Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Stuttgart Institute of Management and Technology: Schon wieder eine private Elitehochschule pleite
Datum: 17. März 2007 um 11:21 Uhr
Rubrik: Hochschulen und Wissenschaft, Privatisierung
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Die private Universität Witten-Herdecke wurde jüngst vom Gesundheitskonzern SRH vor der Pleite bewahrt, die “International University Bremen” (IUB) musste jüngst von der Kaffeeröster- Stiftung Jacobs gerettet werden, der Größenwahn der „European School of Management and Technology“ (ESMT) im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude Berlin ist längst an der Realität zerplatzt. Und nun wird auch die „Eliteeinrichtung“ des Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT) verramscht: Für einen symbolischen Euro übernahm die Steinbeis-Gruppe des akademischen Multi-Unternehmers Professor Johann Löhn aus Stuttgart die Führung. Über 20 Millionen Euro staatlicher und privater Mittel flossen – viel Geld für eine private Universität, die nach neun Jahren lediglich 281 Absolventen vorzeigen kann.
Man muss sich die Selbstanpreisungen der Eliteeinrichtung SIMT einfach einmal auf der Zunge zergehen lassen:
Das Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT) ist eine internationale Business School und Weiterbildungseinrichtung der Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB). Die Business School SIMT wurde 1998 auf Initiative mehrerer Unternehmen, unter ihnen Bosch, DaimlerChrysler, Hewlett-Packard, Siemens und Trumpf, gegründet. Als Graduate School of Management bietet SIMT postgradual ein praxis- und teamorientiertens Programm zum Master of Business Administration (MBA) auf Englisch an, welcher staatlich und international anerkannt ist und ein optionales Austauschprogramm mit den renommierten internationalen Partneruniversitäten des SIMT einschließt. Über das Vollzeit- und Teilzeit-MBA-Studium hinaus bietet SIMT Programme im Bereich Management Development / Executive Education für das mittlere und gehobene Management deutscher und internationaler Unternehmen an. Diese Weiterbildungsangebote im Bereich Managementwissen sind praxisorientiert und umfassen Führungskräfteseminare für die SIMT Partnerfirmen, welche im Rahmen eines “Management Education Network” gemeinsam eine Corporate University realisieren, darüber hinaus tailor-made (firmenspezifische) Programme sowie offene Seminare (2 Tage) zu bedarfsorientierten Managementthemen, zur gezielten Weiterbildung und Mitarbeiterqualifizierung.
SIMT ist eine der führenden Management Schools in Deutschland und hat Platz 20 in Europa im internationalen Ranking der Global Top 100 Business Schools erreicht (MBA Career Guide London 2004, QS Research). Seine postgradualen MBA-Studiengänge und seine Management Development Programme machen SIMT zu der internationalen Management School auf Universitätsniveau der Region Stuttgart mit starker Verbindung zur Wirtschaft und Wissenschaft.
Warum entpuppen sich die bombastischen Ankündigungen über die von der Wirtschaft gesponserten „Spitzenhochschulen“ immer wieder als Größenwahn?
Da es immer dieselben Gründe sind erlaube ich mir, einen früheren Beitrag zu diesem Thema zu wiederholen:
Die Gründe sind: Die staatlichen Hochschulen sind zu gut. Kein noch so karrieresüchtiger Student gibt teures Geld aus, wenn er an den staatlichen Hochschulen eine vergleichbare Leistung bekommt. Kein Unternehmen steckt auf Dauer Geld in eine Ausbildung, wenn die Gefahr besteht, dass die Ausgebildeten zum Konkurrenten abwandern.
Ein Strategiewechsel zeichnet sich ab: Durch unmittelbare Einflussnahme auf die Hochschulpolitik und die Hochschulen lassen sich die Interessen der Wirtschaft flächendeckender und kostengünstiger durchsetzen als durch die langfristige Finanzierung von wenigen privaten Hochschulen. Die Ausbreitung der neoklassischen Lehrmeinungen an den deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten beweist den durchschlagenden Erfolg dieser Strategie.
