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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 25. Juni 2014 um 9:02 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (OP/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung Orlando Pascheit: Mag sein, dass manchem die Kritik an TTIP wie ein Kampf gegen Windmühlen erscheint. Vielleicht erscheinen einigen zurzeit auch die Vorgänge in der Ukraine oder das Vorrücken von Isis im Irak bedeutsamer. Zumindest unsere Medien rücken diese Themen wort-und bildreich in den Vordergrund. Und den Rest gibt uns die Fußballweltmeisterschaft. Ich möchte nicht wissen, in wie vielen Parlamenten im Schatten dieser Ereignisse Fragwürdiges durchgedrückt wird. Wie wenig bietet da die TTIP. Keine martialischen Bilder, Panzer, Explosionen, keine Leichen, sondern einige farblose Anzugträger mit den übliche Sprechblasen. Und dennoch herrscht hier ein Krieg, der nach außen unblutig wirkt, aber in Wirklichkeit nicht nur die bisherige Form des Wirtschaftens, sondern unsere Gesellschaft bedroht. Nachdem das Kapital in der dritten Welt in stillem Einverständnis mit der dortigen politischen Klasse es erreichte, im Namen des “Fortschritts” auf all die Regularien zu verzichten, welche die alten Industrieländer ihm abgerungen hatten, haben es die transnationalen Konzerne endlich geschafft, sich die alten Industrienationen zu Diensten zu machen. Natürlich werden Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Verbraucherrechte, Sozial- und Umweltstandards nicht direkt in das Visier genommen. Nein, es geht nur darum gleiche Standards für Industrie, Handel, Gewerbe und Finanzdienstleistungen herzustellen, damit sich der Wettbewerb der 75.000 Konzerne diesseits und jenseits des Atlantiks frei und wohlstandsfördernd entfalten kann. Es versteht sich, dass an diesen Standards nichts verändert werden darf, was zulasten eines dieser Konzerne geht. Fällt es einem Staat ein, aus Gründen des Allgemeinwohls Standards zu verschärfen also zu verändern, darf der betroffene Konzern/Branche diesen vor ein Schiedsgericht zerren. Private Schiedsgerichte und das in Ländern mit vollentfalteten öffentlichen Rechtssystemen. Dreister, im Gewande des Wohltäters, ist das Kapital noch nie aufgetreten. Unter dem Beifall der politischen Klasse ist es voll und ganz dabei, die Risiken seiner Expansion im größten Wirtschaftsraum der Erde zu sozialisieren. Auf diesem Weg kommt in keinem Moment ein Element demokratischer Partizipation ins Spiel. Nichts, was unter TTIP verhandelt wird, dringt nach außen. Weder die Medien noch die Bevölkerung, nicht die Parlamente und wahrscheinlich nicht einmal unsere Regierungen, bis auf einen zum Schweigen verpflichteten Personenkreis, haben Einblick in die Verhandlungen zwischen einer lobbygesättigten Europäischen Kommission und dem US-Handelsministerium. Elizabeth Warren, Senatorin und Vorsitzende des Consumer Financial Protection Bureau in den USA meint, dass die Inhalte von TTIP geheim seien, weil die Öffentlichkeit – nach Ansicht der Unterstützer – bei Bekanntwerden dieser Inhalte gegen TTIP sein würde. Sie erklärte im Mai 2014: “I actually have had supporters of the deal say to me ‘They have to be secret, because if the American people knew what was actually in them, they would be opposed.” (zit. n. Wikipedia) – Natürlich ist die Kritik an TTIP auch etwas scheinheilig, weil viel zu spät. Deutschland hat im Laufe der Zeit Investitionsschutzabkommen mit etwa 130 Staaten abgeschlossen, sogar mit EU-Staaten wie Polen, Slowenien oder den baltischen Staaten. Zu spät ist es allerdings nicht, vielleicht neue Maßstäbe in dieses weltweit bedeutendste Abkommen einzubringen, vor allem aber das Kapital dazu zu zwingen, seine unternehmerischen Risiken selbst zu tragen.
Im folgenden Beitrag weist EU-Handelskommissar Karel de Gucht die Vorwürfe von Jens Jessen in obigen Beitrag zurück:
Anmerkung Orlando Pascheit: Zunächst schießt sich Karel de Gucht auf einen Popanz ein, die Bedrohung der staatlichen Kulturförderung. Dabei hat Jessen durchaus eingeräumt, dass Frankreich es erreicht habe, den Bereich der Kultur vorerst von den Verhandlungen auszunehmen. Aber hinzugefügt: “… was indes nicht heißt, dass es so bleiben muss.” Festzuhalten ist im Licht neuer Erkenntnisse de Guchts Aussage: “der Bildungsbereich ist nicht bedroht.”
