die vermeintliche Demographie-Dramatik besteht darin, dass sich dieses Verhältnis in Zukunft zuungunsten der Erwerbsfähigen verschiebt. Aber das passiert schon heute; der Auslöser ist allerdings die Arbeitslosigkeit! Denn die offiziell fünf Millionen Arbeitslosen sollte man nicht zu der Gruppe der Versorger rechnen; müssen den zu Versorgenden zugeschlagen werden. Kommen ohne Berücksichtigung der auf einen Älteren 2,25 Erwerbsfähige, so ist das Verhältnis bei Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit 1 : 1,6. Das ist eine dramatischere Verschiebung der Relation, als für die natürliche Bevölkerungsentwicklung in den nächsten 20 Jahren vorausberechnet!
Offensichtlich würde ein Abbau der Arbeitslosigkeit heute die produzierte Güter- und Dienstleistungsmenge erhöhen, also zum Wohlstand beitragen. Ein Zusatzeffekt wäre, neben der Senkung der Beiträge für die Arbeitslosenversicherung, ein Absinken des Rentenversicherungsbeitrages, da es mehr Einzahler gäbe.
Wer die Senkung der Arbeitslosigkeit für eine Illusion hält, sollte nicht von zu wenigen Versorgern reden. Statt der fehlenden Kinder könnten ja die Arbeitslosen zur Versorgung beitragen. Das Thema Demographie ist also maximal zweitrangig.
Aber na ja, auf das Nächstliegende, nämlich dass man die Erwerbsfähigen erst mal in Erwerbstätigkeit bringen muss, damit sie die Versorgungslasten für Kinder und Alte schultern können, können wohl unsere in Berlin versammelten Europapolitiker nicht mehr kommen, wenn sie am Nasenring der Ideologen des Sparzwangs (sprich dem Abbau des Sozialstaates) gezogen und unter der Peitsche des demografischen Wandels getrieben ihr ziemlich leeres Stroh dreschen.
Wer sich als Politiker so zum Ochsen machen lässt, muss auch komplett die Steigerung der Produktivität der Erwerbstätigen für die nächsten 50 Jahre übersehen. Die für die Vergrößerung des allgemeinen Wohlstands in der Vergangenheit entscheidende Ursache, der Produktivitätsfortschritt, kann da für die Zukunft offenbar keine Rolle mehr spielen.
Dabei würde selbst eine geringfügige Steigerung von 1,25 Prozent pro Jahr (so die konservative Prognose der Herzog-Kommission) in 50 Jahren die Leistung jedes Erwerbstätigen um 86 Prozent steigen lassen. Der Kuchen wird also fast doppelt so groß sein.
Nur wenn die Erwerbstätigen von diesem Zuwachs im Laufe der nächsten 50 Jahre nichts profitieren könnten, dann würden ihnen die Alten wirklich zur Last fallen, denn dann könnten sie wirklich kaum noch etwas abgeben und dann würden die Alten zur schweren Bürde. Sehen unsere europäischen Finanzpolitiker die Verteilung zwischen Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern wirklich in so düsteren Farben?
Einspruch, könnte der Kanzleramtsminister jetzt sagen, diese Problemlösungen unterstellen ja mehr Beschäftigung, technischen Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum. Das ist doch ungewiss, während die schlechte Geburtenrate der letzten Jahre ein Faktum ist.
Ja das stimmt, würde ich dann eingestehen und die Gegenfrage stellen:
Würde der Schuldenabbau und die gesicherte Altersvorsorge durch eine kapitalgedeckte Rente nicht gleichfalls Erwerbstätige voraussetzen, die Steuern zahlen und dazu noch Kapital ansparen könnten? Und würde deren angespartes Kapital rentierlich, wenn es in den nächsten 50 Jahren keinen technischen Fortschritt und kein wirtschaftliches Wachstum gäbe?
Vermutlich würde sich Thomas de Maizière auf diese Gegenfrage an einen berühmten Satz Erich Honeckers erinnern und – diesen Spruch abwandelnd – antworten: „Den Kapitalismus in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf.“
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