Private Hochschulen – minimaler Anteil, maximale Öffentlichkeitsarbeit
In Deutschland gibt es laut dem neuesten Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz 88 staatliche, 16 kirchliche, überwiegend staatlich finanzierte und 15 private staatlich anerkannte Universitäten. Von den insgesamt 1.361.951 Studierenden an wissenschaftlichen Hochschulen (also ohne Fachhochschulen) studieren 6.904 an privaten Hochschulen, das ist gerade mal ein halbes Prozent. Berücksichtigt man noch, dass unter den privaten auch solche Hochschulen sind, die von wohltätigen Organisationen getragen werden, bleibt nur noch ein verschwindend kleiner Teil von Studierenden übrig, der an den überwiegend von der Wirtschaft getragenen wissenschaftlichen Hochschulen studiert. Selbst wenn man nur die Studierenden der Wirtschaftswissenschaften nimmt – denn die meisten dieser privaten Universitäten bilden ausschließlich Betriebswirte aus -, dürfte der Anteil der an privaten „Schools“ Studierenden allenfalls zwischen 1 und 2 Prozent – eher aber niedriger – liegen.
Blättert man jedoch die Wissenschaftsseiten der Tages- oder Wochenzeitungen und vor allem der Wirtschaftszeitungen durch, so muss man den Eindruck gewinnen, dass die von der Wirtschaft getragenen „Business“ oder „Management Schools“ nicht nur geradezu wie Pilze aus dem Boden schießen, sondern mehr noch, dass an ihnen das deutsche Hochschulwesen wieder genesen werde.
Kein Wunder: Über die staatlichen Hochschulen hört man seit Jahrzehnten nicht viel anderes, als dass sie „Mittelmaß“, „im Kern verrottet“ (Peter Glotz), „mit dem Latein am Ende“ (SPIEGEL) oder einfach „krank“ sind.
Wahre Jubelberichte hingegen kann man immer wieder über solche Hochschulen lesen, die sich gerne mit modernen englischen Kürzeln schmücken, wie E.A.P für European School of Management (Berlin), IUB für International University of Bremen, IU für International University in Germany (Bruchsal), BLS für Bucerius Law School (Hamburg), GISM für German international School of Management and Administration (Hannover), EBS für European Business School (Oestrich-Winkel) oder ESMT für European School of Management and Technology (Berlin).
Wenn man der überwiegenden Berichterstattung über diese im Laufe der letzten zehn Jahre gegründeten Hochschulen und vor allem den hochschuleigenen Werbebroschüren Glauben schenkt, dann kann man nur noch an Hölderlin denken und den Eindruck gewinnen, dass von diesen selbst ernannten „Elite“-Hochschulen endlich „das Rettende naht“.
Das Beispiel der ESMT Berlin
Eine besonders feine Hochschul-Adresse sollte die European School of Management and Technology (ESMT) werden. Wie bei all diesen „Schools“ wird natürlich nur auf Englisch gelehrt; deshalb gelten sie von vornherein als „international“, mindestens aber „european“. Die ESMT wurde sogleich als „Super-Business-School“ gehandelt, als „Schule mit globalem Anspruch und einem europäischen Geist im Herzen Europas“. An dieser Managerschule geht es nicht nur um ein Studium oder um wissenschaftliche Weiterbildung für einen ordentlichen akademischen Beruf – nein, es geht um „Learning for Leading“. Ziel der Ausbildung in der ESMT ist nicht etwa nur die Befähigung zu selbständigem wissenschaftlichen Arbeiten, nein, der „klare Schwerpunkt ist Leadership“ oder wenigstens „Career Transition“. Dort sollen auch nicht mehr mittelalterlich anmutende „Seminare“, sondern „executive education programs“ angeboten werden. Studienpläne werden zu „Open Enrollment-Programs“ und Studiengänge werden nach „degree programs“ unterschieden. So heißt es, für jedermann nachlesbar, im Internet-Auftritt der ESMT.
Natürlich gehört zu dem „path to leadership“ das passende bauliche Ambiente. Dafür war in München die Wappenhalle im ehemaligen Flughafengebäude Riem, im Rheinland das Schloss Gracht bei Erftstadt und als „Headquarter“ und „the futur esmt campus“ das frühere Staatsratsgebäude auf der Museumsinsel in Berlin-Mitte gerade gut genug. “Früher wurden dort Eliten für die DDR ausgebildet, heute für die Weltpolitik. Wir bewegen uns also immer vorwärts, der Zukunft zugewandt”, merkte dazu der Berliner Wissenschaftssenator Thomas Flierl – gewollt oder ungewollt – ironisch an.
