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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. März 2007 um 8:49 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. ARD-„plus minus“ betreibt Lohnverzichtspropaganda
    Eine halbe Million neuer Jobs durch moderate Abschlüsse haben das Ende der sauren Gurkenzeit am Arbeitsmarkt eingeläutet. Weitere 440.000 neue Stellen könnten hinzukommen. Daher kommt es jetzt bei den Tarifverhandlungen vor allem auf die Gewerkschaften an.
    Quelle: ARD

    Anmerkung: Da gab es nun – auch von der Arbeitgeberseite eingestanden – seit über 15 Jahren moderate Lohnabschlüsse und die Arbeitslosigkeit stieg auf Rekordhöhen. Aber die Gehirnwäsche geht weiter. Die neue Hirnwaschformel lautet: Lohnzurückhaltung schaffe Arbeitsplätze, Arbeitplätze senkten die Zahl der “Angstsparer” und dadurch würde der Konsum erhöht.
    Jeder Arbeitslose sei quasi schuld daran, dass es drei Angstsparer gibt,
    4 Mio. Arbeitslose “erzeugten” daher 12 Mio. Angstsparer.
    Herausgefunden haben diese Formel: Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), die chronisch mit ihren Konsumprognosen daneben liegende Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und der Unternehmer Friedhelm Runge. Hat es eigentlich jemals einen Unternehmer gegeben, der vor Lohnverhandlungen nicht vor Entlassungen bei höheren Lohnabschlüssen warnte?
    Und natürlich führt der Link zu den internationalen Lohnvergleichen gleichfalls zum IW [PDF – 96 KB] und nicht etwa zu einer viel aktuelleren Vergleichsstatistik des Statistischen Bundesamtes. Das nennt man dann beim „Wirtschafts“- Magazin plus minus ausgewogene Berichterstattung.

    Jammern gehört zwar zum Handwerkszeug des Mittelstandes, sieht man aber vom Gejammere des einzelnen ab, sieht das Gesamtbild ziemlich anders aus:

    Die Ernst & Young-Umfrage „Mittelstandsbarometer 2007“
    Weitere Verbesserung der Geschäftslage und der Konjunktur erwartet / Mittelständler wollen mehr Mitarbeiter einstellen / Wachstumsinvestitionen geplant / Stimmung in ostdeutschen Bundesländern deutlich verbessert
    Quelle: Ernst & Young

    Siehe dazu auch: Streitzeit, DGB Bayern [PDF – 208 KB]

  2. Lohnpolitik: Auch europäische Nachbarn hoffen auf ein Ende der beharrlichen Lohnzurückhaltung der Deutschen – und nicht nur die Gewerkschaften in Deutschland
    Quelle: FR
  3. Renten – lasst die anderen für uns arbeiten
    Einkünfte aus dem Ausland dürften künftig wichtiger sein für die Aufrechterhaltung des Lebensstandards als das den meisten bewusst ist, aber das ist fürs Erste vor allem eine Sache des privaten Sektors.
    Quelle: Die Zeit – Herdentrieb

    Anmerkung: Lassen wir also doch einfach die Chinesen oder die Entwicklungsländer für unsere Rente arbeiten. Wir liefern das Kapital, sie liefern die Dividenden.
    Dieter Wermuth gesteht freilich zu: „Dem normalen künftigen Rentner, der heute vielleicht nicht in der Lage ist, privat vorzusorgen, nützt es nicht direkt, dass Deutschland als Ganzes immer mehr von seinen Auslandsaktiva leben kann. Es ist ein Verteilungsproblem.“ So war es, so ist es und so wird es bleiben.
    Voraussetzung wäre weiter, dass „die anderen“ auf Dauer bereit sind, „für uns“ zu arbeiten und das Kapital, „das scheue Reh“ nicht flüchtet.

  4. Die große Koalition wird die Unternehmensteuer reformieren – und damit Konzernen Milliarden schenken und den Mittelstand belasten
    Deutschland sollte es grundsätzlich so handhaben wie die USA – und das so genannte “Anrechnungsverfahren” anwenden. Gewinne aus dem Ausland würden dann hier ganz normal besteuert, und wenn sie auch schon in einem anderen Staat versteuert wurden, dann kann das beim Finanzamt angegeben werden.
    Quelle: taz
  5. Greenpeace veröffentlicht Studie über Organschäden von Versuchstieren durch Gen-Mais
    Wir können sagen mit Gewissheit sagen, dass der gentechnisch veränderte Mais MON 863, der hier getestet wurde, nicht als unbedenklich gelten kann. Nicht nur für die Menschen, sondern auch für Tiere.
    Quelle: DLF
  6. Grünbuch Arbeitsrecht: Arbeitsrecht für das 21. Jahrhundert?
    Der DGB sieht das Anliegen der Kommission kritisch. Bereits der Titel des Grünbuchs unterstellt, arbeitsrechtliche Bestimmungen könnten wirksam Einfluss auf insbesondere die arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der Zukunft nehmen. Diese Auffassung teilen die deutschen Gewerkschaften nicht.
    Quelle: DGB

