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Titel: Reaktionen auf „Neue deutsche Härte …“ und unsere Anmerkungen

Datum: 17. März 2007 um 12:01 Uhr
Rubrik: Kultur und Kulturpolitik, Rechte Gefahr
Verantwortlich:

Dieser Beitrag von Brigitta Huhnke vom 8.3. hat relativ viele und heftige NDS-kritische Reaktionen ausgelöst. Vor allem die Kritik unserer Autorin an „Rammstein“ hat Gegenreaktionen ausgelöst. Unter den Kritikern waren einige, die seit langem die NachDenkSeiten nutzen und mitarbeiten. Diese Reaktionen haben mich zunächst verunsichert.
Ich kann für mich nicht beanspruchen, dass ich ein Kenner der dort beschriebenen Musikszene wäre, ich habe mir allerdings einige Elemente der Webseite von „Rammstein“ näher angeschaut. Mein Eindruck ist: Das ist ja um vieles schlimmer als der nationale Flaggentaumel im Umfeld der WM, die bei mir und vielen meiner Generation schon Schaudern über den Rücken schickten. Außerdem ist zu den Reaktionen anzumerken, dass die meisten Kritiker sich vor allem über den ersten Absatz von Brigitta Huhnkes Text empörten, in dem sie kritisch auf die „Ästhetik“ der Band „Rammstein“ einging, sich aber mit dem gesamten Text des Beitrags und seiner Intention nicht oder nur am Rande auseinandersetzten.
Ich bin mir sicher, dass es richtig war, Brigitta Huhnkes Beitrag ins Netz zu stellen. Wir haben uns allerdings entschlossen, die Kontroverse unseren Leserinnen und Lesern sichtbar zu machen. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Auszüge der Mails, die als Reaktion auf den Beitrag eingegangen sind. Die darin enthaltene Kritik hat Kai Ruhsert herausgefordert, Stellung zu nehmen.

1. Auszüge aus Mails von NachDenkSeiten-Lesern als Reaktion auf den Beitrag von Brigitta Huhnke vom 8.3.2007: „Neue deutsche Härte“ – die Rechten klauen linke Lieder.

Ohne mich als Experten aufspielen zu wollen, fürchte ich, dass die Autorin in ihrer berechtigten Empörung teilweise auf die Falschen einschlägt, nur weil die (Rammstein) gerade am bekanntesten sind und die krassesten Shows machen. (J.A.)

Zwar bedient sich erstere (Rammstein) durchaus einer Ästhetik, die dem Nazismus entliehen ist, jedoch ist damit – wie auch die ZEIT analysiert – keine politische Aussage getroffen…
Wer jedoch jemals Lieder von Landser gehört hat – der Musikstil unterscheidet sich auch klar von Rammstein – der weiß, was wirklich abstoßend und gefährlich ist. Dass Rammstein in dieser Szene gern gehört wird, ist schade. Aber man wird ja auch Wader nicht vorwerfen wollen, dass er okkupiert wird, oder? (St. S.)

E.B. schlägt den Beitrag gar für die Rubrik Manipulation des Monats vor, u.a weil „harte“ Musikrichtungen“ (Punk, Metal) gleich „rechts“ eingestuft würden. Es würden Fakten ignoriert:

Rammsteins Musiker werden seit gut zehn Jahren mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert, und äußern sich regelmäßig sehr eindeutig gegen rechts, pro-links. Kein Wort davon bei Frau Huhnke. Die will Rammstein auch noch George W. Bush anhängen. Und dabei hat Rammstein längst, wie so viele andere Musiker auch, ein Bush-kritisches Lied veröffentlicht. Kein Wort davon bei Frau Huhnke. … Warum veröffentlichen sie dann, obwohl sie offensichtlich keine Ahnung haben, einen Artikel über aktuelle Rockmusik? Hätten sie doch wissen können, wie groß die Chance der Blamage ist.

J.S. schreibt:

Sie stellen einen Artikel “ “Neue deutsche Härte” – die Rechten klauen linke Lieder ” auf die Nachdenkseiten, der leider gefährliche Vorverurteilungen vornimmt.
Denn es ist wahr, dass die Band Rammstein oft als neonazistisch bezeichnet wird, es ist aber keineswegs wahr, dass dieser Vorwurf in irgendeiner Weise sinnvoll begründbar wäre. Sind ein rollendes R und die Verwendung von Riefenstahlvideos wirklich ausreichende Beweise einer neonazistischen Gesinnung?
Was man Rammstein auch gut begründet vorwerfen kann, ist ihr Spielen mit allen Rändern. Den Rändern zum Tabubruch, zur Geschmacklosigkeit – vielleicht auch das Spielen mit neonazistischer Symbolik.