Die Crème de la Crème der deutschen Wirtschaft hat sich als Stifter eines „deutschen Harvard“ zusammengefunden. Im „Foundation Board“ sitzen Top-Manager: Dr. Henning Schulte-Noelle (Chairmann of th Supervisory Board of Allianz AG), Dr. Rolf Breuer (Chairman of th Supervisory Board of Deutsche Bank AG), Dr. Ulrich Hartmann (Chairman of the Supervisory Board of E.ON AG), Prof. Jürgen E. Schrempp (Chairman of the Management Board of DaimlerChrysler AG). Zu den weiteren 25 Top-Unternehmen, die diese Top-Elite-Einrichtung tragen, gehören noch die Siemens AG, die Lufthansa, BMW, die Hertie-Stiftung, die Deutsche Telekom, der Axel Springer Verlag, die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG, die Bundesvereinigung der Deutschen Industrie e.V., die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V., die Deutsche Post WorldNet AG, EADS N.V., die KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, die MAN AG, McKinsey&Company Inc., die Münchner Rückversicherungs AG, die Robert Bosch GmbH, die Ruhrgas AG, die RWE AG, die SAP AG, die Schering AG und The Boston Consulting Group GmbH.
Dr. Gerhard Cromme (Chairman of the Supervisory Board of ThyssenKrupp AG) hat den Vorsitz im Supervisory Board der ESMT inne.
Eindrucksvoller, größer, globaler, mit größerer ökonomischer Potenz geht es jedenfalls in Deutschland kaum noch, um eine Hochschule aufzubauen, die den Ansprüchen unserer Global Player endlich entspricht und die in der Weltliga mitspielen kann.
50.000 € Studiengebühr p.a. – Zum Welterfolg fehlen nur noch die Studenten
Und weil ja nichts wert ist, was nichts kostet, müssen die Studierenden dieser „bedeutendsten Lehr- und Forschungseinrichtung auf dem Kontinent“ es sich schon was kosten lassen, um zu den „High Potentials“ aufzusteigen, nämlich 50.000 Euro im Jahr. Das ist mehr, als in Stanford oder Harvard an Studiengebühren auf den Tisch geblättert werden muss, viel mehr als an der London School of Economics und sehr viel mehr als an der renommierten Uni St. Gallen.
Zum absoluten Welterfolg fehlt dieser Elite-Hochschule eigentlich nur noch eine winzige Kleinigkeit: Es fehlen die Studierenden. Zwar gab es in München und Köln seit 2002 für rund 750 Führungskräfte einige Seminarprogramme, aber ein erster MBA-Studiengang ist – obwohl die Hochschule seit November 2001 Schlagzeilen macht und die Berliner Gründung mit allem Pomp im Beisein des Bundespräsidenten schon im Oktober 2002 gefeiert wurde – nach mehrfachem Hinausschieben erst für Januar 2006 mit 30 bis 50 Teilnehmern angekündigt worden.
Wenn es denn dazu kommt!
Denn SPIEGEL ONLINE meldet am 28. Mai 2005 unter der Überschrift „Studienabbruch des ESMT- Präsidenten“, dass der Chef des Management Boards, der britische Professor für Strategie und Marketing Derek F. Abell, sein Amt aufgibt. Sein Traum vom Aufbau eines „Harvard an der Spree“ scheint wohl geplatzt zu sein; vielleicht muss er auch den Sündenbock für die Pannenserie beim Aufbau spielen.
Hinter den groß gefeierten „Milestones“ des ESMT verbergen sich nämlich eine Serie von Peinlichkeiten.
Die Gründungsphase
Der Staat als Ausfallbürge
„Das Engagement der deutschen Wirtschaft garantiert, dass die Sache ein Erfolg wird“ erklärte Gerhard Cromme noch im Jahre 2002. Niemand brauchte sich zu wundern, wenn auch das ESMT im nächsten Jahr die Hand nach weiterer Staatshilfe aufhielte. So war es in Bremen, wo die IUB von Anfang an über 200 Millionen vom verarmten Bremen abstaubte, so war es in Baden-Württemberg, und so war es in Witten-Herdecke, wo das Land NRW inzwischen ein Drittel der Kosten für die „private Universität“ trägt. Wie selbstverständlich sacken diese „privaten“ Hochschulen schon seit längerem staatliche Hochschulbaufördermittel in Millionenhöhe ein. Angesichts der geringen Studierendenzahl sind die Studierenden an der „privaten“ Universität Witten-Herdecke pro Kopf inzwischen die teuersten Studierenden für das Land NRW geworden. (Nimmt man einmal die Kunst- und Musikhochschulen aus.)