Zwar verweist de Gucht zurecht darauf, dass in der Vergangenheit Investitionsschutzabkommen kaum für Klagen gegen Staaten in Anspruch genutzt wurden. Zunächst wäre aber darauf hinzuweisen, dass bei Staaten wie Marokko (Abkommen mit der EU und den USA) wenig zu holen ist. Vor allen zeigt die neuere Entwicklung eine andere Tendenz auf, wie Lori Wallach in “TAFTA – die große Unterwerfung” aufzeigt. Inzwischen haben sich angesichts dieses reichen Wirtschaftsraumes Anwaltskanzleien auf solche Klagen spezialisiert und werden den Unternehmen die sicheren Pfründe schmackhaft machen. Was nun die “wissenschaftlich unbestrittene – wirtschaftliche Dynamik betrifft, sagt de Gucht schlicht die Unwahrheit, wie selbst die nicht gerade staatsferne ARD aufzeigt. Vor allem aber sollte uns Sorge bereiten, dass künftige Änderungen von Standards, neue Regulierungen in den einzelnen Staaten von einem Konsens der USA mit der EU abhängen. Damit ist der Satz von de Gucht: “So sollte beispielsweise das Recht eines Staates auf Regulierung, also auf allgemeingültige staatliche Maßnahmen, klipp und klar herausgestellt werden” einfach unwahr.
Anmerkung Orlando Pascheit: Wenn die Dokumente echt sind, so wird der von Jens Jessen geäußerte Verdacht (“… was indes nicht heißt, dass es so bleiben muss.”) voll bestätigt und de Gucht der Lüge überführt. Als Verhandlungsmasse ist in diesem Dokument neben Gesundheitsversorgung, Energie Bildung vorgesehen, was de Gucht oben heftig bestritt.
Anmerkung Orlando Pascheit: Die aggressive Überreaktion der Regierung können die Gewerkschaften verkraften. Bedenklicher ist, dass die Mehrheit der Medien (Ausnahme Le Monde) gegen den Bahnstreik agitiert, indem sie ungünstige Umfragen lancieren, unzufriedene Fahrgäste und kaum Streikende und Gewerkschafter zu Wort kommen lassen, usw. Man kann nur hoffen, dass die beiden tendenziell linken Gewerkschaften CGT und SUD dem Druck standhalten und geschlossen bleiben.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Anmerkung H.R.: Noch immer hören offenbar zu viele auf den Mann, der im Rahmen einer Kommission für die rot-grüne Bundesregierung Schröder-Fischer Ideen für eine Neugestaltung des deutschen Arbeitsmarktes lieferte, die sowohl Erwerbslose als auch die in Arbeit steckende Arbeitnehmerschaft in Angst versetzte und nicht selten auch deren Armut vergrößerte.
Anmerkung JB: Man sollte hier nicht verschweigen, dass auch Deutschland seinen „weißen Elefanten“ hat. Für die WM 2006 wurden nicht nur Stadien umgebaut, die nach dem Turnier von Bundesligaklubs genutzt werden konnten, sondern auch das marode Leipziger Zentralstadion, das mit rund 100 Mio. Euro öffentlicher Gelder zur WM modernisiert wurde und in dem vor und nach der WM oft nur jeder zehnte Platz besetzt war. Das Beispiel Deutschland/Leipzig zeigt jedoch auch, wie man ganz marktkonform mit solchen „weißen Elefanten“ umgehen kann. Der Getränkeproduzent Red Bull sicherte sich für eine überschaubare Summe (die Stadt war für jeden Euro dankbar, der das Defizit der Arena drückte) die Namensrechte am Stadion und kaufte sich in Leipzig gleich noch einen Retortenklub, den man mit Geldern aus dem Marketingbudget nun bis in die zweite Liga gepusht hat. Wenn der Staat „weiße Elefanten“ in die Umgebung setzt, ist dies oft auch eine Steilvorlage für die fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs.
Anmerkung WL: Wozu haben wir eigentlich einen Bundesrechnungshof. Der offizielle Finanzkontrolleur kann noch so oft zu dem Ergebnis kommen, das privat finanzierte Autobahnbauten teurer sind als öffentliche Projekte und dass sich solche privaten Bauten nicht rechnen. Das stört Dobrindt und die gesamte Regierung nicht im Geringsten, im Gegenteil jetzt dürfen auch noch „Heuschrecken“ ran.
Anmerkung Orlando Pascheit: Eine sehr seltsame Auffassung von Geschichte als einer Geschichte deutscher Verluste. Eine sehr selektive Erinnerung, ohne daran zu erinnern, dass Deutschland sich diese Verluste selbst zuzuschreiben hatte, ohne auch nur einen Gedanken an die Verluste der Alliierten, der zivilen Opfer im Osten und im Westen zu verschwenden. Ohne daran zu erinnern, dass die Landung in der Normandie oder die Operation Bagration, dass diese ungeheure mit so vielen Opfern verbundenen Anstrengung der halben Welt die Antwort auf den Angriff Deutschlands auf die Menschheit war, dessen unmenschlicher, in seiner Dunkelheit nicht zu erfassende Kern die systematische Vernichtung der Juden bildete. – “Die schwerste Niederlage der deutschen Geschichte” ist mit Namen wie Auschwitz verbunden. Sie beinhaltet den Verlust der Menschlichkeit.
Anmerkung WL: In einem Sechs-Augengespräch zwischen Katja Kipping und Bernd Riexinger machte Sigmar Gabriel laut Spiegel deutlich, dass er an einer grundsätzlichen Debatte über Rot-Rot-Grün derzeit wenig Interesse habe. Kein Wunder, wenn sich Gabriel und die SPD in der Großen Koalition eingerichtet haben.
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