Wenn es allerdings um Musik geht, scheiden sich schnell die Geister, und ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich den Artikel “Neue deutsche Härte” – die Rechten klauen linke Lieder nicht angemessen finde. Ich kenne mich in der rechten Musikszene nicht aus, möchte das auch gar nicht. Ich kenne und schätze allerdings die Band Rammstein. Offenbar teilt auch David Lynch meine Wertschätzung, denn er verwendete zwei ihrer Songs für seinen Film Lost Highway und trug damit maßgeblich zum im Artikel angesprochenen Erfolg der Band in den USA bei. Dass Rammstein der rechten Szene zuzuordnen seien, ist eine falsche und
mittlerweile auch reichlich abgedroschene Behauptung. (A.B.)

Was mich konkret an diesem Artikel stört, ist die offenkundig mangelhafte Recherche bei den genannten Musikgruppen und die äußerst subjektive „Auswertung“ der oberflächlichen Beobachtungen des Autors.
Beginnen wir mit der Band „Rammstein“, die durch die Verwendung von Leni Riefenstahls Olympia-Propagandafilm in ihrem Musikvideo zum Cover (Original von „Depeche Mode“) von „Stripped“ in die Schlagzeilen geraten ist. Zugegebenermaßen war diese Form der Provokation nicht sonderlich geschickt und selbstredend lässt sie auch gewisse Spekulationen zu, aber Meinungsbildung sollte doch nicht aufgrund oberflächlicher und subjektiver Einschätzung erfolgen, oder? Man sollte im Zusammenhang mit der Band „Rammstein“ auch auf Zeilen wie
Sie wollen mein Herz am rechten Fleck
Doch seh ich dann nach unten weg
Dann schlägt es links
Links zwo drei vier links.
eingehen, die Oskar Lafontaines Spruch „Mein Herz schlägt links“ in das Lied gleichnamige Lied „Links“ einbindet und eine Zeile aus einem alten Hannes Wader – Arbeitersong (“Links zwo drei vier links zwo drei, wo dein Platz Genosse ist, reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, wenn du auch ein Arbeiter bist”) zitiert wird. B.D.

grundsaetzlich halte ich die im artikel von brigitta huhnke angesprochnen sachverhalte fuer richtig. was mir jedoch sauer aufstoesst ist die darstellung von rammstein. diese wird als speerspitze der rechten jugend und musikbewegung dargestellt. dies ist meiner auffassung nach grundsaetzlich falsch.
richtig ist, dass die angesprochnenen musikrichtungen zunehmend von rechten fans unterwandert werden. diese entwicklung laesst sich jedoch auch bei originaer linken musikrichtungen ( industrial, folk usw koennen als eher unpolitisch angesehen werden), wie zb punk und insbesondere der hardcoreszene beobachten. bei letzterer unterscheiden sich linke und rechte fans haeufig nur durch die farbe ihrer schnuersenkel. auch der vor einiger zeit noch als “negermusik” verschrieene hip hop erfreut sich in rechten kreisen zunehmender beliebtheit (der begriff der neuen deutsche haerte entsstammt eben dieser subkultur. siehe aggro-label). die unterwanderung eher unpolitischer oder linker subkulturen durch rechte gruppen laesst sich also eher als gesamtgesellschaftliches problem begreifen als das von raeumlich eng einzugrenzenden jugendkulturen. die ursache liegt wohl auch im aufbruch trad. rechter milieus und dem rueckzug der rechten skinheadkultur. aehnliches laesst sich ja auch bei der bearbeitung linker politikfelder (kapitalismus, umweltschutz usw.) durch rechte parteien und verbaende beobachten.

nach dieser eher allgemeinen betrachtung des problems zurueck zum eigentlichen kritikpunkt. rammstein entstammt der ostdeutschen punkszene, hat seine wurzeln also eher an der linken seite des politischen spektrums. die ersten 2 alben waren auch voellig unpolitisch und behandelten insbesondere sexuelle pratiken und fetische die jeder “aufrechte deutsche” als “entartet” bezeichnen wuerde. der ihr bis heute nacheilende ruf ein teil des rechten spektrums zu sein erhielt die band erst 98, als im zuge des “stripped” videos der boulevard eine kampagne startete der sie genau in dieser ecke verortete (wohl ebenfalls aus unwissen). die band distanziert sich seit dem in jedem interview ausdruecklich davon rechtes gedankengut zu unterstuetzen (im video wurde bewusst kein einziges ns symbol verwendet). das rammstein mit diesem video provozieren wollte kann man nicht ausschliessen und halte ich auch fuer recht wahrscheinlich. (m.h.)

