Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (HR/JK/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Das Fußball-Imperium – Die Geschäfte der FIFA
Die Bosse der FIFA sind die wahren Herrscher des Balls. Denn während es auf dem Platz um Sieg oder Niederlage geht, steht die FIFA vor jedem Wettbewerb als Sieger bereits fest. Der Verein mit dem Machtbewusstsein eines milliardenschweren Unternehmens erwirtschaftet gigantische Gewinne. An der Spitze des Volkssports Nummer eins thront eine Riege von Funktionären, die den Fußball als Geschäft sieht und in ihrer eigenen Welt lebt, auf Trauminseln, in Luxushotels und VIP-Logen.
Kritiker werfen den Oberen der FIFA vor, ein dekadentes Leben zu führen, auf Kosten von Millionen Fans, die bei Weltmeisterschaften vor verschlossenen Türen stehen. „Die FIFA lässt sich die WM in Brasilien mit Millionen von Steuergeldern finanzieren. Mit Geld, das in unserem Land an allen Ecken und Enden fehlt. Dieses Spektakel dürfen wir dann auch noch vor dem Fernseher verfolgen. Und dann wundern sich Blatter & Co., dass wir auf die Barrikaden gehen“, erzählt Diego Silva, Ex-Spieler vom Kult-Verein Flamengo Rio de Janeiro, als er ZDFzoom-Reporter Markus Harm durch eine Favela von Rio führt.
Wie das Regieren bei der FIFA abläuft, zeigt der Kongress, der einmal im Jahr abgehalten wird. Dort kommen alle Abgeordneten aus den über 200 Mitgliedsländern zusammen und feiern ihre Art der Demokratie. Präsident Sepp Blatter leitet die Veranstaltung. Es kam noch nie vor, dass einer seiner Anträge oder Vorschläge abgelehnt wurde. Kein Wunder: Die Abgeordneten fahren Luxus-Limousinen, wohnen in 5-Sterne Hotels, bekommen stattliche Tagessätze für ihre Anwesenheit. Der letzte Kongress fand auf Mauritius statt.
Quelle: ZDF
- Konfrontationspolitik
- Die Idee des Westens: Vision und Realität
Die Krise in der Ukraine eskaliert derzeit nicht nur geographisch, sondern auch ideologisch – und zwar auch in unseren Breiten. Im 25. Jahr nach der Zeitenwende von 1989 werden wieder die alten Gräben bezogen: auf der einen Seite die Apologeten der Nato, die in erstaunlichem Kurzschluss den Westen mit dem transatlantischen Verteidigungsbündnis gleichsetzen; auf der anderen Seite ein Teil der Linken, der am liebsten mit der Kritik an Nato und Kapitalismus auch den Westen in Gänze beerdigen würde.
Die größte Gefahr besteht somit darin, dass zwischen den beiden Kontrahenten auch die „Idee des Westens“ zerrieben wird – nämlich der Anspruch auf universelle Gültigkeit von Demokratie und Menschenrechten. Wie aber funktioniert das fatale Zusammenspiel der beiden Lager genau?
Von den Verfechtern des transatlantischen Bündnisses werden derzeit mit Verve die Feindbilder des Kalten Krieges reaktiviert – hier der böse Osten, da der gute Westen, hier die US-geführte Nato als Hort von Freiheit und Menschenrechten, dort das ewig gestrige Russland. Das alte Weltbild der Kalten Krieger stimmt wieder; ihr sehnsüchtiger Ruf seit 1989 – „Gebt uns ein Feindbild!“ – wurde endlich erhört. „Putin sei Dank“, bringt es Klaus-Dieter Frankenberger, transatlantischer Chefstratege der FAZ, auf den Punkt. Und „Bild“ jubiliert: „Es ist fast wie früher: Der Feind im Osten schweißt den Westen fest zusammen.“
Gleichzeitig werden erstaunliche Wunschbilder des Westens als geopolitischer Akteur gezeichnet. „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe, der eben noch für eine machtvolle, militärbewehrte „Kultur der Kriegsfähigkeit“ plädiert hatte, verortet nun allein Putin „im 19. Jahrhundert, im Zeitalter der Machtpolitik“. Der Westen, zumal Europa, befinde sich dagegen „im 21. Jahrhundert. Clausewitz ist tot, der Krieg ist nicht mehr Instrument der Politik. Rivalen messen sich auf dem Markt, nicht auf dem Schlachtfeld. In dieser Arena herrschen Regeln und Verträge, ihr Sinn ist der gemeinsame Gewinn.“
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Treffen der Rechten in Wien – Eurasische Internationale
Rechte Politiker aus Russland, Frankreich und Österreich gedenken des Wiener Kongresses. Und suchen die Nähe zu Putins Russland. Ganz vorn mit dabei: die FPÖ und der Front National.
Das Palais Liechtenstein in Wien lockt Besucher mit prächtigen Sälen voller Kunst aus Renaissance und Barock. Wer bereit ist, ein entsprechendes Sümmchen hinzulegen, der kann das Stadtpalais auch für seine Veranstaltungen buchen. Am vergangenen Wochenende traf dort eine schillernde Gesellschaft zusammen, um, so der angegebene Anlass, des Wiener Kongresses zu gedenken, der vor 200 Jahren nach den Napoleonischen Kriegen Europa neu geordnet hat. Teilgenommen haben russische Vordenker einer „eurasischen“ Ordnung und Politiker von Rechtsparteien aus Mittel- und Westeuropa.
Quelle: FAZ
dazu: Gipfeltreffen mit Putins fünfter Kolonne
In Wien berieten die Führer der russischen Eurasien-Bewegung mit westeuropäischen Rechtspopulisten, Aristokraten und Unternehmern über die Rettung Europas vor Liberalismus und Schwulenlobby. […]
Stargast der Versammlung war Alexander Dugin, 56-jähriger Publizist aus Moskau, Mitbegründer der Nationalbolschewistischen Partei und Chefideologe der Eurasischen Bewegung. Dugin propagiert ein europäisch-asiatisches Bündnis unter Führung Russlands. Seine Ideen waren bei der Rede des russischen Präsidenten Putin nach der Annexion der Krim ebenso bemerkbar wie bei der Gründung der Eurasischen Union von Russland, Weissrussland und Kasachstan Ende Mai. In einer TV-Ansprache im April schlug Dugin vor, Europa auf friedlichem Weg zu einem russischen Protektorat zu machen und es damit vor Homoehen, Pussy Riot und vor sich selbst zu schützen: «Wir müssen Europa erobern und anschliessen.» Fest stehe, so Dugin weiter, «dass uns eine prorussische fünfte Kolonne in Europa unterstützt. Das sind europäische Intellektuelle, die ihre Identität stärken wollen.»
Quelle: Tagesanzeiger
Anmerkung JB: In der russophoben Stimmung scheint den Medien der politische Kompass abhanden gekommen zu sein. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde das „andere Russland“ mit den russischen „Nationalbolschewisten“ in den deutschen Medien als Oppositionsbewegung zu Putin gefeiert. Wie heute in der Ukraine ignorierte man damals, dass dieses Oppositionsbündnis nicht nur als wirtschaftsliberalen Pro-Westlern (z.B. Garri Kasparow), sondern auch aus mehr als unappetitlichen Rechtsextremen wie Limonow und Dugin bestand und in Russland vor allem Rückhalt aus rechtsextremen Kreisen hatte. Was damals die „guten Rechtsextremen“ waren, die gegen Putin demonstrierten, sind heute die „bösen Rechtsextremen“, deren Thesen Putin vermeintlich aufgreift – Putins fünfte Kolonne. Überflüssig zu erwähnen, dass dies grober Unfug ist. Es ist richtig, dass Dugin und Co. auch in der Duma und im Kreml durchaus Anhänger haben. Putin gehört jedoch nicht dazu. Sein engerer Kreis, die Silowiki, sind vielmehr ausgemachte politische Gegner der russischen Rechtsextremen. Die große Gefahr ist jedoch, dass die Rechtsextremen durch die momentane Konfrontationspolitik des Westens gestärkt werden und dann in der Tat Einfluss gewinnen.