Warum entpuppten sich die bombastischen Ankündigungen immer wieder als Größenwahn?
Warum kommen die meisten der von der Wirtschaft gesponserten, privaten Hochschulen nicht auf die Beine?
Es ist immer die gleiche Schrittfolge:
Was sind die Gründe, warum die meisten privaten Hochschulen in Deutschland nicht zu Erfolgsmodellen werden?
Der Strategiewechsel: Statt der Gründung von privaten Hochschulen die „Privatisierung“ der staatlichen Hochschulen
Der entscheidende Grund für das nachlassende, finanzielle Engagement der Wirtschaft für private Hochschulen ist allerdings ein ganz anderer:
„Was als hochschulpolitische Strategie einmal sinnvoll gewesen sein mag, nämlich durch private Gründungen Reformbereitschaft im öffentlichen Hochschulwesen zu wecken, ist längst überholt“ meint Stanford-Professor Weiler. Selbst der unternehmereigene Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft bewertet den „Mehrwert“ der privaten Business-Schools im Vergleich zu den öffentlichen Hochschulen als „relativ bescheiden“. Reinhard Mohn, der Bertelsmann-Patriarch, einst Hauptmotor und wichtigster Geldgeber der privaten Universität Witten-Herdecke, hat den Strategiewechsel schon vor einiger Zeit vollzogen: Er stellte seine Zahlungen an diese Hochschule ein und lenkt sein Geld lieber in das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) der Bertelsmann-Stiftung. Er hat erkannt, dass durch die „Beratungsleistungen“ und die unmittelbare Einflussnahme auf die Hochschulpolitik und auf die staatlichen Hochschulen die Interessen der Wirtschaft viel besser und flächendeckender umgesetzt werden können als durch einen aussichtslosen Wettbewerb einiger privaten Hochschulen mit ihren viel potenteren, staatlichen Konkurrenten. “Es ist zu befürchten, dass die Auswirkungen der ESMT auf die deutsche Hochschullandschaft eher gering bleiben werden”, fasst Erik Otto vom CHE zusammen. Es könne sein, „dass schon in wenigen Jahren niemand mehr von der ESMT rede.”
Im übrigen haben die Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass sie mit einigen Stiftungsprofessuren (natürlich unter der Auflage, dass diese nach wenigen Jahren vom Staat übernommen werden) das wissenschaftliche Profil und die wissenschaftliche Ausrichtung einer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät viel direkter und mit der einmaligen Bereitstellung von etwa drei Millionen Euro viel kostengünstiger nach ihren Interessen beeinflussen und sogar bestimmen können als über den langen, teuren und unsicheren Weg der Gründung und langfristigen Finanzierung einer privaten Hochschule.
Die Erfolge dieses hochschulpolitische Strategiewechsel der Wirtschaft sind unübersehbar:
Doch es werden nicht nur (privat-)unternehmerische Betriebs- und Managementstrukturen auf die staatlichen Hochschulen übertragen, auch die erkenntnisleitenden Interessen in den einzelnen Wissenschaften werden zunehmend von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Auf die Wirtschaftswissenschaften hat dieser Effekt schon voll durchgeschlagen. Der frühere, pluralistische Wettstreit zwischen eher nachfrageorientierten und eher angebotsorientierten Schulen ist nahezu uniform zugunsten der Angebotstheoretiker entschieden, der Neokeynesianismus ist fast komplett von der Neoklassik verdrängt worden. Die Mikroökonomie bzw. die Betriebswirtschaftslehre haben gegenüber der Makroökonomie oder der „Nationalökonomie“ bzw. den „Staatswissenschaften“ weitgehend obsiegt. Die mathematische („rein wissenschaftliche“) Modellzimmerei hat gemessen am internationalen Standard die empirische Wirtschaftsforschung an die Wand gedrängt.
Wozu sollte also die Wirtschaft noch private Business oder Management Schools aufbauen oder finanzieren, wenn es ihr zu gelingen scheint, die etablierten, staatlich finanzierten Hochschulen zu „privatisieren“?
Quelle 1: Kopflose Elite-Uni, Studienabbruch des ESMT-Präsidenten
Quelle 2: Am Tropf der Unternehmen, Bärbel Schwertfeger
Quelle 3: Universum statt Nische! Hans N. Weiler
Quelle 4: esmt.org
Quelle 5: hochschulkompass.de
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=2183