Wenn es eine deutsche Band im Ausland gibt, dann sind es Rammstein. Die sind bekannter als die Ärzte, tote Hosen und so weiter. Bisher trat Rammstein bei über 450 Konzerten in mehr als 35 Ländern auf. Ein faschistoider Zug wird der Band immer wieder seitens der Medien vorgeworfen, jeder kann sich erkundigen, wie die Band dazu steht.
Ihre Tabubrüche und bizarre Vorstellung von Ästhetik in Musik und Video sind immer wieder Stein des Anstoßes. Das ist jedoch bei Kunst immer so, und niemand wird deswegen als Braun abgestempelt. Rammstein hat auch viel Müll gemacht, jedoch kann man auch hier sehen, dass sie eindeutig innovativ und bahnbrechend sind, und so viele Leute zum Nachdenken bringen, was nie falsch sein kann. (P.L.)

2. Stellungnahme von Kai Ruhsert

Brigitta Huhnkes Beitrag „Neue deutsche Härte – die Rechten klauen linke Lieder“ hat unter NachDenkSeiten-Lesern heftigen Widerspruch ausgelöst. Die Kritik richtet sich hauptsächlich gegen zwei Punkte:

  • Brigitta Huhnke stelle zu Unrecht einen Zusammenhang her zwischen eindeutig faschistischen Musikgruppen und solchen, deren Inszenierungen zwar faschistoid wirkten, die sich verbal aber von rechtsradikalem Gedankengut distanzierten, so z.B. Rammstein: „Diese Band verwendet definitiv Nazi-Ästhetik in ihren Bühnenshows und in ihrer Musik, aber m. E. eher aus Spaß an der Provokation und wahrscheinlich auch kommerziellem Kalkül. (J.A.)“. Nahezu alle Leserbriefschreiber räumen ein, dass diese Band eine faschistoide Ästhetik nutze, bezeichnen dies unter Verweis auf Interviews und Liedzitate aber als mehr oder weniger harmlose Provokation.
  • Es sei falsch, Fans von Gruppen wie z.B. Rammstein unter den Generalverdacht faschistoider Tendenzen zu stellen.

Der Zorn mancher Leser, die offenbar von der Musik und den Auftritten der Band beeindruckt sind, über die Autorin führt zu eigentümlichen Begründungen und teilweise überzeichnenden Darstellungen:

  • „Die will Rammstein auch noch George W. Bush anhängen. Und dabei hat Rammstein längst, wie so viele andere Musiker auch, ein Bush-kritisches Lied veröffentlicht.“ (E. B.)
    Tatsächlich hatte Brigitta Huhnke geschrieben: „Anfang des neuen Jahrhunderts wurde sie sogar zum Exportschlager deutscher Kultur, besonders beim weißen, kriegsbegeisterten Mann in den USA. Da hatte sich das dortige Milieu des „Neo-Macho Man“ gerade mit George W. Bush ihre tollste männliche Ikone an die Spitze gesetzt.“ Über die Einstellung von Rammstein zu Bush enthält der Text kein einziges Wort. Brigitta Huhnke hat das US-amerikanische Milieu kommentiert, das einen großen Teil der Besucher von Rammstein-Konzerten in den USA stellt.
  • B.D. schreibt: „Der Zusammenhang mit „rechtem Gedankengut“ … (ist, KR) … bei Joachim Witt … überhaupt nicht ersichtlich (Er ist Wagner-Fan und bekennt sich zu seinem Heimatland).“
    Seit wann ist die Vorliebe für Wagner-Musik ein Beleg für Distanz zu rechter Gesinnung? Adolf Hitler würde dem gewiss widersprechen. Und an einem Video von Joachim Witt fände er sicher auch Gefallen:
    “Witts bei Viva gespieltes Video »Die Flut«, das an »Das Boot ist voll«-Metaphern und sogar an Nazi-Filme mit Bilderwelten von Juden als Rattenplage erinnert, übersteigt in Bezug auf rechte Inhalte jedoch alles, was sich die Böhsen Onkelz je zu zeigen getraut hatten.“

Für den Vorwurf, die Rammstein-Musiker seien Faschisten, gibt es in der Tat keine eindeutigen Belege. Nun enthält Brigitta Huhnkes Text allerdings an keiner Stelle die Behauptung, Rammstein vertrete faschistische Einstellungen. Sie wirft der Gruppe nur das vor, was sie unbestreitbar tut: Sich einer faschistischen Ästhetik zu bedienen. Ob der gemeinsame Kontext mit den offen rechtsradikalen Musikgruppen tatsächlich nur ein äußerlicher ist, mag diskutabel sein; zu übersehen ist er allerdings nicht, und genau darauf kommt es Rammstein ja wohl auch an.
Eine scheinbar unpolitische und unkritische Einstellung zu dieser Musik und ihrer Präsentation ist gefährlich. Die Meinungsunterschiede sind daher erheblich. Wir behaupten, dass die Bedeutung des Gebrauchs faschistischer Symbolik unterschätzt wird.