- NATO-Übung: Flugsicherung in halb Europa lahmgelegt
“Größte Katastrophe der jüngeren Luftfahrtgeschichte ohne Folgen”: Zivile Fluglotsen in Österreich, Deutschland, Tschechien und der Slowakei waren mehrere Stunden “blind”.
Donnerstag wurde der Albtraum jedes Fluglotsen wahr: Die Flieger verschwanden von den Radarschirmen, obwohl sie noch in der Luft waren. Und das nicht nur bei der Austro Control in Wien, sondern auch bei den Flugsicherungszentralen in Karlsruhe, Prag und Bratislava. Die zivilen Flugsicherungen verwenden ein Sekundärradar. Mit Empfangsanlagen werden die Funksignale der Transponder (Signalgeber, Anm.) der Flugzeuge empfangen. So weiß der Fluglotse immer über Kurs, Flughöhe und Geschwindigkeit Bescheid. Donnerstag um 14 Uhr verschwanden plötzlich immer mehr Flieger vom Bildschirm. Manche tauchten kurzfristig wieder auf, um abermals zu verschwinden. (…)
Das Blackout dauerte bis 17 Uhr. In den Nachbarländern soll es sogar bis 19 Uhr 30 angehalten haben. Die Luftraumüberwachung des Bundesheeres funktionierte klaglos weiter. “Wir waren davon nicht betroffen, weil wir sowohl über ein Primärradar als auch ein Sekundärradar verfügen,” erklärt dazu Oberst Michael Bauer vom Verteidigungsministerium. Gemeint ist jene aktive Radar-Komponente, die auch Flugzeuge ohne Transponder erkennt. Doch die militärischen Fluglotsen dürfen dem Geschehen am Himmel nur zuschauen und bei Gefahr im Verzug Abfangjäger losschicken. Für die Verkehrsleitung sind sie nicht zuständig.
Verursacher
Eine Überprüfung der Systeme der Austro Control, so Pohanka, habe ergeben, dass kein technischer Fehler vorgelegen sei. Also muss die Störungsursache außerhalb liegen.
Nachforschungen des Bundesheeres fand in Ungarn einen hochgradig Verdächtigen: Die NATO. Denn in Ungarn lief zu diesem Zeitpunkt eine “EloKa”-Übung. Das ist das Kürzel für elektronische Kampfführung. Dazu gehört auch die Fähigkeit, die elektronischen Systeme des Gegners zu stören. Die Militärs fanden heraus, dass diesmal das Blockieren von Transpondern auf dem Übungsplan stand. Und da dürfte ein Offizier wohl irrtümlich den “roten Knopf” gedrückt haben, was dann zur tatsächlichen Blockade im Luftraum führte.
Quelle: Kurier
Anmerkung unserer Leserin C.P.: Laut der ersten (Kurier-)Meldungen betrug der Ausfall mehrere Stunden, nämlich von 14.00-18.00h (Österreich) bzw. 14.00-19.00h (österreichisches Ausland, also u.a Deutschland).
(Ursprüngliche Quellen, nochmals: BVZ, austriawings, Kurier.at)
Die aktuellen Meldungen verlauten dagegen inzwischen – unisono – auf 25min (Ausfall).
(Quellen: derStandard.at, diePresse.com, BVZ)
Erklärungen für die zeitlichen Diskrepanz von 3,5 – 4,5 Stunden kann es eigentlich nur zwei geben: Entweder die ersten Meldungen des Kurier waren komplett falsch, oder der Vorfall soll jetzt, da er insgesamt kaum mehr verheimlicht werden kann, herunter gespielt werden und die Pressemeldungen wurden dementsprechend inzwischen “auf Linie gebracht”.
- Orwell 2.0
- Ein Jahr Snowden: Die sabotierte Aufklärung
Am 6. Juni liegen die ersten Enthüllungen der NSA-Totalüberwachung genau ein Jahr zurück. Seitdem verging kaum eine Woche ohne neue Meldungen über die Ausspähaktionen westlicher Geheimdienste. Inzwischen wissen wir, dass allen voran der US-amerikanische Militärgeheimdienst NSA und das britische GCHQ weltweit nahezu die gesamte elektronische Kommunikation ausspionieren. Nie zuvor in der Geschichte hat es einen derart umfangreichen und systematischen Angriff auf die Privatsphäre gegeben.
Das eigentlich Überraschende aber ist, dass dieser Angriff bislang keine nennenswerten politischen Folgen gezeitigt hat – weder in den USA noch in der EU. Und auch die Bundesregierung hat von Anfang an eine Strategie des Verschleppens betrieben. Daran hat sich bis heute, trotz eines Wechsels des „kleineren“ Koalitionspartners, nichts geändert.
Damit ist der NSA-Skandal längst auch Ausdruck einer politischen Bankrotterklärung der Regierung Merkel – und zwar in dreierlei Hinsicht: Erstens hat diese gezielt die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste blockiert; infolgedessen hat sie zweitens ihre eigene politische Legitimität eingebüßt; und drittens hat die Bundesregierung der demokratischen Öffentlichkeit nachhaltigen Schaden zugefügt.
Die langfristigen Folgen sind dramatisch: Die NSA-Affäre untergräbt nämlich nicht nur das ohnehin geringe Vertrauen in die Nachrichtendienste und in den Schutz unserer Privatsphäre, sondern längst auch in die demokratischen Prozesse und Institutionen.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
Passend dazu: Snowden und wir – Bürger im absoluten Staat
Edward Snowden ist weder Held noch Verräter – er ist schlicht ein Bürger, der getan hat, was getan werden musste. Seine Enthüllungen waren Notwehr angesichts einer Abwärtsspirale demokratischer Legitimität.
Edward Snowden ist der Modellbürger des 21. Jahrhunderts, weil er für sich und für seine Zeit eine Moral definiert hat, die sich gegen die Interessen des Staates oder gleich gegen die Interessen eines staatlich-industriellen Überwachungskomplexes stellt.
Was ist Freiheit? Was ist Verantwortung? Was ist Selbstbestimmung? Was ist ein Staat, der sich über den Willen und das Wesen des Einzelnen erhebt? Ein Staat, der den Alltag unter Verdacht stellt? Ein Staat, der wie ein permanenter Gerichtsprozess funktioniert, bei dem der Bürger, der nichts von seiner Anklage weiß, ständig seine Unschuld beweisen soll?
Was also ist ein Staat, der sich absolut setzt? Und was tut man gegen so einen Staat?
Quelle: SPIEGEL Online
- Regierungsbehörden können Telefonate live mithören
Der Mobilfunkanbieter Vodafone geht ein Jahr nach Beginn des NSA-Skandals in die Offensive. Das Unternehmen stellt an diesem Freitag einen umfassenden Bericht* zur Telefonüberwachung vor. Süddeutsche.de stellt das Dokument hier online zur Verfügung. Darin beschreibt das Unternehmen, in welchem Ausmaß Regierungsbehörden in den 29 Staaten, in denen das Unternehmen tätig ist, auf Telekommunikationsdaten und Gesprächsinhalte zugreifen.
