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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Setzt die Politik die richtigen Prioritäten? Und warum nicht?
Datum: 18. April 2007 um 17:41 Uhr
Rubrik: Demografische Entwicklung, Lobbyismus und politische Korruption, Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
In wichtigen Reden unserer Politiker – von Schröder über Köhler bis zu Merkel und Müntefering – wird oft von wichtigen Herausforderungen gesprochen. Und dann werden sie markiert: erstens die Globalisierung und zweitens der demographische Wandel. Wir haben das alle im Ohr. Diese „Herausforderungen“ prägen dann die Prioritäten der Politik. Tun sie das zurecht? Sind die genannten Herausforderungen wirklich die dringlichsten? Der demographische Wandel zumindest scheint mir gemessen an anderen Herausforderungen geradezu negligable. Albrecht Müller.
In einer Tagebuchnotiz vom 5. März wies ich daraufhin, wie seltsam es anmutet, dass die Politik erst jetzt den Klimawandel als Problem entdeckt. Dass dies nicht vorher geschah, hat viel damit zu tun, wer die öffentliche Meinung macht und aus welchen Motiven? In vielen Beiträgen haben wir in der NachDenkSeiten belegt, dass der demographische Wandel als eine der ganz großen Herausforderungen beschrieben und thematisiert wird, weil dann die Umstellung auf Privatvorsorge (obwohl unlogisch) als zwingend erscheint. Das liegt im Interesse der Versicherungswirtschaft. Deshalb wird die Demographie zum großen Thema gemacht.
Das ist in Deutschland gelungen, obwohl mit Händen zu greifen ist, dass wir heute und auf absehbarer Zeit nicht unter einer schlechten demographischen Relation sondern unter hoher Arbeitslosigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen leiden. Es gibt fast 53 Millionen Menschen unter 65 Jahren in Deutschland und nur rund 15 Millionen über 65. Das ist eine glänzende demographische Relation. Schlimm und von gravierender Folgen für die Sozialversicherungen ist, dass über 5 Millionen effektiv arbeitslos sind und nur rund 26 Millionen in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Schlimm ist, dass die Löhne und Gehälter der Normalverdiener seit rund 15 Jahren stagnieren und sogar real abnehmen.
Der demographische Wandel wird dennoch zu einer großen Herausforderung hochstilisiert. Das hat mit den Interessen der Versicherungswirtschaft zu tun und damit, dass die Bildung der öffentlichen Meinung wesentlich von diesen Interessen bestimmt wird. Die Versicherungskonzerne haben sich Politiker, Wissenschaftler, Medien zu Diensten gemacht. Das ist in vielen Beiträgen der NachDenkSeiten mit Fakten belegt.
Obwohl die Zusammenhänge klar sind, haben die führenden Politiker wie die interessierte Wirtschaft, die Wissenschaft und die Medien an der ständigen Wiederholung der angeblichen zentralen Herausforderung festgehalten.
Dieses Gegenseitig-sich-bestätigen vermittelt Sicherheit. Auch das ist einer der Gründe für das Setzen falscher Prioritäten.
Ich nenne einige Herausforderungen, die aus meiner Sicht um vieles gravierender sind als der demographische Wandel und entsprechende Priorität beim politischen Handeln verlangen würden – ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit. Als Anstoß zum Weiterdenken und –prüfen gedacht:
Beiliegend übersende ich Ihnen eine (abo)-Information aus dem BMAS (!!) u.a. mit dem Arbeitsblatt “Arbeitslosigkeit hat viele Gesichter”.
Interessant was das BMAS und die Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung zum Thema ‘Arbeitslosigkeit’ erstellt haben und den Lehrerinnen und Lehrern zur Verwendung im Unterricht so anbieten.
Im “Arbeitblatt: Arbeitslosigkeit / Arbeitslosigkeit hat viele Gesichter” wird an vorderster Stelle gleich im ersten Satz behauptet: “Arbeitslosigkeit ist ein fester Bestandteil unseres Wirtschaftskreislaufes. Dass sie entsteht ist aus wirtschaftlicher Sicht richtig und nahezu unabdingbar.”
Klasse! Da werden die Schüler/innen doch gut vorbereitet, sie lernen, Arbeitslosigkeit gehört dazu und ist ja aus wirtschaftlicher Sicht richtig und nahezu unabdingbar. Da überlegt man keine Forderungen an die Wirtschaft oder die Politik, die sind aus der Verantwortung.
Der Milliardenkollaps
Ein mysteriöses Bienensterben erschüttert die USA – und neuerdings auch Europa: Täglich verschwinden Zehntausende Insekten. Mittlerweile ist eine Milliarden schwere Industrie in Gefahr. Von Jennifer Lachman, New York
Die meisten dieser Herausforderungen sind heute ziemlich irrelevant für die politische Prioritätensetzung. Ähnliches gilt für die Medien. Zur Zeit läuft zum Beispiel wieder eine Welle zur Dramatisierung der Demographie, in der ARD und bei Arte sogar.
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