Gruppen wie Rammstein haben dazu beigetragen, faschistoide Elemente in die Alltagskultur zu integrieren. Welche Relevanz dies hat, ist ohne einige grundlegende Anmerkungen zum Faschismus nicht zu verstehen.

Der Faschismus ordnet die Interessen der großen Mehrheit der Menschen einer Herrschaftsideologie unter. Die Entscheidung für faschistisches Gedankengut ist selbstunterwerfend und irrational. Es ist daher prinzipiell unmöglich, jemanden mit aufklärerischen Argumenten vom Faschismus zu überzeugen. Dazu ist es notwendig, die Emotionen anzusprechen, und dies auf eine so massive, überwältigende Weise, dass das kritische Denken weitgehend ausgeschaltet wird. Der Faschismus greift dazu auf eine vorgeschichtliche, atavistische Bildersprache zurück und ist genuin gewalttätig: Die antizivilisatorische Gewalt des Faschismus beeindruckt (das wirkt auf manche attraktiv) und schüchtert zugleich ein (durch die brutale Behandlung von Minderheiten und Gegnern wird Widerstand unterdrückt).

Um sich von dieser dunklen Phase der deutschen Geschichte abzugrenzen, waren Symbolik und Bildersprache des Faschismus im Nachkriegs-Deutschland lange Zeit tabuisiert. Dieser Form der Ablehnung haftete allerdings auch etwas Rituelles und gleichzeitig Antiaufklärerisches an, weil die Analyse der Ursachen des Faschismus u.a. durch die Rücksichtnahme auf ungebrochene Politiker- und Beamten-Karrieren oder auf Kriegs- und Arisierungsgewinnler behindert wurde.

Vor allem in Ostdeutschland funktioniert das Nachkriegs-Arrangement mit dem faschistischen „Erbe“ nicht mehr. Das vereinte Deutschland kann einem Teil der Jugendlichen dort keine attraktive Lebensperspektive bieten. Das sind ideale Bedingungen für faschistische Organisationen, um mit (nationalen) Allmachtsphantasien ihre braune Saat zu säen und Mitläufer zu rekrutieren.

Ob gewollt oder ungewollt: Rammstein hat dabei eine Katalysatorfunktion, indem es das Publikum an eine faschistische oder dem Faschismus nachempfundene Ästhetik gewöhnt. Damit fällt eine kulturelle Schranke. Die Annäherung an offen faschistische Gruppen wird erleichtert, wenn die Unterschiede nur noch durch Textkritik der Songs erkennbar sind.
Es gibt viele Faktoren, die dazu beitrugen, dass Nazis in einigen Regionen Deutschlands die Jugendkultur dominieren. Rammstein gehört dazu, obwohl tatsächlich nichts ausdrücklich darauf hindeutet, dass sie selber den Neonazis zuzuordnen sind. Sie bedienen einen Markt und denken (vielleicht) nicht darüber nach, was sie bewirken und auslösen. Vorwärts können sie nicht, denn Faschisten sind sie wohl nicht. Aber sie können auch nicht zurück, denn würden sie die Inszenierung ihrer Auftritte entschärfen, bräche ihr Erfolg beim Publikum ein, und kaum jemand würde mehr über sie reden.
Rammstein selbst löst den Widerspruch zwischen faschistoider Präsentationsform und formalem Bekenntnis zur Demokratie nicht auf. Sie beteuern zwar immer wieder, keine Nazis zu sein, doch die Interviews sind wenig gehaltvoll und lassen eher auf politische Indifferenz schließen. Damit nehmen sie billigend das Risiko in Kauf, ein Feld zu bestellen, auf dem andere ernten. Bei manchen Zuhörern kann der Wunsch nach „Härterem“ geweckt werden:

  • “Rammstein sind vermittelnder Katalysator…Daher Daumen hoch für Rammstein und all dem, was in ihrem Fahrwasser auf uns zukommen mag”! (Junge Freiheit – 29.3.96)”
  • “Josef Klumb, aus Bingen am Rhein, der wichtigste Musiker in der rechten Darkwave- und Gothicszene, sah im „Fahrwasser von Rammstein“ plötzlich eine realistische Chance, in den Pop-Orbit aufzusteigen: “Rammstein gehören zu uns, aber unwissend und unschuldig. Sie machen eine Art Volksmusik, sie marschieren in die Charts… und sie sind authentisch Deutsch!””
    DLF, 14.1.2001: „Schwarzer Samt und schwarze Sonne“ (von Michael Weißfeld)
    Quelle: rz-home.de
  • „Rammstein gibt sich unpolitisch. … offenbar wirkt nur die Ästhetik, sie ist die Botschaft, nicht der Text. … den größten und medienwirksamsten Erfolg erzielte Rammstein mit dem Video zu ihrem Lied Stripped: Sie ließen Zitate aus Leni Riefenstahls Film über die Olympischen Spiele im Jahr 1936 montieren. Natürlich war das als Provokation gedacht, denn die Lichtdome Albert Speers, damals durch hundertfünfzig Flakscheinwerfer gebildet, gehören in der kollektiven Erinnerung zur nationalsozialistischen Ästhetik par excellence. Leni Riefenstahl und ihre Methode, politische Inhalte mit den Stilmitteln säkularer Religionen zu vermitteln und somit bestimmte Formen der Popkultur zu antizipieren, ist vor allem deshalb problematisch, weil sie ihren Kern leugnet: gruppendynamische Gefühle rituell einzuüben. … Alec Empire von Atari Teenage Riot hielt die deutsche Band nicht für Nazis, aber er vermutete, dass sie viele Platten verkaufen würden, weil das Publikum denken würde, die Musiker wären Nazis. Er erwartete, dass Rammstein sich zu den Vorwürfen äußert: »Man kann nicht ein Leni-Riefenstahl-Video machen und dann einfach sagen, das sei nur ein Scherz gewesen. Mein Großvater kam im KZ ums Leben – das finde ich nicht lustig.« … Ästhetik ist immer auch Politik. Das Politische besteht darin, dass das Politische geleugnet wird. Daher stehen Bands wie Rammstein und Epigonen natürlich in der künstlerischen Tradition Riefenstahls. … Der fromme Schauder unter dem Lichtdom ist die Antizipation der freiwilligen Unterwerfung unter das Kollektiv.“
    Quelle: Freitag
  • „Muss man Rammstein als Teil des Rechtsrocks sehen?
    Natürlich muss man das. Hier geht es um eine ästhetische Aufbereitung, die klar zu einem politisch-geschichtlichen Kontext gehört. Politik spielt sich doch nicht nur über platte Parolen ab. Rammstein ist eindeutig ein Teil des Rechtsrock, nicht des Neonazirock, aber des Rechtsrock.
    Nur wird das von den meisten Fans entweder bestritten oder überhaupt nicht gesehen.
    Für die Fans ist das ein bisschen Grusel, Party, ein bisschen Schocking, und dann geht man nach Hause. Mehr verbinden die damit nicht. Und das ist die Problematik. Würden wir diese Diskussion mit den vielen Fans führen, dann müssten wir weit zurückgehen und fragen, was ist eigentlich Rechtsextremismus, was ist eigentlich Faschismus. Zuerst muss ein Verständnis dafür da sein, bevor man erklären kann, was man meint. Aber dieses Verständnis existiert nicht.“
    Quelle: Freitag
  • Der faschistoide Charakter der Inszenierungen von Rammstein kann nicht ernsthaft bestritten werden:

    Ein paar gestammelte Worte, dass man mit den Rechten nichts am Hut habe, genügen angesichts dieser Bilder und Eindrücke nicht.
    Es fällt schwer, sich der Wirkung faschistischer Inszenierungen ganz zu entziehen. Das präzise kalkulierte Spiel mit den Emotionen funktioniert oft sogar noch bei der Betrachtung 70 Jahre alter Wochenschau-Aufnahmen. Niemand braucht sich dessen zu schämen; es kommt darauf an, den Zweck zu durchschauen.
    Auch den Umgang mit Musikindustrie-Produkten wie Rammstein muss man durch die eigene Sozialisation gelernt haben. Viele Fans sind faschistischer Neigungen unverdächtig, aber doch von brachialer Ästhetik fasziniert, wollen sich diesen Spaß von niemandem verderben lassen und verweigern – vielleicht auf Grund emotionaler Überwältigung – sich jeglicher Analyse. Doch nur wer dies alles in einen historischen und politischen Kontext einzuordnen weiß, ist gegen Missbrauchsmöglichkeiten immunisiert.


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