Regierungsbehörden in “einer kleinen Zahl von Staaten” haben demnach die Möglichkeit, sich über geheime Zugänge live in Telefongespräche einzuschalten. In den betroffenen Ländern hätten die Regierungsbehörden ihre Kabel direkt an das Vodafone-Netzwerk angeschlossen, heißt es. Um Telefonate abzuhören, müssten die Behörden in diesen Ländern daher auch keine Anfragen an das Unternehmen stellen. Vodafone habe somit keine Handhabe darüber, wer wie abgehört wird. Um welche Staaten es sich dabei handelt, teilte Vodafone nicht mit.
Erst im Mai hatte Vodafone-Konkurrent Telekom einen ähnlichen Transparenzbericht vorgelegt. Dieser führte vor allem Statistiken auf: Demnach haben Justiz- und Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr 49 796 Anschlüsse überwacht. Vodafone nennt diese Zahlen nun auch.
In manchen Ländern sollen die staatlichen Behörden dem Bericht zufolge auch in der Lage sein, den Aufenthaltsort von Vodafone-Kunden nachzuverfolgen. Vodafone listet in dem Bericht für jedes Land die Zahl der Regierungsanfragen auf. Allerdings reglementieren die meisten Staaten die Veröffentlichung solcher Zahlen, wodurch sich das Ausmaß der Überwachung in den einzelnen Staaten nur schwer vergleichen lässt.
Quelle: SZ
- Kaum Kompetenz, kaum Akzeptanz
Ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofs teilt gegen das Nationale Cyber-Abwehrzentrum aus. Offenbar sind dort weder ausreichende Kompetenzen gebündelt, noch gibt es eine klare Arbeitsstruktur. Einige der beteiligten Behörden scheinen das Projekt bereits aufgegeben zu haben. (…)
Das NCAZ wurde vor drei Jahren unter Federführung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gegründet und sollte eigentlich die behördenübergreifende Abwehr- und Informationsstelle für elektronische Angriffe und Gefahren werden. Dazu wurden in einem ehemaligen Stützpunkt des Bundesnachrichtendienstes in Bonn zehn Planstellen geschaffen. (…)
In dem Bericht spricht sich der Bundesrechnungshof überraschend deutlich gegen die Struktur des NCAZ aus. Das Zentrum sei aktuell “nicht geeignet, die über die Behördenlandschaft verteilten Zuständigkeiten und Fähigkeiten bei der Abwehr von Angriffen aus dem Cyberraum zu bündeln”.
Zu den ständigen Vertretern im NCAZ gehört neben dem federführenden BSI das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Bevölkerungshilfe und Katastrophenschutz (BBK). Zusätzlich sind der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst, das Bundes- und das Zollkriminalamt, sowie die Bundespolizei als assoziierte Mitglieder im NCAZ geführt.
Der Bundesrechnungshof kritisiert zudem, dass es dem NCAZ an Expertise mangelt, obwohl alle wichtigen Behörden vertreten seien. Das Zentrum könne nicht nur seine Aufgabe der Gefahrenabwehr nicht ausreichend wahrnehmen, sondern finde selbst “als Informationsplattform nur geringe Akzeptanz”. (…)
Der Bericht ist eine schwere Schelte für das Bundesinnenministerium. Der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte das NCAZ 2011 eröffnet und dabei hohe Erwartungen geschürt. “Wir müssen Schutzempfehlungen zur Cyber-Sicherheit herausgeben, bevor sie angreifen”, erklärte der Minister damals. “Machtstrukturen im Bereich der organisierten Kriminalität und des Terrorismus vernetzen sich und bereiten ebenfalls Cyber-Angriffe vor.” Darauf werde das neue Zentrum reagieren und die Sicherheit der Bundesrepublik und ihrer kritischen Infrastruktur verteidigen.
Quelle: tagesschau.de
- Vodafone bestätigt Abhör-Leitungen und geheime Räume
Der NSA-Skandal zieht nun weitere Kreise. Vodafone hat als erster Mobilfunkanbieter die Existenz von geheimen Räumen eingeräumt, in denen Regierungsorganisationen problemlos Gespräche von Vodafone-Kunden abhören können. Anfang Mai hatte die Telekom bereits einen Transparenzbericht veröffentlicht und die Überwachung von Anschlüssen bestätigt.
Vodafone bestätigt Existenz von Abhörräumen
In seinem Transparenzbericht hat der britische Mobilfunkkonzern Vodafone heute erstmals die Existenz von Abhör-Leitungen bestätigt. In einigen der insgesamt 29 Länder in denen Vodafone aktiv ist, soll es entsprechende geheime Räume mit verborgenen Leitungen geben, die Geheimdiensten das Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen und Datenverbindungen ermöglicht. In sechs Ländern sei Vodafone sogar zum Lauschangriff verpflichtet.
Nach Angaben von Vodafone habe man in den meisten Ländern die vollständige Kontrolle über die technische Infrastruktur, durch die eine legale Überwachung durch Geheimdienste und Behörden durchgeführt werden könne. Die geheimen Leistungen seien mit dem Vodafone-Netzwerk verbunden, heißt es im Bericht.
Quelle: Mobilfunk-Talk.de
Anmerkung unserer Leserin M.G.: Allein dieser Bericht MUSS ausreichen für einen anfänglichen Tatverdacht zur Ermittlung des massenhaften Ausspähens der Bürger. Sogar mit einem konkreten Tatverdächtigen, Vodafone, der hier sich der Beihilfe beschuldigt.
Herr Maas, Herr Range! Machen Sie endlich Ihren Job für den Sie bezahlt werden.
- Der gute Oligarch?
Kämpfe im eigenen Land, die Krim scheint verloren, die Wirtschaft liegt am Boden: Der neue ukrainische Präsident Poroschenko steht vor schier unlösbaren Aufgaben. Wer ist der Mann, der im Laufe seiner politischen Karriere schon oft die Seiten wechselte?
Poroschenko, der laut “Forbes” über ein Vermögen von rund einer Milliarde Euro verfügen soll, war einer der wichtigsten Geldgeber der Maidan-Bewegung: Der 48-Jährige ist der einzige Oligarch, der sich offen hinter die pro-europäische Bewegung auf dem Maidan gestellt hatte, die monatelang in Kiew demonstrierte und den Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch herbeiführte.
Poroschenko gilt als “guter Oligarch”, der beteuert, er habe sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht billig Staatseigentum unter den Nagel gerissen, sondern seinen Reichtum selbst erarbeitet. Inzwischen zählen nicht nur der Süßwarenhersteller Roschen zum Imperium des “Schokoladenbarons”, sondern auch Automobil- und Busfabriken, eine Werft und ein Fernsehsender, der live vom Maidan berichtete.
Quelle: tagesschau.de
Passend dazu: Macht “Schokoladenkönig” Poroschenko sein Geld wirklich mit Schokolade?