    Anmerkung Volker Bahl: Trotz dieser hier bei dem Problem “Flexicurity” in die Tiefe gehenden Anmerkungen finde ich immer noch, dass sich die Gewerkschaften allein auf die arbeitsrechtliche Problemstellung der EU haben reduzieren lassen (Flexibilisierung des Arbeitsmarktes – liegt im Deregulierungsinteresse der EU !) und nicht auf den arbeitsrechtlichen Kernpunkt – das Streikrecht – vorgedrungen sind , weil erst hierüber die betroffenen ArbeitnehmerInnen an der inhaltlichen Entwicklung der Regulierung (vgl. in Frankreich die Streikbewegung um dieses “Ersteinstellungsgesetz”) mitwirken können. Wenn schon immer von “Eigenverantwortung” geredet wird, so könnte man dies über ein solches Streikrecht zum Beispiel real machen – anstatt “Eigenverantwortung” nur dann zur Geltung kommen lassen zu wollen, wenn die Macht- Asymmetrie des Arbeitsmarktes dem/der Arbeitnehmer/in nur noch eine Stellung als Objekt gewährt – und damit diese Eigenverantwortung zur Farce oder bloßen Ideologie wird.

  7. Amartya Sen: Der Missbrauch der Kulturen
    Dass der imposante Kultur-Ansatz solchen Anklang findet, ist leicht zu verstehen. Er beschwört die Fülle der Geschichte und die scheinbare Tiefgründigkeit und den Ernst der Kulturanalyse, und er bemüht sich um Tiefe in einer Weise, die der aktuellen politischen Analyse des “Hier und Jetzt”, das als alltäglich und profan empfunden wird, offenbar abgeht.
    Falsche Beschreibungen und falsche Vorstellungen können die Welt zerbrechlicher machen, als sie sein müsste. Nicht nur, dass die Annahme einer singulären Klassifikation unhaltbar ist – eine weitere Schwäche der Kultur-Theorie besteht darin, dass sie die Verschiedenheiten innerhalb der benannten Kulturen ignoriert und über die ausgedehnten Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Kulturen hinwegsieht.
    Gelehrsamkeit und Denken in der Welt pflegen aufgrund von Entwicklungen in verschiedenen Regionen voranzukommen, und angesichts dessen wäre es unangemessen, den Fortschritt einer imaginierten Absonderung der Kulturen zuzuschreiben. Ideen und Erkenntnisse, die in den letzten Jahrhunderten im Westen entwickelt wurden, haben die moderne Welt dramatisch verändert, aber eine rein westliche Konzeption ist darin schwerlich zu erkennen.
    Quelle: Le Monde dipolmatique
  8. Unfallversicherung reformieren
    Um die Lohnzusatzkosten zu senken, will die Bundeskanzlerin die Vorschläge der Verbände aufgreifen, unter anderem die gesetzliche Unfallversicherung zu reformieren. “Dazu sind die Pläne der Bundesregierung noch nicht konkret, aber die Verbände haben Vorschläge gemacht”, erklärte Merkel. Die Wirtschaftsverbände schlagen vor, die Wegeunfälle aus dem Leistungskatalog der Unfallversicherung zu nehmen. Damit könne eine Beitragsersparnis von bis zu 18 Prozent erreicht werden.
    Quelle: Deutsche Handwerkszeitung

    Anmerkung: Wieder einmal ein Beispiel wie der Fetisch Lohnnebenkosten für ganz andere Zwecke missbraucht wird. Der Artikel ist auch deshalb ganz interessant, weil er in vielen Punkten (Unternehmensteuerreform, Erbschaftssteuerreform, keine Mindestlöhne) offen erkennbar werden lässt, wie sehr die Kanzlerin die Positionen der Wirtschaftsverbände vertritt.