Der Oligarch besitzt unter anderem das Maschinenbau-, Werft- und Rüstungsunternehmen Leninska Kuznya. Hier eines der “Konfekte” dieses Unternehmens des “Schokoladenkönigs”, zitiert aus dem Army Guide: (…)
Poroschenko hat sich übrigens gegen die Einstellung des Bürgerkriegs in der Ostukraine ausgesprochen. Interessant ist jedoch auch die Lage der Unternehmensstandorte des “Schololadenkönigs”. (…)
Wie man sieht, befinden sich die Standorte des Poroschenko-Unternehmens auch ganz wesentlich in der Ostukraine sowie auf der Krim. Honi soit qui mal y pense.
In der Tradition geht es weiter; nur bei aktuellen Projekten ohne russische, dafür mit europäischen Waffen, siehe den Lexikon-Eintrag in der ukrainischen Wikipedia (Link geht auf Google Translate).
Beim neuen Mehrzweckkriegsschiff-Projekt kommt die Artillerie von Rheinmetall Air Defence AG aus Deutschland, die Topedos von EuroTorp, einer französisch-italienischen Kooperation, die Raketen sind Exocet aus Frankreich, genau wie die Abwehrbewaffnung. Die Hubschrauber sind NH90 von NHIndustries, einer Kooperation von Frankreich, Italien, Deutschland und der Niederlande.
Wie praktisch, dass der Besitzer der Hersteller-Firma gleichzeitig urkainischer Präsident ist – “Schokoladenkönig” Poroschenko! Er ist eben ein idealer Partner des Westens.
Quelle: b´s weblog
Anmerkung H.R.: Offensichtlich hat die „tagesschau“ hier schlecht recherchiert oder einige Informationen bewusst nicht erwähnt.
- Die ungelöste Eurokrise – Zwischenfazit und Ausblick anlässlich der Europawahl
In diesem Denkanstoß des Instituts Solidarische Moderne (ISM) ziehen die AutorInnen eine Zwischenbilanz nach fünf Jahren Eurokrise. Sie führen dem deutschen Publikum vor Augen, welche enormen Opfer die Austeritätspolitik den Menschen in den Krisenstaaten bisher abverlangt hat. Damit zeigen sie, dass die andauernde Austeritätspolitik die reale Gefahr birgt, Europa in eine deflationäre Abwärtsspirale zu lenken. An Hand der Privatisierungspolitik in Griechenland wird exemplarisch aufgezeigt, dass die Politik der Troika bisher die Chance verpasst, die Wirtschaft der Krisenstaaten (wie Europas überhaupt) auf den langfristig unumgänglichen Pfad der sozial-ökologischen Transformation zu lenken.
Quelle: Institut
- Lehren aus der Schuldenkrise: Brüssel will Reformeifer in Krisenländern anstacheln
Kaum flaut die Eurokrise ab, erlahmt in den ersten Ländern der Reformeifer. In Brüssel hofft man nun, dass ein Lieblingsprojekt von Angela Merkel neuen Auftrieb bekommt: EU-Staaten sollen sich gegenseitig bei ihren Reformen antreiben.
In Euroraum gibt es eine bedenkliche Entwicklung. Weil sich die Wirtschaftskrise beruhigt, schwindet der politische Wille zur Sparsamkeit und Strukturreformen. Stattdessen nutzen viele Krisenstaaten die niedrigen Zinsen, um schon wieder neue Schulden zu machen – in der Hoffnung, so die Konjunktur anzukurbeln.
So will Spanien am Freitag ein milliardenschweres Konjunkturpaket beschließen, es enthält Kredite für Unternehmen und staatliche Investitionen in Transport und Produktion. Frankreich will den mit der EU-Kommission vereinbarten Fahrplan für den Abbau seines Haushaltsdefizits neu verhandeln. Italien plant eine Senkung der Einkommensteuer, um Konsum und Konjunktur anzukurbeln.
Hinter dem Verhalten steckt ein altes Problem. Regierungen neigen dazu, Reformen zu verschleppen, weil sie den Schlagabtausch mit Lobbyisten scheuen, oder weil sie fürchten, dass ihre Popularität unter sozialen Einschnitten leidet. Im Euroraum ist das besonders problematisch.
Quelle: SPIEGEL Online
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Fast schon unkontrollierte Hetze im schlimmster SPIEGEL-“Deutschland-braucht-Reformen”-Manier der Jahre 1994 ff., diesmal für die anderen EU-Staaten. “Reformen” – sprich radikaler Sozialabbau und brutale Lohnsenkungen – müssen auch gegen Widerstände durchgeführt werden? Staatsschulden sind das Grundübel? Das hat der SPIEGEL also aus der letzten Europawahl und aus dem wirtschaftlichen Totalabsturz der südlichen EU-Staaten “gelernt”? Wirklich??? Und der SPIEGEL hat immer noch nicht gelernt, dass die Austeritätspolitik nicht “vorübergehend”, sondern dauerhaft zu Arbeitslosenraten von über 25% und jahrelanger Rezession führen? Wahnsinn.
Anmerkung JK: Die Blindheit der politischen Verantwortlichen ist erschreckend. Das abschneiden des rechtsextremen Front National bei der Europawahl in Frankreich scheint niemanden aufgeweckt zu haben. Weiter mit Vollgas in Richtung Merkels „marktkonformer“ Demokratie und weiter in Richtung Abgrund.
- Ein erbärmlicher Aufruf
Das hat noch gefehlt: So genannte Intellektuelle schreiben einen Aufruf für Jean-Claude Juncker als Chef der EU-Kommission. Darunter die Ökonomen Hans-Werner Sinn und Gustav Horn und der Philosoph Jürgen Habermas (zu Habermas Verständnis von Europas Krise siehe zuletzt hier). Und sie haben sich beim Verfassen und Unterzeichnen dieses Aufrufs sicherlich unheimlich erhaben gefühlt, der Demokratie einen bedeutenden Dienst erwiesen zu haben. Es ist aber einfach nur erbärmlich.
Juncker hat die soziale Katastrophe, die sich in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, Irland, in der Europäischen Währungsunion insgesamt abspielt, über Jahre in führender Funktion mit verantwortet. Er war von 2005 bis 2013 Vorsitzender der Euro-Gruppe. Anstatt die Bedingungen zu benennen, die zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit beitragen können, die jenes erschreckende Europawahlergebnis hervorgebracht hat (niedrige Wahlbeteiligung; Erfolge rechtsextremer Parteien), ja, auch beherzt darüber zu streiten, sich auseinanderzusetzen, verirren sich die Damen und Herren Ökonomen, Philosophen und Juristen im Dickicht der Parteien und Institutionen, auf die sie ohnehin keinen Einfluss haben. Über die ökonomische und soziale Lage verlieren sie kein Wort. Das ist nicht nur lächerlich, das ist auch eine intellektuelle und moralische Bankrotterklärung.
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
- Thomas Piketty im Interview – “Die Mittelklasse schrumpft weiter”
Der Ökonom Thomas Piketty hat mit seinem Buch “Das Kapital im 21. Jahrhundert” die Reichtumsdebatte neu entfacht. Ein Gespräch über wachsende Ungleichheit, niedrige Leitzinsen und eine progressive Vermögenssteuer.
Quelle: Frankfurter Rundschau
- Paul Krugman: On Inequality Denial – Über das Leugnen der Ungleichheit
Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel mit dem Titel “ Die Reichen, die Rechten und die Fakten” veröffentlicht, in dem ich die politisch motivierten Bemühungen beschrieb, etwas zu leugnen, das ganz offensichtlich ist – nämlich den starken Anstieg der Ungleichheit in Amerika, speziell, was die oberste Spitze der Einkommensskala betrifft. Es wird Sie wahrscheinlich nicht wundern, dass ich auf ziemlich viel Missbrauch statistischen Materials durch Leute in wichtigen Positionen gestoßen bin.
Auch wird es Sie nicht überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass sich inzwischen nicht viel geändert hat. Nicht nur bestreiten die üblichen Verdächtigen weiterhin das Offensichtliche, sie kommen auch immer noch mit den gleichen längst diskreditierten Argumenten: Die Ungleichheit steigt nicht wirklich; Also schön, sie steigt, aber das macht nichts, weil wir eine so starke soziale Mobilität haben; Überhaupt ist das gut, und wer sagt, es sei problematisch, ist ein Marxist.
Aber das Jahr, in dem ich den Artikel veröffentlicht habe, mag Sie überraschen: 1992.
Quelle: New York Times
- Lebte schon Jesus im Kapitalismus?
Unser Wirtschaftssystem mache die Reichen immer reicher, behauptet Thomas Piketty – und wird dafür gefeiert. Doch an entscheidenden Stellen blendet er eine wichtige Größe aus: Die Steuern.
Selten ist ein Buch so überschätzt worden wie Kapital im 21. Jahrhundert von Thomas Piketty. Der als Starökonom und Meisterdenker gefeierte Franzose behauptet darin, der Kapitalismus mache die Reichen fast automatisch immer reicher. Nur neue, drastische Steuern könnten das verhindern. Mit dieser Botschaft sorgt Piketty für Furore. Manche sehen in ihm einen neuen Marx, also jemanden, der das Denken einer ganzen Epoche ändern könnte – wobei das bei Marx ja nicht unbedingt zum Guten war. Doch so wuchtig Pikettys Thesen daherkommen, so dünnbeinig sind die Argumente darunter. Manche erscheinen geradezu bizarr.
Das betrifft nicht nur ein paar Statistikreihen, bei denen die Financial Times dem Forscher vorwirft, er habe mit den Zahlen geschludert. Nein, das ganze Gedankengebäude ist wackelig. Im neuen Marx steckt viel Murks (wie es bei Karl ja nicht anders war).
Quelle: ZEIT
Anmerkung JK: Wir wiederholen uns nur ungern, aber hier gilt wieder einmal getroffene Hunde bellen laut. Piketty hat die Neoliberalen offenbar voll erwischt. Und so fühlt sich auch das neoliberale Propagandaorgan für die gehobenen Stände, die Zeit, berufen, sich ebenfalls am Piketty-Bashing zu beteiligen.
Die Argumentation des Zeit-Wirtschaftsredakteurs Rudzio kann dabei schwachbrüstiger nicht sein. Dafür soll billige Polemik „(Im neuen Marx steckt viel Murks …..“) fundierte Argumente ersetzen. Rudzios stärkstes Argument, er wirft Piketty vor, dass er in einigen Grafiken eine Entwicklung bis ins Jahr 2200 antizipiert. Solche langfristigen Prognosen sind sicher nicht unproblematisch, nur wenn es um die Durchsetzung der neoliberalen Agenda geht sind Rudzio & Co weniger penibel. Liebstes Argument der Neoliberalen, wenn es wieder einmal um Rentenkürzungen und Verlängerung der Lebensarbeitszeit geht, ist die demographische Entwicklung. Hier wird dann auch schon einmal mit der Bevölkerungsentwicklung bis ins Jahr 2050 argumentiert. Aber das ist natürlich wieder etwas ganz anderes. Eine weitere Quintessenz der „Kritik“, zu Beginn des 20.Jahrhunderts waren die Vermögensverteilung und die sozialen Gegensätze noch schlimmer als nun zu Beginn des 21.Jahrhunderts. Damit ist Pikettys Arbeit für Rudzio völlig konterkariert. Eine weitere Auseinandersetzung nicht notwendig. Aber allein dafür, dass Pikettys Buch derart die Wut der Neoliberalen entfacht hat, ist es lesenswert.
Nur am Rande, laut einer Studie der britischen Hilfsorganisation Oxfam besitzen allein 85 Superreiche das gleiche Vermögen wie die arme Hälfte der Weltbevölkerung – immerhin 3,5 Milliarden Menschen. Die These Pikettys, dass sich im Kapitalismus der Reichtum immer mehr in den Händen weniger konzentriert ist so selbstverständlich kompletter Unsinn.
Dazu noch einmal: 85 Milliardäre besitzen so viel wie die ärmsten 3,5 Milliarden
Und: Profit from Crisis – Why capitalists do not want recovery, and what that means for America
Can it be true that capitalists prefer crisis over growth? On the face of it, the idea sounds silly. According to Economics 101, everyone loves growth, especially capitalists. Profit and growth go hand in hand. When capitalists profit, real investment rises and the economy thrives, and when the economy booms the profits of capitalists soar. Growth is the very lifeline of capitalists. …
The old slogan “what’s good for GM is good for America” now rings hollow. Capitalists seek not utility through consumption but more power through redistribution. And they achieve their goal not by raising investment and fueling growth, but by allowing unemployment to rise and jobs to become scarce. Clearly, we are not “all in the same boat.” There is a distributional struggle for power, and this struggle is not a mere “sociological” issue. It is the center of our political economy, and we need a new theoretical framework to understand it.
Second, macroeconomic policy, whether old or new, cannot offset the aggregate consequences of this distributional struggle. Not by a long shot. Till the late 1970s, the budget deficit was small, yet America boomed. And why? Because progressive taxation, transfer payments and social programs made the distribution of income less unequal. By the early 1980s, this relationship inverted. Although the budget deficit ballooned and interest rates fell, economic growth decelerated. New methods of upward redistribution have caused the share of the Top 1% to zoom, making stagnation the new norm.
Third, and finally, Washington can no longer hide behind the bush. On the one hand, the concentration of America’s income and assets, having been boosted by large post-crisis bailouts and massive quantitative easing, is now at record levels. On the other hand, long-term unemployment remains at post-war highs while job growth is at a standstill. Eventually, this situation will be reversed. The only question is whether it will be reversed through a new policy trajectory or through the calamity of systemic crisis.
Quelle: Real World Economics Review
- Bank of America droht 12-Milliarden-Dollar-Strafe
Die Bank of America muss im Streit über Altlasten aus der Finanzkrise laut dem Wall Street Journal mit einer Strafe von mindestens zwölf Milliarden Dollar (rund acht Milliarden Euro) rechnen. Die Summe sei zur Beilegung des Verfahrens zum Umgang mit faulen Hypothekenkrediten fällig, berichtete die Zeitung unter Berufung auf mit den Verhandlungen vertrauten Personen. Neben dem Justizministerium in Washington sind daran mehrere Bundesstaaten beteiligt. Mindestens fünf Milliarden Dollar dürften voraussichtlich fällig werden, um Hausbesitzern bei der Abzahlung ihrer Darlehen zu helfen.
Ein Sprecher der Bank lehnte eine Stellungnahme ab. Zuletzt war die US-Bank JPMorgan Chase in einem ähnlichen Vergleich zu einer Rekordzahlung von 13 Milliarden Dollar verpflichtet worden.
Die Bank of America muss bereits mehr als neun Milliarden Dollar dafür zahlen, dass sie den staatlichen Immobilienfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac fragwürdige Hypothekenpapiere verkaufte, die nach dem Crash am US-Wohnungsmarkt drastisch an Wert verloren. Bei der Bank of America summierten sich Strafen und Vergleiche seit 2009 auf mehr als 25 Milliarden Dollar, errechnete die Financial Times. Die Bank hatte sich das Gros der Probleme durch den Kauf der Investmentbank Merrill Lynch und des Immobilienfinanzierers Countrywide eingefangen.