  9. ver.di: Der Aufschwung – nicht alles Gold was glänzt
    Mit 2,7 Prozent ist die Wirtschaft 2006 so stark gewachsen wie seit sechs Jahren nicht mehr. Gerade standen noch Bücher wie „Ist Deutschland noch zu retten“ auf den Bestsellerlisten ganz oben. Nun korrigieren die Ökonomen die Wachstumsprognosen laufend nach oben. Erst für 2006, jetzt auch für 2007. Der Pessimismus der letzten Jahre macht nun einer optimistischen Grundstimmung Platz. Die Voraussagen über das Wachstum für 2007 reichen fast schon an den Wert für 2006 heran.
    Greifen jetzt etwa die „Reformen“ der Vergangenheit? War Kanzler Schröders Agenda 2010 letztlich richtig? Schafft Lohnverzicht doch mehr Wachstum und Arbeitsplätze? Nichts von alledem! Antriebskräfte für den Aufschwung sind ein erneuter, diesmal besonders starker Anstieg der Exporte und die deutliche Belebung der Investitionstätigkeit.
    Quelle: ver.di Wirtschaftspolitische Informationen [PDF – 156 KB]
  10. Hartz IV lässt die Mieten steigen
    Dass Langzeitarbeitslose zum Umzug gezwungen werden können, lässt die Mieten offenbar in die Höhe schnellen. In NRW wurden Preissteigerungen von bis zu elf Prozent verzeichnet.
    Quelle: Netzzeitung

    Anmerkung: “Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.”
    John Maynard Keynes

  11. Politische Perspektiven der Gewerkschaften zwischen Opposition und Kooperation
    Die Position der deutschen Gewerkschaften in und gegenüber der gegenwärtigen Phase des grundlegenden sozio-ökonomischen Wandels schwankt zwischen der Verteidigung der Errungenschaften der Vergangenheit und der Mitwirkung an einer umfassenden Restrukturierung der modernen Gesellschaften. In dieser widersprüchlichen Gleichzeitigkeit von Opposition und Kooperation setzt sich die alte Ambivalenz der Gewerkschaften als „Gegenmacht” und „Ordnungsfaktor” fort; sie ist aber gleichzeitig Ausdruck des strukturellen Problems der Gewerkschaften als einer Vermittlungsagentur unterschiedlicher und widersprüchlicher Interessen – und zwar nach innen wie nach außen – in einer Situation des grundlegenden Wandels von Interessenkonstellationen, Handlungsbedingungen und -herausforderungen.
    Die deutschen Gewerkschaften hätten gerade auch in selbstkritischer Reflexion ihres Mitgliederschwunds zu dem Ergebnis kommen können, dass es offenkundig mit der Organisation präformierter Interessen nicht (mehr) getan ist, sondern dass Gewerkschaften auch (wieder) in stärkerem Maße auf die Formierung von Interessen Einfluss nehmen müssen – und zwar nicht nur und nicht erst im Betrieb, sondern auch in Schulen und Arialitäten, in Freizeiteinrichtungen und in der Öffentlichkeit, in politischen Auseinandersetzungen um nicht unmittelbar gewerkschaftlich relevante Fragen und generell in jener Sphäre der Zivilgesellschaft, der die Gewerkschaften selber zuzurechnen sind.
    Quelle: Labournet
  12. Rudolf Dressler hält Heil für „dämlich“.
    Heil habe die Absicht verteidigt, die SPD von einer “Partei der sozialen Gerechtigkeit” in eine “Partei der Gerechtigkeit” zu verwandeln, bei deren Beschreibung man das Adjektiv “sozial” fallen lasse. Heil, so zitiert ihn sein Parteifreund Dressler, sage, dass dies die umfassendere Formulierung sei, man wolle sich nicht weiter einengen lassen. Wütend sagt Dressler das. Aus seiner Sicht will Heil nicht nur den Begriff “sozial” streichen, sondern den sozialen Anspruch der Partei. Deshalb setzt der Ex-Politiker zur Attacke an: “Mein Problem ist nicht, dass der so denkt. Mein Problem ist gar nicht, dass der so dämlich ist und das sagt. Mein Problem ist: Der ist davon überzeugt. Und weil er davon überzeugt ist, haben wir zur Zeit diese Verbündeten nicht.”
    Quelle: stern

    Anmerkung: Typisch für den inzwischen auf den Mainstream eingeschwenkten stern, dass er Dressler und den Gewerkschaften vorwirft sie würden eine „ewiggestrige, veränderungsresistente Rhetorik pflegen“.


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