Auch andere Banken sind bereits zu Strafzahlungen verpflichtet worden, weil sie beim Verkauf von Hypothekenpapieren Risiken verschleiert haben sollen. Die Deutsche Bank etwa muss 1,9 Milliarden Dollar zahlen.
Quelle: ZEIT
Anmerkung JK. Das erstaunliche daran ist, dass die Banken solche Summen offenbar ohne mit der Wimper zu zucken bezahlen können.
- Moderne Schuldknechtschaft – Knebelverträge für ausländische Pflegekräfte
Sie arbeiten sieben Tage die Woche, oft mehr als zwölf Stunden und erfahren erst kurz vorher, wohin es geht. Ausländische Pflegekräfte sind meist bei großen Firmen für Intensivpflege angestellt – zu extrem schlechten Konditionen. Doch wer seinen Vertrag vorzeitig kündigen will, zahlt drauf, so wie Nerea Gonzalez. “Ich verbringe zwölf Stunden ohne Pause mit den Patienten. Dann werde ich für zwölf Stunden von einem Kollegen abgelöst. Sieben Tage lang wechseln wir uns ab. Manche Patienten liegen im Koma, andere sind an Atmungsgeräte angeschlossen. Es ist oft so stressig, dass ich in meiner zwölf Stundenschicht nicht einmal zum Essen komme.” Seit acht Monaten ist Nerea Gonzalez in Deutschland. Sie ist eine von rund 300.000 Pflegekräften aus Süd- und Osteuropa, die hier schwer kranke und alte Menschen pflegen. Das deutsche Unternehmen GIP, Gesellschaft für medizinische Intensivpflege, hat sie angeworben und vermittelt sie wie Leiharbeiter an pflegebedürftige Menschen. “Zu Beginn der Arbeitswoche packe ich morgens früh meinen Koffer und reise irgendwohin – dorthin, wo ich gerade gebraucht werde. Ich weiß nicht, was mich erwartet. Ich muss alles selber organisieren. Wo ist das Hotel? Wie weit ist die Wohnung der Patienten entfernt? Gibt es medizinische Informationen vom behandelnden Arzt? Wenn man kaum Deutsch spricht, können sich diese simplen Fragen schnell zu unüberwindbaren Hürden auswachsen. Oft haben die Familien auch eine Liste von Dingen, die ich machen muss.” Manchmal muss Nerea auch die Wohnung putzen, auf Kinder aufpassen, einkaufen oder den Hund ausführen. Ohne staatliche Kontrolle ist der Weg von der Pflegekraft zur Putzfrau ein kurzer.
Quelle: Deutschlandradio [Audio – mp3]
Anmerkung Orlando Pascheit: Also liebe SPD, der Mindestlohn, ist nur das Mindeste, was es anzugehen gilt.
- Gute Arbeit und Kapitalismuskritik
Inwieweit muss Gute Arbeit als ein „gegentendenzielles Projekt“ angelegt sein?…
Man kann also zusammenfassen: Gute Arbeit – und das ist auch demokratische Arbeit – kann eine Antwort auf die Arbeitskraftgefährdung durch die Zumutungen des Finanzmarktkapitalismus sein. Und sie birgt das Potential, über die Ansprüche an demokratischer Entscheidung weitere Perspektiven zu erschließen.
Quelle: Gegenblende
- Zeitungsausträger unter Druck – Mindestlohn nur für die Schnellsten
Das Mindestlohngesetz soll allen Arbeitnehmern einen Stundenlohn von 8,50 Euro garantieren. Doch der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat einen gravierenden Schönheitsfehler: Arbeitgeber können auch weiter nach Leistung bezahlen. Wer die Leistung nicht bringt, muss selbst sehen, wie er trotzdem an seine 8,50 Euro pro Stunde kommt.
Zimmermädchen, Kellner und Taxifahrer – sie und viele andere Beschäftigte der Niedriglohn-Branchen können sich freuen, wenn spätestens ab Anfang 2017 der gesetzliche Mindestlohn greift. 8,50 Euro die Stunde soll dann flächendeckend gelten. Doch das Gesetzesvorhaben, auf das Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sehr stolz ist, hat einen gravierenden Schönheitsfehler: Es ist nämlich weiterhin zulässig, auch Stücklöhne zu zahlen! Auf diese Weise könnten Tausende Zeitungsausträger am Ende trotzdem um ihren Mindestlohn gebracht werden!
Quelle: RBB
- Stoppt Karlsruhe Ausnahmen vom Mindestlohn?
Die Koalition hat das Mindestlohngesetz auf den parlamentarischen Weg gebracht. Union und SPD wollen nun über weitere Ausnahmen von einem allgemeinen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro verhandeln.
Einig sind sie sich, dass es für Jugendliche unter 18, wiederbeschäftigte Langzeitarbeitlose und Praktikanten besondere Regeln geben soll.
Linke-Parteichefin Katja Kipping sagte voraus, dass das Gesetz aus diesem Grund vom Verfassungsgericht gestoppt wird. “Die Diskriminierung von Jugendlichen und Erwerbslosen widerspricht dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes”, erklärte Kipping.
Quelle: RP Online
Passend dazu: Attacke gegen Nahles: Union pocht auf Ausnahmen beim Mindestlohn
Das Machtwort von Andrea Nahles findet kein Gehör. Vertreter der CDU fordern weiter Ausnahmen beim Mindestlohn, obwohl die Bundesarbeitsministerin solche gerade erst kategorisch abgelehnt hatte.
Gerade erst hat Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Ausnahmen beim geplanten Mindestlohn kategorisch abgelehnt – die Forderungen aus der Union reißen dennoch nicht ab. “Es muss noch Ergänzungen und Differenzierungen geben”, sagte CDU-Partei- und Fraktionsvize Thomas Strobl der “Welt”. Vor allem Sonderregelungen für Erntehelfer seien nötig.
Das Gesetz für den Mindestlohn soll am 4. Juli vom Bundestag verabschiedet werden und ab dem 1. Januar 2015 gelten. Ausnahmen in einzelnen Branchen sollen bis Ende 2016 erlaubt bleiben. Über die genaue Ausgestaltung dieser Ausnahmen gibt es seit Wochen Zoff.
Mindestlohn-Kritiker in der Unionsfraktion hatten zuletzt immer wieder Ausnahmen von der Lohnuntergrenze gefordert. Peter Ramsauer (CSU) plädierte in der “Welt am Sonntag” für “massive Veränderungen”. Für Rentner, Praktikanten und studentische Hilfskräfte dürfe der Mindestlohn ebenso wenig gelten wie für Zeitungsausträger. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) will außerdem Ausnahmen für Saisonarbeiter und Erntehelfer.
Nahles lehnt Ausnahmen ab, Deutschland als stärkste Wirtschaftsnation Europas könne einen einheitlichen “Mindestlohn verkraften”. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat ebenfalls deutlich gemacht, dass er Ausnahmen allenfalls bis Ende 2016 für möglich hält.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung H.R.: Der flächendeckende, gesetzliche Mindestlohn war zentrales Thema der SPD bei der letzten Bundestagswahl und vor Eintritt in diese Koalition mit den Unionsparteien. Mittlerweile ist er -mit Zustimmung der Spitze der Bundes-SPD- löchrig wie mancher Käse (Jusos). Dass UnionsvertreterInnen versuchen würden, möglichst viele Ausnahmen auszuhandeln, müsste der SPD-Spitze bekannt gewesen sein.
Nicht wenige in der Arbeitnehmerschaft könnten sich von der SPD verraten fühlen.
- „Von der Leyen hat keine Ahnung vom Militär“
Kinderbetreuung, Teilzeitarbeit und Wohlfühl-Stuben: Ursula von der Leyen will die Bundeswehr familienfreundlich machen. Doch Ex-Generalinspekteur Harald Kujat lässt daran kein gutes Haar: Von der Leyen führe die Bundeswehr „wie ein Hausfrau“ – und habe keine Ahnung vom Militär.
Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, hat die Attraktivitätsoffensive von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als „grotesk“ bezeichnet. „Da sind echte Laien am Werk. Von der Leyen hat ganz offensichtlich keine Ahnung vom Militär“, sagte Kujat FOCUS. Die Ministerin komme ihm vor, „wie eine gute Hausfrau, die ihre Kinder versorgt“.
Von der Leyen solle sich lieber um die wirklich wichtigen Dinge kümmern. „Soldaten brauchen eine vernünftige Ausrüstung. Das macht den Soldatenberuf sicherer und damit attraktiv.“ Für die Idee der Ministerin, Führungspositionen künftig auch mit Teilzeitstellen zu besetzen, hat der General a.D. kein Verständnis. „Ein Kompaniechef kann nicht halbtags führen“, sagte Kujat. „Die Verantwortung eines Vorgesetzten ist nicht teilbar“.
Quelle: Focus Online
Passend dazu: Zurück zur Landesverteidigung
Peter Gauweiler stellt die deutsche Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre infrage. Laut Manuskript sagte der CSU-Vize bei der Bundeswehr, Auslandseinsätze wie in Afghanistan seien nicht vom Grundgesetz gedeckt. Er stellt sich damit gegen seine eigene Partei.
Für den stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Peter Gauweiler sind Auslandseinsätze der Bundeswehr wie in Afghanistan nicht vom Grundgesetz gedeckt. In einer Rede an der Bundeswehr-Universität in Hamburg sagte Gauweiler am Mittwoch laut Manuskript, die Bundeswehr müsse sich auf den Auftrag der Landesverteidigung beschränken.
Er wandte sich gegen Bundespräsident Joachim Gauck, der Anfang des Jahres gefordert hatte, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, notfalls auch mit militärischen Mitteln. Ähnlich hatten sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geäußert.
“Wir müssen den ,Verteidigungsauftrag’ unserer Armee wieder vom Kopf auf die Füße stellen”, heißt es im Manuskript für Gauweilers Rede. “Die Umwidmung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee war ein Tabubruch”, der mit der “historischen und verfassungspolitischen Motivation des Grundgesetzes nicht übereinstimmt”, so der Text weiter. “Der Einsatz von mehr militärischer Gewalt ist für Deutschland kein Mittel, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen.” (…)
Gauweiler setzt sich in seinem Manuskript auch mit dem veränderten Verteidigungsbegriff der Nato auseinander. Hier könne man nur “von einer krassen Fehlentwicklung sprechen”, die das Bundesverfassungsgericht nicht verhindert habe. Einsätze wie der in Afghanistan, also “fernab des euro-atlantischen Raums”, entsprächen nicht mehr jenen Voraussetzungen, unter denen der Bundestag einst dem Nato-Beitritt zugestimmt habe. Der “regionale Bezugsrahmen der Nato” werde “ins Unendliche ausgedehnt”, heißt es im Text.
Gauweiler stellt auch das Konzept der humanitären Intervention infrage, also des militärischen Eingreifens im Fall schwerer Menschenrechtsverletzungen. Völkerrechtler, die solche Einsätze rechtfertigten, halte er “für die Wegbereiter der Kriege der Zukunft”. Auch diese Art der Intervention sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, so sein Redemanuskript. “Wer das will, muss eine neue Verfassung schaffen.”
Quelle: Süddeutsche.de
- Grüne wollen um ehemalige FDP-Wähler werben
Landespolitiker der Grünen fordern, dass ihre Partei liberal werden müsse. Sie wollen in der politischen Mitte jene Lücke füllen, die die FDP hinterlassen hat.
Die Grünen wollen sich künftig als liberale Partei in der politischen Mitte positionieren. Dazu haben mehrere Landespolitiker der Partei aufgerufen. “Wir sollten die liberale Partei in Deutschland sein, denn eine relevante andere gibt es nicht mehr”, sagte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Die Grünen seien eine tolerante und nicht zuletzt liberale Partei, sagte Al-Wazir weiter. “Damit können wir sicher auch einen Teil der früheren FDP-Klientel ansprechen, die sich enttäuscht von der FDP abwendet.”
Der bayerische Grünen-Landesvorsitzende Dieter Janecek wirbt ebenfalls dafür, dass seine Partei liberaler wird. “Die Grünen sollten den Abgang der FDP nutzen, endlich konsequent für echten Wettbewerb einzutreten und dem Staatsdirigismus der großen Koalition Einhalt gebieten”, sagte Janecek. Die Partei müsse “Ökologie und Ökonomie versöhnen, die führende Stimme sein für Freiheit und Selbstbestimmung”, so Janecek weiter.
Quelle: ZEIT
Anmerkung JK: Spätestens nach der schwarz-grünen Koalition in Hessen sollte es doch eigentlich keinerlei Illusionen über die Grünen mehr geben. Dass dann aus dieser Ecke Forderungen kommen, die Grünen in eine FDP mit Biosiegel zu verwandeln sollte nicht weiter überraschen. Die besserverdienende Klientel haben die Grünen ja schon. Wie man allerdings darauf kommt die marktradikale FDP als Partei der politischen Mitte zu klassifizieren ist ein Rätsel, dass vermutlich nur Al-Wazir lösen kann.
- Griechische Unis im freien Fall
Im Zuge der Finanzkrise hat die Regierung in Athen mit eisernem Besen auch an den griechischen Universitäten gekehrt: Professoren und Dozenten haben knapp die Hälfte ihres Einkommens verloren. In Bibliotheken und Labors fehlt es an Material, Doktoranden bekommen keine Stipendien mehr. Tausende Studierende und Lehrende verlassen wegen der schlechten Bedingungen ihre Heimat, das Land verliert seine größten Talente. Beobachter warnen deshalb vor einem Kollaps des Hochschulsystems. “Die Situation der griechischen Universitäten ist dramatisch: Budget- und Personalkürzungen um bis zu 50 Prozent – sowohl im wissenschaftlichen wie im administrativen Bereich – bei gleichzeitig steigenden Studierendenzahlen machen einen regulären Universitätsbetrieb in vielen Bereichen praktisch unmöglich”, sagt etwa Professor Dieter Lenzen, Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz.
Quelle: Deutschlandradio [Audio – mp3]
Anmerkung: Der Deutschlandfunk bietet hier ein Schwerpunkt zum Thema Hochschulen in Griechenland.
- Zu guter Letzt: Flächendeckende Ausnahmen
Quelle: Harm Bengen Zeitungscartoons
- Das Letzte – Demokratie ist überbewertet
Das Ansehen des Freihandels ist so mies wie noch nie. Glühende Kämpfer für den unbehinderten Tausch von Gütern und Dienstleistungen waren die Deutschen zwar noch nie. Doch inzwischen wird Freihandel von vielen mit Unterdrückung der Freiheit durch multinationale (sprich: amerikanische) Konzerne gleichgesetzt, welche unsere kulturellen Besonderheiten aus nacktem Profitinteresse einebnen wollen. Der Freihandel, so die gängige Meinung, schadet der Freiheit der Bürger, tilgt alles, was uns lieb und teuer ist – namentlich Umwelt- und Verbraucherschutz und natürlich unsere deutsche Kultur. Gäbe es eine Volksabstimmung, eine Mehrheit hierzulande spräche sich gegen den Freihandel aus. […]
Zwar ist es jedem Land prinzipiell unbenommen, mit demokratischen Mehrheiten einen strammen Merkantilismus einzuführen, hohe Importzölle und saftige Exportsubventionen zu erlassen und Bildung, Kultur oder Industrie mit Staatsgeld zu päppeln.
Länder, die Freihandelsabkommen schließen, haben sich indessen irgendwann einmal davon überzeugen lassen, dass der ungehinderte Verkehr von Waren, Dienstleitungen oder Arbeitnehmern am Ende allen Vorteile bringt. Demgegenüber verzerren Subventionen und als Umwelt- oder Verbraucherschutz getarnte Handelsbarrieren den Wettbewerb und führen zu Wohlfahrtsverlusten für alle. Nicht um diktatorische Beschränkung demokratischer Selbstbestimmung geht es, sondern um vertraglich zwischen Staaten verabredete demokratische Selbstbindung im Versprechen, einander diese wirtschaftlichen Freiheiten ohne Einschränkung zu gönnen. Solche Verträge setzen in der Tat der Demokratie Grenzen.
Quelle: FAZ
Anmerkung JK: Wer wieder einmal einen tiefen Einblick in das Demokratieverständnis der Neoliberalen haben möchte wird mit Hanks Kommentar auf das beste bedient. Für Hank ist Demokratie lediglich eine durch “zufällige Mehrheiten” gekennzeichnete “Klientelwirtschaft” und wird damit klar überbewertet. Eigentlich ist dies ein bemerkenswerter Kommentar, der Leiter der Wirtschafts- und Finanzredaktion einer der größten deutschen Tageszeitungen bringt seine Verachtung für die demokratische Verfassung der Bundesrepublik unverhohlen zum Ausdruck.
Besonders seltsam der Versuch zwischen Rechtsstaat und Demokratie einen Antagonismus zu konstruieren. Ist es nicht vielmehr so, dass Rechtsstaat und Demokratie einander bedingen? Wie soll man sich einen Rechtsstaat ohne Demokratie vorstellen?
Nach Hank sind also Beschlüsse eines in freier, gleicher und geheimer Wahl legitimierten Parlaments niedriger anzusetzen als die Profitinteressen von “Investoren”. Der von Hank verwendete Begriff der Enteignung ist dabei relativ. Angenommen ein demokratisch gewähltes Parlament beschließt ein umweltgefährdendes Produktionsverfahren zu verbieten, dies könnte für einen “Investor” bedeuten, dass sich die, mit dem alten umweltschädlichen, aber billigeren Produktionsverfahren erreichten Renditen nicht mehr realisieren lassen, der „Investor“ fühlt sich enteignet. Dagegen kann eine demokratisch herbeigeführte Entscheidung natürlich keinen Bestand haben.
Hank vergisst bei seinem hohen Lied auf den Rechtsstaat allerdings zu erwähnen, dass bezüglich des TTIP und anderer bilateraler Investitionsschutzabkommen bei Streitigkeiten um Investorenrechte nicht unabhängige Gerichte entscheiden sondern geheim tagende Schiedsgerichte. Dieses Schiedsgericht unterscheidet sich von regulären Gerichten nicht nur dadurch, dass es keine fest zugeordnete und beamtete Richter gibt, diese werden von den Streitparteien für das jeweilige Verfahren berufen, sondern auch dadurch, dass alle Verhandlungen grundsätzlich unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, dass die Entscheidungen absolut bindend sind und gegen ein Urteil eines Schiedsgerichtes keinerlei Rechtsmittel vor einer höheren Instanz eingelegt werden kann. Wenn das Hanks Vorstellungen von einem Rechtsstaat sind, sind diese mindestens genau so fragwürdig wie dessen Vorstellung von Demokratie.
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Unter der Überschrift “Demokratie ist überbewertet” würde man in einer staatstragenden Zeitung einen sarkastischen Kommentar zu (tatsächlichen oder befürchteten) Demokratiebeschränkungen (gerne auch in China oder Kuba) erwarten. Stattdessen schreibt Hank eine Apologetik, die den Freihandel ernsthaft gemeint über die Demokratie stellt und dem demokratischen Rechtsstaat nur noch die kartell- und wettbewerbsrechtliche Aufsicht über einen möglichst freien Markt zubilligt – und nebenbei noch übersieht, dass Schröder und Merkel im Namen der Wettbewerbsfähigkeit jetzt seit 15 Jahren eine astrein merkantilistische Politik mit “hohe[n] Importzöllen und saftige[n] Exportsubventionen” betrieben haben bzw. betreiben.
Wenn ein solcher Kommentar nicht demokratie- und verfassungsfeindlich ist, weiß ich es auch nicht.
Dazu: Macht ohne Rechenschaft: Der globale Lobbyismus
Es gibt Formen der Macht, die keinerlei Rechenschaftspflicht unterliegen, über deren Aktivitäten niemandem Bericht erstattet werden muss und die schwer zu durchschauen sind. Aus diesem Grund fällt es ebenso schwer, ihnen entgegenzuwirken. Weil diese illegitime Macht oft unterschwellig daherkommt, ist sie schwer zu greifen. Sie heißt nicht „Macht“, resultiert nicht aus förmlichen Beschlüssen und wird von denen, die sich ihr – wissentlich oder nicht – unterwerfen, häufig gar nicht als Unterdrückung wahrgenommen. Die illegitime Macht, von der ich hier spreche, meint nicht Tyranneien, Diktaturen, autoritäre Einparteiensysteme, afrikanische Statthalter oder dergleichen. Im Folgenden geht es um die Macht der ganz großen Konzerne, wobei ich, dem Sprachgebrauch der Vereinten Nationen folgend, die Bezeichnung „transnationale Konzerne” oder TNC der Rede von „multinationalen” Konzernen oder „Multis” (MNC) vorziehe.
Die Liste der Beispiele für illegitime Machtausübung wächst unaufhörlich und könnte viel länger ausfallen als im vorliegenden Artikel. Nichtsdestotrotz hoffe ich veranschaulichen zu können, dass und wie illegitime Konzernmacht mittlerweile auf jeder Ebene der Regierungstätigkeit zunehmend Platz greift, die internationale Sphäre eingeschlossen; dass sie der Demokratie schweren Schaden zufügt und unsere Länder, unseren Lebensalltag verändert, ganz besonders, wenn wir in westlichen Demokratien leben.
Tatsächlich lässt sich empirisch belegen, dass illegitime Machtausübung um sich greift und dass die Demokratie allmählich der Infektion durch die neoliberale Ideologie erliegt. Immer mehr Funktionen einer legitimen Regierungsausübung gehen an nicht legitimierte, nicht gewählte, undurchsichtige Akteure und Organisationen über. Dies geschieht auf allen Ebenen, der nationalen ebenso wie der regionalen und der internationalen.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik